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Wahlen zum Deutschen Bundestag 2021 Erwartungen der Freien Wohlfahrtspflege an die 20. Legislaturperiode

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Wahlen zum Deutschen Bundestag 2021

Erwartungen der Freien Wohlfahrtspflege an die 20. Legislaturperiode

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Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege legt hiermit ihre Erwartungen an die nächste Legislaturperiode ab Herbst 2021 dar

Die BAGFW möchte zu diesen Erwartungen mit den demokratischen Parteien, Fraktionen, Kandidaten und Abgeordneten ins Gespräch kommen, die für den Deutschen Bundestag kandidieren.

Wir stehen Ihnen gerne für weitere Erläuterungen und Gespräche zu Verfügung. Bitte schreiben Sie uns eine Mail an wahlen@bag-wohlfahrt.de. Wir melden uns umgehend.

Im Web finden Sie alle Forderungen unter: https://www.bagfw.de/themen/bundestagswahl-2021 Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW)

Oranienburger Straße 13-14 10178 Berlin

05.Mai 2021

Inhaltsverzeichnis

Demokratie und Diversität: Für die Stärkung einer vielfältigen und diskriminierungs-

freien Gesellschaft ……… 3

Klimawandel und Nachhaltigkeit ……… 6

Europapolitik: Für ein starkes, soziales und nachhaltiges Europa ………..……. 7

Gleichwertige Lebensverhältnisse ………... 10

Lehren aus der Corona-Pandemie ……….. 12

Teilhabe durch gemeinwohlorientierte Digitalisierung ………... 15

Kinder, Jugend, Familie, Frauen ……….. 17

Altenhilfe ……….. 19

Arbeitsmarktpolitik und Teilhabe ……….. 22

Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ..……….. 24

Gesundheitswesen: Chancengleichheit, Prävention, Reha ...……… 26

Flucht und Migration: Einwanderung gestalten, Aufnahme und Teilhabe ermöglichen …. 28 Bürgerschaftliches Engagement und Freiwilligendienste ………... 30

Berufliche Bildung und Qualifizierung in sozialen Berufen ………. 32

Gemeinnützigkeit I Entbürokratisierung I Umsatzsteuer ………. 33

Für Soziale Innovationen ist die Freie Wohlfahrtspflege unentbehrlich ……… 35

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Wahlen zum Deutschen Bundestag 2021

Erwartungen der BAGFW

an die Bundespolitik der 20. Legislaturperiode

Demokratie und Diversität: Für die Stärkung einer vielfältigen und diskriminierungsfreien Gesellschaft

1. Wir erwarten ein aktives Eintreten für eine vielfältige Gesellschaft, in der Chancen- gleichheit und gleichberechtigte Partizipation verwirklicht werden.

2. Wir erwarten ein aktives Eintreten gegen Rassismus, Antisemitismus, Ausgrenzung und Spaltung und für ein friedliches Zusammenleben. Politik ist dem Schutz der Würde jedes Menschen verpflichtet. Die Beratungsstrukturen und entsprechenden Präventions-Programme Integration müssen verstetigt werden. Die Verabschiedung des geplanten Demokratiefördergesetzes sehen wir als wichtiges Signal.

3. Wir erwarten den Ausbau des Diskriminierungsschutzes durch Novellierung des All- gemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) sowie den Ausbau und Verstetigung der Beratungsstrukturen und Förderprogramme im Antidiskriminierungsbereich.

4. Wir erwarten die Förderung einer diversitätssensiblen Aus- und Weiterbildung der so- zialen Berufe sowie die verbesserte Förderung der politischen Bildung als Demokra- tiebildung.

5. Die diversitätsorientierte Organisationsentwicklung in Behörden und Einrichtungen muss vorangebracht werden.

6. Zur Bekämpfung von Hate Speech, Verschwörungsmythen und undemokratischem Verhalten in den sozialen Netzwerken und anderen Medien erwarten wir von der Bun- despolitik, die gesetzlichen Spielräume zur Bekämpfung von Hassrede und „fake news“ zu nutzen und ggf. zu erweitern. Medienbildung und politische Bildung muss stärker als bisher Teil der schulischen Bildung sowie der außerschulischen Bildungs- arbeit werden.

(1) Deutschland wird immer diverser. Gleich- zeitig sind viele Menschen strukturell von Teilhabe und Entscheidungsprozessen ausgeschlossen oder benachteiligt. Oft fehlt die Anerkennung von Vielfalt. Men- schen in Deutschland erfahren aufgrund verschiedener Merkmale individuelle, strukturelle und institutionelle (Mehr- fach-)Diskriminierung und Ausgrenzung.

Es müssen gesellschaftliche, rechtliche

und finanzielle Rahmenbedingungen so- wie Strukturen geschaffen werden, die An- erkennung und Partizipation für alle sicherstellen und Diskriminierungsstruktu- ren in Institutionen und Gesellschaft ent- gegenwirken.

(2) In den letzten Jahren ist eine Veränderung im gesellschaftlichen Klima zu beobachten und auch wissenschaftlich messbar: Aus-

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Erwartungen der BAGFW an die Bundespolitik der 20. Legislaturperiode, Thema: Demokratie und Diversität

grenzung und gruppenbezogene Men- schenfeindlichkeit sind keine Randphäno- mene, sondern in allen Teilen der

Gesellschaft zu beobachten. Das offenba- ren auch Wahlergebnisse von der kommu- nalen bis zur Bundesebene. Damit

einhergehend lässt sich ein besorgniserre- gender Anstieg von Hassrede und -taten, von Anfeindungen gegenüber als „an- ders“, „nicht dazugehörig“ oder „minder- wertig“ konstruierten Gruppen

beobachten. Gesellschaftliche Spaltungs- tendenzen treten zunehmend deutlich zu Tage. Immer mehr Menschen haben das Gefühl, dass ihre Stimme nicht zählt. Das Ausspielen von Gruppen, die in unter- schiedlicher Weise auf gesellschaftliche Solidarität angewiesen sind, wird zur Stra- tegie der gesellschaftlichen Spaltung. Es gilt, diesen Tendenzen von Hass, Diskri- minierung, Spaltung und Ausgrenzung entgegenzutreten und sich aktiv für den Schutz der Würde jedes Menschen und den respektvollen Umgang miteinander einzusetzen sowie unveräußerliche Grundrechte zu schützen. Das ist eine ge- samtgesellschaftliche Aufgabe.

(3) Das Schutzinstrumentarium des AGG er- fasst die Bereiche Sozialschutz, soziale Sicherheit und Gesundheitsdienste sowie Bildung – aber nur bei privaten Trägern.

Der Anwendungsbereich muss auf alle Formen des staatlichen Handelns ausge- weitet werden. Zudem bedarf es einer Er- gänzung und Überarbeitung der

Diskriminierungsmerkmale in § 1 AGG.

Wir fordern, die bisher fehlenden Merk- male „soziale Zuschreibung“ und „Spra- che“ sowie „antisemitische Zuschreibung“

ergänzend aufzunehmen. Ebenso soll der Begriff „Rasse“ durch „rassistische Zu- schreibung“ ersetzt werden.

Darüber hinaus müssen Betroffene von Diskriminierung durch die Einführung einer gesetzlichen Prozessstandschaft für Anti- diskriminierungsverbände sowie ein um- fassendes Verbandsklagerecht, das auch strukturelle Diskriminierungstatbestände aufgreifen kann, besser geschützt werden.

Auch bedarf es eines Ausbaus und einer Verstetigung der Finanzierung von staatli- chen und unabhängigen Beratungsstellen.

Ziel muss sein, Handlungskompetenzen von Betroffenen und Diskriminierungsver- antwortlichen auf individueller und instituti- oneller Ebene zu stärken und zu

erweitern, um diskriminierende Praxen

und Strukturen aufzubrechen und langfris- tig zu verändern.

(4) Die Soziale Arbeit trägt in besonderer Weise zu einer demokratischen, offenen und vielfältigen Gesellschaft bei, indem sie eine partizipative, offene und diskrimi- nierungsfreie Kultur vermittelt. Die Wohl- fahrtsverbände übernehmen als Träger von Diensten und Einrichtungen Verant- wortung dafür, Menschen darin zu unter- stützen, sich an demokratischen Werten zu orientieren und kritische Urteilskraft zu entwickeln. Damit dies bestmöglich ge- lingt, müssen die Lehrpläne im Rahmen der Ausbildungen für die sozialen Berufe angepasst und durch diversitätssensible sowie rassismussensible Inhalte ergänzt werden. Ebenso müssen gezielt Weiterbil- dungsmöglichkeiten zu diesen Inhalten für Menschen in der sozialen Arbeit gefördert werden.

(5) Es bedarf verstärkt Maßnahmen für eine rassismussensible Bildung und Förderung entsprechender (Bildungs-)Projekte, um auf gesellschaftlicher Ebene über Formen und Auswirkungen von Rassismus zu sen- sibilisieren. Die Anerkennung und kritische Auseinandersetzung mit Rassismus ist für ein friedliches Zusammenleben aller Men- schen in unserer Gesellschaft unerläss- lich.

Die diversitätsorientierte Organisations- entwicklung als Weiterentwicklung der In- terkulturellen Öffnung ist als Maxime in Behörden, öffentlichen Einrichtungen und Angeboten der Daseinsvorsorge zu veran- kern und deren Umzusetzen strukturell zu fördern, um der Vielfalt der Gesellschaft Rechnung zu tragen.

(6) Die Wohlfahrtsverbände wenden sich mit Überzeugung gegen demokratiefeindliche und oftmals antisemitische Verschwö- rungsmythen, gegen Ausgrenzung und Abwertung – auch von Mitarbeitenden und Engagierten –, wie sie vielfach im Netz, aber auch in anderen Medien verbreitet werden. Maßnahmen der politischen Bil- dung und der Medienbildung sind hier be- sonders geeignete Ansätze.

Medienbildung muss stärker als bisher Teil der schulischen Bildung sowie der au- ßerschulischen Bildungsarbeit werden.

Politische Bildung muss zielgruppenge- recht ausgebaut werden – etwa über die Jugendfreiwilligendienste.

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Erwartungen der BAGFW an die Bundespolitik der 20. Legislaturperiode, Thema: Demokratie und Diversität

(7) Um spezifische und effektive Maßnahmen gegen bestehende Ungleichheiten be- schließen zu können und das gesell- schaftliche Bewusstsein für bestehende Diskriminierungsformen zu schärfen, be- darf es Maßnahmen für eine umfassen- dere und differenzierte statistische Erfassung der unterschiedlichen Diskrimi- nierungsformen sowie von antisemitisch und rassistisch motivierten Gewaltstrafta- ten.

Darüber hinaus fordern wir, das Gleich- stellungs- und Antidiskriminierungsmonito- ring auf- und auszubauen (u.a.

Rassismusmonitor des DeZIM, Datener- hebung des Bundes zum Gesundheitswe- sen, RIAS zu Antisemitismus etc.).

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Wahlen zum Deutschen Bundestag 2021

Erwartungen der BAGFW an die Bundespolitik der 20. Legis- laturperiode

Klimawandel und Nachhaltigkeit

„Der Klimawandel bedroht den sozialen Frieden und gesellschaftlichen Zusammenhalt“

1. Wir erwarten wesentliche Schritte in Richtung einer sozial-ökologischen Wende, die die Einhaltung der Pariser Klimaschutzziele sowie der UN-Nachhaltigkeitsziele si- cherstellt und die dafür notwendigen sozialpolitischen Maßnahmen und Weichenstel- lungen konsequent umsetzt.

2. Zukünftige öffentliche Förderprogramme zur Bekämpfung des Klimawandels und zur Stärkung der Nachhaltigkeit müssen sich auch an die Träger und Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege wenden. Zudem müssen die Refinanzierungsmechanismen der Freien Wohlfahrtspflege entsprechende Aufwendungen integrieren.

(1) Der Klimawandel ist eine dramatische Be- drohung von globalem Ausmaß, aber auch national. Die Folgen der Klimakrise sind bereits heute spürbar und belasten z.B. durch Extremwetterereignisse die Empfänger/innen von sozialen Dienstleis- tungen wie auch die Mitarbeitenden in den Einrichtungen und Diensten. Die Soziale Arbeit muss durch die Bereitstellung von Ressourcen dazu befähigt werden, sich an diese neuen Anforderungen anzupas- sen.

Als europäisches Industrieland haben wir eine besondere Verantwortung, alles zu unternehmen, um das 1,5-Grad-Ziel zu er- reichen. Dieses ambitionierte Vorhaben kann nur Erfolg haben, wenn es gelingt, Menschen für diesen Weg nachhaltig zu gewinnen. Jede Klimaschutzpolitik muss auch die Perspektive von einkommens- schwachen Haushalten berücksichtigen.

Insgesamt gilt es Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit gleichermaßen zu beför- dern. Es braucht daher eine Wende, die notwendigen Klimaschutz mit der Stär- kung sozialer Resilienz verbindet. So gilt es u.a., inklusive und ökologische Mobili- tät auszubauen, die örtliche Infrastruktur

zu stärken und Klimaschutzmaßnahmen wie die Einführung eines nationalen CO2- Preises so zu flankieren, dass einkom- mensschwache Haushalte nicht zusätzlich belastet werden. Notwendige haushalts- und steuerpolitische Maßnahmen zur Fi- nanzierung der sozial-ökologischen Trans- formation müssen solidarisch gestaltet werden.

(2) Die etwa 120.000 Einrichtungen und Dienste der Freien Wohlfahrtspflege ha- ben ein erhebliches Potential, Beiträge verschiedener Art zur Nachhaltigkeit und zur Bekämpfung des Klimawandels zu leisten. Diese Verantwortung wird von ihnen bereits wahrgenommen. Dort wo fi- nanzielle Anstrengungen zur Umsetzung erforderlich sind, bedarf es der öffentli- chen Unterstützung im Rahmen von För- derprogrammen oder der Einbeziehung solcher Aufwendungen in die Refinanzie- rungsmechanismen der Freien Wohl- fahrtspflege. Die Kosten für Maßnahmen zum Klimaschutz müssen in den Regels- ätzen des SGB II und SGB XII sowie in weiteren Sozialgesetzbüchern angemes- sen Berücksichtigung finden.

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Wahlen zum Deutschen Bundestag 2021

Erwartungen der BAGFW

an die Bundespolitik der 20. Legislaturperiode

Europapolitik: Für ein starkes, soziales und nachhaltiges Eu- ropa

Die BAGFW erwartet von der Bundespolitik sich über eine aktive Europapolitik für den Ausbau des sozialen Europas einzusetzen. Zivilgesellschaftliche Akteure müssen in transparenten und partizipativen Prozessen eingebunden, sowie Demokratie und Rechts- staatlichkeit geschützt und gestärkt werden. Im Folgenden formuliert die BAGFW kon- krete Erwartungen an die Bundespolitik, um diese Ziele zu erreichen.

1. Das soziale und nachhaltige Europa stärken 2. Stärkung der not-for-profit social economy 3. Umsetzung von EU-Fördermitteln erleichtern

(1) Die Corona-Pandemie belegt erneut die Notwendigkeit funktionierender Sozial- leistungssysteme, um die sozioökono- mischen Auswirkungen von Krisen- situationen besser bewältigen zu kön- nen. Entsprechend sollte über eine eu- ropäische Rahmengesetzgebung der Ausbau von existenzsichernden Min- destsicherungssystemen, sowie der diskriminierungsfreie Zugang zu hoch- wertigen Gesundheits- und Sozial- dienstleistungen ermöglicht werden.

Zusätzlich ist ein europäischer Rahmen für Mindestlöhne, wie ihn die EU-Kom- mission im Oktober 2020 vorgeschla- gen hat, zu unterstützen und

voranzutreiben. Ziel der Bundespolitik muss auch im europäischen Kontext die Förderung gleichwertiger Lebens- verhältnisse zwischen und in den EU- Mitgliedstaaten („soziale Aufwärtskon- vergenz“) sein.

Der Schutz von (temporär) mobilen EU- Beschäftigten muss ausgebaut werden, um das Freizügigkeitsrecht zu stärken, aber prekäre Arbeitsbedingungen und

Ausbeutung in dessen Ausübung zu verhindern. Hierzu ist es notwendig, die Träger der Freien Wohlfahrtspflege und die Zivilgesellschaft mit ihren vielzähli- gen Beratungsangeboten zu stärken.

Die Bundespolitik sollte sich entspre- chend auch für einen Ausbau der Euro- päischen Arbeitsbehörde (ELA)

einsetzen und sicherstellen, dass diese über die notwendigen personellen wie finanziellen Ressourcen verfügt.

Die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nati- onen (SDGs) und die in der Europäischen Säule sozialer Rechte (ESSR) formulierten Grundsätze müssen durch ambitionierte Zielvorgaben, europäische Koordination und Rahmengesetzgebung realisiert werden.

Diese müssen konsequent, wo eine ent- sprechende Regelungskompetenz verortet ist, umgesetzt werden. Ein europäischer Fachaustausch und EU-Förderprogramme können dabei flankierend wirken.

Durch konkrete Maßnahmen wie die Etablierung einer Garantie gegen Kin-

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Erwartungen der BAGFW an die Bundespolitik der 20. Legislaturperiode, Thema:

Europapolitik: Für ein starkes, soziales und nachhaltiges Europa   

derarmut, die systematisch Versor- gungslücken von Kindern und Jugendli- chen mit Basisleistungen in den

Mitgliedstaaten beseitigen soll, kann dem Problem der Kinder- und Familien- armut in der EU effektiv begegnet wer- den. Eine EU-Garantie gegen

Kinderarmut sollte auch durch die Bun- despolitik konsequent umgesetzt wer- den.

 

Als Reaktion auf die Corona-Pandemie wurde mit dem SURE-Programm erst- mals ein europäisches Kurzarbeitspro- gramm etabliert. Es gilt die hieraus gewonnenen Erfahrungen zu nutzen und die Unterstützungsleistungen als Stabilisierungsmechanismus für zukünf- tige Wirtschaftskrisen institutionell zu verankern. Gleichzeitig ist es wichtig, die bereits bestehende europäische Ju- gendgarantie zu stärken, um die hohe Jugendarbeitslosigkeit in zahlreichen EU-Staaten abzumildern. Auch in Deutschland kann diese umfassender umgesetzt werden und junge Men- schen darin unterstützen langfristige Perspektiven aufzubauen.

Die BAGFW begrüßt ausdrücklich die von der Europäischen Kommission vor- gelegte Nachhaltigkeitsstrategie, den

„Europäischen Grünen Deal“. Die ange- strebten Zielsetzungen erfordern einen Transformationsprozess, der starke so- ziale Implikationen hat. Diese finden im

„Grünen Deal“ zu wenig Berücksichti- gung. Wir erwarten von der Bundespoli- tik, dass sie sich für eine Erweiterung des „Grünen Deals“ einsetzt, damit die- ser konkrete soziale Ziele definiert und mit denen für ein klimaneutrales Europa vereint. Unabhängig davon hält die BAGFW den „Europäischen Grünen Deal“ für keine geeignete Nachfolge- strategie der Europa-2020-Strategie.

Wichtig ist, dass messbare soziale Ziele definiert und ihr Erreichen im „Eu- ropäischen Semester“ überwacht wer- den, einschließlich des Monitorings der Umsetzung der ESSR, z.B. im „Social Scoreboard“.

(2) Die BAGFW erwartet von der Bundes- politik sich bei den Regelungen des eu- ropäischen Beihilfe-, Vergabe- und Steuerrechts für die Belange der not- for-profit social economy einzusetzen.

Hierzu bedarf es, u.a. einer ausdefinier- ten Vorrangstellung gemeinnütziger An- bieter im Vergaberecht und einer Ausweitung der Bereichsausnahmen für gemeinnützige Dienste in beihilfe- rechtlichen Regelungen. Die derzeitige Überarbeitung des Beihilferegimes muss zudem eine verbesserte Zugäng- lichkeit und höhere Rechtssicherheit in der Nutzung von nationalen und euro- päischen Förderprogrammen zum Ziel haben.

(3) Die Bundesregierung wird in den ersten zwei Jahren ihrer Amtszeit von dem EU-Hilfsprogramm NextGenerationEU profitieren – neben den Förderprogram- men des EU-Haushalts. Die BAGFW bestärkt den Anspruch der Europäi- schen Kommission, die Corona-Hilfs- gelder zum gemeinwohlorientierten Ausbau von sozialer Infrastruktur zu nutzen, um auf diesem Wege die Aus- wirkungen der Corona-Pandemie abzu- federn und die soziale Resilienz langfristig zu stärken. Benachteiligte Personengruppen sind bei den Corona- Hilfsgeldern, ebenso wie bei den von Deutschland umzusetzenden europäi- schen Förderprogrammen, besonders in den Blick zu nehmen.

Für die anstehende Legislaturperiode bietet die BAGFW der Bundespolitik ihre Expertise in der Ausgestaltung und Umsetzung der EU-Förderprogramme wie dem Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+) an. Die Freie Wohlfahrts- pflege fordert von der Bundespolitik die- sen partnerschaftlichen Ansatz

fortzuführen und auch auf andere Pro- gramme wie den Europäischen Land- wirtschaftsfonds (ELER) und den Regionalentwicklungsfonds (EFRE) zu übertragen.

Darüber hinaus muss sich die Bundes- politik auf europäischer Ebene weiter- hin dafür einsetzen, dass EU-

Fördermittel zugänglicher werden und

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Erwartungen der BAGFW an die Bundespolitik der 20. Legislaturperiode, Thema:

Europapolitik: Für ein starkes, soziales und nachhaltiges Europa   

in der Umsetzung an Komplexität ver- lieren. Auf nationaler Ebene sind För- derprogramme dementsprechend auszugestalten. Insbesondere für die Strukturfonds muss die Verwaltung ver- einfacht werden, um eine Umsetzung durch kleine Projektträger nicht auszu- schließen. Dafür müssen u.a. nationale haushaltrechtliche Regelungen ange- passt werden.

In der EU-Förderperiode 2021-2027 werden die EU-Kofinanzierungssätze abgesenkt. Insbesondere gemeinnützig arbeitende Projektträger können die dadurch bedingte hohe Eigenbeteili- gung nicht aufbringen. Der Bund muss daher mit nationalen Geldern Kürzun- gen für die Projektträger ausgleichen und die Kofinanzierung erhöhen.

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Wahlen zum Deutschen Bundestag 2021

Erwartungen der BAGFW

an die Bundespolitik der 20. Legislaturperiode

Gleichwertige Lebensverhältnisse

1. Die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse bleibt eine zentrale politische Auf- gabe im Zusammenspiel von Bund, Ländern und Kommunen. Ihre Gewährleistung ist eine wichtige Voraussetzung zur Sicherung des gesellschaftlichen Zusammenhalts.

2. Bürgerschaftliches Engagement leistet einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung gleichwertiger Lebensverhältnisse und zur Sicherung von Teilhabe. Von der Bundes- politik erwartet die BAGFW eine angemessene Beteiligung an der Finanzierung der Infrastruktur des Bürgerschaftlichen Engagements.

3. Die BAGFW erwartet in der neuen Legislaturperiode insbesondere auch eine stärkere Unterstützung von finanzschwachen Kommunen zur nachhaltigen Sicherung ausrei- chender Finanzierungsbedingungen sozialer Infrastruktur.

4. Bei der Digitalisierung von Sozialverwaltungsleistungen im Zuge der Umsetzung des Online-Zugangsgesetzes ist das Wunsch- und Wahlrecht der Menschen als Leitma- xime zu beachten.

(1) Das Postulat der Herstellung gleichwerti- ger Lebensverhältnisse ist in der Raum- ordnungspolitik als räumliches Pendant zum Sozialstaatsprinzip verankert und umfasst u. a. den Zugang zu sowohl technischen als auch sozialen, gesund- heitlichen und kulturellen Infrastrukturen der Daseinsvorsorge. Gleichwertigkeit meint dabei aber keine gleichartige, wohl aber eine gleichwertige Ausstattung von Infrastrukturangeboten, die auf die jewei- lige räumliche Situation bezogen, der Si- cherung von Chancengleichheit dient. Sie berührt damit elementare Fragen der so- zialen Gerechtigkeit, gesellschaftlicher Teilhabe und Integration. Diese sind im durch die Digitalisierung erweiterten Sozi- alraum zu bearbeiten. In jüngster Vergan- genheit trat vor allem in Ballungszentren ein Mangel an bezahlbarem energetisch günstigem, barrierefreiem Wohnraum in lebenswerten Stadtquartieren zu Tage.

Hier erwarten wir entsprechende Maß-

nahmen zur Sicherstellung und zur Ver- meidung von Überforderungen durch übermäßige Mieten/Nutzungsgebühren.

(2) Statt der prekären und rein projektbezo- genen Finanzierung der sozialen Infra- struktur sind verlässliche und dauerhafte Lösungen erforderlich. Neben individuel- len und fachlichen Kompetenzen von Hauptberuflichen und Engagierten benöti- gen Organisationen und Netzwerke eine verlässliche Grundförderung. Die Umset- zung der Empfehlungen des dritten Enga- gementberichts und des achten Alters- berichts sollten in enger Abstimmung mit den Wohlfahrtsverbänden erfolgen.

(3) Unter den gegebenen Bedingungen ist eine Gleichwertigkeit der Lebensverhält- nisse nur schwer zu gewährleisten, weil die Systeme zum kommunalen Finanz- ausgleich und die kommunalen Entschul- dungsprogramme nicht ausreichen.

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Erwartungen der BAGFW an die Bundespolitik der 20. Legislaturperiode, Thema: Gleichwertige Lebensverhältnisse

Insbesondere die bundesgesetzlich fest- gelegten kommunalen Sozialleistungen wiegen schwer. Dieser Aspekt wird bei der Finanzierung der Kommunen nicht ausreichend beachtet. Gerade die Sozial- ausgaben variieren je nach Region zum Teil erheblich. Nach Auffassung der Freien Wohlfahrtspflege müssen Leistun- gen der Daseinsvorsorge überall verfüg- bar sein. Hier ist unter anderem an die Beratungsstellen in Trägerschaft der Freien Wohlfahrtspflege zu denken, die vielerorts nicht mehr ausreichend finan- ziert werden.

(4) Die Freie Wohlfahrtspflege ist mit ihren dezentralen Strukturen und ihrer breiten Präsenz vor Ort ein wichtiger Gestalter sozialer Infrastruktur und damit ein unver- zichtbarer Akteur bei der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse. Die Funktionsfähigkeit ihrer Einrichtungen und Dienste ist eine zentrale Vorausset- zung für die Leistungsfähigkeit des Sozi- alstaats und damit auch für gleichwertige Lebensverhältnisse. Der wohnortnahe Zugang zu sozialen Diensten und Einrich- tungen ihrer Wahl trägt erheblich zur Le- bensqualität der Menschen in Deutsch- land bei. Dieses plurale Angebot sozialer Dienstleistungen gilt es daher strukturell und finanziell zu sichern. Das regionale Ungleichgewicht zwischen stark schrum- pfenden Orten und rapide wachsenden Städten nimmt zu. In peripheren ländli- chen Räumen, aber auch in benachteilig- ten städtischen Quartieren können nicht selten Infrastrukturen der Daseinsvor- sorge nicht mehr in ausreichendem Maße vorgehalten werden, was letztlich zu ei- nem Auseinanderdriften der Teilha- bechancen und Milieus führt und den

sozialen Zusammenhalt in der Gesell- schaft gefährdet. Der Breitbandausbau ist daher tatsächlich auch eine Frage sozia- ler Teilhabechancen. Die Pandemie hat gezeigt, dass die finanzielle Situation der Einrichtungen, die durch freiwillige Leis- tungen finanziert werden (z.B. Suchtbera- tungsstellen, Gewaltschutzeinrichtungen), aus den unterschiedlichsten Gründen im- mer prekärer wird und die Einrichtungen in dieser Krise an die Belastungsgrenze kommen. Für eine nachhaltige und si- chere Finanzierung sollten sie als Pflicht- aufgaben wahrgenommen werden und dementsprechend finanziell gesichert sein. Es muss verhindert werden, dass Einrichtungen, die z.B. Schutz und Bera- tung bei Gewalt anbieten, geschlossen oder ihre Angebote eingestellt werden.

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Wahlen zum Deutschen Bundestag 2021

Erwartungen der BAGFW

an die Bundespolitik der 20. Legislaturperiode

Lehren aus der Corona-Pandemie

1. Wir erwarten eine aktive, investive Sozialpolitik mit einem Schwerpunkt auf beson- ders vulnerablen vor allem armutsgefährdeten Gruppen. Aufgrund der hohen staatli- chen Finanzausgaben und eines zu erwartenden Rückgangs der Steuereinnahmen, stehen wir vor schwierigen Verteilungsfragen. Diese dürfen nicht zu Lasten der Schwächsten in der Gesellschaft beantwortet werden. Wir fordern, Menschen in den Fokus zu rücken und Leistungsausschlüsse zu beenden.

2. Wir erwarten ein Gesamtkonzept, bei dem die Politik ihrem besonderen Auftrag ge- recht wird, sich für die Belange aller Familien als Grundpfeiler der Gesellschaft ein- zusetzen, um deren Lebenssituation zu verbessern und zu sichern.

3. Wir erwarten eine Stärkung der gesundheitlichen Prävention durch eine partizipative und zielgerichtete Präventionspolitik: Präventionsmaßnahmen sind der beste Infekti- onsschutz!

4. Wir erwarten eine nachhaltige Sicherung der sozialen Infrastruktur.

5. Wir erwarten Maßnahmen gegen die gesundheitlichen Folgewirkungen der Pandemie und der Pandemiebekämpfung.

(1) Folgende Gruppen sind von Armut bzw.

Armutsrisiken und von den negativen Fol- gen der Pandemie besonders betroffen:

Einkommensschwache Bevölkerungs- gruppen, Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen, Men- schen in prekären (selbstständigen) Be- schäftigungsverhältnissen und

Leistungsberechtigte in der Grundsiche- rung (SGB II / SGB XII, AsylBLG);

Corona verschärft Kinder- und Jugendar- mut sowie ungleiche Bildungschancen (einkommensschwache Familien, keine Rückzugsmöglichkeiten zum Lernen, feh- lender Zugang und fehlendes Know-how zur Nutzung von digitalen Endgeräten, fehlender Zugang zur Infrastruktur…) und birgt Risiken beim Berufseinstieg für Ju- gendliche bzw. junge Erwachsene.

Durch die Corona-Pandemie hat sich die Finanzsituation vieler Kommunen zusätz- lich verschlechtert, bedroht sind dadurch notwendige Angebote der sozialen Arbeit, die vulnerable Gruppen fördern und schützen sollen. Dazu gehören beispiels- weise Angebote der Kinder- und Jugend- arbeit, der Jugendsozialarbeit, der Schul- sozialarbeit, Familienbildungsangebote, Beratungsangebote, Integrationsange- bote, die Selbsthilfe, der Gewaltschutz sowie Strukturen des Kinderschutzes in- klusive der Fachberatungs- und Thera- pieangebote.

Die Erfahrungen des Corona-Jahres 2020 mit dem erleichterten Zugang zu Grundsicherungsleistungen und einer we- niger rigiden Anwendung des Sanktions- rechts, sollten für die Weiterentwicklung

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Erwartungen der BAGFW an die Bundespolitik der 20. Legislaturperiode, Thema: Lehren aus der Corona-Pandemie

der Grundsicherungssysteme genutzt werden.

(2) Die COVID-19-Pandemie hat von Beginn an eindrücklich gezeigt, wie belastend diese Zeit für Familien war und ist. Be- sonders Familien mit kleinen Einkommen, Alleinerziehende, kinderreiche Familien, Familien mit Migrationshintergrund und Familien mit Kindern mit Behinderungen, die bereits vor Ausbruch der COVID-19- Pandemie in schwierigen Situationen wa- ren, spürten die Folgen der Pandemie.

Für Kinder bedeutet die Schließung der Bildungs- und Betreuungseinrichtungen den Verlust des Kontakts zu Freunden und Gleichaltrigen sowie zu Lern- und Bil- dungsangeboten. Die Umstellung auf On- line-Unterricht bringt große Herausforder- ungen beim Lernen sowohl für die Kinder als auch für deren Eltern mit sich. Die Umstellung auf Home-schooling, bei dem Eltern in sehr unterschiedlichem Ausmaß Hilfestellung bieten konnten/können, und das digitale Lernen in den Schulen zeigte vorhandene Defizite im Bereich der digi- talen Bildung verstärkt auf.

Auch wenn die Konsequenzen aus der Krise bis heute nicht vollumfänglich ab- sehbar sind, besteht die Gefahr, dass sich soziale Ungleichheiten verschärfen.

Digitale Formen der Leistungserbringung sind über verschiedene Leistungsberei- che (z.B. berufliche Bildung oder Video- therapie) hinweg möglich und sinnvoll, sofern sie als zusätzliches Angebot etab- liert werden, das von den Leistungsbe- rechtigten gewählt werden kann. Dazu braucht es die entsprechende Ausstat- tung mit Hard- und Software, Breitband- und Mobilfunkausbau, Schulungen und Support von Schüler/innen und Lehren- den und die Übernahme der laufenden Kosten. Um solche Fortschritte für die Zeit nach der Corona-Pandemie zu er- möglichen, bedarf es einer systematisch personenzentriert ausgerichteten Leis- tungserbringung. Die dafür zu entwickeln- den Vergütungssystematiken müssen diesen Aspekt mit einbeziehen.

(3) Die Pandemie zeigt, dass das Risiko infi- ziert zu werden, in Abhängigkeit von der sozialen Lage und vom ausländerrechtli- chen Status ungleich verteilt ist. Die politi- sche Aufgabe besteht darin, Bedingun-

gen dafür zu schaffen, dass alle Men- schen gesund leben können – und dazu auch befähigt sind. Ausländerrechtlich bedingte Einschränkungen (AsylbLG) o- der Ausschlüsse bei Gesundheitsleistun- gen (z.B. für nicht versicherte EU- Bürger/innen) müssen beseitigt werden.

Ein Präventionsgesetz muss die Rah- menbedingungen dafür setzen, dass die gesundheitsförderliche Gestaltung von Lebensbedingungen ermöglicht wird. Die im heutigen Präventionsgesetz veran- kerte Ausrichtung auf eine lebenslagen- orientierte Prävention und der Auftrag der Verminderung sozial bedingter ungleicher Gesundheitschancen wird nicht ausrei- chend umgesetzt, die Verhaltenspräven- tion spielt eine zu große Rolle.

(4) Aufgrund der Pandemie wurden Dienste und Einrichtungen z.T. geschlossen oder konnten ihre Leistungen nicht oder nur sehr eingeschränkt erbringen, z.T. ent- standen erhebliche Mehrausgaben. Ge- rade im Bereich der Gemeinnützigkeit führt dies schnell zur Existenzgefähr- dung. In der Corona-Krise wurden unter großen Anstrengungen und hohem Zeit- druck Rettungsschirme gespannt – auch für die soziale Infrastruktur. Besser vor- bereitet wären wir, wenn wir den staatli- chen Sicherungsauftrag, mit Blick auf die weitere Entwicklung der aktuellen Krise und im Hinblick auf zukünftige Krisen dauerhaft gesetzlich verankern würden.

Hier schlägt die BAGFW eine Änderung des SGB I und der anderen Sozialgesetz- bücher vor, wonach die Leistungsträger verpflichtet wären, individuelle (Leis- tungs-)Vereinbarungen vor Ort im Falle hoheitlicher Schließungen im Pandemie- fall zu treffen.

Darüber hinaus haben die freigemeinnüt- zigen Sozial- und Gesundheitsdienstleis- ter einen großen Nachholbedarf bei der Digitalisierung, sowohl im Bereich der In- vestitionen als auch der Kompetenzen von beruflichen und ehrenamtlichen Mit- arbeitenden (vgl. auch Forderungspapier zur Digitalisierung). Die Förderung, die die BAGFW-Verbände zurzeit durch das BMFSFJ bekommt, ist unzureichend. Di- gitaler aus der Coronakrise hervorzuge- hen, heißt für die nächste Krise besser gewappnet zu sein.

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Erwartungen der BAGFW an die Bundespolitik der 20. Legislaturperiode, Thema: Lehren aus der Corona-Pandemie

(5) Nicht nur die Covid-Erkrankung kann zu ernsthaften gesundheitlichen Langzeitfol- gen führen, auch die notwendigen Maß- nahmen zur Pandemie-Bekämpfung kön- nen mit (psychischen) Folgen auf die Ge- sundheit von Kindern und Erwachsenen (mit Vorerkrankung wie z.B. Rheuma) verbunden sein. Unterstützungsnetze bei- spielsweise für Menschen in psychischen Krisen oder auch in der Suchtselbsthilfe waren im Lockdown nur eingeschränkt verfügbar. Die coronabedingte Abschir- mung vulnerabler Gruppen hat vor Augen geführt, welche Auswirkungen Vereinsa- mung haben kann. Es bedarf einer ge- sellschaftlichen und politischen Strategie, Einsamkeit zu verhindern.

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Wahlen zum Deutschen Bundestag 2021

Erwartungen der BAGFW

an die Bundespolitik der 20. Legislaturperiode

Teilhabe durch gemeinwohlorientierte Digitalisierung

1. Wir erwarten klare Schritte zu einer sozialen und gemeinwohlorientierten Digitalisie- rung, die sich an den Menschen ausrichtet. Digitalisierungsprozesse dürfen nicht die gesellschaftliche Teilhabe einzelner Gruppen erschweren, sondern müssen zu mehr Partizipationsmöglichkeiten für alle führen.

2. Wir erwarten die Stärkung der Vielfalt im Netz und freien Zugang zu Wissen und Dienstleistungen.

3. Wir erwarten den Ausbau und die Förderung digitaler Angebote im Rahmen der sozia- len Dienstleistungen und eine verbesserte Finanzierung der Digitalisierungsprozesse in der Freien Wohlfahrtspflege.

4. Wir erwarten den Ausbau von Förderprogrammen in Bezug auf Digitalisierung spezi- ell in der Kinder- und Jugendhilfe.

5. Wir erwarten die durchgehende Anbindung der Langzeitpflege an die Telematikinfra- struktur.

(1) Digitale Teilhabe stellt heute – das war in den Phasen des Lockdowns besonders erlebbar – eine Grundvoraussetzung für soziale Teilhabe dar. Prozesse, wie die Umsetzung des OZG, verstärken diese Entwicklung. Daher müssen der Zugang zu digitalen Medien und deren Nutzung allen Bürgerinnen und Bürgern barriere- frei möglich sein. Durch die pandemiebe- dingten Entwicklungen sind bestimmte Zielgruppen teilweise von noch stärkerer Ungleichheit und Ausgrenzung betroffen (z.B. ältere Menschen, junge Menschen, die am Online-Unterricht aus unterschied- lichen Gründen nicht partizipieren kön- nen). Bewohner/innen von

Gemeinschaftsunterkünften oder Ob- dachlose). Diesen Entwicklungen muss durch die Bereitstellung niedrigschwelli- ger, qualitätsgesicherter digitaler Ange- bote begegnet werden. Hierzu zählt, dass digitale Teilhabe ressourcenunabhängig möglich sein muss. So müssen beispiels-

weise die Kosten für die Teilhabe an digi- talen Angeboten in den Regelsätzen des SGB II, SGB XII und des AsylBLG sowie in den (Re-)Finanzierungssystemen der Pflege Berücksichtigung finden (z.B.

WLAN, mobile Endgeräte). Es muss aber auch künftig eine Wahlmöglichkeit gege- ben sein und (gerade für ältere Men- schen) Teilhabe durch nicht-digitale Angebote ermöglicht werden. Darüber hinaus bedarf es des flächendeckenden Breitband- und Mobilfunkausbaus.

Die Wohlfahrtsverbände sind in die digi- tale Prozessgestaltung von sozialen Ver- waltungsleistungen im Rahmen der OZG- Umsetzung umfassend einzubinden.

Es bedarf digitaler Kompetenzen und di- gitaler Resilienz, um selbstbestimmt die digitalen Angebote und Dienstleistungen nutzen zu können. Dieser Bedarf muss in den schulischen und außerschulischen Bildungsangeboten Berücksichtigung fin- den und mit entsprechenden Angeboten

(16)

Erwartungen der BAGFW an die Bundespolitik der 20. Legislaturperiode, Thema: Digitalisierung

unterlegt sein, da ohne diese Kompeten- zen und auch die Fähigkeit zum kriti- schen Hinterfragen keine digitale Teil- habe und somit auch keine gemeinwohl- orientierte Digitalisierung möglich ist. Ne- ben passgenauen Bildungs- und

Beratungsangeboten zur Stärkung der di- gitalen Teilhabe braucht es außerdem Angebote digitaler Assistenz, die respon- siv die gerade für alte und Menschen mit Behinderung existierenden digitalen Bar- rieren überwinden.

(2) Eine gemeinwohlorientierte Digitalisie- rung erfordert neben barrierefreier Zu- gänglichkeit auch Vielfalt an digitalen Angeboten und Transparenz in Bezug auf die Anbietenden. Die Entwicklung und Weiterentwicklung digitaler Angebote sollte dabei in Kooperationen und Netz- werken erfolgen, um so alle Bedarfe ab- deckend passgenaue Produkte für unsere Zielgruppen zu entwickeln.

(3) Die Pandemie hat deutlich gemacht, wie notwendig digitale Angebote und Dienst- leistungen für Rat- und Hilfesuchende waren. Punktuell wurden einzelne Leis- tungen und Prozesse bereits digitalisiert.

Einzelne Beispiele hierfür sind Bera- tungsangebote oder der Datenaustausch innerhalb des Pflege- und Gesundheits- systems. An diesen Beispielen kann man erleben, welcher gesellschaftliche Mehr- wert möglich ist, z.B. die Steigerung der sozialen Versorgung im ländlichen Raum oder die schnellere und effizientere Ab- stimmung und Kommunikation unter- schiedlicher Dienstleister und damit wiederum ein konkreter Mehrwert für die Menschen, die auf diese Angebote ange- wiesen sind. Es wurde aber auch deut- lich, wie wichtig der persönliche Kontakt und ein Austausch mit Präsenz ist. Der Ausbau digitaler Angebote darf daher nicht zu deren Lasten gehen. Damit der Prozess der Digitalisierung von Angebo- ten und Dienstleistungen im Sozialbe- reich erfolgreich fortgeführt werden kann, bedarf es daher zusätzlicher Ressourcen.

Es bedarf eigener Förderprogramme des Bundes, die die digitale Infrastruktur ge- meinnütziger Organisationen stärken und den Fachkräften ermöglicht, sich das nö- tige Know-How und konzeptionelles Wis- sen anzueignen. Weiter bedarf es der Anpassung von bestehenden Re-Finan- zierungsmodellen an die neuen Rahmen- bedingungen. Neben face-to-face

müssen online-(Beratungs-)Angebote und hybride Formate regelmäßig finan- zierbar sein.

(4) Da die im Rahmen des DigitalPakt Schule vorgesehene Unterstützung nur in begrenzter Form bei jungen Menschen mit Bedarf in (Aus)Bildungsprozessen an- kommt, bedarf es zusätzlicher Förderpro- gramme für Angebote/die verschiedenen Handlungsfelder in der Kinder- und Ju- gendhilfe. Um der digitalen Spaltung im (Aus)Bildungssystem effektiv entgegen- wirken zu können, müssen sowohl die Einrichtungen der Kinder- und Jugend- hilfe als auch deren Zielgruppen verläss- lich über Zugänge, technische Ausstat- tung, das Know- How in der Anwendung und Medienkompetenzen verfügen bzw.

ihnen vermittelt werden.

(5) Im Bereich der Pflege bestehen große Er- wartungen an die Telematikinfrastruktur.

Gelingt der Prozess, so dass der ge- samte Gesundheits- und Pflegebereich diese Infrastruktur nutzen kann, wäre das für die Patientinnen und Patienten ein deutlicher Mehrwert im Sinne von Zeit- und Ressourcenersparnis sowie auch in Bezug auf die Qualitätssicherung der Leistungen im Gesundheits- und Pflege- bereich. Das setzt jedoch voraus, dass der gesamte Bereich konsequent Zugang zur Telematikinfrastruktur erhält. Das bis- herige Szenario, in dem die ambulante Pflege deutlich verzögert Zugang erhält, konterkariert diesen Ansatz. Hier bedarf es einer schnellen Weiterentwicklung und Anpassung.

Die Konzepte algorithmenbasierter Da- tennutzung im Gesundheitswesen bedür- fen verlässlicher Datensicherheitskon- zepte.

(17)

Wahlen zum Deutschen Bundestag 2021

Erwartungen der BAGFW

an die Bundespolitik der 20. Legislaturperiode

Kinder, Jugend, Familie, Frauen

1. Wir erwarten den wirksamen Abbau regional bedingter Bildungsungleichheiten und die Bündelung familienpolitischer Leistungen zugunsten von Kindern und Jugendli- chen, so dass das Existenzminimum gedeckt ist und insbesondere Familien, die von Armut bedroht oder betroffen sind, ausreichend gefördert werden.

2. Wir erwarten die Umsetzung eines breit angelegten Gewaltschutzes mit umfassenden und passgenauen Schutzmaßnahmen.

3. Wir erwarten die Schaffung von Rahmenbedingungen, die es ermöglichen, Beruf, Fa- milie und Pflege zu vereinbaren, dabei die Situation von Einelternfamilien berücksich- tigen und helfen, die systematische Benachteiligung von Frauen in der Arbeitswelt abzubauen.

(1) Für die Herstellung gleichwertiger Chancen für alle Kinder und Jugendlichen sind viele Anstrengungen parallel zu unternehmen:

Die differenzierte Förderung und Stärkung der Jugendhilfestrukturen ebenso wie aufei- nander abgestimmte, familienpolitische Leistungen zugunsten von Kindern und Ju- gendlichen. Gezielte Forschung sollte An- satzpunkte zur Entwicklung passgenauer Angebote liefern und so zu verbesserten Lebensbedingungen und mehr Chancenge- rechtigkeit beitragen.

Dies bedeutet im Einzelnen:

 Sicherung qualitativ angemessener An- gebote der Bildung, Erziehung und Be- treuung für alle Kinder und

Jugendlichen, z.B. Verstetigung der Leistungen aus dem KiQuTG („Gute- Kita-Gesetz“), weitere Bearbeitung der Kooperationsbeziehungen zwischen Schule und Jugendhilfe

 Gesetzliche Absicherung von Qualitäts- anforderungen im Zusammenhang mit dem Rechtsanspruch auf Ganztagsbe- treuung

 Gesamtstrategie Fachkräftegewinnung unter Weiterentwicklung von Qualifika- tion und Ausbildungsinhalten, Förderung der Qualifizierung von Lehrpersonal für Fach(hoch)schulen

 Erforschung der Ursachen von Kinder- und Jugendarmut

 Bündelung von familienpolitischen Leis- tungen z. B. zu einer grundsätzlichen Leistung für Kinder und Vereinfachung ihrer Beantragung.

(2) Das Aufkommen immer neuer und unter- schiedlicher Formen von Gewalt - Gewalt im digitalen Alltag bis hin zu kriminellen Handlungen im Internet - erfordert einen umfassenden Blick, mehr Anstrengungen der Prävention und Bekämpfung sowie ein jeweils spezifisches Vorgehen. Dazu braucht es die Qualifizierung der Justiz im Umgang mit von Gewalt betroffenen Perso- nen, insbesondere Minderjährigen, die grundlegende Erforschung der digitalen Formen von Gewalt sowie bundeseinheitlich verankerte Finanzierungsregelungen zum Gewaltschutz.

(18)

Erwartungen der BAGFW an die Bundespolitik der 20. Legislaturperiode, Thema: Kinder, Jugend, Familie, Frauen

Dies bedeutet im Einzelnen:

 Förderung von Forschung zu neuen, ins- besondere digitalen Formen von Gewalt als Basis für wirksame Prävention und digitale Schutzkonzepte

 Strukturelle, flächendeckende Veranke- rung und finanzielle Absicherung von Beratungs- und Therapieangeboten für von sexualisierter Gewalt betroffene Kin- der und Jugendliche

 Schaffung eines Rechtsanspruchs auf Schutz und Hilfe für von häuslicher Ge- walt betroffene Menschen, Sicherung ei- ner flächendeckenden bedarfsgerechten Infrastruktur. Langfristig ist eine bundes- weite Regelung zur Vereinheitlichung der Finanzierungsgrundlagen anzustre- ben.

 Förderung des Ausbaus von digitalen Hilfs- und Beratungsangeboten zur Ver- hinderung von Gewalt im häuslichen Be- reich sowie von Programmen zur Aufklärung in Schulen, Kitas, Jugendar- beit, Pflegeeinrichtungen

 Qualifizierung und Sensibilisierung von Familien-, Jugend- und Strafrichter/innen im Hinblick auf Beteiligung von Kindern und Jugendlichen und Förderung einer kindgerechten Justiz.

 Das Gesetz zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung zum Abschluss bringen, Ausbau der Be- ratungskompetenz in den Regelangebo- ten durch Tools und Vermittlung von Kompetenzen aus der Community

 Erweiterung der Hilfeinfrastruktur um An- gebote für besondere Bedarfslagen (ju- gendliche Söhne gewaltbetroffener Frauen, Frauen mit Behinderung, transi- dente Personen) sowie Täterarbeit, Aus- bau von digitalen Hilfs- und

Beratungsangeboten.

(3) Familie als System und soziales Konstrukt wird jenseits aller Sorgearbeit in ständigen Aushandlungsprozessen als solches herge- stellt. Im oft herausfordernden (Sorge-)All- tag profitieren Familien von

unterschiedlichen Unterstützungsangebo- ten. Wirtschaft und Politik sind gefordert, Hand in Hand darauf hinzuarbeiten, dass die Sorgearbeit in Familien partnerschaftlich geteilt werden kann und Familien an Zeit- souveränität gewinnen. Hierzu zählen so- wohl Arbeitszeiten, die Verbesserung der Entlohnung in Care-Berufen, in denen

hauptsächlich Frauen tätig sind, als auch die Freistellungsmöglichkeit mit Entgelters- atzleistung analog Elternzeit/Elterngeld. Fa- milienpolitische Maßnahmen sollten

existenzsichernd sein und ineinandergrei- fen. Viele der derzeit existierenden Leistun- gen sind nicht auf die Situation von

Alleinerziehenden zugeschnitten oder wer- den mit anderen Leistungen verrechnet.

Dies bedeutet im Einzelnen:

 Nachhaltige Absicherung der Struktur und Finanzierung der Familienbildung in Deutschland als universalpräventives Angebot über die Verpflichtung der Län- der, entsprechende Förderrichtlinien zu verankern

 Verstärkte Förderung psychosozialer An- gebote Früher Hilfen von Freien Trägern und Weiterentwicklung der Förderrichtli- nien

 Verankerung des Vorhabens einer Wei- terentwicklung des Bundes-Elterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) im Koali- tionsvertrag, z.B. Ausdehnung der Part- nermonate, Abschaffung der

Anrechnung von Elterngeld auf Transfer- leistungen und Anhebung der Lohner- satzrate für niedrige Einkommen

 Steuerliche Entlastung von Familien, fa- milienpolitische Maßnahmen für Ein-El- tern-Familien (z.B. Abbau steuerlicher Benachteiligung, passgenaue, erweiterte und flexible Angebote an Kinderbetreu- ung), Harmonisierung unterschiedlicher monetärer familienbezogener Leistungen und Vereinfachung der Beantragung

 Verbesserung der Situation pflegender erwerbstätiger Angehöriger

 Verbesserung der Bezahlung von Care- Berufen.

(19)

 

Wahlen

zum Deutschen Bundestag 2021

Erwartungen der BAGFW

an die Bundespolitik der 20. Legislaturperiode

Altenhilfe

1. Wir erwarten eine umfassende Reform der sozialen Pflegeversicherung 2. Wir erwarten die Entlastung von pflegenden Zu- und Angehörigen 3. Die Digitalisierung in der Pflege muss weiter vorangetrieben werden

4. Wir erwarten eine Stärkung der Hospizkultur und Palliativversorgung in stationären Pflegeeinrichtungen

5. Wir erwarten eine Weiterentwicklung der Pflegeausbildung 6. Seniorenpolitik und kommunale Seniorenarbeit stärken

(1) In der Annahme, dass es in der laufen- den Legislaturperiode nicht mehr zu einer Reform der Pflegeversicherung kommt, ist dieses Projekt nach den Wahlen priori- tär wieder aufzugreifen. Notwendig ist ein Systemwechsel hin zu einer gerechten, solidarischen und nachhaltigen Sozialen Pflegeversicherung, die alle pflegebe- dingten Kosten abdeckt. Die zentralen Punkte dabei sind:

 die Übernahme der medizinischen Behandlungspflege in stationären Einrichtungen durch die Krankenkas- sen

 die regelhafte Dynamisierung der Leistungen

 die Begrenzung der Eigenanteile

 die Personalbemessung verbessern:

Aktive Umsetzung des Roadmap- Prozesses in der stationären Lang- zeitpflege nach §113c SGB XI

 die Übernahme der Investitionskos- ten durch die Länder

 die Steuerfinanzierung „versicher- ungsfremder“ Leistungen

(2) Der größte Teil der Pflege wird von Ange- hörigen geleistet. Mehr als ein Drittel der pflegenden Angehörigen sind älter als 65 Jahre und gehören zur gleichen Genera- tion wie die Pflegebedürftigen selbst.

Durch Krankheit sowie aufgrund der kör- perlichen und psychischen Belastung ih- rer Pflegetätigkeit tragen sie selbst ein erhöhtes Risiko eher von Pflegebedürftig- keit betroffen zu sein. Ein weiterer Teil der pflegenden Angehörigen ist durch ei- gene Berufstätigkeit doppelt belastet. Es ist daher unbedingt erforderlich, pfle- gende Angehörige angemessen zu unter- stützen und zu begleiten, damit sie durch ihre pflegerische Tätigkeit weder ihre ei- gene Gesundheit gefährden noch an der Wahrnehmung anderer familiärer und be- ruflicher Anforderungen gehindert wer- den. Wir erwarten in diesem

Zusammenhang:

 dass Entlastungsangebote nied- rigschwellig, flexibel und bedarfsge- recht gestaltet werden und

 eine vollständige Harmonisierung der Dauer von Verhinderungs- und Kurz- zeitpflege erfolgt.

 Bei den Kursangeboten für pfle- gende Angehörige und Schulungen

(20)

Erwartungen der BAGFW an die Bundespolitik der 20 Legislaturperiode, Thema Altenhilfe

 

in der Häuslichkeit gem. § 45 SGB XI ist eine Beendigung des bestehen- den Flickenteppichs und die Sicher- stellung eines flächendeckenden niedrigschwelligen Zugangs zum un- terstützenden Leistungsangebots mittels Vereinheitlichung vertragli- cher Regelungen der Pflegekassen mit den Leistungserbringern (inkl.

Kontrahierungszwang der Pflegekas- sen bei vorliegenden qualitätsgesi- cherten Angeboten) dringend erforderlich,

 Einführung eines Anspruchs von pflegenden Angehörigen auf eine Pflegeberatung, orientiert an § 37 Abs. 3 SGB XI, um u.a. die Kommu- nikation und Unterstützung von ent- fernt lebenden Angehörigen weiter zu fördern (Distance Caregiving).

 Ein bedarfsgerechtes Angebot an Kurzzeitpflegeplätzen und die Si- cherstellung auskömmlicher finanzi- eller Rahmenbedingungen für den Ausbau der Kurzzeitpflege und den Aufbau solitärer Kurzzeitpflegeein- richtungen.

 Die rentenrechtliche Absicherung von pflegenden Angehörigen ist wei- ter zu verbessern. Insbesondere sind die Beitragskürzungen bei gleichzei- tiger Inanspruchnahme von Pflege- sachleistungen oder

Kombinationsleistungen zu strei- chen.

 Die Regelungen des Pflegezeitgeset- zes und des Familienpflegezeitgeset- zes sind zu harmonisieren.

 Einführung einer Entgeltersatzleis- tung/Lohnersatzleistung analog zum Elterngeld bei der Pflegezeit bzw.

Familienpflegezeit, die das Darlehen als finanzielle Unterstützung ablöst.

(3) Die BAGFW sieht in der effizienten Nut- zung digitaler Technologien ein großes Potential für die Zukunft der Pflege und fordert die Politik deshalb auf, Prozesse der digitalen Transformation in der Pflege zu unterstützen und den konsequenten Anschluss der Pflege an die Telematikinf- rastruktur zeitnah zu fördern. Insbeson- dere die digitalen Anwendungen und die Kommunikation zwischen Pflegebedürfti- gen, Pflegeeinrichtungen, anderen Leis- tungserbringern in der Pflege- und Krankenversicherung sowie mit den

Pflege- und Krankenkassen können dadurch erleichtert und entbürokratisiert werden. Dies erfordert:

 den Ausbau der Internetinfrastruktur (kabelgebunden und/oder drahtlos) sowie die Gewährleistung eines leis- tungsfähigen WLAN in Pflegeeinrich- tungen und -diensten.

 den parallelen Anschluss der Pflege an die Telematikinfrastruktur im Rah- men der Pflege- und der Krankenver- sicherung. Dabei sind auch die mobilen Datenerfassungen der am- bulanten Pflegeeinrichtungen unver- züglich an die TI anzuschließen.

 die gegenwärtig teilweise parallellau- fenden und nicht immer abgestimm- ten Prozesse von

Gesetzgebungsverfahren, Modellpro- jekten und Aktivitäten der unter- schiedlichen Akteure etc. sind in einen transparenten Roadmap-Pro- zess zu integrieren und dabei Syner- gieeffekte zu nutzen.

 bei allen Maßnahmen ist die Refi- nanzierung der Anschaffung von Hardware, Peripheriegeräten und Software sowie der Betriebskosten, der Wartung und das Engineering si- cherzustellen, ohne dass es die Ei- genanteile der pflegebedürftigen Menschen belastet. Dies gilt auch für die Anschubfinanzierung zur Digitali- sierung nach § 8 Absatz 8 SGB XI.

 

(4) Die Stärkung der Hospizkultur und Pallia- tivversorgung in stationären Pflegeein- richtungen ist ein wichtiges Ziel der BAGFW. Eine würdevolle Begleitung von Menschen in der letzten Lebensphase er- fordert einen hohen zeitlichen und damit personellen Aufwand. Dieser Mehrauf- wand umfasst sowohl in großem Maße die pflegerische und medizinische Ver- sorgung als auch die psychosoziale Be- gleitung und Betreuung der Sterbenden und ihrer An- und Zugehörigen.

Die Verbände der Freien Wohlfahrts- pflege setzen sich für eine Verbesserung der palliativen Versorgung und Sterbebe- gleitung in den vollstationären Pflegeein- richtungen ein, die nicht mit einer

Steigerung des Eigenanteils der Heimbe- wohner/innen einhergeht. Die finanzielle Verantwortung für die Verbesserung der Palliativversorgung und die Förderung ei- ner hospizlichen Kultur in vollstationären

(21)

Erwartungen der BAGFW an die Bundespolitik der 20 Legislaturperiode, Thema Altenhilfe

 

Pflegeeinrichtungen sehen wir - in Anleh- nung der Finanzierung stationärer Hos- pize - in der gesetzlichen

Krankenversicherung verortet.

(5) Pflegeausbildung weiterentwickeln

 Die Kompetenzen der Pflegeberufe müssen um die eigenverantwortliche Ausübung von Heilkunde erweitert werden. Langfristig empfehlen wir die Schaffung eines eigenständigen Heilkundegesetzes, in dem die Kom- petenzen aller Gesundheitsfachbe- rufe im Kontext einer

interdisziplinären, sektorenübergrei- fenden Versorgung geregelt werden.

 Das Pflegeberufegesetz ist in folgen- den Punkten zu reformieren:

o Die im Gesetz vorgesehene An- rechnung der Auszubildenden mit einer Wertschöpfung ist im zweiten und dritten Ausbildungs- jahr zu streichen, da sie die Aus- bildungsbereitschaft

beeinträchtigt und dem Ausbil- dungscharakter widerspricht.

o Die nicht an Krankenhäuser an- geschlossenen Pflegeschulen müssen bezüglich der Investiti- onskosten den an Krankenhäu- ser angeschlossenen

Pflegeschulen gleichgestellt werden.

o Die Bereitstellung der erforderli- chen Praxiseinsätze - insbeson- dere in den Nadelöhrbereichen wie pädiatrische Versorgung- muss sichergestellt sein.

o Es sind weitere Anstrengungen zu unternehmen, um in allen Fällen Kooperationsbeziehun- gen und den Beitritt in Ausbil- dungsverbünde zu

gewährleisten, damit kein Aus- bildungsplatz verloren geht.

o Die Ausgestaltung der Anlage 4 zur Ausbildungs- und Prüfungs- ordnung, die zu einem abge- sengten Kompetenzniveau, im dritten Ausbildungsjahr der Spe- zialisierung zur Altenpflege ge- führt hat, ist zurückzunehmen.

 Der Anteil der Ausbildungskosten, die von den Pflegeeinrichtungen an die Pflegebedürftigen weitergereicht werden müssen, muss gänzlich aus Mitteln der Pflegeversicherung und ohne Belastung des Eigenanteils der pflegebedürftigen Menschen finan- ziert werden.

(6) Seniorenpolitik und kommunale Senio- renarbeit stärken

Zur Verwirklichung von Teilhabe, zur Prä- vention und zur Vermeidung von Einsam- keit bedarf es vielfältiger Angebote der Seniorenarbeit sowie Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Prävention in der Kommune. Die BAGFW fordert, im Rahmen des § 71 SGB XII verbindlich in allen Kommunen einen präventiven Hausbesuch einzuführen, der allen Mit- bürger/innen über 75 Jahre zur Verfü- gung stehen soll.

Für die kommunalen Aufgaben der Sozi- alplanung, Koordination, Vernetzung und Steuerung bedarf es eines verlässlichen finanziellen Rahmens. Die BAGFW schlägt somit vor, § 71 SGB XII von einer

„Kann-Bestimmung“ in eine ver-

pflichtende Bestimmung zu überführen und die Leistungen mit einem kommuna- len Basisbudget für Bürgerinnen und Bür- ger über 65 Jahre zu unterlegen.

(22)

Wahlen zum Deutschen Bundestag 2021

Erwartungen der BAGFW

an die Bundespolitik der 20. Legislaturperiode

Arbeitsmarktpolitik und Teilhabe

1. Wir erwarten von der Bundespolitik, die Digitalisierung in den Angeboten der Arbeits- förderung als strategisches Ziel zu fassen und mit einem Förderprogramm zu unterle- gen.

2. Wir erwarten, das Instrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ nach § 16i SGB II zu entfris- ten und ausreichend finanzielle Mittel für seine Umsetzung im Eingliederungstitel so- wie über den Passiv-Aktiv-Transfer bereit zu stellen.

3. Wir erwarten den gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylsuchende nach spätestens drei Monaten und eine gute Arbeitsmarkt- und Sprachförderung für diese Gruppe. Dolmetscherdienste müssen verlässlich angeboten und finanziert wer- den, damit der Zugang zu Sozialleistungen nicht an der Sprachbarriere scheitert.

4. Wir erwarten die Schaffung eines individuellen gesetzlichen Anspruchs auf Schuld- nerberatung – etwa durch eine Anspruchsregelung in § 68a SGB XII. Entsprechend braucht es eine bundesweit einheitliche Finanzierung der Schuldner- und Insolvenz- beratung.

(1) Die fortschreitende Digitalisierung muss sich zukünftig stärker in den Förderange- boten im SGB II und III niederschlagen, damit Teilnehmende ihre digitalen Kom- petenzen entsprechend den Anforderun- gen des sich wandelnden Arbeitsmarktes verbessern und ihr Lernpotential mithilfe digitaler Lerntechniken besser ausschöp- fen können. Besondere Unterstützung benötigen arbeitslose Menschen, die im Unterschied zu Arbeitnehmer/innen keine Möglichkeit haben, am Arbeitsplatz An- schluss an die veränderten Bedingungen der Arbeitswelt zu halten und sich hierfür zu qualifizieren. Die BAGFW sieht bei den Angeboten zur Förderung der Teil- habe an Arbeit und Qualifizierung einen umfassenden Digitalisierungs- und Ent- wicklungsbedarf, der die Lehrkonzeptent- wicklung und -umsetzung, Investitionen in technische Ausstattung und Personalent-

wicklung umfasst. Die teilnehmerbezo- gene Förderung unter Ausschluss von Infrastrukturförderungen für Maßnahmen- träger und der im Zuge der wettbewerb- lich organisierten Leistungserbringung (v.a. Vergabeverfahren) erzeugte Preis- druck führen dazu, dass sich notwendige Finanzmittel (z.B. Projektentwicklungsmit- tel, Mittel für die Qualifizierung des Per- sonals) nicht oder nur in sehr geringem Umfang generieren lassen. Einschlägige Bundesförderprogramme (z.B. „Digital jetzt – Investitionsförderung für KMU“ o- der „Förderung von Digitalisierung in überbetrieblichen Berufsbildungsstätten (ÜBS) und Kompetenzzentren“) sollten auch gemeinnützigen Trägern der Ar- beitsförderung offenstehen.

(2) Mit dem Teilhabechancengesetz und der Förderung nach § 16i SGB II wurde ein Regelinstrument eingeführt, das dringend

(23)

Erwartungen der BAGFW an die Bundespolitik der 20. Legislaturperiode, Thema: Arbeitsmarktpolitik und Teilhabe

 

nötig war und ist. Menschen, die lange vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind, können durch die Förderung eine echte Perspektive am Arbeitsmarkt erhalten.

Soziale Teilhabe wird ermöglicht, die Be- schäftigungsfähigkeit der geförderten Personen verbessert und langfristig auch die Chancen auf ungeförderte Erwerbsar- beit erhöht. Die positive Wirkung dieser Förderung ist auch mit Blick auf die ge- samte Bedarfsgemeinschaft wichtig. Al- lerdings ist dieses wichtige Instrument gesetzlich bis Ende 2024 befristet. Um das Instrument bedarfsgerecht einsetzen zu können, müssen den Jobcentern aus- reichend Mittel zur Verfügung gestellt werden.

(3) Asylsuchenden ist grundsätzlich (unab- hängig von Verfahren und Bleibeperspek- tive) und ohne Vorrangprüfung spätes- tens nach drei Monaten ein Zugang zum Arbeitsmarkt zu gewähren und von Be- ginn an ein gleichberechtigter Zugang zur Arbeitsförderung nach SGB II und SGB III zu eröffnen. Für die Eröffnung einer rea- listischen Perspektive am Arbeitsmarkt ist die möglichst frühzeitige Förderung von Integration und Spracherwerb unerläss- lich. Berufs- und ausbildungsbegleitende Möglichkeiten der Sprachförderung müs- sen bedarfsdeckend zur Verfügung ge- stellt und als Regelleistungen im SGB II und III verankert werden.

Die Anerkennung von im Ausland erwor- benen Berufsabschlüssen muss verbes- sert werden. Die BAGFW fordert ein für die Antragsteller kostenloses, vereinfach- tes Verfahren. Zeitliche Lücken im Aner- kennungsverfahren können durch zielge- naue Fort- und Weiterbildungen sinnvoll genutzt werden. Jobcenter und Ar-

beitsagenturen müssen sich aktiv mit den Anerkennungsstellen in Verbindung set- zen, um die Abläufe im Einzelfall und strukturell gut zu verzahnen.

Es braucht eine generelle gesetzliche Re- gelung (im SGB I und X), die es ermög- licht, dass Leistungsberechtigte mittels Dolmetscher kommunizieren können und die Kosten seitens des Leistungsträgers übernommen werden. Bislang fehlt eine klare rechtliche Regelung, die verbindli- che Dolmetscherdienste vorsieht, wenn eine Person nicht über ausreichend Deutschkenntnisse verfügt, um die ihr zu- stehenden Leistungen zu beantragen.

(4) Die Überschuldung deutscher Haus- halte ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich angewachsen und wird als Folge der Corona-Pandemie ein neues Ausmaß annehmen. Die bishe- rigen Regelungen zur Inanspruch- nahme von Schuldnerberatung – aus- schließlich für Personen im SGB II- bzw. SGB XII-Leistungsbezug – sind daher nicht mehr realitätsgerecht und zielführend. Angesichts häufig benö- tigter präventiver Maßnahmen zur Vermeidung von Überschuldung und einer generellen Öffnung der Schuld- nerberatung als Leistung zur Vermei- dung und Begegnung von Armut und sozialen Schieflagen ist eine umfas- sende Leistungsgewährung dringend geboten.

Unmittelbar verbunden mit der Einfüh- rung eines gesetzlichen Anspruchs auf Schuldnerberatung ist in zweiter Stufe die Reform der Finanzierung der Schuldner- und Insolvenzberatung, die bisher auf einer unüberblickbaren Viel- zahl föderaler und insbesondere kom- munaler Regelungen beruht.

 

(24)

Wahlen zum Deutschen Bundestag 2021

Erwartungen der BAGFW

an die Bundespolitik der 20. Legislaturperiode

Teilhabe von Menschen mit Behinderungen

1. Wir erwarten, dass sich die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsle- ben deutlich verbessert.

2. Wir erwarten die Etablierung einer inklusiven Bildung als Normalzustand.

3. Wir erwarten, dass das Menschenrecht auf einen barrierefreien Zugang zu allen Ge- sundheitsleistungen realisiert wird.

4. Wir erwarten eine gleiche gesellschaftliche Teilhabe für alle Menschen und entspre- chend Zugang zu Leistungen der Eingliederungshilfe für alle Menschen mit Behinde- rungen.

5. Wir erwarten eine Gesamtstrategie in den Bereichen Prävention, Rehabilitation, Ge- sundheit und Pflege in Verbindung mit der Eingliederungshilfe für Menschen mit Be- hinderungen

(1) Neben den bisherigen Bemühungen der Politik, die Teilhabe am Arbeitsleben leis- tungsstärkerer Menschen mit Behinde- rungen voranzutreiben, muss der Fokus in gleicher Weise auf Menschen mit kom- plexem Unterstützungsbedarf gelenkt werden. Das „Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung“ als Zu- gangskriterium ist aus dem SGB IX zu streichen. Es verwehrt insbesondere Menschen mit hohem Unterstützungsbe- darf den Zugang zu Leistungen der Teil- habe am Arbeitsleben.

Menschen mit Behinderungen sind über- durchschnittlich von Arbeitslosigkeit be- troffen. Um sie wirksam zu bekämpfen, ist die Entwicklung eines tragfähigen und nachhaltigen Gesamtkonzepts für einen wirklich inklusiven Arbeitsmarkt erforder- lich, der allen Menschen Zugang ermög- licht. Dabei sind Frauen, junge und ältere Menschen mit Behinderungen sowie Menschen mit Migrationshintergrund und Behinderungen besonders zu berücksich- tigen.

(2) Entsprechend Art. 24 UN-Behinderten- rechtskonvention muss die Bundespolitik die Voraussetzungen schaffen, um ein in- klusives Bildungssystem in allen Lebens- bereichen (vorschulische Bildung, schulische Bildung, Hochschulbildung, Berufsausbildung, Erwachsenenbildung, Lebenslanges Lernen) zu verwirklichen.

Neben der Gewährleistung räumlicher und sächlicher Barrierefreiheit, muss vor allem die Ausbildung von Erzieher/innen und Lehrer/innen nach den Grundsätzen der Inklusionspädagogik ausgerichtet werden.

Basis dafür ist die Überprüfung des be- stehenden Bildungssystems in verbindli- cher Zusammenarbeit mit den Ländern.

Der Blick ist zu legen auf exkludierende Strukturen und Zugangsbarrieren sowie ihre Weiterentwicklung im Sinne der

(25)

Erwartungen der BAGFW an die Bundespolitik der 20. Legislaturperiode, Thema: Teilhabe von Menschen mit Be- hinderungen

UN-Behindertenrechtskonvention. Alle vom Bund angestrengten bildungspoliti- schen Initiativen müssen so gestaltet sein, dass Kinder mit und ohne Behinde- rung gleichermaßen von ihnen profitie- ren, unabhängig davon, ob sie eine Regel- oder Förderschule besuchen.

Für alle Menschen mit Behinderungen ist ein Rechtsanspruch auf einen uneinge- schränkten Zugang zum Bildungssystem (auch in der Erwachsenenbildung) vor- zusehen.

(3) Immer noch bestehen gravierende Män- gel im Zugang zu Leistungen der Ge- sundheitsversorgung für Menschen mit Behinderungen.

Viele Arztpraxen sind noch immer nicht barrierefrei. Für Bestandspraxen steht weiterhin ein bundesmittelfinanziertes Förderprogramm zum Abbau bestehen- der Barrieren aus.

Die besonderen Behandlungsbedarfe von Patientinnen und Patienten mit Behinde- rungen müssen im praxisbezogenen Teil sämtlicher Ausbildungs- und Studien- gänge im Gesundheitswesen berücksich- tigt werden. Medizinische Fachkenntnisse in Bezug auf spezifische Krankheitsbilder von Menschen mit Behinderungen sowie Kenntnisse über die besonderen Unter- stützungsbedarfe von Patientinnen und Patienten mit Behinderungen müssen in die Aus-, Fort- und Weiterbildungsord- nungen integriert werden.

Oftmals benötigen Menschen mit Behin- derungen während eines Krankenhaus- aufenthalts eine Begleitung durch eine ihnen vertraute Assistenzkraft. Der An- spruch auf Mitaufnahme einer Pflegeper- son ist in § 11 Absatz 3 Satz 1 SGB V geregelt. Dieser Rechtsanspruch ist auf alle Menschen mit Behinderungen auszu- weiten.

Die immer noch unbefriedigende Versor- gung mit Hilfsmitteln ist sozialrechtlich so auszugestalten, dass sie nicht nur dem Ausgleich und der Deckung des physi- schen Existenzminimums dient, sondern

der vollen Teilhabe am Leben in der Ge- sellschaft.

(4) Menschen mit Behinderungen müssen gleichberechtigt an allen Aspekten des gesellschaftlichen Lebens teilhaben kön- nen. Das bedeutet, dass alle Menschen mit Behinderungen, die in ihrer gesell- schaftlichen Teilhabe eingeschränkt und somit behindert werden, Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe erhal- ten müssen.

Die Teilnahme an Kulturveranstaltungen, persönliche Freizeitgestaltung und barrie- refreie Mobilität sind zentrale Vorausset- zungen einer selbstbestimmten und gleichberechtigten Teilhabe von Men- schen mit Behinderungen am gesell- schaftlichen Leben. Daher muss eine barrierefreie Infrastruktur in diesen Berei- chen geschaffen werden. Dazu zählen flächendeckende qualifizierte und recht- lich abgesicherte Regelleistungen, Regel- strukturen und Regelfinanzierungen.

Die Regelungen des Behindertengleich- stellungsgesetzes (BGG) verpflichten ins- besondere Dienststellen und sonstige Einrichtungen der Bundesverwaltung zur Barrierefreiheit. Sie bieten darüber hinaus die Möglichkeit eines Schlichtungsverfah- rens. Im Rahmen der Umsetzung des Eu- ropean Accessibility Acts (EAA) in nationales Recht sind analoge Regelun- gen für den privatwirtschaftlichen Bereich zu schaffen, so dass Menschen mit Be- hinderungen tatsächlich in allen Lebens- bereichen teilhaben können.

Menschen mit Behinderungen müssen auch Zugang zu öffentlich geförderten Wohnungsbauprogrammen bzw. Landes- wohnraumförderung erhalten.

(5) In den Bereichen Prävention, Rehabilita- tion, Gesundheit und Pflege ist eine Ge- samtstrategie in Verbindung mit der Eingliederungshilfe für Menschen mit Be- hinderungen im Sinne des Artikels 26 der UN-Behindertenrechtskonvention erfor- derlich.

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