„Stabil im Klimawandel“ Sachsen-Anhalt 2020 bis 2027

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Schulz, Sven

„Stabil im Klimawandel“ Sachsen-Anhalt 2020 bis 2027

Dresdner Wasserbauliche Mitteilungen

Zur Verfügung gestellt in Kooperation mit/Provided in Cooperation with:

Technische Universität Dresden, Institut für Wasserbau und technische Hydromechanik

Verfügbar unter/Available at: https://hdl.handle.net/20.500.11970/110919 Vorgeschlagene Zitierweise/Suggested citation:

Schulz, Sven (2023): „Stabil im Klimawandel“ Sachsen-Anhalt 2020 bis 2027. In: Technische Universität Dresden, Institut für Wasserbau und technische Hydromechanik (Hg.):

Wasserbau und Wasserwirtschaft im 'Stresstest'. Dresdner Wasserbauliche Mitteilungen 69.

Dresden: Technische Universität Dresden, Institut für Wasserbau und technische Hydromechanik. S. 45-49.

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Institut für Wasserbau und Technische Hydromechanik 46. Dresdner Wasserbaukolloquium 2023

„Wasserbau und Wasserwirtschaft im `Stresstest`“

A4-01

„Stabil im Klimawandel“ Sachsen-Anhalt 2020 bis 2027

Sven Schulz

1 Einleitung

Im Sommer 2022 wurde mit einer Vielzahl von Veranstaltungen an das Hoch- wasserereignis 2002 an der Elbe und weiteren Gewässern erinnert. Auch 2023 werden viele Gedenkveranstaltungen an das Hochwasser 2013 zum zehnten Mal stattfinden. Diese Erinnerungskultur ist wichtig, hält sie auch in Regionen, die seitdem nicht von solchen Ereignissen betroffen waren, die Er- innerung wach, dass extreme Hochwasser jederzeit und überall auftreten können. Die Ereignisse im Ahrtal 2021 verdeutlichen diese Erkenntnis sehr schmerzhaft.

Schaut man auf den Pegel von Magdeburg, ist festzustellen, dass seit 2013 nicht das Thema Hochwasser, sondern das Thema extremer Dürre und Tro- ckenheit das Geschehen dominiert, und dass die Wasserstände seitdem durchgängig das bestehende MHQ von 1790 m³/s nicht erreichen bzw.

durchgängig stark unterschritten haben. Das verdeutlicht, dass der Klima- wandel und damit verbundene sichtbare Wasserdefizite eher die Diskussion bestimmt und Hochwasser in der öffentlichen Wahrnehmung und Diskus- sion eher in den Hintergrund gerückt ist.

2 Landesstrategie „Stabil im Klimawandel“ 2022 bis 2027

Aufgrund der extremen Hochwasserereignisse 2002, 2011 sowie 2013 hat der Hochwasserschutz und das Hochwasserrisikomanagement in der Lan- desverwaltung Sachsen-Anhalt nach wie vor einen sehr hohen Stellenwert.

In einer Kraftanstrengung, die seit 2002 nicht nachgelassen hat und 2013 mit dem Hochwasser nochmals verstärkt wurde, sind bis Ende 2022 ca. 1,4 Milli-

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„Stabil im Klimawandel“ Sachsen-Anhalt 2020 bis 2027

arden Euro in den Hochwasserschutz und das Hochwasserrisikomanage- ment investiert worden, was eine unglaubliche Kraftanstrengung und ein Marathon ist, der kein Ende findet.

Mit der seit 2007 bestehende Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie wer- den die Maßnahmen alle sechs Jahre geplant und gemeinsam mit dem Lan- desbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft priorisiert und fi- nanziell untersetzt. Parallel dazu hatte sich im Land das Instrument der Hochwasserschutzkonzeption etabliert.

Mit Auslaufen der letzten Hochwasserschutzkonzeption Ende 2020 wurde auf die Erfordernisse der HWRM-RL reagiert, alle Landesmaßnahmen des Hochwasserschutzes für den Umsetzungszyklus zu bündeln und in einem Strategiepapier zusammenzuführen. Die neue Landestrategie wurde im No- vember 2022 durch Kabinettsbeschluss als Handlungsgrundlage 2022-2027 verabschiedet. Sie ist konsequent an den Anforderungen der Umsetzung der Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie ausgerichtet und gliedert sich in die Handlungsbereiche Vorsorge, Vermeidung, Schutz (technischer Hoch- wasserschutz, natürlicher Wasserrückhalt) sowie Nachsorge.

Die Maßnahmen sind dem sogenannten LAWA-BLANO Maßnahmenkatalog- zugeordnet und darin konkret verortet. Das betrifft die Maßnahmen des Hochwasserschutzes, den Neubau, die Ertüchtigung, die Sanierung ebenso wie die konzeptionelle Planung, die Öffentlichkeitsarbeit sowie strategische Überlegungen. Insgesamt werden im Umsetzungszyklus bis 2027 über 195 Schwerpunkte finanziell soweit erforderlich untersetzt.

Der Maßnahmenkatalog umfasst ein voraussichtliches Finanzvolumen von ca. 650 Millionen Euro bis 2027 und wird prioritär nach den Schwerpunkten des Landesbetriebes abgearbeitet. Als herausragende Maßnahmen sind nach wie vor die Sanierung, der Neubau von Hochwasserschutzanlagen ent- lang der Fließgewässer, aber auch die Schaffung von Deichrückverlegungen und den Bau von Flutpoldern zu nennen. Da diese Maßnahmen direkt Wir- kungen im Rahmen der Anpassungsstrategien an den Klimawandel entfalten und durch Verknüpfung von Maßnahmen des Naturschutzes sowie der Was- serrahmenrichtlinie direkt in den Naturraum und das Ökosystem wirken, bil- den sie auch weiterhin den Schwerpunkt.

Danach bilden

• die weitere Verbesserung der Hochwasservorhersage,

• die Förderung des kommunalen Starkregenrisikomanagements und des Hochwasserschutzes,

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• die weitere konsequente Sicherung der Überschwemmungsge- biete,

• die Unterstützung und den Aufbau der Wasserwehren und

• das Thema der Öffentlichkeitsarbeit in Verbindung mit der Eigen- vorsorge

wesentliche Punkte der Landesstrategie. Darüber hinaus soll die Zusammen- arbeit mit wissenschaftlichen Einrichtungen verstärkt werden und durch die Erarbeitung einer Zukunftsstrategie 2050, der Hochwasserschutz und das Hochwasserrisikomanagement bewertet werden.

Ausgehend von 5 Prozent DIN gerechter Deiche im Jahr 2002, sind bis Ende 2022 ca. 74 Prozent der Deiche in einen DIN gerechten Zustand überführt worden.

18 Prozent haben Anpassungsbedarf und lediglich 8 Prozent weisen Defizite in der Standsicherheit auf. Hier machen sich die immensen Anstrengungen durch den Landesbetrieb und aller Beteiligten bemerkbar. Unser Land ist da- mit resilienter gegen Hochwasserereignisse geworden.

Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit liegt in der konsequenten Vorbereitung und Umsetzung von Deichrückverlegungen und dem Bau von Flutpoldern.

Auch hier erfolgt eine parallele Bearbeitung einer Vielzahl von Projekten.

Schwerpunkt bilden aus wasserwirtschaftlicher Sicht die Errichtung von Flut- poldern wie in Axien-Mauken an der Landesgrenze zu Sachsen. Um diesem Prozess auch unter politischen Gesichtspunkten Nachdruck zu verleihen, wurde das Programm „Fluss, Natur, Leben“ Aufgabe für Generationen“, verab- schiedet. Darin sind 34 Maßnahmen mit einem Umfang von über 16.000 ha Retentionsraumgewinn durch Deichrückverlegungen und 200 Mio. m³ im Rahmen von Polder-Projekten zusammenfassend dargestellt. Sie bilden als Generationenaufgabe den Schwerpunkt in diesem Bereich für die nächsten Jahrzehnte und sind gleichzeitig eine wichtige Säule als Beitrag im Rahmen der Anpassungsstrategien an den Klimawandel.

Das Thema „Starkregen und Risikomanagement“ gewinnt auch in Sachsen- Anhalt mehr und mehr an Bedeutung. Aufgrund einer Vielzahl von Starkre- genereignissen seit 2015 wurde in der Förderperiode 2022 bis 2027 unter dem Dach Klima III auch die Förderung von Maßnahmen der Starkregenrisi- kovorsorge im kommunalen Bereich als Förderschwerpunkt erkannt und

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wird nach Verabschiedung der Förderrichtlinie in diesem Jahr mit ca. 25 Mil- lionen Euro, bei einer Förderung bis zu 90 Prozent, kommunale Maßnahmen flankieren.

Parallel dazu ist durch Beschlusslage der Umweltministerkonferenz vom 8. Oktober 2021 die Frage der Elementarschadensversicherung in den Fokus der Diskussion gelangt. In Sachsen-Anhalt beträgt die Versicherungsquote trotz der extremen Hochwasserereignisse unter 50 Prozent. Dieses kann auch angesichts der immensen Schäden, die Starkregenereignisse letztmalig 2017 im Harz verursacht haben, nicht befriedigen. Deshalb wird die Diskus- sion zur Einführung einer Pflichtversicherung für Elementarschäden an Ge- bäude aufmerksam verfolgt und inhaltlich mitbegleitet.

Mit dem Bundesraumordnungsplan „Hochwasser“ hat der Bund 2020 einen Rahmen geschaffen, Hochwasserrisikomanagement auf Basis der Raumpla- nung stärker zu berücksichtigen. Im Rahmen eines derzeit in Sachsen-Anhalt laufenden Prozesses der Neufassung des Landesentwicklungsplanes brin- gen wir die Risikokulisse, aber auch die Standorte für die Deichrückverlegun- gen und die perspektiv vorgesehenen Polder mit in die Diskussion ein und wollen eine Sensibilisierung bei Standortentscheidungen in Risikogebieten im Rahmen dieses Prozesses erreichen und sicherstellen.

Eine Herausforderung, die auch im Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern deutlich wird, ist die Frage der Eigenvorsorge und die Einschätzung des indi- viduellen Risikos von Starkregen oder Hochwasser betroffen zu sein. Das be- trifft den Rahmen der Bedeutung des Hochwasserrisikomanagements unter Berücksichtigung des Starkregens genauso wie die Stärkung der Eigenver- antwortung jedes einzelnen Bürgers bei der Planung und Umsetzung von Maßnahmen zur Eigenvorsorge. Ein ganzes Maßnahmenbündel angefangen von Wimmelbildern für den schulischen und vorschulischen Bereich, Infor- mationsbroschüren, Neufassung des Internetauftrittes und sogenannten Er- klärfilmen wird ein breiter Strauß an Maßnahmen umgesetzt, um stärker die vielfältigen Maßnahmen auch in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu halten.

Last but not least, zwingende Voraussetzung für ein resilientes Hochwasser- risikomanagements sind Fachleute in den Behörden und öffentlichen Ver- waltungen des Landes, der Landkreise, aber auch den Planungsbüros und umzusetzenden Baufirmen. Hier ist in den letzten Jahren festzustellen, dass

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die Bedingungen schwierig waren und sich direkt auf den Umsetzungszeit- raum von Maßnahmen auswirken können. Eine Verbesserung der Situation ist nicht in Sicht.

Mit einer Initiative des Landes zur Ausbildung von Fachkräften und Imple- mentierung eines Duales Studienganges Wasserwirtschaft soll versucht wer- den, jungen Menschen mit Hochschulreife, mit finanziellen Anreizen für ei- nen wasserwirtschaftlichen Studiengang zu begeistern, mit der Option, in der Zukunft einen spannenden und zukunftsorientierten Arbeitsplatz zu er- halten.

3 Zusammenfassung

Die Landesstrategie „Stabil im Klimawandel“ bildet den Rahmen und die Grundlage der Schwerpunktplanung für den jeweiligen Umsetzungszyklus, gemäß Hochwasserrisikomanagement. Durch die politische Beschlussfas- sung ist gewährleistet, dass der Fokus der Maßnahmenumsetzung Nach- druck erhält und im Rahmen der Haushaltsplanungen kontinuierlich Berück- sichtigung findet. Die Herausforderungen, insbesondere vor dem Hinter- grund des Klimawandels und der sich abzeichnenden langanhaltenden Tro- ckenphasen, müssen gleichzeitig zeigen, dass Hochwasserereignisse oder Starkregenereignisse deshalb nicht weniger wahrscheinlich für die Zukunft sind. Auch in einer Zeit, die vielfältige Herausforderungen für die Zukunft birgt, bleibt der Hochwasserschutz eine anspruchsvolle Aufgabe für alle Be- teiligten und so unsicher die Zukunft auch erscheinen mag, eins ist sicher, das nächste Hochwasser kommt bestimmt!!!

Autor:

Sven Schulz

Referat Hochwasserschutz, Gewässer- und Anlagenunterhaltung, EU- Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie

Ministerium für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt

Leipziger Straße 58 39112 Magdeburg

Tel.: +49 391 567-1792

E-Mail: sven.schulz@mwu.sachsen-anhalt.de

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