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Anita Buchegger-Traxler, Martin Roggenkamp, Elke Scheffelt Territoriale Beschäftigungspakte im Institutionengefüge nationaler Arbeitsmarktpolitik in Österreich, den Niederlanden und Deutschland

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Academic year: 2022

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Territoriale Beschäftigungspakte im Institutionengefüge nationaler Arbeitsmarktpolitik in Österreich, den Niederlanden und Deutschland

Zes-Arbeitspapier 8/2003

Zentrum für Sozialpolitik Universität Bremen

Parkallee 39 D-28209 Bremen

Die Ausführungen in diesem Papier entstanden aus der Arbeit an dem Forschungsprojekt „Territoriale Beschäftigungspakte – Erfolgschancen und Rahmenbedingungen im europäischen Vergleich“, durchgeführt am Zentrum für Sozialpolitik der Uni- versität Bremen in Kooperation mit der Universität Linz. Gefördert wird das Forschungsprojekt von der Hans-Böckler- Stiftung und der Landesregierung Niederösterreich (Laufzeit Januar 2000 – Juni 2003). Es werden insgesamt sechs Pakte analysiert (Deutschland: Bremen, Zeitz, Amberg-Sulzbach; Niederlande: Limburg, Nord-Brabant; Österreich: Niederöster- reich) und verglichen.

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Das vorliegende Papier untersucht, inwieweit sich die durch die Europäische Kommission in den Jahren 1998-2001 geförderten "Territorialen Beschäftigungspakte" vor dem Hintergrund der je- weiligen Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsentwicklungen in das Akteurs- und Institutionen- gefüge in Österreich, den Niederlanden und Deutschland einfügen.

In Österreich wurden die Pakte angesichts einer relativ entspannten Arbeitsmarktsituation im Kontext einer Dezentralisierung der Arbeitsmarktpolitik flächendeckend durch die Bun- desregierung auf der Länderebene etabliert, um den Einsatz der arbeitsmarktpolitischen Instru- mente zu optimieren. In den Niederlanden entwickelten sich Arbeitsmarkt und Beschäftigung in der zweiten Hälfte der 90er Jahre ausgesprochen günstig. Hier erzeugten tiefgreifende arbeits- marktpolitische Reformen, die auf eine Entkorporatisierung und Kommunalisierung der Arbeits- marktpolitik abzielten, ein gemeinsames Interesse bei Gemeinden, Verbänden und Pro- vinzregierungen an einer Etablierung arbeitsmarktpolitischer Netzwerke auf der Provinzebene. In Deutschland begründete die ungünstige Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsentwicklung Ende der 90er Jahre grundsätzlichen arbeitsmarktpolitischen Handlungsbedarf. Darüber hinaus entstanden durch eine zunehmende Kommunalisierung und eine Dezentralisierung der Arbeitsmarktpolitik in wachsendem Maße Erfordernisse zur Abstimmung zwischen den Akteuren auf lokaler bzw. regio- naler Ebene. Dennoch konnte sich nur der kleinere Teil der Bündnisse über die Förderperiode hinaus etablieren, indem er in die Förderung der jeweiligen Länder aufgenommen oder aber von den Ländern selbst getragen wurde.

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Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 8

Abkürzungsverzeichnis 9

1. Einleitung 7

2. Arbeitsmarktpolitische Institutionen und Beschäftigungsentwicklungen in Österreich,

den Niederlanden und Deutschland im Vergleich 12

2.1 Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsentwicklungen 12

2.2 Institutionen, Entwicklungen und Reformtendenzen der Arbeitsmarktpolitik 28 3. Territoriale Beschäftigungspakte im institutionellen Gefüge Österreichs, der Nieder-

lande und Deutschlands 46

4. Fazit 55

Literatur 57

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Abbildung 1: Wachstum des Bruttoinlandsprodukts und des Arbeitskräftepotenzials;

Arbeitslosenquote, 1990 – 2000 13

Abbildung 2: Arbeitslosenquote nach österreichischer Berechnungsmethode seit 1990 14 Abbildung 3: Geschlechtsspezifische Arbeitslosenquoten in den Niederlanden (1990-2000),

in Prozent 17

Abbildung 4: Entwicklung der Arbeitslosenquoten im Vergleich (1990-2000) 21 Abbildung 5: Geschlechtsspezifische Arbeitslosenquoten in Deutschland (1990- 2000) 22 Abbildung 6: Arbeitslosenquoten in Ost- und Westdeutschland 1991-2001 26 Tabelle 1: Jugendarbeitslosenquoten von 1990 bis 2000, differenziert nach Geschlecht 16 Tabelle 2: Altersarbeitslosigkeit (50 Jahre und älter) von 1990 bis 2000, differenziert

nach Geschlecht 16

Tabelle 3: Anteil der Langzeitarbeitslosen an den Arbeitslosen in den Niederlanden

insgesamt (1990-2000) 18

Tabelle 4: Erwerbsquoten von Frauen und Männern in den Niederlanden von 1990-2000,

in Prozent 19

Tabelle 5: Geschlechtsspezifische Beschäftigungsquoten in Deutschland von 1992-2000

in Prozent 23

Tabelle 6: Arbeitslosenquoten Älterer und Geringqualifizierter in Deutschland 1996-2000 24 Tabelle 7: Langzeitarbeitslosigkeit in Deutschland 1991-2000 25 Übersicht 1: Für Wirtschaftsentwicklung und Arbeitsmarktpolitik verantwortliche

Behörden und Körperschaften nach Gebietskompetenz 30 Übersicht 2: Territoriale Beschäftigungspakte in Österreich 47

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AFG Arbeitsförderungsgesetz

AMS Arbeitsmarktservice

AMSG Arbeitsmarktservicegesetz BA Bundesanstalt für Arbeit

BIP Bruttoinlandsprodukt

BM Bundesministerium

BMA Bundesministerium für Arbeit und Soziales

BMAS Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Österreich)

BMSG Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen (Österreich) BMWA Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (Österreich)

BSB Bundesamt für Sozial- und Behindertenwesen (Österreich) BSHG Bundessozialhilfegesetz

Cadans Ausführungsorgan der Arbeitnehmerversicherung für die Sektoren Sorge und Pflege, Einzelhan- del, Handwerk, Reinigung, Großhandelsbetriebe

CAO Lohntarifabkommen (Collectieve Arbeidsovereenkomst)

CWI Zentrum für Arbeit und Einkommen (Centrum voor Werk en Inkomen)

DST Deutscher Städtetag

EU Europäische Union

GAK Vereinigte Industrieversicherung (Gemeenschappelijk Administratiekantoor)

GM Gender Mainstreaming

GUO Gemeinsame Verwaltungsbehörde für Sozialversicherungsverordnungen IAB Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit JWG Jugendbeschäftigungsgarantiegesetz (Jeugdwerk Garantie Wet)

KfW Kreditanstalt für Wiederaufbau

MISEP System zur gegenseitigen Unterrichtung über beschäftigungspolitische Maßnahmen (Mutual Information System on Employment Policies)

NAP Nationaler Aktionsplan für Beschäftigung

OECD Organization for economic ccoperation and development ÖROK Österreichische Raumordnungskonferenz

ÖVP Österreichische Volkspartei

RBA Regionale Arbeitsämter (Regionaal Bestuur Arbeidsvoorziening)

RPA Regionale Arbeitsmarktplattformen (RegionaalPlatform Arbeidsmarktbeleid) SER Sozialökonomischer Rat (Sociaal-Economische Raad)

Sfb Ausführungsorgan der Arbeitnehmerversicherung in der Bauindustrie (Sociaal fonds bouwnijver- heid)

SGB Sozialgesetzbuch

SPÖ Sozialdemokratische Partei Österreichs STEBEP Steirischer Beschäftigungspakt

SUWI Reformen zur Neustrukturierung von Arbeit und Einkommen(Structuur Uitvoering Werk en Inkomen)

SVR Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung TEP Territorial Employment Pacts (Territoriale Beschäftigungspakte)

USZO Verwaltungskörperschaft für Sozialversicherungsverordnungen im Öffentlichen Dienst und im Bildungswesen (Uitvoeringsinstelling Sociale zekerheid voor Overheid en On- derwijs)

WAO Arbeitsunfähigkeitsversicherungsgesetz (Wet op de Arbeidsongeschiktheidsverzek e- ring)

WIW Gesetz über die Beschäftigung von Arbeitsuchenden (Wet Inschakeling Werkzoeken- den)

WSW Gesetz über geschützte Beschäftigung (Wet Sociaale Werkvoorziening) WW Gesetz über die Arbeitslosenversicherung (Wet Werkloosheidsverzekeringen) ZW Krankenversicherungsgesetz (Ziektewet)

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1. Einleitung

Vor dem Hintergrund der in der EU nach wie vor hohen und seit 2001 wieder tendenziell zune h- menden Arbeitslosigkeit1 hat die Europäische Kommission 1997 das Programm der "Territorialen Beschäftigungspakte" ins Leben gerufen. Regionale und/oder lokale Bündnisse sollen dazu be i- tragen, "Beschäftigung beispielhaft in europäischen Modellregionen über beschäftigungswirksa- me Aktionen mit den Instrumenten Konsens und Kooperation zu schaffen, zu sichern sowie die regionale/ lokale Wirtschaft zu stabilisieren" (Gerlach/ Ziegler 2000; vgl. auch Ziegler 1997).

Ausgangspunkt dieser Förderung war der 1996 durch den damaligen Kommissionspräsidenten Santer initiierte "Vertrauenspakt für Beschäftigung", der die Rolle der Strukturpolitik der Eur o- päischen Union (EU) für die Beschäftigung unterstrich und konkretisierte. Innerhalb dieses Kon- zepts stellte die Förderung gebietsbezogener Beschäftigungspakte neben der prioritären Ausric h- tung der EU-Strukturfondsförderung auf beschäftigungswirksame Projekte und der Nutzung des fördertechnischen Inflationsausgleichs (Deflator-Mittel) für zusätzliche beschäftigungswirksame Strukturmaßnahmen eines der drei zentralen Instrumente dar (Guth 1997; Alpermann 2000).

Ziel dieses Ansatzes ist, die Beschäftigungswirksamkeit der strukturpolitischen Maßnahmen der EU zu steigern, indem die beschäftigungspolitischen Probleme und Ziele aller in dem jeweiligen Gebiet relevanten arbeitsmarktpolitischen Akteure festgestellt werden. Der Einsatz der verfüg- baren Mittel erfolgt im Sinne einer integrierten Strategie, die verschiedene beschäftigungs- wirksame Maßnahmen besser bündelt und aufeinander abstimmt und die Durchführung von inno- vativen Modellprojekten ermöglicht (Europäische Kommission 1999a; Besse/ Guth 2000).

Mit der Förderung Territorialer Beschäftigungspakte versuchte die Europäische Kommission also ein neues, weiches Steuerungsinstrument2 ihrer Strukturpolitik auf der regionalen bzw. lokalen

1 Anfang der 90er Jahre überstieg die Arbeitslosenquote die 10%-Marke mit einem Höhepunkt von 10,5% im Jahr 1994, sank 1998 auf 9,5% und erreicht im Jahr 2001 das niedrigste Niveau von 7,4%. Bis zum August 2002 stieg sie wieder auf 8,3% an. Vgl. http://europa.eu.int/comm/employment_social/news/2002/sep/

employment_in_europe2002.pdf (02-10-22); http://europa.eu.int/comm/employment_social/news/2002/oct/

171_de.html (02-10-22).

2 Weiche Steuerungsinstrumente zeichnen sich durch eine Dezentralisierung der Umsetzung von Rahmen- vorgaben aus, welche sich auf Verfahrensfragen konzentrieren, wobei auf den unteren Politikebenen neben administrativen auch andere gesellschaftliche Akteure beteiligt werden. Nach Huget weisen weiche Steu- erungsinstrumente folgende Merkmale auf: (1) Inhaltlich-programmatische Vorgaben werden in Form von Leitlinien ohne genauere Ziel- und Mittelbeschreibungen formuliert; (2) Ziel- und Mitteldefinitionen werden - im Rahmen der Leitlinien - an untere Politikebenen delegiert; (3) an der Formulierung und Implementation auf den unteren Politikebenen partizipieren gesellschaftliche Akteure mit unterschiedlichen Interessen; (4) es dominiert ein kooperativer, auf Konsens und Problemlösung ausgerichteter Politikstil (Huget 2002: 12 f.)

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Ebene zu etablieren (Guth 1997; Schmid 2000).3

Die geförderten Pakte sollten folgende Bedingungen erfüllen (Europäische Kommission 1999a):

• Sie sollten auf einer möglichst breiten Partnerschaft regionaler arbeitsmarkt- und beschäf- tigungspolitisch relevanter Akteure beruhen (Partnership).

• Die Initiative sollte von der lokalen Ebene ausgehen und nicht von einer höheren Ebene ange- ordnet werden (Bottom-Up-Ansatz).

• Die in den Pakten vereinbarten Maßnahmen sollten Neuheitscharakter haben (Innovation).

• Durch die Paktaktivitäten sollten verschiedene Politikbereiche koordiniert und integriert wer- den (Integration).

In der ersten Förderphase (1997 - 1999) wurden insgesamt 89 Territoriale Beschäftigungspakte in den Mitgliedstaaten der EU gefördert, deren Wirkungsbereich mit ca. 36 Mio. Einwohner/innen etwa 10% der Gesamtbevölkerung der EU umfasste und die bis Ende 1999 ein Finanzvolumen von 1,6 Mrd. EURO für die Umsetzung ihrer Projekte akquirierten (Europäische Kommission 1999b; Besse/Guth 2000).

Im Rahmen dieses Arbeitspapiers wird der Frage nachgegangen, inwieweit sich die Territorialen Beschäftigungspakte als neues Koordinierungs- und Steuerungsinstrument in die unterschied- lichen arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitischen4 Voraussetzungen in den Niederlanden, Öster- reich und Deutschland einfügen. Hintergrund der Fragestellung ist dabei die Annahme, dass eine erfolgreiche Etablierung der TEP davon abhängt, ob sie ein 'freies Feld' besetzen können. Dies ist einerseits Voraussetzung dafür, dass die Pakte einen Mehrwert im Rahmen der jeweiligen natio- nalen Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik erzeugen, andererseits aber auch eine notwendige

3 Die direkte Förderung der Territorialen Beschäftigungspakte durch die Kommission beschränkte sich zunächst auf eine Anschubfinanzierung in Höhe von je 200.000 EURO, die die Kosten des Paktprozesses – bei- spielsweise für die Einrichtung einer Koordinator/innen-Stelle - für die ersten zwei Jahre abdecken sollte, wobei eine Ko-Finanzierung in Höhe von 20% durch die Pakte zu erbringen war. Die Anschubfinanzierung konnte an- schließend noch einmal um 100.000 EURO aufgestockt werden. Die Akquirierung von Fördermitteln für eigene Projekte lag in der Verantwortung der Pakte, die dabei auf Mittel der Strukturfonds sowie Bundes-, Landes- oder aber lokale und private Mittel zurückgreifen sollten.

4 Arbeitsmarktpolitik umfasst alle staatlichen Regelungen von Art und Umfang für Einkommensausfälle infolge von Arbeitslosigkeit (passive Arbeitsmarktpolitik, Arbeitslosenversicherungspolitik) sowie die Gesamtheit der nach sozialen Gruppen, Regionen und Industrien differenzierten Maßnahmen, welche die Beziehungen zwi- schen dem Angebot und der Nachfrage auf und zwischen über- und innerbetrieblichen Arbeitsmärkten selektiv beeinflussen (aktive Arbeitsmarktpolitik). Demgegenüber wird Beschäftigungspolitik als makroökonomische Globalsteuerung verstanden, mit dem Ziel im Rahmen der marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung gleichzei- tig zur Stabilität des Preisniveaus, zu einem hohen Beschäftigungsstand und außenwirtschaftlichen Gleichge- wicht bei stetigem und angemessenen Wirtschaftswachstum beizutragen. Beschäftigungspolitische Maßnahmen staatlicher und anderer Institutionen tragen dazu bei, die Höhe und Struktur der Beschäftigung in Einklang mit dem Erwerbspersonenpotential zu bringen und zu halten, die vollwertige Beschäftigung aller Erwerbstätigen zu sichern sowie die regionalen und sektoralen Beschäftigungsstrukturen zu verbessern (Engelen-Kefer et.al. 1995;

Schaper 1991; Schmidt 1991).

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Bedingung für die Durchsetzung der TEP als Steuerungsinstrument der europäischen Ebene. Ein freies Feld kann dabei in institutioneller und/oder inhaltlicher Hinsicht bestehen. Unter institutio- nellen Aspekten treffen die TEP dann auf günstigere Rahmenbedingungen, wenn sie einen Ge- staltungsspielraum wahrnehmen können, der die Kompetenzen bestehender Institutionen oder Akteure nicht berührt. Ein derartiger Gestaltungsspielraum kann beispielsweise dadurch ent- stehen, dass sich das jeweilige Institutionengefüge in einer Umbruchsituation befindet oder aber den TEP bestimmte Kompetenzen durch übergeordnete Ebenen zugewiesen werden. In inhalt- licher Hinsicht kann ein freies Feld dadurch entstehen, dass neue arbeitsmarkt- und beschäf- tigungspolitische Herausforderungen entstehen oder aber sich neue politische Strategien durch- setzen, die im Rahmen des bestehenden Akteurs- und Institutionengefüges nicht bewältigt bzw.

umgesetzt werden können. Daher soll im folgenden untersucht werden, inwieweit in den drei Ver- gleichsländern im Verlauf der 90er Jahre mögliche Gestaltungsfelder für die TEP im Bereich der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik entstanden sind und ob die Pakte diese Gestaltungs- spielräume wahrgenommen haben. Nach einem kurzen Überblick über die Entwicklung der TEP in den drei Ländern, werden im zweiten Kapitel die Entwicklungen der Arbeitsmarkt- und Be- schäftigungspolitik in den drei Ländern im Verlauf der 90er Jahre beschrieben. Nachdem zunächst die Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsentwicklung dargestellt wird (2.1.), um die aktuellen Her- ausforderungen zu skizzieren, werden anschließend die bestehenden Institutionengefüge und ak- tuelle Reformtendenzen in der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik der jeweiligen Länder dargestellt, um zu verdeutlichen, welche inhaltlichen und/oder institutionellen Gestaltungs- spielräume für die TEP Ende der 90er Jahre bestanden (2.2.). In Abschnitt 3 wird schließlich un- tersucht, inwieweit es den TEP in den drei Ländern gelungen ist, die jeweiligen Handlungsfelder wahrzunehmen. Abschließend soll vergleichend der Frage nachgegangen werden, ob und inwie- weit das Vorhandensein freier Felder im Bereich der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik eine Erfolgsbedingung für die Etablierung der TEP darstellt und welche weiteren Faktoren ihre Einrichtung begünstigen bzw. beeinträchtigen.

Die Länderfallauswahl ist dabei an der „most similar cases“-Herangehensweise ausgerichtet, wo- nach Unterschiede in ansonsten ähnlichen Fällen bestimmt werden, die zur Erklärung unter- schiedlicher Phänomene herangezogen werden können5. Ein Vergleich von Ländern mit einer ähnlichen institutionellen Struktur bietet eine Grundlage dafür, dass die Ergebnisse zueinander in Beziehung gesetzt werden können, und ermöglicht bzw. erleichtert darüber hinaus das gegen- seitige sozialpolitische Lernen zwischen diesen Ländern. Die Auswahl der Vergleichsländer or i- entiert sich an Arbeiten, die sich mit einer Kategorisierung von Arbeitsmarktsystemen (Schelkle

5 vgl. zur methodischen Vorgehensweise Berg-Schlosser 1997: 77f.

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1997) oder weitergehend mit der Kategorisierung von Wohlfahrtsstaat und industriellem System beschäftigen (Ebbinghaus 1998). So unterteilt Bernhard Ebbinghaus (1998: 13ff.) die Systeme der industriellen Beziehungen in „Angelsächsischen Pluralismus“, „Nordischen Korporatismus“,

„Romanische Polarisation“ und „Kontinentale Sozialpartnerschaft“. Deutschland gehört - mit den Ländern Österreich, Belgien, Niederlande und Schweiz6 - nach Ebbinghaus zur Kategorie „Konti- nentale Sozialpartnerschaft“.

In Österreich sind bereits 1996 in der Pilotphase der Territorialen Beschäftigungspakte (TEP) vier Pakte entstanden (Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Wien)7. Die Gründung von Beschäftigungs- bündnissen wurde ab 1998 im Rahmen des Nationalen Aktionsplans für Beschäftigung (NAP) seitens des Bundesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BMAGS) (derzeit Bundes- ministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA)) weiterhin forciert. Der NAP umfasst eine Vie l- zahl von Initiativen, durch die eine bessere Nutzung des Beschäftigungspotenzials erreicht werden soll. In diesem Zusammenhang stellen die TEP ein Instrument zur Umsetzung der Ziele des NAP dar. Mittlerweile bestehen in allen Bundesländer Beschäftigungspakte. Als Unterstützung wurde ein Leitfaden zur Gründung von TEP von der Koordinationsstelle der TEP in Zusammenarbeit mit dem BMWA und dem Europäischen Sozialfonds (ESF) erstellt. Im Rahmen der TEP wurden jährlich rund 300 Mill. Euro für arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitische Maßnahmen einge- setzt (vgl. Koordinationsstelle der TEP in Österreich am Zentrum für Soziale Innovation 2001).

Durch die Bildung von Beschäftigungspakten im Rahmen des NAP werden in Österreich folgende Ergebnisse erwartet:

• Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen

• Systematische Verknüpfung der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik mit der lokalen und regionalen Struktur- und Wirtschaftspolitik

• Verbesserung der Betreuung bestimmter Zielgruppen

• Erhöhung der Wirksamkeit und Effizienz des Mitteleinsatzes

• Sicherung von Fördermitteln für die Region

• Stärkung der regionalen Verantwortung für die Beschäftigungssituation und der regionalen Zusammenarbeit aller AkteurInnen

• Schaffung von langfristigen Strukturen, welche der Region einen Wettbewerbsvorteil bringen

• Nachhaltige Sicherung des Lebensraumes“ (Leitfaden 2000 – 2006, erstellt von der Koordi-

6 Die Schweiz kann als Untersuchungsland nicht in Betracht gezogen werden, weil sie kein Mitgliedstaat der Europäischen Union ist.

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nationsstelle der Territorialen Beschäftigungspakte Österreich).

Im Besonderen wird auch die Eingliederung von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt erleichtert werden. Dazu wurden in der Leitlinie 7 konkrete Zielsetzungen genannt, etwa bedarfs- orientierter Ausbau der Arbeitsassistenz, Beschäftigungsmaßnahmen, Qualifizierungsmaßnahmen, sonstige Unterstützungsmaßnahmen (vgl. BMSG 2002).

In Deutschland wurden seit 1997 neun territoriale Beschäftigungspakte gefördert.8 Der Wirkungs- bereich der Pakte variierte zwischen ca. 70 000 Einwohnerinnen und Einwohnern in Zeitz und einer Bevölkerung von 3,4 Mio. im Ruhrgebiet. Drei Bündnisse konstituierten sich in Großstädten (Berlin-Neukölln, Bremen, Hamburg), eines im eher ländlichen Raum (Güstrow). Die anderen Pakte waren in gemischt ländlich-urbanen Regionen aktiv.

Die Pakte in Bremen und Hamburg waren auf der Landesebene angesiedelt, während die anderen Pakte unterhalb dieser Verwaltungsebene wirkten. Einige der Bündnisse wie die Pakte in Berlin- Neukölln und in Zeitz bestanden in dieser oder einer ähnlichen Form bereits vor der Förderung durch das EU-Programm. Andere wurden anlässlich des Förderprogramms entweder durch lokale bzw. regionale Akteure initiiert oder aber durch die jeweilige Landesregierung angestoßen (z.B.

Bremen, Ruhrgebiet, Hamburg).

Die Territorialen Beschäftigungspakte in Deutschland wurden zwar offiziell durch das deutsche Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) unterstützt. Die Zusammenarbeit ging aber nicht über einen gelegentlichen Informationsaustausch hinaus. Die Unterstützung durch die politische Landesebene fiel dagegen unterschiedlich aus. Unterstützung durch die Landes- regierung erhielten neben den Bündnissen, die ohnehin auf Landesebene angesiedelt waren, vor allem die Pakte in Berlin (Neukölln) und Sachsen-Anhalt (Zeitz). Die anderen Territorialen Be- schäftigungspakte erfuhren dagegen keine oder nur geringe Unterstützung durch die jeweiligen Landesregierungen.9 Die Art und Weise, wie sich diese Bündnisse in das jeweilige lokale bzw.

regionale Institutionen- und Akteursgefüge integrierten, hing daher nicht zuletzt von deren inhalt- licher Ausrichtung und der jeweiligen Zusammensetzung der Akteure ab.

In den Niederlanden existieren seit Februar 1998 insgesamt drei von der Europäischen Kommis- sion geförderte Territoriale Beschäftigungspakte. Alle drei Bündnisse sind auf der Provinzebene angesiedelt, dabei handelt es sich um die Provinz Flevoland (förderfähig nach Ziel 1), die Provinz Nord-Brabant (teilweise förderfähig nach Ziel 2) und die Provinz Limburg (teilweise förderfähig

7 Eine Darstellung dieser vier Pakte findet sich in: Europäische Kommission, 1999b; insgesamt stellten sich 89 Bündnisse der Herausforderung der Arbeitslosigkeit.

8 Territoriale Beschäftigungspakte wurden in Deutschland in Amberg-Sulzbach, in Berlin-Neukölln, in Bremen, in Hamburg, in Güstrow, in Peine, im nördlichen Ruhrgebiet, in Chemnitz und in Zeitz initiiert.

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nach Ziel 2 und 5b). In diesen drei Provinzen haben die jeweils zuständigen Provinzbehörden mit Unterstützung der Ministerien für Wirtschaft und für Soziales und Beschäftigung die Zusamme n- arbeit der Akteure (v.a. Sozialpartner, Kommunen, Provinzbehörden, Bildungs- und Sozialversi- cherungsinstitutionen) vorbereitet (Europäische Kommission 1999b). Die niederländischen Pakte verstehen sich nicht nur als Aktions- bzw. Projektprogramme, sondern vielmehr als Instrumente zur besseren Koordinierung und Verstärkung der allgemeinen Bemühungen zur Schaffung von Arbeitsplätzen und dem Abbau von Arbeitslosigkeit, dabei wurden sie in je spezifischer Weise in die vorhandenen, regionalen institutionellen und arbeitsmarktpolitischen Strukturen eingebunden und werden in unterschiedlichem Maße von der nationalen Regierung unterstützt.

Im folgenden Abschnitt werden die Arbeitsmarktsituation und Beschäftigungsentwicklung sowie arbeitsmarktpolitische Reformtendenzen in den drei Ländern im letzten Jahrzehnt dargestellt. Es soll gezeigt werden, welche nationalen Rahmenbedingungen für die Integration des arbeits- marktpolitischen Instruments „Territorialer Beschäftigungspakt“ gegeben waren und sind. Der dritte Abschnitt befasst sich schließlich mit der Frage, inwieweit sich die TEP in das jeweilige Institutionengefüge der einzelnen Länder eingefügt haben.

2. Arbeitsmarktpolitische Institutionen und Beschäftigungs- entwicklungen in Österreich, den Niederlanden und Deutschland im Vergleich

2.1 Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsentwicklungen

Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsentwicklungen in Österreich in den neunziger Jahren

Als zentraler Indikator für die Wirtschaftsentwicklung bietet sich das Bruttoinlandsprodukt (BIP) an. Dieses wuchs zwischen 1990 und 2000 real (zu Preisen von 1995) mit einer durchschnittlichen jährlichen Rate von 2,3 %. Es ist sehr deutlich ein U-förmiger Verlauf der Kurve dieser Wachs- tumsraten erkennbar: Das zum Ausklang der 80er Jahre noch hohe Wachstum verflachte sich zu Beginn der 90er Jahre deutlich, lag zur Mitte des Jahrzehnts unter dem Durchschnitt (durch- schnittliche jährliche Wachstumsrate 1993 – 1997: 1,6 %) und kam gegen Ende des Jahrzehnts wieder über dem Durchschnitt zu liegen.

Im selben Zeitraum wuchsen das Arbeitskräftepotenzial und die Zahl der unselbstständig Beschäf- tigten mit einer durchschnittlichen Jahresrate von jeweils 0,7 %, wobei das männliche Arbeits- kräftepotenzial mit 0,3 % wesentlich langsamer anstieg als das weibliche, das in diesem Jahrzehnt jährlich durchschnittlich um bemerkenswerte 1,3 % zunahm.

9 Vgl.: Interview mit den nationalen Paktkoordinator/innen vom 19.3.2001 in Mühlheim a. d. Ruhr.

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Zum Überblick ist die gesamtösterreichische Wirtschafts- und Arbeitsmarktentwicklung im letz- ten Jahrzehnt in der folgenden Abbildung 1 zusammengefasst.

Abbildung 1: Wachstum des Bruttoinlandsprodukts und des Arbeitskräftepotenzials; Ar- beitslosenquote10, 1990 – 2000

-1 0 1 2 3 4 5 6 7 8

1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000

Arbeitslosenquote jährliche Wachstumsrate BIP real jährliche Wachstumsrate AK-Potenzial

Quelle: Statistik Austria, div. Jahrgänge, eigene Berechnungen

Die Entwicklung der Erwerbsquoten zeigt sich im letzten Jahrzehnt folgend: Zwischen 1991 und 2000 erhöhte sich die Erwerbsquote der österreichischen Bevölkerung von 47 % auf 48,3 %, eine Trennung nach Geschlechtern zeigt ein Sinken der Erwerbsquote der Männer in diesem Zeitraum von 57,4 auf 56,3 %, während gleichzeitig jene der Frauen deutlich von 37,7 auf 40,7 % zunahm.

Dementsprechend stieg der Anteil der Frauen an der Gesamtbeschäftigung von 41,6 % im Jahre 1990 auf 44 % im Jahr 2000. Betrachtet man die Entwicklung der altersspezifischen Erwerbsquo- ten differenziert nach dem Geschlecht so zeigen sich folgende Trends: Waren 1991 4,9 % der Frauen im Alter zwischen 60 und 64 Jahren an der jeweiligen gleichaltrigen Wohnbevölkerung erwerbstätig, so sind es 2000 8%. Auch bei den Männern ist eine Steigerung des Anteils in dieser Altersgruppe festzustellen, von 12,3% auf 17,3%. In der Altersgruppe der 55-59 Jährigen ist zwar auch ein Anstieg zu verzeichnen, erreicht aber nicht dieses Ausmaß. Die Erwerbsquote der 15-19 Jährigen hingegen sank bei Männern (von 56,2 auf 48,1%) wie auch Frauen (von 46,7 auf 34,2

%). Auch in der Altergruppe der 20-24 Jährigen ist ein Sinken der Erwerbsquoten bei beiden Ge- schlechtern feststellbar. Ab der Altersgruppe der 25-29 Jährigen bis zu den 45-49 Jährigen verän- dern sich die Erwerbsquoten der Männer im Zeitraum von 1991 bis 2000 nur geringfügig, jene der

10 Hier nach der österreichischen Bemessung: Arbeitslosenquote = Anteil der Arbeitslosen am Arbeitskräftepo- tential; Arbeitslose = monatlich bei den Arbeitsämtern zur Vermittlung vorgemerkten Arbeitslosen erfasste Per- sonen.

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Frauen sanken in diesem Zeitraum und in jeder dieser Altersgruppen (vgl. Statistik Austria 2002).

Einen nahezu spiegelbildlichen Verlauf zu den Wachstumsraten des BIP zeigt die Arbeitslosen- quote, deren Verlauf etwas detaillierter in Abbildung 2 dargestellt ist, beides Ausdruck der kon- junkturellen Entwicklung während der 90er Jahre.11

Rückblickend scheint die Errichtung der Territorialen Beschäftigungspakte am Beginn der zwei- ten Hälfte der Neunzigerjahre im Zusammenhang mit den Nationalen Aktionsplänen für Beschäf- tigung vom Zeitpunkt besonders passend: das Wirtschaftswachstum ist gering, die Beschäftigte n- zahlen stagnieren und die Arbeitslosigkeit ist hoch.

Betrachtet mach die Arbeitslosenquote nach bestimmten Merkmalen, wie etwa Geschlecht, Ju- gendliche, ältere Arbeitslose, Menschen mit Behinderungen so zeigen sich erwartungsgemäß zum Teil gravierende Unterschiede. Die Differenz zwischen Frauen und Männern hat sich zumindest in der zweiten Hälfte des letzten Jahrzehnts deutlich verringert und beträgt zum heutigen Stand nur mehr eine geringfügige Differenz.

Die Beschäftigungsaufnahmen sogenannter „Problemgruppen“ am Arbeitsmarkt, wie Ältere über 45, Frauen mit Mobilitätseinschränkung, Menschen mit Behinderungen und Langzeitarbeitslose konnten in den letzten Jahren (seit 1995) jährlich verbessert werden. Hier konnten die vom AMS gezielt gesetzten Maßnahmen entsprechenden Erfolg verbuchen (vgl. AMS Geschäftsberichte div.

Jahrgänge).

Abbildung 2: Arbeitslosenquote nach österreichischer Berechnungsmethode seit 1990

11 Es ist hier nicht erforderlich, diese Entwicklungen im einzelnen zu analysieren und zu kommentieren. Dazu sei unter anderem auf Kubin/Rosner 2001 und Marterbauer/Walterskirchen 1999 verwiesen; die schwache inter- nationale Konjunktur, eine Abschwächung des Tourismus und die sog. ‚Sparpakete’ im Zuge der Budgetkonso- lidierungen zeichnen sich als die Haupteinflüsse ab.

(15)

3 3,5 4 4,5 5 5,5 6 6,5 7 7,5 8

1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001

Frauen Männer Gesamt

Quellen: Kodré 2000, WIFO 200212, AMS Arbeitsmarktprofil div. Jahrgänge

Der Anteil der Menschen mit Behinderung an den Gesamtarbeitslosen stieg Ende der 90er Jahre auf 17,8% und konnte im Jahr 2000 auf 16,5 % gesenkt werden. D.h. cirka jede/r sechste Ar- beitslose ist nach Erhebungen des AMS auf Grund einer körperlichen, geistigen, psychischen oder Sinnesbehinderung schwer vermittelbar – die Dunkelziffer liegt bei weitem höher. Im Detail be- trachtet lassen sich auch in dieser Klientel besondere Problemgruppen festmachen: Personen mit 46 Jahren und älter erreichen einen Anteil des Gesamtbestandes vorgemerkter behinderter Perso- nen von 45,2% im Jahr 2000. Als Problemgruppe werden auch Jugendliche und junge Erwachse- ne im Alter von 15-24 Jahren betrachtet (der Anteil beträgt hier 6,2% im Jahr 2000). Hier ist der Übergang von der Schule in den Beruf besonders problematisch, viele tauchen nach Schula b- schluss in der Statistik gar nicht mehr auf – sie schaffen diesen wichtigen Übertritt oft nicht (vgl.

BMSG 2002).

Nach Angaben des AMS Österreich ist der Anteil der Langzeitarbeitslosen (6 Monate und länger) in der zweiten Hälfte der 90er Jahre im Sinken begriffen, von 36% im Jahr 1996 auf 29,2% im Jahr 2000. Damit einhergehend sank auch der Anteil der Langzeitarbeitslosen die ein Jahr und länger als arbeitslos vorgemerkt waren von einem Anteil von 19,3 % an allen Arbeitslosen im Jahr 1998 auf 12,8% im Jahr 2000 (vgl. Arbeitsmarktprofil div. Jahrgänge).

Hinsichtlich der Jugendarbeitslosigkeit (15 Jahre bis unter 25 Jahre alt) zeigt sich eine deutliche Verschärfung der Problematik in den Jahren von 1992 mit einer Quote von 4,1% bis 1998 mit einer Quote von 5,5%. Seit 1999 (4,6%) ist eine Entspannung bei dieser Altersgruppe feststellbar, im Jahr 2000 konnte eine Jugendarbeitslosenquote von 2,3% erreicht werden. Details sind in Ta- belle 1 zu sehen.

(16)

Die geschlechtsspezifischen Unterschiede der Gesamtarbeitslosenquote zeigen sich auch in dieser Altersgruppe, die Arbeitslosenquote der weiblichen Jugendlichen lag bis zum Jahr 1999 deutlich über jenen der männlichen. Im Jahr 2000 konnte diese Differenz minimiert werden (jugendliche Frauen 2,5% und Männer 2,1%) (vgl. Arbeitsmarktprofil div. Jahrgänge).

Tabelle 1: Jugendarbeitslosenquoten von 1990 bis 2000, differenziert nach Geschlecht

1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000

Gesamt 4,1 4,3 4,1 5,0 4,6 4,7 5,3 5,5 5,5 4,6 2,3

Männer 3,5 3,7 3,9 4,5 4,5 4,5 5,1 5,1 4,9 4,1 2,1

Frauen 4,8 5,1 4,2 5,0 4,7 4,9 5,7 6,0 6,3 5,1 2,5

Quelle: Arbeitsmarktprofil div. Jahrgänge

Die Situation der anderen Seite der Altersgrenzen – ältere Arbeitslose über 50 Jahre – stellt sich folgend dar: Anfang der 90er Jahre weichten die Arbeitslosenquoten dieser Gruppe bei weitem nicht so von der Gesamtquote ab wie dies sich bis zum Jahr 2000 abzeichnet. Die Entwicklung ist nicht eindeutig festzulegen: Zu Beginn der 90er Jahre verschärfte sich die Problematik, Mitte der 90er Jahre konnte ein Rückgang verzeichnet werden. Dieser konnte sich allerdings nicht halten – Ende der 90er Jahre kam es wieder zu einer Verschlechterung. Im Jahr 2000 beginnt die Arbeits- losenquote der Älteren wieder zu sinken. Tabelle 2 zeigt die Entwicklung auch differenziert nach den Geschlechtern.

Tabelle 2: Altersarbeitslosigkeit (50 Jahre und älter) von 1990 bis 2000, differenziert nach Geschlecht

1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000

Gesamt 5,4 6,5 7,8 9,6 8,7 8,1 8,0 8,8 9,6 9,6 7,9

Männer 4,7 5,7 6,8 8,5 8,2 7,7 7,6 8,4 9,3 9,2 7,6

Frauen 6,7 8,0 9,5 10,9 9,6 8,9 8,6 9,5 10,1 10,1 8,4

Quelle: Arbeitsmarktprofil div. Jahrgänge

12 http://www.wifo.at/cgi-bin/tabellen/transtb2.cgi?2+3+kennz.inter.print++++++16291 (02-04-22)

(17)

Wie die Zahlen in der Tabelle zeigen, kommt es in Bezug auf die Alterarbeitslosigkeit zu keiner Angleichung zwischen den Geschlechtern. Frauen sind hier im gesamten Zeitraum im schlechter gestellt als Männer. Zusammenfassend betrachtet kann man von einer leichten Entspannung der Situation auf dem österreichischen Arbeitsmarkt sprechen, trotzdem darf man die Problemgrup- pen nicht aus dem Blickwinkel verlieren.

Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsentwicklungen der 90er Jahre in den Niederlanden

Seit den späten 90er Jahren gelten die Niederlande als eines der beschäftigungspolitischen Vor- bilder in Europa, weil sie zu den wenigen europäischen Ländern gehören, in denen bei sinkender Arbeitslosigkeit gleichzeitig die Beschäftigung steigt. Dies ist umso erstaunlicher als die Nieder- lande Anfang der 80er Jahre noch mit einer der höchsten Arbeitslosenquoten der europäischen In- dustrienationen zu kämpfen hatten, sie lag bei ca. 12%.13 Danach sank die niederländische Quote beständig bis Anfang der 90er Jahre, um nach einem kurzen Anstieg seit 1995 weiter zu fallen. Im Jahr 2000 betrug die niederländische Arbeitslosenquote nach Angaben von Eurostat nur 2,7%.

Abbildung 3: Geschlechtsspezifische Arbeitslosenquoten in den Niederlanden (1990-2000), in Prozent

Quelle: Eurostat, European Labour Force Survey, verschiedene Jahrgänge

13 In der internationalen Arbeitsmarktforschung wurde deshalb auch von der sogenannten ‚dutch disease‘ gespro- chen, in die sich die niederländische Regierung und Wirtschaft manövriert hatten. Deutlichste Anzeichen für diese Krise waren Lohnstückkosten, die weit über dem europäischen Durchschnitt lagen, ein Haushaltsdefizit und eine Steuer- und Abgabenquote von mehr als 50%, die die bereits rezessionsgeschädigten Unternehmen zu- sätzlich belastete (Glott et al. 1998).

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 Gesamt Männer Frauen

(18)

Ähnliche Entwicklungen waren in Europa nur in Dänemark, der Schweiz, in Luxemburg und Österreich zu beobachten (Werner 1998). Interessant ist hierbei zu vermerken, dass wie in den meisten europäischen Ländern die Arbeitslosenquoten der Frauen nach wie vor höher liegen als die der Männer, seit Mitte der 90er Jahre konstant um ca. zwei Prozentpunkte. Dies gilt allerdings nicht für Österreich.

Trotz dieser inzwischen äußerst niedrigen Arbeitslosenquote gibt es verschiedene Prob- lemgruppen auf dem niederländischen Arbeitsmarkt. Dazu gehören zum einen die Lang- zeitarbeitslosen14, deren Anteil an allen Arbeitslosen im Vergleich zu den Vorjahren zwar weiter gesunken ist, immerhin aber noch knapp 44% beträgt. Hier liegt der Anteil der Männer beträcht- lich höher als der der Frauen.

Tabelle 3: Anteil der Langzeitarbeitslosen an den Arbeitslosen in den Niederlanden ins- gesamt (1990-2000)

1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 Gesamt 46,2 43,0 44,0 52,4 49,4 46,8 49,0 49,1 47,9 43,9 32,7 Männer 52,1 50,6 47,0 52,7 50,0 51,6 54,3 49,9 51,4 47,7 31,7 Frauen 42,0 36,7 41,6 52,0 48,7 42,0 45,0 48,5 45,2 40,4 33,4

Quelle: Eurostat, European Labour Force Survey, verschiedene Jahrgänge

Zum anderen ist die Beschäftigungssituation ethnischer Minderheiten auf dem niederländischen Arbeitsmarkt nachgerade schlecht. So liegt die Arbeitslosenquote türkischer und marokkanischer Männer sechsmal höher als die einheimischer Männer. Bei den weit weniger berufstätigen Frauen aus Minderheitsgruppen stellt sich die Situation etwas günstiger dar, liegt aber auch hier um mehr als das Doppelte über der Quote der einheimischen Frauen (SCP 1998: 247f.; Becker 1999).

Positiv zu vermerken ist jedoch die Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit. Noch Ende der 80er Jahre lag die Jugendarbeitslosenquote (15-24-Jährige) in den Niederlanden bei ca. 13% und stellte ein erhebliches Problem für die niederländische Gesellschaft dar. Anfang der 90er Jahre sank sie auf unter 10%, stieg 1995 nochmals auf 12% und liegt im Jahr 2001 nur noch bei rund 4,5%

14 In den Niederlanden gilt als langzeitarbeitslos, wer länger als 12 Monate arbeitslos gemeldet ist.

(19)

(Stille 1998).15 Im selben Zeitraum sank auch die Arbeitslosenquote der älteren Erwerbsfähigen (50-64-Jährige) auf durchschnittlich 2%.

Parallel zur tendenziell immer weiter sinkenden Arbeitslosigkeit, stieg die Beschäftigung in den Niederlanden zwischen 1990 und 2000 um ca. 11%, d.h. es wurden in diesem Zeitraum rund 1 Mill. neuer Beschäftigungsverhältnisse geschaffen (OECD 2000a). Eine Ursache für dieses nie- derländische „Beschäftigungswunder“ liegt sicherlich darin, dass die Niederlande ihre imposante Beschäftigungsentwicklung auf einem sehr niedrigen Niveau der Erwerbstätigkeit begannen. So lag die niederländische Erwerbsquote 1983 mit nur 59% noch erheblich unter der deutschen (67,5%) und österreichischen (65,6%) Vergleichszahl, stieg erst im Verlauf der 90er Jahre auf das Niveau dieser beiden Länder an, ist aber immer noch weit entfernt von skandinavischen, schwei- zerischen oder US-amerikanischen Entwicklungen (Becker 2000; Schmid 1997).16

Tabelle 4: Erwerbsquoten von Frauen und Männern in den Niederlanden von 1990-2000, in Prozent

1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 Gesamt 66,2 66,8 67,4 67,8 68,2 - 69,6 71,5 72,6 73,6 74,9 Männer 80,1 80,1 79,6 79,4 79,2 79,3 80,8 81,3 82,1 82,6 83,9 Frauen 52,2 53,3 54,9 55,7 57,1 58,5 58,1 59,2 59,8 61,3 65,7

Quelle: Eurostat, Labour Force Survey, verschiedene Jahrgänge

Das hohe Beschäftigungswachstum in den Niederlanden lässt sich nicht durch eine günstigere wirtschaftliche Entwicklung als in den anderen europäischen Ländern erklären17, sondern vie l- mehr durch eine Politik der Arbeitsumverteilung. Dabei handelt es sich einerseits um eine Um- verteilung von Vollzeit- auf Teilzeitstellen, von der insbesondere niederländische Frauen profi- tierten (Walwei 2000). So stieg die Erwerbsquote von Frauen, wie aus Tabelle 4 hervorgeht, zw i- schen 1990 und 2000 um mehr als 13%-Punkte auf rund 66% an. Die Erwerbsquote der nieder- ländischen Männer verzeichnete im gleichen Zeitraum einen nur knapp 4%-Punkte Anstieg.

Der Anstieg der Frauenerwerbsquote ist in den Niederlanden zu großen Teilen auf die vermehrte

15 Dies ist u.a. darauf zurückzuführen, dass sich die niederländische Arbeitsmarktpolitik im Rahmen des Jugend- beschäftigungsgarantiegesetzes (JWG) in den vergangenen Jahren verstärkt auf jugendliche Zielgruppen kon- zentrierte (Salverda 1997).

16 Arbeitskräfteknappheit herrscht mittlerweile insbesondere im Bausektor, in der Metall- und Elektroindustrie, im Informations-, Kommunikations und Technologiesektor sowie in den Bereichen Erziehung, Ausbildung und Gesundheitsvorsorge für qualifizierte Facharbeiter/innen und für Angestellte aus den mittleren und gehobenen Positionen (OECD 2000a: 22).

(20)

Teilzeitbeschäftigung zurückzuführen. Mit einem Anteil von 41% an allen Erwerbstätigen weisen die Niederlande 2000 die mit Abstand höchste Teilzeitquote der westlichen Industriestaaten auf.

Über zwei Drittel (70,5%) der niederländischen Frauen im erwerbsfähigen Alter und etwa 19%

aller Männer arbeiten heute in einem Teilzeitbeschäftigungsverhältnis.18 Seit 1973 ist damit der Teilzeitanteil um mehr als 35 Prozentpunkte geradezu explosionsartig angestiegen.19

Ein weiterer Pfeiler des niederländischen Modells der Arbeitsumverteilung ist die Tatsache, dass das vorhandene Arbeitsvolumen auf jüngere und meistens auch billigere Kräfte verteilt wurde, während ältere und erwerbsgeminderte Arbeitnehmer/innen durch Invaliden- oder Frühverrentung aus dem Arbeitsmarkt ausgegliedert wurden (Werner 1997: 5). Daher sind in den Niederlanden die Erwerbsquoten älterer Arbeitnehmer/innen im internationalen Vergleich äußerst niedrig. Im Jahr 2000 arbeiteten nur etwa 30% der über 55-Jährigen (Frauen sogar nur zu 17%) (van Oorschot 2000: 31) - und die Anzahl der Invalidenrentenempfänger/innen (derzeit etwa 900.000) entspricht etwa 15% der erwerbstätigen Bevölkerung – in Belgien, Deutschland und Dänemark sind dies nur ca. 8% (Becker 1998, Becker 2000), in Österreich sind es 11% der Erwerbsbevölkerung.20 Wer- den alle Formen der Ausgliederung aus dem Arbeitsmarkt sowie die Teilnahme an Arbeits- programmen und hochsubventionierten Beschäftigungsformen zu den Arbeitslosen summiert, dann erhält man nach Angaben der OECD eine sogenannte breite Arbeitslosenquote21, die sich 1998 auf etwa 23% beläuft.

Im Hinblick auf die Gründung Territorialer Beschäftigungspakte in den Niederlanden lassen sich aus diesen Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsentwicklungen folgende Schlüsse ziehen. Zum Zeit- punkt der Einrichtung der europäisch geförderten Beschäftigungsbündnisse war die nieder- ländische Arbeitsmarktsituation im Gegensatz zu den Entwicklungen in den anderen europäischen

17 Die durchschnittlichen Wachstumsraten lagen bis Mitte der 90er Jahre in den Niederlanden mit ca. 2,6% zwar über dem EU-Durchschnitt, aber unter der durchschnittlichen Wachstumsrate in Deutschland von 2,8%. Erst seit 1996 ist das Wirtschaftswachstum in den Niederlanden mit 3,3% überdurchschnittlich hoch (OECD 2000a;

Werner 1998).

18 In Deutschland sind dies nur etwas über ein Drittel der Frauen 37,9%, während die Teilzeitquote bei deutschen Männern bei nur ca. 5% liegt (Eurostat, Labour Force Survey 2001). In Österreich betrug die Teilzeitquote im Jahr 1975 bei den Frauen 14,1%, bei den Männern 0,8%. Diese Zahl verdoppelte sich bei den Frauen im Jahr 2000 auf 28,5% und erreicht bei den Männern einen Anteil von 2,9% (das ist der Anteil der Teilzeiterwerbstäti- gen an den Erwerbstätigen der jeweiligen Gruppe) (Vgl. Statistik Austria 2002).

19 Obwohl die Teilzeitarbeit überwiegend freiwillig ausgeübt wird, also keine Vollzeitbeschäftigung gesucht wird, ist der Anteil geringfügiger Teilzeitbeschäftigung (weniger als 10 Stunden pro Woche) relativ hoch (ca. ein Viertel; in Deutschland liegt der Vergleichswert bei ca. 15%). Diese Beschäftigten müssen demnach bezüglich ihres Lebensunterhalts und ihrer Sozialversicherung bereits anderweitig abgesichert sein, entweder über das Studium, die Berufsausbildung, durch den/die Ehepartner/in oder den Bezug von Sozialleistungen (Walwei 2000: 4).

20 Vgl. http://www.sozvers.at/hvb/statistik/ESV_Statistik/pensstand.htm (02-11-25)

21 Neben den registrierten Arbeitslosen zählt die OECD zur breiten Arbeitslosenquote Arbeitsinvalide, Frühver- rentete, Sozialhilfeempfänger/innen und Teilnehmer/innen in geförderten Beschäftigungsmaßnahmen (OECD 1998).

(21)

Ländern vergleichsweise beeindruckend. Niedrige, tendenziell weiter sinkende Arbeitslosen- quoten bei gleichzeitig stetig steigendem Beschäftigungswachstum und einer immer größer wer- denden Arbeitskräfteknappheit. Dieser fehlende Problemdruck erklärt möglicherweise das zu- nächst bescheidene Interesse der niederländischen Regierung an dem europäischen Modell der Beschäftigungspakte. Allerdings erlangten die territorialen Beschäftigungsbündnisse später auf einer anderen Ebene das Interesse der nationalen Behörden und dieses bezog sich stärker auf die Veränderungen der Organisation der Arbeitsmarktpolitik in den Niederlanden auf die in Abschnitt 2.2 näher einzugehen sein wird.

Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsentwicklungen in den 90er Jahren in Deutschland

In Deutschland setzte bis in die zweite Hälfte der 90er Jahre hinein ein langfristiger Trend zum sukzessiven Anstieg struktureller Massenarbeitslosigkeit fort. Die Arbeitslosenquote nahm seit 1990 kontinuierlich zu und erreichte 1997 einen Höhepunkt von 9,9%. Nachdem die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Deutschland in der ersten Hälfte des Jahrzehnts weitgehend dem europä i- schen Trend folgte, wich sie nach dem Ende des vereinigungsbedingten Booms in der Mitte der 90er Jahre deutlich davon ab: während das Niveau der Arbeitslosigkeit in Europa leicht sank, stieg die Arbeitslosenquote in Deutschland zwischen 1995 und 1997 um 1,7% (vgl. Abbildung 4).

Im Zuge des Wirtschaftsaufschwungs Ende der 90er Jahre sank die Arbeitslosigkeit in Deutsch- land in geringerem Maße als im europäischen Durchschnitt. Seit 2001 nimmt sie wieder zu.

Abbildung 4: Entwicklung der Arbeitslosenquoten im Vergleich (1990-2000)

Quelle: Eurostat, Labour Force Survey, verschiedene Jahrgänge

Der Anstieg der Arbeitslosigkeit in Deutschland ging einher mit einem relativ geringen Wirt- schaftswachstum. Das durchschnittliche Wachstum in den Jahren 1992 - 2000 betrug 1,6%, wäh- rend es in Europa bei 2,1% lag.22

22 Eurostat 2002; eigene Berechnungen.

0 2 4 6 8 10 12

1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000

Deutschland Niederlande Österrreich EU15

(22)

Hinsichtlich der geschlechtsspezifischen Arbeitslosenquoten ist ein konvergenter Trend zu ver- zeichnen (vgl. Abbildung 5). Diese gesamtdeutsche Tendenz verdeckt allerdings unterschiedliche Entwicklungen in West- und Ostdeutschland: Während die Arbeitslosenquoten der Männer in Westdeutschland die der Frauen seit 1994 leicht übersteigt, liegen die Arbeitslosenquoten der Frauen in Ostdeutschland deutlich über denen der Männer, wobei aber auch in den ostdeutschen Bundesländern eine tendenzielle Angleichung zu beobachten ist.

Abbildung 5: Geschlechtsspezifische Arbeitslosenquoten in Deutschland (1990-2000)

Quelle: Eurostat, European Labour Force Survey, verschiedene Jahrgänge

Das Arbeitskräfteangebot in Deutschland stagnierte im Verlauf der 90er Jahre. In der zweiten Hälfte der Dekade lag die Erwerbsquote mit durchschnittlich rund 70,6% geringfügig unter den Erwerbsquoten in Österreich (71,2%) und den Niederlanden (72,4%). Die Erwerbsquote der Frau- en stieg zwischen 1990 und 2000 von 57,6% auf 63%, während die der Männer von 82,1% auf 78,8% sank.

0 2 4 6 8 10 12

1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000

Jahr

Arbeitslosenquote in %

Gesamt Männer Frauen

(23)

Tabelle 5: Geschlechtsspezifische Beschäftigungsquoten in Deutschland von 1992-2000 in Prozent

1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 Gesamt 66,4 65,1 64,7 64,6 64,1 63,7 63,9 64,8 65,4 Männer 76,7 74,9 74,1 73,7 72,6 71,9 71,9 72,4 72,7 Frauen 55,9 55,1 55,1 55,3 55,3 55,3 55,8 57,1 57,9

Quelle: Eurostat, Labour Force Survey, verschiedene Jahrgänge

Die Nachfrage nach Arbeitskräften entwickelte sich im Verlauf der 90er Jahre gegen den Trend innerhalb der Europäischen Union zunächst rückläufig. Erst gegen Ende der 90er Jahre zeichnete sich eine leicht positive Tendenz ab. Die Beschäftigungsquote der Frauen stieg dabei leicht an, während die der Männer deutlich zurückging (vgl. Tabelle 4). Die unterdurchschnittliche Beschäf- tigungsentwicklung in Deutschland ist dabei auf einen Beschäftigungsrückgang im primären und industriellen Sektor zurückzuführen, die nicht durch einen entsprechenden Anstieg im Dienst- leistungssektor kompensiert wurde. Mit durchschnittlich 59,7% lag der Anteil der abhängigen Beschäftigung im Dienstleistungssektor in Deutschland in den 90er Jahren deutlich unter dem in den Niederlanden (73,1%) und leicht unter dem in Österreich (62,1%). Das jahresdurch- schnittliche Beschäftigungswachstum im tertiären Sektor betrug in Deutschland zwischen 1992 und 2000 nur 1,4% im Vergleich zu 2,4% in Österreich und 2,6% in den Niederlanden.23

Vor dem Hintergrund der anhaltenden Massenarbeitslosigkeit zeigen sich auf dem deutschen Ar- beitsmarkt wachsende Segmentationstendenzen und zunehmende regionale Disparitäten. Negativ von der Arbeitsmarktsegmentierung sind dabei vor allem Ältere und Geringqualifizierte betroffen.

Wie Tabelle 5 verdeutlicht, liegt die Arbeitslosenquote der über 50-jährigen wesentlich über der durchschnittlichen Arbeitslosenquote. Die Arbeitslosigkeit der über 55-jährigen lag in Deutsch- land in den Jahren 1998-2001 mit durchschnittlich 13,5% deutlich über dem europäischen Durch- schnitt von 8,2% (OECD 2002). Darüber hinaus ist ein höheres Alter das hervorstechendste Merkmal der von Langzeitarbeitslosigkeit Betroffenen. 55% der Langzeitarbeitslosen sind 55 Jahre oder älter (Kleinhenz 2002). Eine signifikante Verschlechterung der Wiederbeschäftigungs- wahrscheinlichkeit bei Eintritt in die Arbeitslosigkeit tritt schon im Alter von 44 Jahren auf (Ha-

23 Vgl.: OECD Labour Market Statistics (http://www.oecd.org/EN/home/0,,EN-home-20-nodirectorate-no-no-no- 20,00.html); eigene Berechnungen.

(24)

gen/Steiner 2000).

Mit Abstand die höchste Arbeitslosenquote weisen in Deutschland die Geringqualifizierten auf.

Mit 15,8% lag die Arbeitslosenquote der Geringqualifizierten in Deutschland 1999 über denen aller anderen EU-Staaten (OECD 2001: 221 ff.). Der Anteil der Personen ohne Berufsabschluss an den Arbeitslosen insgesamt betrug über die ganzen 90er Jahre über ein Drittel, wobei zu be- rücksichtigen ist, dass diese Personengruppe zudem einen überproportionalen Anteil der Er- werbstätigen in prekären und unbeständigen Beschäftigungsverhältnissen stellt (Hagen/Steiner 2000; Reinberg/Hummel 2002). Weiterhin war die Erwerbsbeteiligung der Geringqualifizierten im Jahr 1999 mit 58% wesentlich geringer als die durchschnittliche Erwerbsquote von 71,6%

(OECD 2001). Da abzusehen ist, dass sich die Nachfrage nach gering qualifizierten Arbeitskräften weiterhin deutlich verringern wird (Kleinhenz 2002), stellt die Erschließung stabiler Beschäf- tigungsverhältnisse für diese Personengruppe eine besondere Herausforderung für die Arbeits- marktpolitik dar.

Deutlicher Ausdruck der Segmentationstendenzen auf dem deutschen Arbeitsmarkt ist weiterhin die Zunahme des Anteils der Langzeitarbeitslosen24 an den Arbeitslosen in den 90er Jahren von 30,8% (1991) auf 51,7% (1999). Der Anteil der Langzeitarbeitslosen lag damit 1999 deutlich über dem Durchschnitt innerhalb der EU von 47,5% (OECD 2001).

Tabelle 6: Arbeitslosenquoten Älterer und Geringqualifizierter in Deutschland 1996-2000

1996 1997 1998 1999 2000

Arbeitslosenquote in %

Gesamt 8,9 9,9 9,4 8,9 7,9

ohne Berufsabschluss 20,8 21,1 21,9 21,8 22,4

nach Alter

50-55 Jahre 9,6 9,7 9,8 10,2 10,9

55-60 Jahre 19,4 19 20 19,6 17,2

60-65 Jahre 2,7 2,6 3,3 3,8 4,3

Quelle: Statistisches Bundesamt

24 Personen, die länger als ein Jahr lang ohne Unterbrechung arbeitslos sind.

(25)

Die Struktur der Arbeitslosigkeit unterteilt sich also zunehmend in ein flexibles und ein (wach- sendes) verhärtetes Segment. Dabei sind Frauen überproportional von dauerhafter Arbeitslosigkeit betroffen: Während 1999 54% der weiblichen Arbeitslosen länger als zwölf Monate arbeitslos gemeldet waren, waren es unter den männlichen Arbeitslosen "nur" 49,9%. Das größte Risiko dauerhafter Arbeitslosigkeit liegt bei älteren Personen und solchen mit gesundheitlichen Ein- schränkungen. Einen hohen Anteil der Langzeitarbeitslosen machen ferner die gering Qualif i- zierten aus. Dieser ist zwar im Vergleich zu ihrem Anteil an den Arbeitslosen insgesamt nicht überproportional hoch. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass diese Personengruppe vermut- lich häufiger in unbeständigen Beschäftigungsverhältnissen steht und daher ein großer Anteil eher von mehrfacher als von dauerhafter Arbeitslosigkeit betroffen ist (Hagen/Steiner 2000).

Tabelle 7: Langzeitarbeitslosigkeit in Deutschland 1991-2000

1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 Gesamt 30,8 33,5 40,3 44,3 48,7 47,8 50,1 52,6 51,7 51,5 Frauen 26,8 30,6 43,5 47,2 51,3 51,7 53,6 55,6 54 53,1

Quelle: Eurostat, European Labour Force Survey, verschiedene Jahrgänge

Neben diesen personengruppenbezogenen Segmentationstendenzen ist der deutsche Arbeitsmarkt geprägt durch zunehmende regionale Disparitäten. Deutliche Unterschiede hinsichtlich der Ent- wicklung der Arbeitslosigkeit zeigen sich einerseits auf der Ebene der westdeutschen Bundeslä n- der entlang des traditionellen Nord-Süd-Gefälles. Besonders im Verlauf der 80er Jahre nahmen diese Unterschiede erheblich zu, wobei ein Hysterese-Effekt bei der Varianz der Arbeits- losenquoten festzustellen ist: mit zunehmender gesamtwirtschaftlicher Höhe der Arbeitslosigkeit stieg auch die Varianz zwischen den Ländern, während bei abnehmender Arbeitslosigkeit das Ausmaß der Varianz nicht in gleichem Maße sank. Nachdem die unterschiedliche Entwicklung zwischen den westlichen Bundesländern in der ersten Hälfte der 90er Jahre aufgrund des Vereini- gungs-Booms zunächst nur in geringem Maße anstieg, verstärkten sich die Unterschiede seit 1994 weiter, was vor allem auf eine deutliche Zunahme der Arbeitslosigkeit in den strukturschwächeren Ländern zurückzuführen ist. Die jeweiligen arbeitsmarktpolitischen Problemlagen variieren dabei in hohem Maße. Die Erwerbsbeteiligung entwickelte sich in der Zeit gleichmäßig auf sehr unter- schiedlichem Niveau, wobei eine deutlich negative Beziehung zur jeweiligen Höhe der Arbeitslo-

(26)

sigkeit zu beobachten ist (Schmid/Blancke 2001; Gornig/Häußermann 1999).25

Abbildung 6: Arbeitslosenquoten in Ost- und Westdeutschland 1991-2001

Quelle: Statistisches Bundesamt

Seit Beginn der 90er Jahre wird das Nord-Süd-Gefälle der Arbeitslosigkeit durch tiefgreifende Disparitäten zwischen Ost- und Westdeutschland überlagert. Nachdem durch die wirtschaftliche Transformation im Zuge der Wiedervereinigung etwa ein Drittel der Arbeitsplätze in Ostdeutsch- land abgebaut worden waren, gelang es im Verlaufe der 90er Jahre nicht, die daraus resultierende Unterbeschäftigung spürbar zu senken. Die Arbeitslosenquoten verblieben deutlich über dem westdeutschen Niveau. Das Niveau der Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland wuchs in der zweiten Hälfte der Dekade sogar auf mehr als das Doppelte des westdeutschen Niveaus an (vgl. Abbil- dung 6). Der Ende der 90er Jahre einsetzende Wirtschaftsaufschwung hatte im Gegensatz zu Westdeutschland in den ostdeutschen Bundesländern nur einen sehr geringen Einfluss auf die Entwicklung der Arbeitslosigkeit, was auf eine grundlegende Entkoppelung der Arbeits- marktentwicklung in Ost- und Westdeutschland hindeutet. Auch Arbeitsmarktprojektionen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) liefern keine Hinweise auf eine zukünftige Entwicklung einer Eigendynamik der ostdeutschen Wirtschaft und lassen eine weitere Zunahme der dortigen Unterbeschäftigung erwarten (Koch et al. 2002). Der umfangreiche Einsatz arbeits- marktpolitischer Instrumente in Ostdeutschland verdeckt dabei die tatsächlichen Disparitäten hin-

25 Für eine detaillierte Analyse der Arbeitsmarktentwicklungen in den Bundesländern vgl.: Schmid/ Blancke 2001.

0 5 10 15 20 25

1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001

Ostdeutschland Westdeutschland

(27)

sichtlich der Unterbeschäftigung.26

Während die Disparitäten zwischen den ostdeutschen Bundesländern geringer sind als die zw i- schen den westdeutschen, bestehen in Ostdeutschland allerdings erhebliche Disparitäten auf klein- räumiger Ebene unterhalb der Länderebene, die im Verlauf der 90er Jahre deutlich zunahmen.

Eine Studie im Auftrag der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ermittelte eine Zunahme der Standardabweichung der Arbeitslosenquoten auf Kreisebene von 2,86 im Jahre 1993 auf 3,41 1999. In der gleichen Zeit variierte die Entwicklung der Beschäftigung zwischen einer Abnahme von 29,9% und einer Zunahme von 54,1%. Der Trend der Beschäftigungsentwicklung lässt zudem vermuten, dass sich diese Schere noch weiter öffnet. Wesentliche Determinante der unterschiedli- chen Entwicklung ist der Studie zufolge die örtliche Wirtschaftsstruktur (Blien et al. 2001; 2002;

2002a). Auch in Westdeutschland zeichnen sich in den 90er Jahren zunehmende regionale Diffe- renzierungen der wirtschaftlichen Entwicklung unterhalb der Länderebene ab (Gornig et al. 1996).

Insgesamt streuten die Arbeitslosenquoten in Deutschland auf der Ebene der Arbeitsmarktregio- nen in den Jahren 1996-1998 zwischen 5,8% (Weilheim) und 23,9% (Staßfurt) (Kol- ler/Schwengler 2000).

Im Kontext der beschriebenen deutschen Arbeitsmarktsituation in der zweiten Hälfte der 90er Jahre stellen die Territorialen Beschäftigungspakte eine sinnvolle Bereicherung des arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitischen Instrumentariums dar. Grundsätzlich legt die anhaltende und sich weiter verschärfende Arbeitsmarktkrise den Einsatz innovativer Instrumente nahe. Dabei werden auch die spezifischen Merkmale der Territorialen Beschäftigungspakte - Innovativität, dezentrale Ausrichtung, Integration der Politikfelder, Partnerschaft der Akteure - den besonderen Problem- lagen in Deutschland gerecht. Eine problemnahe und politikfeldübergreifende Strategie- entwicklung und -anwendung, die weitere lokale Akteure einbezieht, kann einerseits eine Auf- weichung der personengruppenbezogenen Segmentationstendenzen begünstigen, indem die Inte- gration dieser Gruppen gezielt auf die Bedingungen der regionalen Arbeitsmärkte ausgerichtet wird - beispielsweise durch eine Qualifizierung, die sich am Bedarf der regionalen Unternehmen

26 Das Ausmaß der Diskrepanz hinsichtlich der Arbeitsmarktsituation in Ost- und Westdeutschland wird deutlich, wenn man den registrierten Arbeitslosen die Anzahl von Personen gegenüberstellt, die aufgrund verschiedener arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen nicht als Arbeitslose gezählt werden, aber keiner regulären Beschäftigung nachgehen. So lag das Verhältnis zwischen verdeckter26 und registrierter Arbeitslosigkeit in der zweiten Hälfte der 90er Jahre in Ostdeutschland durchschnittlich bei 1:1,44, während es in Westdeutschland 1:2,77 betrug.

Verdeckte Arbeitslosigkeit umfasst nach der Definition des Sachverständigenrats zur Begutachtung der ge- samtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) den durch Kurzarbeit verursachten Arbeitsausfall, Teilnehmer/innen an beschäftigungsschaffenden Maßnahmen und beruflicher Fort- und Weiterbildung, Leistungsempfänger/innen aufgrund von verminderter Leistungsfähigkeit sowie Arbeitsunfähigkeit, Leistungsempfänger/innen im Alter von 58 Jahren und darüber, die der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung stehen müssen, und Empfän- ger/innen von Altersübergangs- und Vorruhestandsgeld sowie einer vorgezogenen Altersrente wegen Arbeitslo- sigkeit. (SVR 2001; eigene Berechnungen).

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orientiert oder aber durch die Förderung der Akzeptanz älterer Arbeitnehmer/innen bei lokalen Unternehmen. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Ausdifferenzierung regionaler Problemla- gen, die in engem Zusammenhang mit der jeweiligen Wirtschaftsstruktur stehen, bietet eine re- gional ausgerichtete Koordination von arbeitsmarkt- und strukturpolitischen Instrumenten wie Akteuren andererseits eine aussichtsreiche Grundlage zur Bewältigung regionaler Arbeitsmarkt- probleme (vgl. auch Schmid/Blancke 2001; Fels et al. 2001; Heyer 2002; Bensel et al. 2002).

2.2 Institutionen, Entwicklungen und Reformtendenzen der Arbeitsmarkt- politik

Österreich

Die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik in Österreich ist vor allem durch zwei Spezifika ge- kennzeichnet: Die Sozialpartnerschaft und der bis vor kurzem eher hohe Bestand an verstaat- lichten Unternehmen. Tichy 1996 sieht für die Kooperation der Sozialpartner einige institutionelle Besonderheiten als Voraussetzung:

• Hohe Organisationsdichte aufgrund gesetzlicher und freiwilliger Interessensvertretungen ohne Konkurrenten.

• Zentralisierte Organisationen der Gewerkschaften.

• Große Zahl von Aufgaben, die den Sozialpartnern per Gesetz übertragen wurden (Lohn- und Preispolitik, Begutachtung von Gesetzen, Stellungnahmen zu Fragen der Wirtschaftspolitik).

• Das System indirekter Wahlen: Führungskräfte werden von Wahlmännern gewählt und kön- nen nicht leicht abgewählt werden – sie sind zu keiner populistischen Politik gezwungen.

• Die Präsidenten der wichtigen Institutionen der Sozialpartner waren Personen mit ähnlichem sozialem Hintergrund.

Das Kernelement der Sozialpartnerschaft ist die Paritätische Kommission in deren Vollversamm- lung der Bundeskanzler den Vorsitz führt. Stimmberechtigt sind formell nur die RepräsentantIn- nen der vier Interessensorganisationen (Bundeswirtschaftskammer, Landwirtschaftskammer, Österreichischer Gewerkschaftsbund, Kammer für Arbeiter und Angestellte).

Bezüglich der Bedeutung der Sozialpartnerschaft lässt sich kein Trend in Richtung Des- organisierung feststellen (vgl. Tálos 1999). Im Gegenteil: Im Zuge der Reformierung der Arbeits- marktverwaltung wurden die Dachverbände aufgewertet, indem sie in die Arbeitsmarktpolitik eingebunden wurden. Sie wirken im Verwaltungsrat auf nationaler Ebene, in den Landes- direktorien und in den Regionalbeiräten maßgeblich an der Willensbildung mit. Im Vorfeld des

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EU-Beitritts wurde im November 1992 im Sozialpartnerabkommen ein Ausschuss für inter- nationale Fragen eingeführt. Mit dem EU-Beitritt Österreichs fand zudem eine Ausweitung des Aktionsspielraumes der österreichischen Verbände statt: die Dachverbände sind z.T. in die Positi- onsfindung der Ministerien eingebunden. Ebenso wurden die Sozialpartner von der Bundesregie- rung eingeladen, sich an der Erstellung des Nationalen Aktionsplanes zu beteiligen.

Tálos 1999 fasst die Stellung der Sozialpartnerschaft aufgrund der Erkenntnisse einer Evaluierung der Auswirkungen der EU-Mitgliedschaft folgendermaßen zusammen: „Nicht vom Ende der So- zialpartnerschaft, sondern von deren Wandel zu einem ‚gemäßigten’ Muster korporatistischer Interessenpolitik wird ausgegangen: mit einer Verschiebung des Einflussgewichtes innerhalb der andauernden tradierten Akteurskonstellation (in erster Linie zugunsten von Regierung, aber auch von Unternehmervertretungen) zum einen, mit eingeschränkter Reichweite des Aktivitätsradius und des Stellenwerts der Interessenakkordierung für österreichische Politik sowie einem teil- weisen Funktions- und Strukturwandel (in Richtung organisierter Dezentralisierung) zum ande- ren“ (Tálos 1999: 296).

Die Agenden der Arbeitsmarktpolitik und der Wirtschaftsförderung sind in Österreich getrennt.

Die Kompetenzen für die wirtschaftliche Entwicklung sind zwischen den Ländern und dem Bund aufgeteilt. Die Landesverwaltungen entwickeln Wirtschaftsstrategien, Raumordnungsprogramme und effektive subregionale (auf Bezirks- oder Bezirksverbandsebene) Entwicklungspläne in Ko- operation mit regionalen Wirtschaftsförderungsorganisationen (z.B. Regionalmanagements). Das Bundeskanzleramt koordiniert die Politik auf Bundesebene, also auch Bundesländer übergreifend.

Dabei wird es von der Österreichischen Raumordnungskonferenz (ÖROK), einer Plattform zur Zusammenarbeit zwischen VertreterInnen von Behörden aller Ebenen und den Sozialpartnerin- nen, unterstützt (vgl. Campbell 2000). Übersicht 1 gibt einen Überblick der verantwortlichen Be- hörden und Körperschaften für Wirtschaftsentwicklung und Arbeitsmarktpolitik27.

27 Die Entwicklungen der Bedeutung der Sozialpartnerschaft in der neuen, rechtspopulistisch dominierten öster- reichischen Regierung seit Anfang 2000 sind zum Teil widersprüchlich, eine klare Tendenz eines Rückgangs ist u. E. (noch) nicht erkennbar.

Abbildung

Abbildung 1: Wachstum des Bruttoinlandsprodukts und des Arbeitskräftepotenzials; Ar- Ar-beitslosenquote 10 , 1990 – 2000 -1012345678 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000
Tabelle 1: Jugendarbeitslosenquoten von 1990 bis 2000, differenziert nach Geschlecht
Abbildung 3: Geschlechtsspezifische Arbeitslosenquoten in den Niederlanden (1990-2000), in Prozent
Tabelle 3: Anteil der Langzeitarbeitslosen an den Arbeitslosen in den Niederlanden ins- ins-gesamt (1990-2000)
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