Sensibilisierungen gegen Birkenpollen in der Stadt Salzburg
Manfred MITTLBÖCK, Roland LANG und Thomas HAWRANEK
Kurzfassung
Salzburg verzeichnete in den letzten Jahren einen enormen Anstieg an Allergiefällen in Stadt und Land. Ziel der Forschungsarbeit ist es, mit Methoden der räumlichen Analyse festzustellen, ob dabei signifikante räumliche Differenzierungen im Auftreten von Sensibi- lisierungen gegen Birkenpollen im Verhältnis zu der Gesamtanzahl an Sensibilisierungen gegen andere Allergene in der Stadt Salzburg festzustellen sind.
Birkenpollen (Betula) sind die am stärksten Allergie auslösenden Baumpollen in Nord-, Mittel- und Osteuropa. Die Samensaison startet dabei meist Ende März bis Anfang April bis ca. Ende Mai (EMBERLIN, 2002a). Im Untersuchungsgebiet beträgt die Anzahl der Bir- kenpollenallergiefälle dabei fast 50% aller auftretenden Allergiearten. Die in dieser Unter- suchung gewonnene Information soll benutzt werden, um eine räumliche Kategorisierung des Allergierisikos auf Birkenpollen vorzunehmen.
1 Einleitung
In den letzten Jahrzehnten ist ein deutliches Ansteigen der Pollenallergie zu verzeichnen, wobei ca. 25 % der Salzburger Bevölkerung zu den Pollenallergikern zählt. Die Gründe für die Zunahme sind mannigfaltig und keineswegs völlig geklärt. Neben einer genetischen Disposition spielen vor allem individuelle Lebensumstände sowie spezifische Umweltein- flüsse eine wesentliche Rolle. Zu den bedeutendsten Allergie auslösenden Pollen in Öster- reich zählen die Pollen der Birke. Unsere Untersuchungen sollen klären, inwieweit Birken- standorte die Sensibilisierung gegen Birkenpollen der Bevölkerung in der Stadt Salzburg beeinflussen. Mit Hilfe räumlicher Analysemethoden soll festgestellt werden, ob eine Clusterung des Auftretens von Allergiefällen in Bezug auf Birkenpollen im Gegensatz zu anderen Allergenen bezogen auf die Bevölkerungsstruktur nachweisbar ist. Als Basis wur- de dafür, gemeinsam mit der Universitätsklinik für Dermatologie der Paracelsus Medizini- schen Privat Universität (PMU) Salzburg, ein Sensibilisierungsraster für die Stadt Salzburg, aufgeschlüsselt nach Birkenpollen und den restlichen allergenen Stoffen entwickelt. In Kombination mit Bevölkerungsdaten gilt es zu untersuchen, ob es sich dabei um eine zufäl- lige Verteilung von Sensibilisierungen gegen Birkenpollen handelt, oder sich räumliche Häufungen ergeben, die auf den direkten Einfluss von Umweltparametern, wie z.B. Bir- kenvegetation erkennen lassen.
2 Untersuchungsgebiet
Als Untersuchungsgebiet wurden die besiedelten Flächen der Stadt Salzburg gewählt. Für die Untersuchung erfolgte eine Geocodierung der Allergiedatenbank der Universitätskli- nik für Dermatologie mit dem Unterscheidungskriterium Kind / Erwachsene. Für die wei- terführende Verarbeitung wurden diese Daten auf ein 500m Raster der Stadt Salzburg aggregiert.
Abb. 1: Sensibilisierungen gegen Birkenpollen in der Stadt Salzburg (Quelle: Universi- tätsklinik für Dermatologie PMU Salzburg)
3 Geographische Analyse
Methoden der geographischen Analyse werden verwendet, um mit deren Werkzeugen räumliche Verteilungsmuster zu erkennen, beschreiben und zu analysieren. Im Gegensatz zu herkömmlicher Statistik fließen in diesem Fall auch räumliche Verteilungs- und Bezie- hungsmuster in die Analyse ein. Um differenzierte Verteilungsmuster von Sensibilisierun- gen bewerten zu können, werden Modelle der räumlichen Zufallsverteilung verwendet.
Ausgehend von der Nullhypothese, dass kein räumlicher Zusammenhang besteht wird über das Laplace-Prinzip festgestellt dass es keine Unterschiedlichkeit gibt im welchem Bereich der Stadt Salzburg Sensibilisierungen gegen Birkenpollen auftreten.
Für die weitere Analyse wird dazu ein Zufallsdatensatz basierend auf der räumlichen Be- völkerungsverteilung in der Stadt Salzburg entwickelt:
Mit verschiedenen Methoden der deskriptiven Statistik ist es möglich räumliche Vertei- lungsmuster zu erkennen. Im folgenden Abschnitt werden dazu verschiedene Analysen durchgeführt, die dabei unterstützen sollen, die räumliche Verteilung der Sensibilisierungen gegen Birkenpollen besser bewerten zu können:
3.1 Berechnung der durchschnittlichen Distanz zwischen den Sensibilisierungsfällen
Entwickelt in den 50er Jahren von (Clark und Evans) untersucht der Index die mittlere Distanz zweier auftretenden Fälle. Für die Aussage der räumlichen Clusterung von Sensibi- liserungen gegen Birkenpollen in der Stadt Salzburg werden dazu die Sensibilisierungsfälle mit einer zufälligen Verteilung, abhängig von der Bevölkerungsstruktur (500 m Raster) verglichen:
Mittlere Distanz Erwartete
Distanz Ratio
Sensibilisierungsfälle gegen
Birkenpollen 231 m 298 m 0.7756
Zufallsdatensatz basierend auf
der Bevölkerungsverteilung 267 m 317 m 0.8553
Im Verhältnis zum Zufallsdatensatz besteht beim untersuchten Birkenpollensensibi- lisierungsdatensatz eine stärkere Klumpung, wobei Datensätze < 1 als nicht zufällig ange- sehen werden. Mit einer ersten deskriptiven Beschreibung des Datensatzes lässt sich ein Trend feststellen, , dass es sich bei den Sensibilisierungsfällen gegen Birkenpollen nicht um eine zufällige Verteilung, abhängig von der Bevölkerungsstruktur in der Stadt Salzburg handelt, sondern dass wahrscheinlich zusätzliche Einflussfaktoren das Auftreten von Bir- kenpollensensibilisierungen beeinflussen.
3.2 Durchführung der Quadratanalysstatistik
Dabei unterteilt man die Stadt mit einem Quadratraster. Die Complete Spatial Randomness (CSR) geht davon aus, dass die Anzahl der auftretenden Fälle also zufallsartig im Raum verteilt sein muss, und sich die Fälle nicht gegenseitig beeinflussen.
Für die Stadt Salzburg wurde dafür ein Quadratraster von 500m gewählt, etwas mehr als die doppelte durchschnittliche Fläche pro Fall (= Features / Fläche) (MITCHELL, 2005).
Nachdem die Größe der Fläche im Gegensatz zur Anzahl (Intenstität) der Fälle von gerin- gem Interesse ist wird die Binomialverteilung mit der Poissonverteilung ersetzt. Die mittle- re erwartetete Anzahl λ Sensibilisierungen pro Rasterfläche R läßt sich also mit der Formel
R R n n , ) = λ (
beschreiben.
Daraus ergibt sich für
λ
Sensibilisierungsfälle Betula positiv / random 0.685 Sensibilisierungsfälle Betula positiv jünger als 15 Jahre / random
0.240
Teilt man nun die Stadt Salzburg in die oben genannten 500m Quadratraster auf (254 be- wohnte Rasterzellen), lässt sich damit die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten der Anzahl von Sensibilisierungsfällen x in jedem Quadratraster (SULLIVAN, 2003) für die tatsächli- chen und zufälligen Verteilungen der Sensibilisierungsfälle mit der Formel
) !
( x
x e
λ
xρ
= −λberechnen. Mit Hilfe von GIS lässt sich nun die Wahrscheinlichkeit für das Vorkommen von 0,1,2,3,4 und mehr Fällen pro Rasterzelle berechnen. Als Input werden dabei ver- gleichbar mit der Berechnung der durchschnittlichen Distanz die aktuellen Sensibilisie- rungsfälle und ein zufällig generierter Datensatz untersucht, um eine weitere Aussage über die räumliche Verteilung zu erhalten.
Quadratanalyse des Zufallsdatensatzes:
# EQ/quadrat Poisson P Expected Observed (O-E)^2/E
0 0.50407 128 153 5 1 0.34531 88 62 8 2 0.11827 30 20 3 3 0.02701 7 10 1 4 0.00463 1 4 7 5 0.00063 0 4 92
>5 0.00008 0 1 47
Total 1 254 254
Chi Sq 163
Quadratanalyse Sensibilisierungsfälle gegen Birkenpollen:
# EQ/quadrat Poisson P Expected Observed (O-E)^2/E 0 0.50407 128 157 7 1 0.34531 88 53 14 2 0.11827 30 25 1 3 0.02701 7 10 1 4 0.00463 1 6 20 5 0.00063 0 2 21
>5 0.00008 0 1 47
Total 1 254 254
Chi Sq 111
Vergleicht man nun die beobachteten Werte mit einer Zufallsverteilung, lässt sich mit Hilfe des Chi-Quadrat-Tests erkennen, ob die beobachteten Fälle ein räumliches Muster erken- nen lassen, oder gleichförmig im Raum verteilt sind. (MITCHELL, 2002), je größer der Un- terschied, desto stärker ist der Unterschied zwischen den Datensätzen Random (Chi²=164) und Sensibilisierungsraster (Chi²=111) und zeigt damit die starke Unterschiedlichkeit der Datensätze auf. Dies gilt als wesentliches Indiz, dass es sich beim Sensibilisierungsraster um keine rein zufällige Verteilung im Raum handelt.
Mit Hilfe geographischer Methoden der Point-Pattern Analysis konnte aufgezeigt werden, dass es sich bei der räumlichen Verteilung der Birkenpollensensibilisierungsfälle in der Stadt Salzburg nicht um ein zufälliges Muster handelt und bietet somit die Basis für weiter- führende Analysen.
4 Ausblick
Diese Untersuchung soll den Mehrwert der Anwendungen geographischer Analysemetho- den im Gesundheitsbereich aufzeigen. Zur Prävention von Birkenpollenallergien bzw. zur Besserung des Beschwerdebildes bei bestehender Allergie steht grundsätzlich die Vermei-
dung des Allergenkontaktes bzw. die Reduktion übermäßiger Pollenexposition im Mittel- punkt. Eine mögliche sinnvolle Maßnahme könnte z.B. eine Reduktion des Birkenbestan- des darstellen. Mit Hilfe verschiedener Methoden räumlicher Mustererkennung ist es ge- lungen signifikante Clusterungen von Birkenpollensensibilisierungen nachzuweisen. Dar- auf aufbauend gilt es als folgenden Schritt lokalräumliche Birken-Vegationen und die dar- aus resultierenden Windausbreitungsmodelle in die Modellierung einzubinden, um damit eine Kategorisierung der allergenen Sensitivität in den verschiedenen Teilen der Stadt Salzburg durchführen zu können.
Literatur
BURKE, R. (Hrsg.) (2003): Getting to know ArcObjects. Redlands CA.
EMBERLIN, J, et al. (2002): Responses in the start of Beutula (birch) pollen seasons to re- cent changes in spring temperatures across europe. In: Int. Journal Biometeorol, 46, S 159-170.
GONZALO-GARIJO, M.A et al (2006): Differences in the spatial distribution of airborne pollen concentrations at different urban locations within a city. In: J Investig Allergol Clin Immunol, 16, S 37-43.
KULLDORFF, M. et al. (1997): Breast Cancer Clusters in the Northeast United States:
A Geographic Analysis. In: American Journal of Epidemiology, 146(2).
MITCHELL, A. (2005): The ESRI Guide to GIS Analysis. Volume 2: Spatial Measurements and Statistics.
PERCY, D. (2007): GIS for the natural sciences.
http://gisgeek.pdx.edu/G424-GIS/quadrat_details.htm (30.4.2007).
O’SULLIVAN, D. & D. UNWIN (2003): Geographic Information Analysis. New Jersey.
SMITH, T. (2007): Notebook for Spatial data analysis.
http://www.seas.upenn.edu/~ese502.
THOMAS, R.W (o. A.): An Introduction to Quadrat Analysis. University of East Anglia.
Norwich.
WORLD HEALTH ORGANISATION (2003): Phenology and Human Health: Allergic Disorders Report of a WHO meeting Rome, Italy 16–17 January 2003. Rome.