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Wiedergeburt der alten Rassen: Wie sinnvoll sind Rückzüchtung und Erhaltungszucht?

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Wiedergeburt der alten Rassen: Wie sinnvoll sind Rückzüchtung und Erhaltungszucht?

von

Anne Katharina Roscher

1. Auflage

Diplomica Verlag 2014

Verlag C.H. Beck im Internet:

www.beck.de ISBN 978 3 95850 656 5

schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG

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Leseprobe

Kapitel 2., Grundbegriffe:

Um sich mit diesem Thema der Erhaltungszüchtung und Rückzüchtung sinnvoll auseinander setzen zu können, ist es notwendig, sich vorher mit einigen Grund-begriffen der Tierzüchtung zu beschäftigen.

Zunächst wird in diesem Kapitel genauer auf den Begriff der Rasse eingegangen, über den in der Literatur zahlreiche, nicht immer übereinstimmende Definitionen zu finden sind. Da eine klare Definition des Rassebegriffs jedoch essentiell für eine sinnvolle Auseinandersetzung mit jeder Art der Zucht ist, werde ich mich in diesem Kapitel auf eine Rassedefinition festlegen, die der

folgenden Themenbearbeitung zur Grunde liegt 2.1, Rassebegriff und dessen Entwicklung:

Der Rassebegriff stellt ein wichtiges Grundelement der Tierzüchtung dar. Ohne ei-ne feste Definition was eine Rasse ausmacht, und wie sie sich von anderen Rassen absetzt kann keine sinnvolle züchterische Einflussnahme stattfinden. Aus diesem Grunde wird der Rassebegriff in diesem Kapitel eingehender behandelt und in un-terschiedlichem Kontext dargestellt, um schließlich eine für diese Untersuchung passende Rassedefinition vorzustellen.

In der Literatur findet man zahlreiche Definitionen des Begriffes „Rasse“.

Aus phylogenetischer Sicht könnten Rassen als Untergliederung von Arten also als Unterarten verstanden werden. Innerhalb des Phylogenetischen Systems findet ei-ne Aufspaltung vom Stamm (z.B. Tier) in Klasse, Ordnung, Familie, Gattung und Art statt. Würde man diese

Aufspaltung nun weiterführen, käme man anschließend zu Rassen innerhalb der Arten. In diesem Fall würden die Rassen als Unterarten gelten. Problematisch bei diesem Gebrauch des

Rassebegriffs ist, dass Rassen und Schläge nicht immer zweifelsfrei anhand von zum Beispiel morphologischen Merkmalen voneinander unterschieden werden können. Ob man deshalb entsprechende biologische Modelle überhaupt auf die Züchtung und Rassenentstehung heutiger Nutztiere anwenden kann ist fraglich. So wird innerhalb des Phylogenetischen Systems

beispielsweise zwischen Spezies unterschieden, während der Begriff der Rasse eine Untergliederung innerhalb der Arten vornimmt. Zudem geht die Evolutionsgeschichte nach

heutigem Wissensstand davon aus, dass eine ständig fortlaufende Aufspaltung stattgefunden hat, von der an sich die einzelnen Spezies durch Selektion, Mutation und genetische Drift immer weiter voneinander dif-ferenziert haben. Bei der Bildung von Rassen war bzw. ist dies keineswegs der Fall. Hier kam und kommt es zu einer ständigen Kreuzung verschiedener Rassen. Durch

Einkreuzungen, Rückkreuzungen, Aufspaltungen und erneute Verzweigung entsteht schließlich eine neue, eigenständige Rasse, die wiederum im Laufe der Zeit einer ständigen Entwicklung unterliegt (BMELV 2002).

Bei HAMOND/JOHANSSON und HARING (1961) sind zwei Definitionen des Begriffes „Rasse“ zu finden:

Biologische Sicht:

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„Eine Population von gegenseitig variierenden Individuen, die dennoch in den meisten Fällen, sowohl genotypisch als auch phänotypisch miteinander größere Ähnlichkeit haben als mit anderen Rassen“

Tierzüchterische Sicht:

„Mit Tieren reiner Rasse meint man Tiere, die hinsichtlich Abstammung, Exterieur und Produktion gewisse, von der Zuchtleitung aufgestellte Forderungen erfüllen.“ (vgl. SAMBRAUS 2001)

Eine Synthese der tierzüchterischen und biologischen Definition des Rassebegriffes stellen

HERRE und RÖHRS (1990) vor. Sie bezeichnen eine Rasse als Unter-einheiten einer Art, die sich durch erbliche Faktoren voneinander unterscheiden. Da sich die tierzüchterische und die

biologische Definition in dieser Aussage ver-einbaren lassen habe ich diese Beschreibung des Rassebegriffes in meine Arbeit mit aufgenommen. Der Begriff der Rasse wird dabei jedoch ausschließlich innerhalb von Haustieren angewandt (HERRE und RÖHRS 1990).

Aus der oben ausgeführter tierzüchterischen Definition folgt, dass es um ein ein-zelnes Tier einer Rasse zuordnen zu können, klare Bestimmungen geben muss, die Abstammung, sowie

morphologische und physiologische Merkmale innerhalb einer Rasse festlegen. Die Festlegung solcher morphologischer und leistungsbezogener Zuchtziele begann erst Ende des 18.

Jahrhunderts (EHLING et al.1994). Durch die Eröffnung von Zuchtbüchern wurden einzelne Rassen Mitte des 19. Jahrhunderts offiziell voneinander getrennt (OETMANN 2000). Heutige Rassen und die enthaltene genetische Variabilität sind dementsprechend zu einem großen Prozentsatz vom Menschen kreiert worden. Eine Abgrenzung zwischen diesen Rassen ist teilweise nur noch auf genetischer Ebene also durch eine DNA-Analyse möglich (EHLING et al.1994). Da lebende Populationen jedoch eine ständige Entwicklung und Veränderung

durchmachen, ist eine Rasse nicht als statischer Begriff zu sehen (OETMANN 2000). So sollte die Festlegung des momentanen Zustandes beispielsweise einer Milchviehrasse alle 20 Jahre

erneuert werden, um den sich ändernden Merkmalen aber auch den sich ändernden

Anforderungen an die Zucht und den daraus resultierenden Produkten Rechnung zu tragen (KUSTERMANN 1994).

In diesem Buch wird größtenteils auf die oben genannte tierzüchterische Sicht der Rassedefinition von HAMOND/JOHANNSSON und HARING Bezug genommen. Auch die Biologische Sichtweise wird dabei nicht aus den Augen verloren. Diese wird jedoch im Einzellfall explizit angesprochen werden. Die angegebene Rassedefinition von HERRE und RÖHRS lässt sich sowohl auf die biologische als auch auf die tierzüchterische Definition der Rasse von HAMOND/JOHANNSSON und HARING anwenden, und wird deshalb als Grundlage mit einbezogen.

Zucht- und Rasseentwicklung:

Die frühesten Knochenfunde von Haustieren stammen aus einer Zeit um 7500-6500 v. Chr. von Schweinen und 3500 v. Chr. von Pferde (EHLING et al. 1994). Sie belegen unterschiedlich ausgeprägte Größen und Formen der Tiere in ver-schiedenen Regionen, die vermutlich in erster Linie durch die dort herrschenden geographischen und klimatischen Bedingungen entstanden sind (DEWENTER 1997). Diese so genannten Landrassen kamen bis vor etwa 200 Jahren über einen

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langen Zeitraum noch ohne große Veränderungen vor, da ihre Eigenschaften, wie oben erwähnt, vor allem durch die geographischen und klimatischen Gegebenhei-ten ihrer Region und die gleich bleibende Nutzung bestimmt wurden. Aufgrund der geringen Unterschiede der Rassen innerhalb einer Region wurden die ver-schiedenen Typen der einzelnen Populationen oft als Schläge bezeichnet (DEWENTER 1997).

Durch die zu Beginn unsystematische und später gezielte Zuchtarbeit des Men-schen

entwickelten sich im Laufe der Zeit aus domestizierten Wildformen zuerst solche so genannten Landrassen, die noch stark von Umwelteinflüssen mitgeprägt wurden und anschließend die Kultur- und Leistungsrassen (EHLING er al. 1994). Die Landrassen galten als gute Futterverwerter,

Wasser- und Nährstoffsparer. Sie waren aktiv in der Futtersuche und hatten stärker ausgebildete

„psychische Fähig-keiten“. Diese Eigenschaften sicherten den Tieren das Überleben, da vor dem 18. Jahrhundert noch keinerlei Futteranbau betrieben wurde (DEWENTER 1997). Im Gegensatz dazu wurde bei Kulturrassen eine gezielte Änderung der Nutzungsrich-tung, auf Grund der Leistungsunterschiede und dem sich wandelnden Bedarf an der Qualität tierischer Produkte angestrebt (EHLING er al. 1994).

Mitte des 18. Jahrhunderts begann mit Robert Blakewell (1725-1795) die zielge-richtete Rassezucht. Der Engländer züchtete erstmals durch geplante Anpaarung, Selektion und

Reinzucht um ein klar definiertes Zuchtziel zu erreichen (DEWENTER 1997). Im Gegensatz zu den Selektionsprinzipien, die in Wildpopulationen wirken und die Erhaltung der Fitness und somit das selbständige Überleben des Individuums zum Ziel haben, galten diese Eigenschaften bei der Rasseentwicklung durch den Menschen nur bedingt als Selektionskriterien. Oft wirken sie den angestrebten Leistungssteigerungen sogar entgegen (EHLING et al. 1994; DEWENTER 1997).

Vom Menschen erschaffene Rassen sind aus diesem Grunde häufig nicht mehr in der Lage dauerhaft alleine zu überleben und sind somit auf die Betreuung und Versorgung durch den Menschen angewiesen (OETMANN 2000).

Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass der Rassebegriff und die damit

zusammenhängende gezielte Rassezucht erst Mitte des 18. Jahrhunderts durch Ro-bert Blakewell geprägt wurde. Rassestandards und Zuchtziele wurden erstmals de-finiert. Der Begriff der Rasse definiert jedoch wie oben beschrieben keinen statischen Zustand, sondern eine sich ständig weiterentwickelnde Situation, weshalb eine spezifische Rassedefinition in regelmäßigen

Abständen an die sich verändernden Ansprüche angepasst werden sollte. Aus tierzüchterischer Sicht, und da-mit für diese Arbeit relevant, wird eine Rasse heute wie folgt definiert: „Mit Tieren reiner Rasse meint man Tiere, die hinsichtlich Abstammung, Exterieur und Produktion gewisse, von der Zuchtleitung aufgestellte Forderungen erfüllen“ (SAMBRAUS 1994).

2.2, Rückgang der Rassenvielfalt:

Die Abnahme von genetischen Ressourcen bezieht sich schon lange nicht mehr ausschließlich auf Arten in freier Wildbahn. Auch im Bereich unserer Nutztiere kommt es seit vielen Jahren zu einem stetigen Rückgang der Diversität. Dies be-deutet nicht unbedingt ein Verschwinden der genutzten Arten, also beispielsweise das Aussterben von Rindern, sondern vielmehr den Verlust einzelner Rassen in-nerhalb einer Art (OETMANN 2000).

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Im Bereich der Milchrinder wird ein solches Phänomen besonders deutlich. So stellen die beiden häufigsten Milchrinderrassen, Holstein und Fleckvieh, heute be-reits 92,5% des gesamten

Milchrinderbestandes in Deutschland. Mehr als 9 von 10 deutschen Milchrindern gehören einer dieser beiden Rassen an (ERDMANN u. SCHELL 2005). Auch in der Schweinezucht ist ähnliches zu beobachten. Hier dominieren die Hybridtiere der Ausgangsrassen Deutsche Landrasse,

Deutsches Edelschwein und Pietrain mit insgesamt 95% der im Herdbuch eingetragenen Tiere (GEH 2006). Die Ursachen einer solchen genetischen Erosion sind vielfältig und begründen sich sowohl in natürlichen als auch in ökonomischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Vorgängen (OETMANN 2000).

Durch die Industrialisierung setzte im 18.Jahrhundert in der Landwirtschaft ein starker Wandel ein.

Vor etwa fünfzig Jahren begann dies in der Tierzucht einen Prozess der Zusammenführung vorhandener Rassen und einer damit verbundenen genetischen Anpassung hervorzurufen.

Kleinbauern verschwanden, kleine Bestände wurden zu kostspielig. Unabhängig von ihrer Rassezugehörigkeit wurden Popu-lationen zusammengelegt oder in größere Gruppen eingegliedert. Auf diese Weise entwickelte sich eine ausgedehnte Zuchtbasis, mit der eine schnellere, gezielte Züchtung auf einzelne Leistungsmerkmale begonnen wurde. Lokale, an ihre Pro-duktionsumwelt optimal angepasste Rassen wurden von Leistungsrassen verdrängt. Die so durch Zusammenlegung entstandene Zuchtbasis unterlag jedoch im Lauf der Zeit auf Grund strenger Selektion und stattfindender Gendrift einem stetigen Diversitätsverlust (Allelverlust) (OETMANN 2000).

Einmal verlorene Genkombinationen, die eine Rasse und ihre spezifischen Eigen-schaften

ausmachen, gingen unwiederbringlich verloren. Eine Differenzierung der einzelnen Rassen ist bei einem solchen Verlust des Genpools nicht wieder her-stellbar. Die Konzentration des

züchterischen Engagements auf einige wenige Rassen wurde durch die neuen

biotechnologischen Möglichkeiten, wie zum Beispiel die künstlichen Besamung oder ähnliche Methoden, gefördert. Durch diese Verfahren ist ein globaler Austausch von Genmaterial möglich geworden, wodurch eine zusätzliche Gendurchmischung und eine weltweit in eine Richtung verlaufende Bestandsentwicklung eingeleitet wurde (SIMIANER 2004). Eine immer stärkere genetische Angleichung der Rassen findet statt. Genetische Variationen werden ausselektiert.

Zusätzlich wird der Unterschied zwischen Hochleistungsrassen und angepassten, ursprünglichen Landrassen immer größer (SIMIANER 2004). Wird die Zuchtarbeit in solcher Form weitergeführt, kann es zu einer Stagnation der auf Leistungssteigerung ausgerichteten Zuchtfortschritte aufgrund fehlender genetischer Variationen kommen (ERDMANN u. SCHELL 2005).

Durch die sich verändernden Nutzungsansprüche wurde die Züchtung von Drei-nutzungsrassen aufgegeben. Der verstärkte Einsatz von Traktoren und anderen Maschinen führte dazu, dass Rinder und Pferde nicht mehr als Arbeitskräfte in Land- und Forstwirtschaft benötigt wurden. Die Zucht spezialisierte sich also auf leistungsfähige Ein- bzw. selten auch auf Zweinutzungsrassen, um den steigenden Bedarf an tierischen Proteinen durch das Bevölkerungswachstum in den Ent- wicklungsländer und die ständig steigenden Ansprüche der Wohlstandsgesellschaft decken zu können (LAUVERGNE 1976; MAJALA 1986; SAMBRAUS 1990; EHLING et al.1994;

KUSTERMANN 1994; DEWENTER 1997; ROßNAGEL 1999; ERDMANN u. SCHELL 2005).

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Die vom Menschen für eine Leistungssteigerung eingesetzten Selektionsprinzipien führten zu einer Homogenisierung innerhalb der Arten, was besonders in der Rinder und Schweinehaltung deutlich wird. Dieser Trend hin zu den einseitig genutzten Leistungsrassen, weg von den

ursprünglichen und robusten Mehrnutzungsrassen, die auf Grund des verstärkten Maschineneinsatzes nicht mehr benötigt wurden, sorgte für eine immer weiterführende Verringerung der genetischen Variabilität. Die Ansprüche der Verbraucher animieren zu Zuchtbemühungen um auf dem Markt wettbewerbsfähig zu bleiben. Oft wirken die

entsprechenden Zuchtentscheidungen jedoch den natürlichen Selektionsprinzipien entgegen und bewirken so eine gegenüber den Landrassen höhere Anfälligkeit der Tiere in Bezug auf Stress und Krankheiten, die durch entsprechende Haltungsbedingungen durch den Menschen wieder ausgeglichen werden muss.

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