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Was Temporärarbeit über die Wirtschaftslage aussagt | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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Die Volkswirtschaft  8–9 / 2018 65 ARBEITSMARKT

Was Temporärarbeit über die Wirtschaftslage aussagt

Vor allem Unternehmen, die konjunkturellen Einflüssen ausgesetzt sind, nutzen Temporär- arbeit. Die Daten der Personaldienstleister zum Arbeitsvolumen können deshalb auch als Frühindikator für die allgemeine Konjunkturlage dienen.  Marius Osterfeld

P

olitik, Medien und Wirtschaft – sie alle sind an der Entwicklung von Konjunk- tur- und Arbeitsmarktdaten interessiert.

Zeitnahe Indikatoren für den Wirtschaftsver- lauf geben Aufschluss über die Einnahmesi- tuation der öffentlichen Hand, ermöglichen Unternehmen die strategische Planung und geben Hinweise auf die Arbeitsmarktchan- cen von Stellensuchenden. Seit 2017 gibt es einen neuen Indikator: den Swiss Staffingin- dex. Diesen hat der Branchenverband der Personaldienstleister Swissstaffing 2017 lan- ciert. Er dient seither als zuverlässiger Grad- messer für den Geschäftsgang in der Tempo- rärbranche.

Reiche Datengrundlage von Personaldienstleistern

Der Swiss Staffingindex misst die Entwick- lung der Einsatzstunden, welche die Tempo- rärarbeitenden hierzulande monatlich leis- ten. Berücksichtigt werden alle tatsächlich gearbeiteten Stunden, inklusive Überstunden und abzüglich Absenzen. Die Daten stammen von Personaldienstleistern, die Temporär- arbeitende vermitteln. Der Index vereint jähr- lich mehr als 70 Millionen Einsatzstunden von etwa 200 Personaldienstleistern – darunter Branchengrössen wie Adecco, Interiman, Kel- ly, Manpower und Randstad. Das entspricht einer Marktabdeckung von 40 Prozent. Dank der qualitativ hochwertigen Datenbasis und der breiten Abstützung im Markt kann der Swiss Staffingindex die Branchenentwicklung repräsentativ nachzeichnen.

Gute Rohdaten alleine reichen aber für ein aussagekräftiges Branchenbarometer nicht

Abstract  Mit dem Swiss Staffingindex hat der nationale Dachverband der Personal- dienstleister Swissstaffing ein neues, monatliches Arbeitsmarkt- und Branchenbaro- meter lanciert. Hinter dem Barometer stehen jährlich über 70 Millionen Einsatzstun- den von 200 Temporärunternehmen. Dank der prozyklischen Branchendynamik kann der Index als Frühindikator für allgemeine wirtschaftliche Entwicklungen verwendet werden. Der jüngste Anstieg des Barometers um 15,3 Prozent im Vergleich zum Vorjah- resquartal bestätigt die positiven Wachstumsprognosen für die Schweiz.

aus. Deshalb ist die Auswahl der richtigen Masseinheit zentral. Indikatoren wie Umsatz oder Lohnsumme müssten für Faktoren wie Inflation, Lohnsteigerungen oder Änderun- gen der Bruttomarge korrigiert werden – sei es durch Annahmen oder mittels statistischer Methoden. Das ist beim Swiss Staffingin- dex nicht der Fall. Denn als Masseinheit wer- den die tatsächlich gearbeiteten Einsatzstun- den verwendet. Diese Grösse ist von solchen Faktoren praktisch unbeeinflusst und macht deshalb Korrekturen beinahe überflüssig (sie- he Kasten). Zudem ermöglicht sie Vergleiche über mehrere Jahre. Die Wahl des Indikators Einsatzstunden bringt allerdings einen Nach- teil mit sich. Die zunehmende Qualifizierung bei den Temporärarbeitenden und das damit steigende Lohnniveau finden im Swiss Staf- fingindex keine Berücksichtigung. In anderen Worten: Die Arbeitsstunde einer ungelernten Arbeiterin wiegt gleich viel wie die Arbeits- stunde eines Biotechnikers oder einer Infor- matikerin.

Seismograf für wirtschaftliche Entwicklung

Dank seiner Konstruktion ist der Swiss Staf- fingindex ein robuster Indikator für den Ge- schäftsgang in der Temporärbranche. Aus volkswirtschaftlicher Sicht geht seine Bedeu- tung jedoch über die eines reinen Branchen- barometers hinaus. Denn Temporärarbeit wird häufig von Unternehmen genutzt, deren Geschäft konjunkturellen Einflüssen unter- liegt. Bei guter Auftragslage oder allgemeiner wirtschaftlicher Unsicherheit werden mehr Temporärarbeitende eingestellt, bei schlech-

ter Auftragslage weniger. Damit ist die Bran- che ein feiner Seismograf für die wirtschaftli- che Entwicklung und der Swiss Staffingindex eine wertvolle Ergänzung zu Frühindikatoren wie dem Geschäftslageindikator der Konjunk- turforschungsstelle der ETH Zürich (KOF). Bei Letzterem werden über 4500 Unternehmen um eine Einschätzung ihrer aktuellen Ge- schäftslage gebeten. Beide Indikatoren be- wegen sich grundsätzlich parallel. An einigen Bruchpunkten der wirtschaftlichen Entwick- lung reagiert der Swiss Staffingindex sogar früher – so etwa im Verlauf des Jahres 2014 (siehe Abbildung 1).

Vergleicht man die Entwicklung des Swiss Staffingindex mit der des Bruttoinlandpro- dukts (BIP), zeigt sich, dass zwischen den bei- den ein linearer Zusammenhang besteht (sie- he Abbildung 2). Ausreisser sind damit zu er- klären, dass die Branche bei Brüchen im Konjunkturverlauf frühzeitig reagierte oder eine allgemeine Verunsicherung in der Wirt- schaft das Branchenwachstum belastete. Es fällt auf, dass der Swiss Staffingindex die wirt- schaftliche Entwicklung überzeichnet und sensibler auf konjunkturelle Änderungen re- agiert als das BIP. So schwanken die Wachs- tumsraten des Swiss Staffingindex zwi- schen –4,2 und +15,3 Prozent. Grund für diese Schwankungen ist, dass die Personaldienst- leister in Bereichen des Arbeitsmarkts aktiv sind, in denen schnell Stellen aufgebaut wer-

Kantonale Feiertage korrigieren

Die Einsatzstunden, die monatlich in den Swiss Staffingindex eingehen, werden einer sogenann- ten Werktagsbereinigung unterzogen. Dies ist notwendig, da ein zusätzlicher Werktag im Monat die monatlichen Arbeitsstunden um rund 5 Pro- zent erhöht und bei einem Feiertag um 5 Prozent senkt. Aufgrund der komplexen Feiertagsstruk- tur in der Schweiz ist eine solche Korrektur nicht trivial. Im Fall des Swiss Staffingindex liefern die Softwareprovider die Einsatzstunden aufge- schlüsselt nach dem Vermittlungskanton. Bevor diese Daten für die gesamte Schweiz aggregiert werden, wird auf kantonaler Ebene eine Werk- tagsbereinigung vorgenommen.

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ARBEITSMARKT

66 Die Volkswirtschaft   8–9 / 2018

den oder Transitionsprozesse im Gang sind.

Allgemeine Arbeitsmarktt rends sind daher stärker spürbar. Für einen Konjunkturindika- tor ist diese Eigenschaft wünschenswert, da sich neue Entwicklungstendenzen im Wirt- schaft sgeschehen überproportional nieder- schlagen.

Die hohen Wachstumsraten der Bran- che werfen natürlich die Frage auf, ob nicht ein generelles Branchenwachstum den kon- junkturellen Verlauf überlagert. Immerhin haben sich die geleisteten Arbeitsstunden in der Temporärbranche seit dem Jahr 2000

mehr als verdoppelt. Der Grund: Die Kombi- nation aus Flexibilität und sozialer Absiche- rung in der Temporärarbeit trifft den Zeit- geist und erfüllt die Bedürfnisse einer im- mer grösseren Gruppe von Arbeitnehmenden und Unternehmen. Der Branche ist es ge- lungen, diese gesellschaft lichen Strömun- gen aufzunehmen und Temporärarbeit auch für Fachkräft e att raktiv zu machen. Gleichzei- tig macht es der technische Fortschritt mög- lich, über Online-Platt formen wie Adia, Ploy und Coople selbst Kleineinsätze mit Tempo- rärarbeit zu erledigen. Diese Entwicklung wi-

derspiegelt sich zwar im Swiss Staffi ngindex, sie ist bei der Betrachtung jährlicher Wachs- tumsraten aber von untergeordneter Bedeu- tung. Denn die Konjunktur beeinfl usst in die- sem Zeitraum den Geschäft sgang der Tem- porärunternehmen stärker als das allgemeine Branchenwachstum.

Starke Schwankungen der Arbeitszeiten

Mit Blick auf die starken Schwankungen stellt sich bei einem wirtschaft lichen Abschwung auch die Frage nach der Arbeitsplatzsicher- heit. Dabei ist es wichtig, zu verstehen, dass die Temporärbranche ebenso dynamisch ist wie der restliche Arbeitsmarkt. In allen Wirt- schaft slagen fi nden in grosser Zahl erfolg- reiche Wechsel in neue Feststellen statt . Die Temporärbranche fungiert dabei als Brücke im Arbeitsmarkt und erleichtert bei einem Arbeitsplatzverlust den schnellen Wiederein- stieg. Damit übernehmen die privaten Perso- naldienstleister eine ähnliche Rolle wie die Re- gionalen Arbeitsvermitt lungszentren (RAV).

In wirtschaft lich schwierigen Zeiten sind die Vermitt lung und die Integration von Arbeits- kräft en herausfordernder als in Phasen des Booms. Das kann weder den Personaldienst- leistern noch den RAV zum Vorwurf gemacht werden. Beide bieten den Stellensuchenden in allen Marktphasen wertvolle Hilfe.

Zurzeit kann man allerdings optimistisch in die Zukunft schauen, wie die guten Progno- sen der grossen Konjunkturforschungsinsti- tute nahelegen. Das bestätigt auch der Swiss Staffi ngindex: Im ersten Quartal dieses Jahres zeigte er eine Zunahme von 15,3 Prozent an.

Abb. 1: Der Swiss Staffi ngindex und der KOF-Geschäft slageindikator im Vergleich  (2013–2018)

Abb. 2: Zusammenhang zwischen BIP-Wachstum und Swiss Staffi ngindex (2013–2018)

Marius Osterfeld

Dr. rer. pol., Ökonom, Swissstaffi ng, Dübendorf

18 in %

2013 Q1

2014 Q1

2015 Q1

2016 Q1

2017 Q1 2013 Q3

2014 Q3

2015 Q3

2016 Q3

2017 Q3 2013 Q2

2014 Q2

2015 Q2

2016 Q2

2017 Q2 2013 Q4

2014 Q4

2015 Q4

2016 Q4

2017 Q4 2018 Q1

32

12 22

6 16

0 8

–6 0 SWISSS

TAFFING / KOF / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

  Wachstum des Swiss Staffi ngindex im Vergleich zum Vorjahresquartal (linke Skala)          KOF-Geschäft slageindikator (Quartalsmitt el; rechte Skala)

  Trendlinie

20 Wachstum des Swiss Staffi ngindex im Vergleich zum Vorjahresquartal, in % 15

10 5 0 –5

–10 SWISSSTAFFING / SNB / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

0 0,5 1

Nominales BIP-Wachstum im Vergleich zum Vorjahresquartal, in %

1,5 2 2,5

Referenzen

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