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Das Kaufmännische Berufskolleg in Baden-Württemberg : Untersuchungen zur gesellschaftlichen und didaktisch-curricularen Differenzierung einer komplexen Schulform

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(1)

D AS K AUFMÄNNISCHE B ERUFSKOLLEG IN B ADEN -W ÜRTTEMBERG

Untersuchungen zur gesellschaftlichen und didaktisch-curricularen Differenzierung einer komplexen Schulform

Dissertation

zur Erlangung des akademischen Grades des Doktors der Wirtschaftswissenschaften

an der Universität Konstanz Fachbereich Wirtschafswissenschaften

Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik

vorgelegt von: Christoph Franz Tag der mündlichen Prüfung: 24. Oktober 2007

Referent: Prof. Dr. Deißinger

Universität Konstanz

Referent: Prof. Dr. Eckert

Universität Erfurt

Konstanzer Online-Publikations-System (KOPS)

URL: http://www.ub.uni-konstanz.de/kops/volltexte/2008/4630/

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:352-opus-46308

(2)

INHALTSVERZEICHNIS

Abbildungsverzeichnis IV Tabellenverzeichnis VI Abkürzungsverzeichnis VII

1. Problemstellung 1

1.1. Bedeutung schulischer Berufsausbildung 1

1.2. Zielsetzung der Studie 5

2. Entwicklung des Kaufmännischen BK in Baden-Württemberg 12

2.1. Historische Entwicklung 13

2.1.1. Akademieplan von 1975 14

2.1.2. Lehrplanrevision von 1989 24

2.2. Das Kaufmännische BK in seiner heutigen Form 31

2.2.1. Kaufmännisches BK I/II 33

2.2.2. Kaufmännisches BK Übungsfirma I/II 38

2.2.3. Kaufmännisches BK Fremdsprachen 40

2.2.4. Kaufmännisches BK Wirtschaftsinformatik 43

2.2.5. Neue Entwicklungen und Zukunftspläne für das kaufmännische BK 44

2.3. Das BK aus der Perspektive der KMK-Rahmenvereinbarungen 48 2.3.1. Der Berufsabschluss „Staatlich geprüfter Wirtschaftsassistent“ 48

2.3.2. Die Option Fachhochschulreife 49

3. Funktionalität des BK 51

3.1. Gesellschaftliche Funktionalität 52

3.1.1. Das BK aus dem Blickwinkel des Ausbildungsmarkts 52 3.1.2. Das BK aus dem Blickwinkel der bildungspolitischen Akteure 55

3.1.2.1. Kultusministerium und Schulverwaltung 55

3.1.2.2. Parteien 60

3.1.2.3. Lehrerverbände und Gewerkschaften 62

3.1.2.4. Wirtschaftsverbände und Kammern 68

3.1.2.5. Hochschulen 74

3.1.3. Funktionalität des BK als Resultante der gesellschaftlichen Erwartungen 76

3.1.3.1. Aufbewahrungsfunktion 77

3.1.3.2. Parkfunktion 78

3.1.3.3. Berufsorientierungsfunktion 79

3.1.3.4. Berufsvorbereitungsfunktion 79

3.1.3.5. Berufsqualifizierungsfunktion 81

3.1.3.6. Berechtigungsfunktion 82

(3)

3.2. Didaktisch-curriculare Funktionalität 83 3.2.1. Genese von Handlungskompetenz als übergeordnetes Prinzip der Berufsbildung 83

3.2.1.1. Fachkompetenz 86

3.2.1.2. Personalkompetenz 87

3.2.1.3. Sozialkompetenz 87

3.2.1.4. Methoden- und Lernkompetenz 88

3.2.2. Didaktische Konzepte zur Entwicklung von Handlungskompetenz 89 3.2.2.1. Wissenschafts- versus Situationsorientierung 89

3.2.2.2. Paradigma der Handlungsorientierung 91

3.2.3. Curriculare Normierung von Handlungskompetenz im Bildungsplan des BK 94

4. Methodologie der Studie 102

4.1. Konstrukte und Operationalisierung der Variablen 102

4.2. Gewinnung der Stichprobe 104

4.3. Verfahren der Datenanalyse 105

5. Untersuchungsergebnisse zur gesellschaftlichen Funktionalität 107

5.1. Allgemeine Beschreibung der Stichprobe 107

5.1.1. Schulart, Geschlecht und Alter 107

5.1.2. Zeitpunkt der Entscheidung für das BK 108

5.1.3. Vorbildung der Schüler 111

5.1.4. Anmeldenoten und Weiterentwicklung des Leistungsniveaus 113

5.1.5. Wiederholer und deren Verhalten 117

5.1.5.1. Wiederholer im 1. Jahr 117

5.1.5.2. Wiederholer im 2. Jahr 121

5.1.6. Belegung von Wahlfächern 123

5.1.6.1. Teilnahme am Zusatzunterricht zur Fachhochschulreife 123 5.1.6.2. Ablehnungsgründe für den Zusatzunterricht zur Fachhochschulreife 125 5.1.6.3. Wahl der zweiten und dritten Fremdsprache am BK Fr 129

5.2. Alternativen bei der Entscheidung für das BK 130

5.2.1. Wirtschaftsgymnasium 130

5.2.2. Weitere Schularten 135

5.2.3. Ausbildung im dualen System 139

5.2.3.1. Bewerbungsverhalten vor und während des BK 139 5.2.3.2. Gründe für Ablehnung einer Ausbildungsstelle 142

5.2.4. Verhalten bei einer Absage vom BK 145

(4)

5.3. Gründe für die Wahl der Schulart BK 148

5.3.1. Rat von Dritten 148

5.3.2. Schulartspezifische Gründe 149

5.3.2.1. Berufsvorbereitungsfunktion 149

5.3.2.2. Berufsqualifizierungsfunktion 153

5.3.2.3. Berechtigungsfunktion 154

5.3.2.4. Berufsorientierungsfunktion 158

5.3.2.5. Aufbewahrungsfunktion 160

5.3.2.6. Parkfunktion 163

5.3.2.7. Weitere Bildungsschwerpunkte des BK 165

5.3.3. Gesellschaftliche Relevanz des BK als Schnittmenge der funktionalen Zielgruppen 166

5.3.3.1. Clusteranalyse des ersten Jahres 167

5.3.3.2. Clusteranalyse des zweiten Jahres 176

5.4. Beabsichtigter Übergang vom 1. ins 2. Jahr am BK 182

5.5. Zukunftspläne der Schüler nach dem BK 184

5.5.1. Optionen nach dem BK 184

5.5.2. Berufswahl 188

5.5.3. Studienwahl 189

5.6. Entscheidung für das BK aus heutiger Sicht 189 6. Untersuchungsergebnisse zur didaktisch-curricularen Funktionalität 193 6.1. Subjektive Bewertung bildungspolitischer Ziele 193

6.2. Allgemeine Bewertung des Bildungsplans 195

6.3. Kompetenzerleben der Schüler 196

6.3.1. Fachkompetenz 196

6.3.2. Sozialkompetenz 201

6.3.3. Personalkompetenz 204

6.3.4. Methoden- und Lernkompetenz 206

6.4. Beitrag einzelner Fächer zur Berufswahl 209

7. Diskussion 211

8. Zusammenfassung 224

Anhang 227 Literaturverzeichnis 295

(5)

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 1: Systemtheoretischer Forschungsrahmen der Studie 7 Abbildung 2: Gesellschaftliche Funktionalität des Berufskollegs 9

Abbildung 3: Analyseebenen und -kriterien 11

Abbildung 4: Struktur des kaufmännischen Ausbildungsganges am Berufskolleg

(nach dem Akademieplan von 1975) 17

Abbildung 5: Struktur des Kaufmännischen Berufskollegs I und II 34 Abbildung 6: Struktur des Kaufmännischen Berufskollegs Fremdsprachen 41 Abbildung 7: Struktur des Kaufmännischen Berufskollegs Wirtschaftsinformatik 43 Abbildung 8: Die drei Ebenen von Lehrplan und Unterricht nach DUBS 51 Abbildung 9: Entwicklung von Schülerzahl am Berufskolleg und Angebots-Nachfrage-

Relation am Ausbildungsmarkt (1977 bis 2005) 54

Abbildung 10: Alter im 1. Jahr 108

Abbildung 11: Zeitpunkt der Entscheidung für das 1. Jahr bei Nicht-Wiederholern 109 Abbildung 12: Zeitpunkt der Entscheidung für das 2. Jahr bei Nicht-Wiederholern 110

Abbildung 13: Wiederholgründe im 1. Jahr 118

Abbildung 14: Wiederholgründe im 1. Jahr (getrennt nach BK-Arten) 118 Abbildung 15: Gründe für die Wahl des BK I (getrennt Wiederholer und

Nicht-Wiederholer) 120

Abbildung 16: Wiederholgründe im 2. Jahr 121

Abbildung 17: Gründe für Nichtwahl des Zusatzunterrichts im 1. Jahr 125 Abbildung 18: Gründe für Nichtwahl des Zusatzunterrichts im 1. Jahr – Unterschiede

zwischen den BK-Arten 126

Abbildung 19: Gründe für Nichtwahl des Zusatzunterrichts im 2. Jahr 127 Abbildung 20: Gründe für Nichtwahl des Zusatzunterrichts im 2. Jahr – Unterschiede

zwischen den BK-Arten 128

Abbildung 21: Gründe für mögliche Nichtwahl des Zusatzunterrichts im 2. Jahr bei

noch Unentschlossenen 129

Abbildung 22: Zweite und dritte Fremdsprache am BK Fr 130

Abbildung 23: Alternative WG – Bewerbungsaspekt 131

Abbildung 24: Alternative WG – Komplexitätsaspekt 132

Abbildung 25: Alternative WG – Hinlänglichkeitsaspekt 132

Abbildung 26: Alternative WG – Zukunftsaspekt 133

Abbildung 27: Alternative WG – Zeitaspekt 134

Abbildung 28: Alternative WG – allgemeiner Inhaltsaspekt 134 Abbildung 29: Alternative WG – spezieller Inhaltsaspekt 135 Abbildung 30: Grund für Verwerfung der Alternativschule 137 Abbildung 31: Schüler mit abgelehnter Alternativschule am BK 138 Abbildung 32: Bewerbungsverhalten vor Eintritt in das BK I bzw. BK II 140 Abbildung 33: Gründe für Ablehnung der Ausbildungsstelle im 1. Jahr 142 Abbildung 34: Gründe für Ablehnung der Ausbildungsstelle im 2. Jahr 144

(6)

Abbildung 35: Verhalten bei einer Absage im 1. Jahr – Lehrstellensuche und Praktikum 145 Abbildung 36: Verhalten bei einer Absage im 1. Jahr – Jobben und Ahnungslosigkeit 146 Abbildung 37: Verhalten bei einer Absage im 2. Jahr – Gesamterhebung 147 Abbildung 38: Berufsvorbereitungsfunktion – Chancenverbesserung für Lehre 150 Abbildung 39: Berufsvorbereitungsfunktion – Vorteil durch BWL am BK 150 Abbildung 40: Berufsvorbereitungsfunktion – Schwerpunkt durch BK-Art 151 Abbildung 41: Berufsvorbereitungsfunktion – Ziel kaufmännische Grundbildung 152 Abbildung 42: Berufsvorbereitungsfunktion – Lehrzeitverkürzung nach BK 153 Abbildung 43: Berufsqualifizierungsfunktion – Ziel Wirtschaftsassistent 154 Abbildung 44: Berechtigungsfunktion – Ziel Fachhochschulreife 155 Abbildung 45: Berechtigungsfunktion – weiterer Abschluss wichtiger 157 Abbildung 46: Berechtigungsfunktion – Chancen mit vorigem Abschluss 157 Abbildung 47: Berufsorientierungsfunktion – Entscheidungsprobleme bei der Berufswahl 158 Abbildung 48: Berufsorientierungsfunktion – Zeitgewinn bei der Berufswahl 159 Abbildung 49: Aufbewahrungsfunktion – Zeitgewinn für Lehrstellensuche 160 Abbildung 50: Aufbewahrungsfunktion – keine Ausbildungsstelle 161 Abbildung 51: Aufbewahrungsfunktion – Bewerbung Wunschberuf abgelehnt 162 Abbildung 52: Aufbewahrungsfunktion – keine Zusage Alternativschule im 1. Jahr 163 Abbildung 53: Parkfunktion – Schule angenehmer als Arbeit 164 Abbildung 54: Parkfunktion – keine Lust zum Arbeiten 165 Abbildung 55: Bedeutung der Funktionen in den Clustern im 1. Jahr 167 Abbildung 56: Bedeutung der Funktionen in den Clustern im 2. Jahr 176 Abbildung 57: Ziel 2. Jahr – prospektiv und retrospektiv 183 Abbildung 58: Ziel 2. Jahr im BK I und BK I Üfa (getrennt nach Vorbildung) 184 Abbildung 59: Ziel Lehre und Studium nach dem BK (1. Jahr) 185 Abbildung 60: Ziel Lehre und Studium nach dem BK (2. Jahr) 186 Abbildung 61: Ziel Direkteinstieg und Praktikum nach dem BK (1. Jahr) 187 Abbildung 62: Ziel Direkteinstieg und Praktikum nach dem BK (2. Jahr) 187

Abbildung 63: Erneute Entscheidung für das BK 190

Abbildung 64: Alternative Entscheidung für das WG bzw. eine Ausbildung 191

(7)

TABELLENVERZEICHNIS

Tabelle 1: Schülerzahlen am Kaufmännischen Berufskolleg* im Schuljahr 2005/2006 32

Tabelle 2: Stundentafel des BK I 35

Tabelle 3: Stundentafel des BK II 36

Tabelle 4: Stundentafel des BK I Übungsfirma 39

Tabelle 5: Stundentafel des BK II Übungsfirma 40

Tabelle 6: Stundentafel des Kaufmännischen Berufskollegs Fremdsprachen 42

Tabelle 7: Stundentafel des BK Wirtschaftsinformatik 44

Tabelle 8: Stundentafel des BK I - Verzahnung mit dualen Ausbildungsberufen 46 Tabelle 9: Stundentafel des BK II - Verzahnung mit dualen Ausbildungsberufen 47

Tabelle 10: Studierfähigkeit nach SCHRÖTER 75

Tabelle 11: Schulart und Geschlecht im 1. Jahr 107

Tabelle 12: Schulart und Geschlecht im 2. Jahr 107

Tabelle 13: Vorbildung an den BK-Arten im 1. Jahr 111

Tabelle 14: Vorbildung an den BK-Arten im 2. Jahr 112

Tabelle 15: Ausbildung vor dem Besuch des BK 113

Tabelle 16: Wiederholer im 1. Jahr 117

Tabelle 17: Wiederholquote im 1. Jahr getrennt nach Vorbildung 119 Tabelle 18: Anmeldenoten von Wiederholern und Nicht-Wiederholern im 1. Jahr 120

Tabelle 19: Wiederholer im 2. Jahr 121

Tabelle 20: Wiederholquote im 2. Jahr getrennt nach Vorbildung 122

Tabelle 21: Besuch des Zusatzunterrichts im 1. Jahr 123

Tabelle 22: Besuch des Zusatzunterrichts im 2. Jahr 123

Tabelle 23: Wahlpflichtfach im Zusatzunterricht 124

Tabelle 24: Noten im Wahlpflichtfach des Zusatzunterrichts 124 Tabelle 25: Existenz einer Alternativschule vor Eintritt in das BK 136 Tabelle 26: Alternativschulen vor Eintritt in das BK 136 Tabelle 27: Bewerbungsverhalten vor Eintritt in das BK I bzw. BK II 139 Tabelle 28: Anzahl der Bewerbungen und Zusagen im 1. Jahr 141 Tabelle 29: Anzahl der Bewerbungen und Zusagen im 2. Jahr 142

Tabelle 30: Bewertung allgemeiner Ziele 194

Tabelle 31: Bewertung berufsqualifizierender Ziele 194

Tabelle 32: Subjektive Bewertung der Stofffülle des Lehrplans 195 Tabelle 33: Subjektive Bewertung der Zielsetzung des BK 196

Tabelle 34: Allgemeine kaufmännische Fachkompetenz 197

(8)

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS Abb...Abbildung

AG...Agrarwissenschaftliches Gymnasium BAG ...Berufsakademiegesetz Baden-Württemberg BBiG ...Berufsbildungsgesetz

BDA ...Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände BDI...Bundesverband der Deutschen Industrie

BFS...Berufsfachschule BK ...Berufskolleg

BK FH ...Berufskolleg zum Erwerb der Fachhochschulreife BK Fr...Kaufmännisches Berufskolleg Fremdsprachen

BK Fr1...Kaufmännisches Berufskolleg Fremdsprachen, 1. Schuljahr BK Fr2...Kaufmännisches Berufskolleg Fremdsprachen, 2. Schuljahr BK I Üfa...Kaufmännisches Berufskolleg I mit Übungsfirma

BK I...Kaufmännisches Berufskolleg I

BK II Üfa ...Kaufmännisches Berufskolleg II mit Übungsfirma BK II ...Kaufmännisches Berufskolleg II

BK Wi ...Kaufmännisches Berufskolleg Wirtschaftsinformatik

BK Wi1...Kaufmännisches Berufskolleg Wirtschaftsinformatik, 1. Schuljahr BK Wi2...Kaufmännisches Berufskolleg Wirtschaftsinformatik, 2. Schuljahr BLBS...Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen BLV...Berufsschullehrerverband Baden-Württemberg

BMBF...Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBW ...Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft bspw. ...beispielsweise

BVJ...Berufsvorbereitungsjahr BWL...Betriebswirtschaftslehre

BWP ...Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis DGB ...Deutscher Gewerkschaftsbund

DIHK...Deutscher Industrie- und Handelskammertag DIHT ...Deutscher Industrie- und Handelstag

DV...Datenverarbeitung ebd...ebenda

EG ...Ernährungswissenschaftliches Gymnasium FHR...Fachhochschulreife

GEW...Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft

(9)

Gymn. ...Gymnasium HJ ...Halbjahr

HwO ...Handwerksordnung

IHK...Industrie- und Handelskammer IW...Institut der Deutschen Wirtschaft

IWD...Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft kfm. ...kaufmännisch

KMK ...Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland

MKS ...Ministerium für Kultus und Sport Baden-Württemberg

bzw. Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg LT BW ...Landtag von Baden-Württemberg

RW ...Rechnungswesen SJ...Schuljahr

Tab. ...Tabelle

TG ...Technisches Gymnasium TV ...Textverarbeitung

Üfa...Übungsfirma

VLW...Verband der Lehrerinnen und Lehrer an Wirtschaftsschulen WG ...Wirtschaftsgymnasium

WuE ...Wirtschaft und Erziehung

ZBW...Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik ZDH ...Zentralverband des Deutschen Handwerks ZÜF ...Zentralstelle des deutschen Übungsfirmenrings ZUFH ...Zusatzunterricht zum Erwerb der Fachhochschulreife

statistische Kennwerte df ...Freiheitsgrad

MW ...Mittelwert (arithmetisches Mittel) SD...Standardabweichung

p...Irrtumswahrscheinlichkeit χ² ...Chi-Quadrat

(10)

1. P

ROBLEMSTELLUNG

1.1. Bedeutung schulischer Berufsausbildung

An der Schwelle zwischen Schule und Ausbildung hat das Berufsbildungssystem eine möglichst große Absorptionsleistung zu erbringen, um Jugendlichen eine berufliche Qualifizierung zu ermöglichen. Neben dem dualen System der Berufsbildung übernehmen berufliche Vollzeitschulen einen nicht zu unterschätzenden Anteil an Schülern1. Dies spiegelt sich vor allem in der großen Anzahl verschiedener Schularten und -typen mit den unterschiedlichsten Zugangsvoraussetzungen, der Ausgestaltung der Bildungspläne bzw. der Dauer sowie der vergebenen Berechtigungen wider. Berufliche Vollzeitschulen bilden somit, neben der dualen Berufsausbildung und dem Besuch der gymnasialen Oberstufe, die „dritte Säule der Jugendbildung in Deutschland“ (REINISCH

2001a, 155). Sie erfüllen dabei verschiedene Aufgaben hinsichtlich der allgemeinen und der beruflichen Bildung.2

Darüber hinaus haben anhaltende Probleme am Ausbildungsmarkt zu einer verstärkten Expansion der vollschulischen Berufsausbildung, zu Lasten der dual organisierten Ausbildung, geführt. Die Berufsausbildung in Deutschland wird jedoch zweifellos vom dualen System dominiert. Nur ein geringer Teil der Jugendlichen entscheidet sich für eine Ausbildung an einer beruflichen Vollzeitschule.3 „Oft wird mit dem Begriff

‚Berufsausbildung’ allein die Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf innerhalb des dualen Systems in Verbindung gebracht“ (WOLF 1996, 487). Dabei ist das duale System bei weitem kein „perfektes“ Ausbildungssystem – Reformen erfolgen meist vor dem Hintergrund eines beschränkt funktionsfähigen Ausbildungsmarktes (DEISSINGER/RUF 2007, 346; EBERHARD/KREWERTH/ULRICH 2006).

1 Zur besseren Lesbarkeit wird im Folgenden auf eine feminine und maskuline Kennzeichnung verzichtet.

Alle Begriffe werden als Gattungsbegriffe aufgefasst, die beide Geschlechter umfassen.

2 Grundsätzlich kann zwischen voll- und teilqualifizierenden Schulen unterschieden werden. Vollqualifi- zierende Schulen verleihen Berechtigungen oder qualifizieren für einen Beruf. Teilqualifizierende Schulen erfüllen Aufgaben an der Schnittstelle zwischen dem Schul- und dem Ausbildungssystem. Das Ziel ist die Chancen der Schüler auf einen Ausbildungsplatz zu verbessern, da sie oft über diverse Defizite verfügen. Bei einem Bewerberüberhang am Ausbildungsmarkt besteht somit die Möglichkeit zur Weiterqualifikation. Häufig kann neben dem berufsqualifizierenden Abschluss zusätzlich ein allgemeiner Abschluss (z. B. Fachhochschulreife) erworben werden, was die Attraktivität dieser Schulformen deutlich steigert. Bildungsökonomisch interessant ist zudem die mögliche Verkürzung der Ausbildungszeit (Vgl.

z. B.: ALTHOFF 1999, 25; BADEL/MÄTTHÄUS 2000, 158; BLK 2002, 7 f.; DEISSINGER/HELLWIG 2004, 169; EULER 2000, 73; FELLER 2003, 368 bzw. 2000, 22; HAHN 1997, 34 ff. bzw. 1998, 147; JOHN/KEHL

2004b, 6; KOMM/PILZ 2005, 128 f.; REINBERG/HUMMEL 2002, 590; SCHIERHOLZ 2001, 112 ff.).

3 Vgl. z. B. ECKERT 2006; KMK 2004; KREWERTH/ULRICH 2006; MEYER AUF DER HEYDE 2001;

ROSENAU 1997; WALDEN 2006; WOLF 2004.

(11)

Die schulische Berufsausbildung ist im deutschen Berufsbildungssystem schon lange vorhanden, wurde aber „eher halbherzig betrieben und im Ganzen nicht weiter thematisiert, eher benachteiligt, bis zur Tabuisierung aus Respekt vor dem dualen System und Angst um seine Existenz“ (FELLER 2005a, 18). Fakt ist jedoch, dass in Deutschland mittlerweile ein „Mischsystem von unterschiedlichen Bildungsgängen“

existiert. Neben der dualen Ausbildung hat sich „krisenbedingt eine Vielzahl vollzeitschulischer Bildungsangebote etabliert“, ohne dabei die Gleichwertigkeit mit dualen Abschlüssen zu erreichen (DOBISCHAT 2005, 11 f.).

Die Bedeutung von nicht-dualen Ausbildungsangeboten lässt sich eindrucksvoll am Beispiel der Berufsfachschule4 darstellen. Von 1993 bis 2003 stieg die Zahl der Berufs- fachschüler in Deutschland um 75% (1993 waren es etwa 284.400 Schüler, 2003 bereits 498.2755). Die Zahl der Berufsschüler stieg im gleichen Zeitraum dagegen nur um 1,4%. An Berufsfachschulen wollten im Schuljahr 2003/04 rund 248.000 Schüler einen schulischen Berufsabschluss erwerben, 250.000 besuchten Berufsfachschulen, die nicht zu einem Berufsabschluss führen (BMBF 2005a, 141; DOOSE 2005, 34; KMK 2003b und 2005a).

Die quantitative Bedeutung der beruflichen Vollzeitschulen in Baden-Württemberg ist vergleichbar mit dem Bundesgebiet. Das in dieser Studie untersuchte Berufskolleg wird im Bildungssystem der Bundesrepublik Deutschland in die Gruppe der Berufsfach- schulen eingeordnet. Zwischen den Schuljahren 1990/91 und 2006/07 stieg die Zahl der Schüler an den baden-württembergischen Vollzeitschulen kontinuierlich (Berufsfach- schule von 48.161 auf 64.954, Berufskolleg von 28.199 auf 55.550, berufliches Gymna- sium von 30.575 auf 45.837). Im Gegenzug sank die Schülerzahl in der Berufsschule6 von 229.678 auf 202.293 sowie die Zahl der Auszubildenden von 223.436 auf 201.906.

Im Jahr 2006 wurden mit einer Zunahme von 4,2%, erstmals seit 2001, wieder mehr neue Ausbildungsverträge abgeschlossen (STATISTISCHES LANDESAMT BW 2007a;

2007b, 11; 2007c, 1).

4 Berufsfachschulen sind berufliche Vollzeitschulen mit verschiedenen Ausprägungen im Hinblick auf Zugangsvoraussetzung, Dauer und Abschluss. Sie haben das Ziel „Schüler in einen oder mehrere Berufe einzuführen, ihnen einen Teil der Berufsausbildung (z.B. berufliche Grundbildung) […] zu vermitteln oder sie zu einem Berufsausbildungsabschluss in einem Beruf zu führen. Sie erweitern die vorher erworbene allgemeine Bildung und können einen darüber hinausgehenden Bildungsstand vermitteln“

(KMK 2004, 3).

5 541.830 Schüler im Jahr 2004 (BMBF 2006, 399); 560.656 Schüler im Jahr 2005 (BMBF 2007, 315).

6 Einschließlich Sonderberufsschule

(12)

Die Lage am Ausbildungsmarkt wird jedoch immer noch kritisch beurteilt. „So nimmt die Zahl der Schüler insbesondere in jenen Formen des beruflichen Vollzeitunterrichts zu, die häufig zur Überbrückung oder Chancenverbesserung für einen späteren Eintritt in das duale Ausbildungssystem gewählt werden“ (STATISTISCHES LANDESAMT BW 2006a, 1). Inwiefern sich die verbesserte Situation zu Beginn des Ausbildungsjahres 2006/07 auf die beruflichen Vollzeitschulen auswirkt ist offen. Langfristig wird auf Grund der demografischen Entwicklung dagegen mit einem Rückgang der Schüler- zahlen gerechnet (STATISTISCHES LANDESAMT BW2006c; 2006d;WOLF 2007).

Über die Ursachen der problematischen Lage auf dem Lehrstellenmarkt wird mit bekannten Argumenten „aus vergangenen Krisenzeiten“ erneut heftig gestritten. Die Gewerkschaften reden vom „mangelnden Ausbildungsengagement und von einer kurzsichtigen Personalpolitik der Wirtschaft“. Demgegenüber betonen Betriebsvertreter die schwierige gesamtwirtschaftliche Situation und verweisen auf die „mangelnde Mobilität und fehlende Reife der Jugendlichen“ (ULRICH 2004, 15).

Prägnant ist der anhaltende Engpass bei den Ausbildungsstellen spätestens seit Beginn der 1990er Jahre. Die Ursachen liegen in unterschiedlichen Bereichen. Der strukturelle Wandel mit einer Vielzahl von Rationalisierungsprozessen führte zum Abbau von Ausbildungskapazitäten im produzierenden Sektor. In den neuen Branchen haben dagegen die Ausbildungsstellen nicht in gleichem Maße zugenommen. Daneben erhöhte sich infolge der Verkürzung von Innovationszyklen die Kurzlebigkeit spezieller Fachkenntnisse und -fertigkeiten. Ferner stieg durch Veränderungen von Unterneh- mensorganisation und Arbeitsprozessen der Stellenwert von überfachlichen Kenntnissen und Fähigkeiten. Für leistungsschwächere Jugendliche schränkte sich der Zugang zur dualen Ausbildung tendenziell ein (KMK 1998, 1 f.,RANZINGER 2004, 8.). Obendrein ist eine zunehmende Ökonomisierung der betrieblichen Ausbildung festzustellen. Dies führt dazu, dass Unternehmen ihren Personalbedarf am Arbeitsmarkt decken, ohne sich an den Ausbildungskosten zu beteiligen (REIER 1997, 368ff.).

Die Lage am Ausbildungsmarkt veranlasst Jugendliche Alternativen zur Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf zu suchen. „Oft führt dies zu einer Fortsetzung der Schullaufbahn an einer beruflichen Vollzeitschule“ (WOLF 2005, 15). Eine

„Verlagerung von Ausbildungsströmen aus dem dualen System in berufliche Vollzeit- schulen“ ist von den Kultusministerien „bildungspolitisch nicht gewollt“ und finanziell

(13)

nicht beliebig erweiterbar. „Unnötige Mehrfachdurchgänge (‚Warteschleifen’)“ führen zu „Doppelungen in der Ausbildung sowie zu einer unnötigen Verlängerung der Ausbildungszeit“ (KMK 2003c, 6). Zugleich reduziert die umfassendere Schulzeit die mögliche Zeit im Beschäftigungssystem (DOOSE 2005, 35).

Das BiBB fordert daher „ein Berufsbildungssystem mit drei Säulen“: Kernsäule ist das duale System, daneben steht ein außerbetriebliches Ausbildungssystem. Die dritte Säule soll die vollzeitschulische Ausbildung sein (PÜTZ 2005b, 4). Das novellierte BBiG von 2005 enthält hierzu insbesondere zwei Regelungen: § 7 Abs. 1 BBiG erleichtert die Anrechnung einer Vorbildung aus einer berufsbildenden Schule oder einer sonstigen Berufsbildungseinrichtung auf eine sich anschließende Berufsausbildung. § 43 Abs. 2 BBiG ermöglicht die Zulassung zur Kammer-Abschlussprüfung für vollzeitschulische Ausbildungsgänge (SONDERMANN 2005, 7 f.).

Besonders heftige Diskussion bei den Sozialpartnern hat die mögliche Zulassung zur Kammerprüfung für Absolventen vollzeitschulischer Ausbildung ausgelöst. Dieser Schritt wird als „Paradigmenwechsel in der beruflichen Bildung“ gesehen, der langfris- tig das duale System aushöhlen werde (DYBOWSKI/WERNER 2004, 5). Aus Sicht von BLBS, VLW und GEW kann dies dagegen nur „ein erster Schritt zu einer zukünftigen Gleichwertigkeit bestimmter Berufsfachschul-Ausbildungen sein.“ Gefordert wird damit keinesfalls eine Ablösung des dualen Systems, sondern lediglich eine Ergänzung (PÜTZ 2005a, 3 f.). Zweifelsohne vermittelt eine duale Ausbildung „eher eine unmittel- bare Berufsfähigkeit“. Erwiesen ist aber auch, „dass Berufsfachschulabsolventen in bestimmten Berufen in relativ kurzer Zeit den Praxisvorsprung der dualen Ausbildung ausgleichen können“ (SCHMIDT 2004, 3).

Im Vergleich zur betrieblichen Ausbildung besitzt die vollzeitschulische Ausbildung den „Status eines ‚Dauer-Provisoriums’“ sowie „den Makel einer zweitklassigen Qualifizierung“ (EULER/PÄTZOLD 2004, 2 f.). Im Anschluss an den Besuch einer Be- rufsfachschule durchlaufen die Absolventen meist eine duale Ausbildung ohne jegliche Anrechnung der vollzeitschulischen Bildung (DOOSE 2005, 35). Bemängelt wird der geringe Praxisbezug der Berufsfachschulen. Durch die fehlende „organisatorische Einbindung in ein Unternehmen“ gibt es keine „betriebliche Sozialisation“. „Praktika oder Simulationen in Labors oder Übungsbüros können dies nicht ersetzen“ (FELLER

2004a, 50). Umgekehrt haben die Arbeitgeber wenig Kenntnis über die Fähigkeiten der

(14)

Absolventen. Ungeachtet von Berufsabschlussprüfung und -bezeichnung verstetigte sich bei den Ausbildern das Bild, dass „schulische Berufsausbildung nicht vollwertig sei für den Einstieg in einen adäquaten Beruf“. Verstärkt wurde diese Meinung durch den mangelnden Glauben von Schulen und Lehrern an die berufliche Handlungsfähigkeit ihrer Absolventen (FELLER 2005a, 18).

Berufsfachschulabsolventen haben dennoch einen vergleichbaren Abschluss wie ein Auszubildender im dualen System und „oft mehr Sprachen-, Theorie- oder Allgemein- bildung.“ Die Verwertung des vollzeitschulischen Abschlusses für einen Arbeitsplatz scheitert aber letztlich an der betrieblichen Sozialisation und an der bundesweiten Gleichheit bzw. Bekanntheit der Zertifikate (FELLER 2005a, 19). Demgegenüber stehen Studien über den Verbleib von Berufsfachschulabsolventen, die – in Abhängigkeit von Bundesland und Berufsgruppe – durchaus positive Resultate zeigen (FELLER 2000a;

HALL/SCHADE 2005; MÜLLER 2003). Aus anderen Untersuchungen geht hervor, dass Absolventen dualer Bildungsgänge den Ausbildungsbetrieb aus vielfachen Gründen verlassen und neue Anschlüsse suchen. Im Unterschied zu schulisch Ausgebildeten nehmen jedoch deutlich weniger von ihnen eine zweite duale Ausbildung auf oder können die mangelnde Akzeptanz der schulischen Ausbildung bei potenziellen Arbeit- gebern beklagen (FELLER 2005a, 18; JACOB 2004, 197).

1.2. Zielsetzung der Studie

Ausgangspunkt der Studie ist die oben beschriebene Feststellung eines auffälligen Trends im deutschen Berufsbildungssystem, nämlich der Parallelität der wachsenden Bedeutung schulischer Berufsbildungsangebote einerseits und des Bedeutungsverlusts des dualen Ausbildungsmodells andererseits. Inwieweit es sich hierbei um das Ergebnis eines gesellschaftlichen Strukturwandels oder um ökonomisch bedingte Kontext- probleme handelt, erscheint nach wie vor offen. In jedem Fall kann von einem Zusammenhang zwischen der Funktionsfähigkeit des Ausbildungsmarktes und des Anstiegs der Schülerzahlen an beruflichen Vollzeitschulen gesprochen werden.

Begleitet wird diese Entwicklung gegenwärtig auch von einem Anstieg der Studier- neigung deutscher Schulabgänger (DEISSINGER/RUF 2006 und 2007).

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Eine Alternative zur Ausbildung im dualen System bieten berufliche Vollzeitschulen mit einer schulischen Berufsausbildung – ein Lösungsansatz, den das Land Baden- Württemberg bereits Mitte der 1970er in Form des Berufskollegs, einer Sonderform der Höheren Berufsfachschule für Schüler mit mittlerem Bildungsabschluss, gewählt hatte.

Ziel war die Bereitstellung von Bildungsgängen zur Einführung in kaufmännische Tätigkeitsgebiete, für die keine speziellen Ausbildungsberufe existierten. Vorteilhaft erschien die Tatsache, dass mit den sogenannten „Assistentenberufen“ keine Konkurrenz zur Ausbildung im dualen System geschaffen wurde. Charakteristisch für das Berufskolleg ist die Option zum Erwerb der Fachhochschulreife. Im Unterschied zu den primär studienbezogenen Bildungsgängen der Gymnasien lag und liegt der Bildungsschwerpunkt beim Berufskolleg somit auf der Parallelität bzw. Komplemen- tarität von „Qualifikationsorientierung“ (Staatlich geprüfter Wirtschaftsassistent) und

„Berechtigungsorientierung“ (Fachhochschulreife) (DEISSINGER 2001; DEISSINGER/RUF

2007, 349).

Neben der Möglichkeit zur Doppelqualifikation durch die Berufsqualifizierungs- und Berechtigungsfunktion werden dem Berufskolleg weitere Aufgaben zugetragen. Auf der einen Seite stehen die Berufsorientierungsfunktion und die Berufsvorbereitungsfunktion, die Schülern den Einstieg in eine betriebliche Ausbildung erleichtern sollen. Auf der anderen Seite stehen die Aufbewahrungsfunktion und die Parkfunktion, die unmittelbar mit der Angebotsseite des Ausbildungsmarktes zu korrelieren scheinen, jedoch von Schülern mit unterschiedlichen Motivationsstrukturen genutzt werden.7

Zur Evaluation der Bedeutung dieser Funktionszuweisungen ist die Einbettung des Berufskollegs in das Berufsbildungssystem erforderlich (Abbildung 1). Das Subsystem Kaufmännisches Berufskolleg steht dabei in horizontaler Sichtweise zwischen den allgemein bildenden bzw. berufsbildenden Schulen, die einen Mittleren Abschluss vermitteln und den nachfolgenden Subsystemen duale Ausbildung, Hochschule und Beschäftigungssystem.

7 Zu den Funktionen des beruflichen Schulwesens vgl. z. B. DEISSINGER 2007, 367; DEISSINGER/ HELLWIG 2004, 169; DEISSINGER/RUF 2006; 2; DEISSINGER/RUF 2007; FELLER 2003, 368 bzw. 2004a, 50ff; HAHN 1997, 31 ff. und 1998, 147; JOHN/KEHL 2004b;KEHL 2004a; KOMM/PILZ 2005; KRÜGER

2004, 144 f.; LIPSMEIER 1984, 76 f;REINBERG/HUMMEL 2002, 590;REINISCH 2001a, 159 f.; SEYFRIED 2003, 21f.; ZIELKE 2004, 44.

(16)

Abbildung 1: Systemtheoretischer Forschungsrahmen der Studie

Mittlerer Abschluss (allgemeinbildend / beruflich)

Sonstiges Berufskolleg Berufliches Gymnasium Kaufmänn. Berufskolleg

• klassisch

• Übungsfirma

• Fremdsprachen

• Wirtschaftsinformatik

Duales System

Interne Funktionalität

Externe Funktionalität

Systemtheoretischer Forschungsrahmen Vollzeitschulen

Bescftigungssystem

Studium

?

?

? ?

Externe Funktionalität

In vertikaler Sichtweise befinden sich neben dem Berufskolleg alternative Subsysteme wie beispielsweise nicht-kaufmännische Berufskollege und berufliche Gymnasien.

Neben dem allgemeinen kaufmännischen BK I/II gibt es verschiedene Subarten mit Schwerpunkten wie Fremdsprachen, Wirtschaftsinformatik oder der Übungsfirma. Die inhaltliche und funktionale Ausrichtung sowie die Schülerklientel sind hierbei höchst unterschiedlich – nach zwei Jahren werden jedoch mit dem „Staatlich geprüften Wirtschaftsassistenten“ und der Fachhochschulreife formal die gleichen Berechtigungen verliehen.

Im gesellschaftlichen Gesamtsystem bzw. im Bildungssystem werden dem Berufskolleg und seinen Akteuren sowohl Aufgaben außerhalb der Bildungseinrichtung (externe Funktionalität) als auch innerhalb der Bildungseinrichtung (interne Funktionalität) zugetragen.8 Durch den Blickwinkel der externen und internen Funktionalität ist der Untersuchungsgegenstand Kaufmännisches Berufskolleg in einem systemtheoretischen

8 Unter „externer Funktionalität“ wird die Funktionsgebung im Hinblick auf das soziale System bzw. die Leistung des Subsystems Berufskolleg im Hinblick auf die anderen Subsysteme gefasst. Unter „interner Funktionalität“ wird die Erfüllung von Aufgaben verstanden, die sich auf die Akteure innerhalb eines Subsystems (Schüler und Lehrer) auswirken (DEISSINGER/RUF 2003, 6 f. und 2006, 56 f.; ZABECK/ ZIMMERMANN/MÜLLER 1995, 32).

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Bezugsrahmen integriert (DEISSINGER/RUF 2006, 49 ff.; ZABECK/ZIMMERMANN/ MÜLLER 1995, 31 ff.). Innerhalb eines funktional ausdifferenzierten gesellschaftlichen Gesamtsystems der berufsbildenden Schulen steht das Subsystem Berufskolleg, das sich durch charakteristische Systemreferenzen auszeichnet und sich auf diese Weise von anderen Subsystemen grundlegend unterscheidet (DEISSINGER/RUF 2003, 6; LUHMANN/ SCHORR 1979, 24 ff.).

Im Zentrum der vorliegenden Evaluationsstudie steht dabei insbesondere das von PRELL

(1991, 871) formulierte Ziel, „pädagogische Institutionen, Organisationsformen und Systeme, die als Rahmenbedingungen für konkretes Handeln fungieren, auf ihre Funktionalität/Dysfunktionalität hin zu überprüfen.“ Daraus ergibt sich wiederum die elementare Frage nach der tatsächlichen externen und internen Funktionalität der unter- suchten BK-Arten im Hinblick auf ihre gesellschaftliche und didaktisch-curriculare Differenzierung. Diese Fragestellung erscheint besonders interessant, da „über die Intention, die Schüler mit dem Besuch einer vollqualifizierenden Berufsfachschule verbinden sowie über die bildungspolitischen Funktionen“, die diese Schulen ausüben, bisher wenig bekannt ist (FELLER 2003, 358).9

Subsysteme erfüllen generell für die gesamte Gesellschaft systemnotwendige Aufgaben.

Das Kaufmännische Berufskolleg ist demzufolge dahingehend zu prüfen, inwieweit es die ihm zugetragene gesellschaftliche Funktionalität erreicht und damit zur Lösung eines gesellschaftlich relevanten Problems beiträgt (DEISSINGER/RUF 2006, 57 f.). Die gesellschaftliche Funktionalität des Berufskollegs liegt aus dem Blickwinkel der bildungspolitischen Akteure in den in Abbildung 2 dargestellten Funktionen.

9 Die Studie basiert dabei auf den vorangegangenen Untersuchungen von DEISSINGER/RUF 2006, FRANZ 2001; FRIEDMANN 2003, RUF 2002.

(18)

Abbildung 2: Gesellschaftliche Funktionalität des Berufskollegs

Gesellschaftliche Funktionalität

Berufsvorbereitungsfunktion

Berufsorientierungsfunktion

Berufs-

qualifizierungs- funktion

Berechtigungs- funktion

Parkfunktion

Aufbewahrungsfunktion

Zur Ermittlung der Bedeutung dieser Funktionen wird zunächst die Frage aufgegriffen, warum bzw. mit welcher Motivation, welchen Erwartungen oder Perspektiven sich die Schüler für das Kaufmännische Berufskolleg entschieden haben. Ferner erfolgt die Ermittlung von typischen Schülergruppen am Berufskolleg. Zur Bewertung der gesell- schaftlichen Funktionalität des Berufskollegs werden dabei die folgenden Fragen geprüft:

• Ist die Berufsvorbereitungs-, Berufsorientierungs-, Park- und Aufbewahrungsfunk- tion für Schüler im ersten Jahr des Berufskollegs von größerer Bedeutung als im zweiten Jahr?

• Welche Rolle spielt die allseits betonte Parkfunktion bzw. Aufbewahrungsfunktion des Berufskollegs angesichts der schwierigen Lage auf dem Ausbildungsmarkt?

• Treten im zweiten Schuljahr die Berufsqualifizierungsfunktion (Erwerb des Berufsabschlusses „Wirtschaftsassistent“) und die Berechtigungsfunktion (Erwerb der Fachhochschulreife) tatsächlich stärker in den Vordergrund?

• Dominiert die Berechtigungsfunktion, im Zeichen der vielerorts erklärten schwindenden Attraktivität nicht-akademischer Ausbildungswege, tatsächlich den berufsqualifizierenden Charakter der Assistentenausbildung?

Daneben wird überprüft, inwieweit es empirische Zusammenhänge zwischen dem Subsystem Berufskolleg und seiner „Umwelt“ im Hinblick auf die Ausprägung der oben genannten Funktionszuweisungen gibt.

(19)

In einem zweiten Schritt wird untersucht, ob es im Kontext des Berufskollegs didaktisch-curriculare Konzepte für die unterschiedlichen Zielgruppen von Schülern gibt, um den durch die gesellschaftliche Funktionalität induzierten didaktischen Herausforderungen gerecht zu werden. Ein besonderes Augenmerk erhält hierbei die Differenzierungsproblematik zwischen der auf die Berufspraxis ausgerichteten Ausbil- dung zum Wirtschaftsassistenten auf der einen Seite und der auf die Befähigung zum wissenschaftlichen Arbeiten ausgerichteten Fachhochschulreife auf der anderen Seite.

Hierunter fällt auch die Frage, inwieweit die Bildungspolitik den gesellschaftlichen Funktionszuweisungen Rechnung trägt – beispielsweise über die Ermöglichung einer institutionellen oder didaktisch-curricularen Differenzierung im Berufskolleg.

Die vorliegende Evaluationsstudie zum Subsystem „Kaufmännisches Berufskolleg“

konzentriert sich dabei auf die Frage, inwieweit die vier untersuchten BK-Arten auf der Ebene der didaktisch-curricularen Funktionalität zweckrational gestaltet sind, um die ihr zugetragenen Aufgaben der gesellschaftlichen Funktionalität zu erfüllen.10 Zentral ist hierbei die Fragestellung, ob mit dem eingesetzten „Treatment“ das Ziel der beruflichen Ausbildung – die Förderung einer umfassenden beruflichen Handlungskompetenz – sowie das Ziel der Studierfähigkeit erreicht werden kann.

Methodisch ergibt sich aus diesen Fragestellungen die Notwendigkeit einer empirischen Analyse der Schülerklientel im Kaufmännischen Berufskolleg mittels einer standardi- sierten Fragebogenerhebung. Diese hat auch die curricularen Besonderheiten der Subty- pen des Berufskollegs in den Blick zu nehmen. Damit sollen typische Schülergruppen mit jeweils homogenen Zielvorstellungen, Motivationen, Interessen und Erwartungen im Hinblick auf die oben genannten funktionalen Dimensionen identifiziert werden.

Diese Gruppen werden über zwei Schuljahre hinweg beobachtet und befragt. Der Längsschnittcharakter der Studie dient der Erfassung des Einflusses, den der Unterricht am Berufskolleg auf die Einstellung der Schüler ausübt.

Dem empirischen Teil der Studie werden die normativen gesellschaftlichen Funktions- zuweisungen des Berufskollegs durch die bildungspolitischen Akteure sowie die normativen didaktisch-curricularen Funktionszuweisungen durch den Bildungsplan gegenübergestellt. In Anlehnung an die „Ebenen von Lehrplan und Unterricht“ nach

10 Vgl. DEISSINGER/RUF 2003, 6 und 2005, 67; PRELL 1991, 873; WILL/BLICKHAN 1987, 43; ZABECK/ ZIMMERMANN/MÜLLER 1995, 32.

(20)

DUBS (2001) sind die Leitideen der gesellschaftlichen Funktionalität in der Bildungs- philosophie und -politik auf der Makroebene verortet. Die zentrale Fragestellung dieser Ebene liegt dabei in den Zielen, die mit Schule und Unterricht erreicht werden sollen.

Erreichbar sind diese Ziele allerdings nur, wenn die auf der Mesoebene befindliche Curriculumplanung die auf der Markoebene fixierten Leitideen der Bildungsphilosophie und -politik umsetzt.

Abbildung 3: Analyseebenen und -kriterien NORMATIVER ASPEKT

projektierte Funktionalität

EMPIRISCHER ASPEKT

faktische Funktionalität MAKROEBENE

gesellschaftliche Ebene

Zielgruppen des Berufskollegs aus dem Blickwinkel von bildungspolitischen Akteuren

Nutzung der Funktionalität aus dem Blickwinkel der Schüler

(Quantifizierung der Zielgruppen) MESOEBENE

didaktisch- curriculare Ebene

Analyse der Vorgaben im Bildungsplan Kompetenzerleben der Schüler

Aus den normativen Vorgaben der gesellschaftlichen und didaktisch-curricularen Ebene lässt sich jedoch nicht ableiten, ob die projektierte Funktionalität des Berufskollegs tatsächlich erreicht wird. Zur Evaluation dieser normativen Erwartungen bietet eine empirische Untersuchung (wie in der vorliegenden Studie) den größten Erkenntnisge- winn. Im ersten Schritt erfolgt dabei auf der Makroebene eine Gegenüberstellung der projektierten und faktischen gesellschaftlichen Funktionalität des Berufskollegs. Die von den bildungspolitischen Akteuren beabsichtigten Zielgruppen des Berufskollegs (Kapitel 3.1) werden dabei mit der tatsächlichen Nutzung dieser Schulart durch die Schülerklientel verglichen (Kapitel 5). Im zweiten Schritt erfolgt eine Analyse, inwie- fern die in den Bildungsplänen projektierte didaktisch-curriculare Funktionalität des Berufskollegs (Kapitel 3.2) mit dem Kompetenzerleben der Schüler bzw. der Bewertung des Bildungsplans durch die Schüler in Verbindung steht (Kapitel 6).

(21)

2. E

NTWICKLUNG DES

K

AUFMÄNNISCHEN

BK

IN

B

ADEN

- W

ÜRTTEMBERG

Vorläufer des Kaufmännischen Berufskollegs in Baden-Württemberg ist die Höhere Handelsschule mit einer über hundertjährigen Tradition. Von Beginn an schwankte sie zwischen dem Vorrang der allgemeinen und der beruflichen Bildung (BEINKE 1971, 26).

In Württemberg wurden 1854/55 die kaufmännischen Fortbildungsschulen von den gewerblichen Schulen getrennt. Im Jahre 1868 entstand in Hildesheim eine private Höhere Handelsschule, die von mindestens 16-Jährigen mit mittlerem Schulabschluss besucht werden konnte. Unterhalb der Ebene der Universitäten sollte hiermit eine kaufmännische Berufsausbildung ermöglicht werden. Voraussetzung für den Besuch der höheren Handelsschulen bzw. der höheren Berufsfachschulen11 war eine höhere Allgemeinbildung. Bildungsziel war die Erziehung zu „tüchtigen Staatsbürgern und Menschen“ sowie die Fachbildung für einen kaufmännischen Beruf oder eine vergleichbare Tätigkeit (FELLER 1998, 296; VLW 1997, 10).

Nach dem zweiten Weltkrieg diente die Höhere Handelsschule meist der Chancen- verbesserung gegenüber ungelernten Bewerbern bei der Suche nach kaufmännischen Arbeits- und Ausbildungsplätzen. Besonders in konjunkturschwachen Phasen zeigte sich, dass Höhere Handelsschulen eine wichtige „Pufferfunktion“ zwischen dem Bildungssystem und dem Beschäftigungssystem hatten. Nach der Gründung der Fachhochschulen konnte an den Höheren Handelsschulen der schulische Teil der Fachhochschulreife erworben werden. In den 1980er Jahren entstand in Deutschland ein Trend zu einer immer stärkeren Differenzierung der Höheren Handelsschule (FELLER

1998, 296; VLW 1997, 10 f.). Entsprechend der Kulturhoheit der Bundesländer und der damit verbundenen Bildungsvielfalt in der Bundesrepublik Deutschland ist die „Höhere Handelsschule“ heute als „Höhere Berufsfachschule“ unter verschiedenen Formen und Bezeichnungen zu finden – in Baden-Württemberg sind dies die verschiedenen Arten des Kaufmännischen Berufskollegs12.

11 Die Namengebung hing vom jeweiligen Land ab.

12 In Baden-Württemberg gibt es ferner ein Berufskolleg in Teilzeitform (duales Berufskolleg) und ein Berufskolleg zum Erwerb der Fachhochschulreife. Letzteres wird dem zweiten Bildungsweg zugeordnet.

Vom baden-württembergischen Berufskolleg klar zu unterscheiden ist das Berufskolleg in Nordrhein- Westfalen, wo seit dem 1. August 1998 die bisherigen berufsbildenden Schulen und die Kollegschulen

„rechtlich, organisatorisch und curricular zum neuen Berufskolleg umgewandelt“ worden sind (STEFFENS 1999, 120).

(22)

2.1. Historische Entwicklung

Mit dem Schulentwicklungsplan I wurde in Baden-Württemberg im Jahre 1965 die Reform des allgemein bildenden Schulwesens eingeleitet. Ziel war es, das Bildungs- angebot der Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien so zu verändern, dass mehr Schüler mittlere und höhere Abschlüsse erwerben konnten (LT BW 1975a, 6). Ein

„wesentlicher Grundgedanke der baden-württembergischen Bildungspolitik seit 1964“

beruhte darauf „die quantitativen und strukturellen Ziele allgemeiner und beruflicher Bildung aufeinander abzustimmen und die Gleichrangigkeit beider Bereiche zu unterstreichen“ (LT BW 1976, 6).

Um diese Verzahnung zu gewährleisten, verkündete die Landesregierung die Erarbei- tung eines Schulentwicklungsplans II für das berufliche Schulwesen. Dieser hatte den Grundsatz, „das Prinzip der Chancengerechtigkeit im Bildungswesen zu verwirklichen und gleichzeitig eine Leistungssteigerung der Bildungseinrichtungen herbeizuführen“

(LT BW 1976, 3). Der bildungspolitische Schwerpunkt wurde dabei auf die Berufsaus- bildung gesetzt, wozu die berufsbegleitende Teilzeitschule (Berufsschule) und die berufliche Vollzeitschule gehörten (LT BW 1975a, 7). Das Berufskolleg fand im Schul- entwicklungsplan II noch keine Erwähnung.

Neben den Auswirkungen der oben genannten Schulentwicklungspläne – es konnte von einer steigenden Anzahl der Absolventen mit mittlerem Abschluss ausgegangen werden – beeinflusste die Bevölkerungsentwicklung die Bildungspolitik der damaligen Zeit.

Die Geburtenrate war von einer starken Wellenbewegung gekennzeichnet. Der Höhepunkt wurde im Jahre 1966 (161.000 Geburten), der Tiefpunkt im Jahre 1978 (90.000 Geburten) erreicht (MKS 1981, 6). Auf Grund der Prognose eines starken Anstiegs der Schülerzahlen, bis zur Mitte der achtziger Jahre, waren Kapazitätserweite- rungen notwendig, um den „im beruflichen Schulwesen erreichten Versorgungsgrad einigermaßen zu sichern“ (LANDESREGIERUNG BW 1978, 8 f.).

Ein anderer Grund für eine Modifikation des Bildungssystems ergab sich im Jahre 1971 aus der Umwandlung der Ingenieur- bzw. Höheren Fachschulen in Fachhochschulen und die damit verbundene Ablösung der Eingangsvoraussetzung Mittlere Reife durch die Fachhochschulreife. In vielen Bundesländern führte dies zur Entwicklung der Fachoberschulen mit einer einseitigen Ausrichtung der Bildungsinhalte auf die

(23)

Fachhochschulreife und einer geringen beruflichen Qualifikation. Das Land Baden- Württemberg entschied sich dagegen für die Genese der Berufskollegs, die primär eine berufliche Qualifikation und sekundär, über zusätzliche Leistungsnachweise, eine Studienberechtigung vermitteln sollten (JONDA 1980, 2).

2.1.1. Akademieplan von 1975

Ausgangspunkt für die Konzeption des Berufskollegs in Baden-Württemberg ist der Akademieplan aus dem Jahre 1975. Er enthält Vorschläge, „um die Möglichkeiten der beruflichen Bildung für Absolventen mit einem mittleren Abschluss oder mit Abitur zu verbessern.“ In diesem Zuge sollte gleichfalls dem „Trend einer übersteigerten Akademisierung entgegengewirkt werden.“ Ziel war es die „horizontale Durchlässigkeit von der Schule in die berufliche Bildung“ zu verbessern und für „tüchtige Bewerber mit besonderer Qualifikation“ die „vertikale Durchlässigkeit nach oben“ – insbesondere zum Erwerb der Studienberechtigung – „in begrenztem Umfang“ offen zu halten. Eine größere Leistungsfähigkeit sollte durch eine stärkere gegenseitige Abstimmung der verschiedenen Ausbildungsabschlüsse erreicht werden. Um diese Zielvorstellungen zu verwirklichen, umfasste der Akademieplan die drei Schwerpunkte Berufsakademie, Berufskolleg und Fachschule (LT BW 1975a, 2).

Im Mittelpunkt des Akademieplans stand das Berufskolleg. Unter diesem Begriff wurden „alle auf dem mittleren Bildungsabschluss aufbauenden Einrichtungen im Rahmen des beruflichen Schulwesens zusammengefasst, die schwerpunktmäßig auf eine erste qualifizierende berufliche Ausbildung ausgerichtet sind“ (ebd., 3). Der Name Berufskolleg wurde laut Akademieplan ausgewählt, um gegenüber den zu dieser Zeit neu entwickelten Bildungseinrichtungen, wie beispielsweise der Berufsakademie, eine klare Abgrenzung zu schaffen. Die Fachschulen, einschließlich der Technikerschulen, dienten einerseits als Weiterbildungsstätten und sollten andererseits mit ihrem Ausbau die Lücke schließen, die in der Wirtschaft durch die Weiterentwicklung der Ingenieur- schulen und Höheren Fachschulen zu Fachhochschulen entstand. Ferner war geplant, dass Berufskolleg und Fachschule künftig auch die Funktion der Vorbereitungskurse an den Fachhochschulen übernehmen sollten. Die Schaffung der Berufsakademie, als Institution des tertiären Bereichs, erfolgte letztlich vor dem Hintergrund Abiturienten eine „Alternative zum Studium“ zu eröffnen (LT BW 1975a, 6 f.).

(24)

Am Berufskolleg sollte insbesondere die Ausbildung zu einem „voll befriedigenden Beruf“ angeboten werden. „Für einen kleinen Teil besonders Befähigter und Bildungs- williger“ war – über ein „Beiprogramm“ zum Erwerb der Fachhochschulreife – die

„Durchlässigkeit in den Hochschulbereich“ vorgesehen (ebd., 14). Durch attraktive berufliche Ausbildungsgänge am Berufskolleg sollte eine Entlastung der gymnasialen Oberstufe erreicht werden, die sich nach damaliger Auffassung „im Bereich der studienbezogenen Bildungsgänge zu einer reinen Einbahnstraße für das Hochschul- studium“ entwickelt hatte (ebd., 6). In vielen Fällen traten die Schüler in die Oberstufe ein, weil sie nicht wussten, was sie sonst anfangen sollten (PIAZOLO 1976, 6).

Den „Kern des Berufskollegs“ sollten bereits existierende Berufsfachschulen bilden, die auf der Fachschulreife aufbauen – unter anderem die Oberstufe der Höheren Handels- schule. Diese Schulen fielen in den Bereich des Berufskollegs, da sie eine berufliche Erstausbildung vermittelten. Im Schuljahr 1973/74 gab es 144 Schulen, mit insgesamt 7.839 Schülern, die diesem Bereich zuzuordnen waren. Darunter befanden sich 31 Schulen des kaufmännischen Bereichs, an denen 1.425 Schüler an den Oberstufen der Höheren Handelsschulen unterrichtet wurden (LT BW 1975a, 7 f.).

Für den planmäßigen Ausbau der Berufskollegs galten im Wesentlichen dieselben Leit- linien, die dem Schulentwicklungsplan II zu Grunde lagen. Besonders hervorzuheben ist die Sicherstellung der Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung.

Im Bereich der Sekundarstufe II war dieses Ziel – nach damaliger Einschätzung – nur durch ein forciertes Angebot von beruflichen Ausbildungsgängen erreichbar, die den allgemein bildenden Bildungsgängen gleichwertig sein sollten. Der steigende Anteil von Schülern mit mittleren Abschlüssen verstärkte zudem die Notwendigkeit den anschließenden Bildungsbereich zu verbreitern. Daneben sollte der Ausbau des Berufskollegs den gesellschaftlichen Bedarf berücksichtigen. In Verbindung mit den Maßnahmen des Schulentwicklungsplans II sollten mit dem Berufskolleg und der Fachschule künftig „für Absolventen aller Ebenen attraktive berufliche Bildungsgänge“

angeboten werden. Im Unterschied zu den „primär studienbezogenen Bildungsgängen an den Oberstufen der allgemein bildenden Gymnasien“ lag der Bildungsschwerpunkt beim Berufskolleg auf einer reinen Berufsqualifikation bzw. einer „Doppelqualifikation für Beruf und Studium“, was ebenfalls aus folgendem Zitat des Akademieplans hervor- geht (LT BW 1975a, 7):

(25)

„Das Berufskolleg soll vorrangig zum Beruf hinführen und gleichzeitig die Chance des weiteren Aufstiegs offen halten. Angesichts der Gefahr einer übersteigerten Tendenz der Akademisierung soll das Berufskolleg ein Gegengewicht schaffen. Im Vordergrund steht daher die Hinführung zur qualifizierten beruflichen Tätigkeit. Eine differenzierte und strukturierte Gesellschaft verlangt ein entsprechendes berufliches Bildungswesen. Gleichzeitig soll die Durchlässigkeit zur Hochschule bzw. zum Aufbaustudium gesichert sein. Unter der Voraussetzung entsprechender Leistungsprofile bleibt damit der sogenannte zweite Bildungsweg in diesem Bereich künftig offen.“

Für das Kaufmännische Berufskolleg sah der Akademieplan „eigenständige, einklassige Schulformen“ vor (ebd., 19). Jede Stufe sollte mit einer Prüfung enden und damit einen qualifizierenden Abschluss vermitteln. Die Vorteile dieser geteilten Lösung lagen in der Einbeziehung der über lange Jahre bestehenden und bewährten einjährigen Höheren Handelsschule. Ein gestuftes System war zudem flexibler, da nicht an jedem Schul- standort die zweite Stufe eingeführt werden musste. Ferner bestand für die Schüler, durch die vollkommen getrennten Schuljahre, „kein psychologischer Anreiz bzw.

Zwang zum Durchlaufen einer zwei- oder dreijährigen Schule“ bzw. die Gelegenheit bei einem „früheren Ausstieg [...] den Aufbau später nachzuholen“ (ebd., 20).

Im kaufmännischen Bereich erschienen „solche Berufsfachschulen im Vollzeitsystem“

möglich, weil die kaufmännische Ausbildung eine stark theoretische Ausrichtung zulässt. Vorgeschlagen wurde die Einführung in kaufmännische Tätigkeitsgebiete, die einerseits für die Praxis wichtig waren und für die andererseits keine speziellen Ausbildungsberufe existierten – Bereiche, die demzufolge Bildungsnischen darstellten.

Vorteilhaft erschien die Tatsache, dass dadurch keine Konkurrenz zur Ausbildung im dualen System bestand13 (LT BW 1975a, 20).

Abbildung 4 zeigt die im Akademieplan von 1975 vorgesehene Struktur des kaufmänni- schen Ausbildungsganges am Berufskolleg. Wegen der außerordentlichen Bewährung in der Praxis erschien der Erhalt der „einjährigen Höheren Handelsschule“ für das erste Ausbildungsjahr besonders wichtig. Curricular vorgesehen war eine allgemeine Berufsvorbereitung für den Sekretariatsbereich durch Vermittlung von Fachtheorie (Grundkenntnisse sowie berufsspezifische Inhalte) und Fachpraxis im schreib- und bürotechnischen Bereich.

13 Neben dem vollzeitschulischen Berufskolleg wurde in Bereichen, die in besonderer Weise eine praktische Betriebserfahrung erforderten, vom Akademieplan das duale Berufskolleg mit dem Abschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf vorgesehen – der Schwerpunkt lag im gewerblich-technischen Bereich. Für den kaufmännischen Bereich war im Akademieplan nur das Berufskolleg in Vollzeitform vorgesehen (LT BW 1975a).

(26)

Abbildung 4: Struktur des kaufmännischen Ausbildungsganges am Berufskolleg (nach dem Akademieplan von 1975)

Einjährige Höhere Handelsschule

(erstes Jahr) Beruf

Allgemeinbildung

berufsspezifische Grundkenntnisse

Fachpraxis (Schreib-, Bürotechnik)

bürotechnische Berufe oder

verkürzte Berufsausbildung

Höhere Handelsschule – Aufbaustufe –

(zweites Jahr) Beruf

Allgemeinbildung

Fachtheorie

Einführung in Tätigkeitsfelder

Sachbearbeiter (Tätigkeitsfeld)

Quelle: LT BW 1975a, 20

Um nach dem ersten Jahr eine Anrechnungsmöglichkeit für eine anschließende duale Ausbildung zu erreichen, wurden die Inhalte des Berufsgrundbildungsjahrs vermittelt.

Anhand eines Wahlpflichtbereichs war eine Profilierung in Richtung Textverarbeitung, Bürotechnik oder Korrespondenz geplant. Nach der einjährigen Höheren Handelsschule waren folgende Anschlussmöglichkeiten vorgesehen: erstens der unmittelbare Eintritt in das Berufsleben, mit entsprechender Befreiung von der Berufsschulpflicht; dies schien insbesondere für Mädchen geeignet, die eine Tätigkeit im Sekretariatsbereich anstrebten. Zweitens der Eintritt in ein verkürztes Lehrverhältnis, beispielsweise als Büro-, Großhandels- bzw. Industriekaufmann und drittens der Eintritt in die Aufbau- stufe der Höheren Handelsschule (LT BW 1975a, 21).

Die Höhere Handelsschule – Aufbaustufe, das zweite Jahr des Kaufmännischen Berufskollegs, sollte die Schüler für eine „qualifizierte Tätigkeit in einem bestimmten betrieblichen Aufgabenfeld“ vorbereiten. Inhaltliche Schwerpunkte waren neben der Vermittlung von berufsspezifischer Fachtheorie sowie vertieften Kenntnissen eines betrieblichen Tätigkeitsfeldes die Weiterführung der Allgemeinbildung. Zur Spezialisie- rung auf bestimmte Tätigkeitsfelder enthielt die Stundentafel einen Wahlpflichtbereich für eines der folgenden Gebiete (ebd., 21):

1. „Außenhandelskorrespondenz einschließlich Auftragsabwicklung (französische Korrespondenz, spezielle Betriebswirtschaftslehre),

2. Personal-, Sozial-, Ausbildungswesen (Recht, Psychologie),

3. Verkaufsförderung (spezielle Betriebswirtschaftslehre, Marketing, Psychologie), 4. Datenverarbeitung.“

Als Anschlussmöglichkeiten an die Aufbaustufe der Höheren Handelsschule sah der Akademieplan in erster Linie den unmittelbaren Eintritt in das Berufsleben vor. Nach einer gewissen Einarbeitungszeit sollte ein „Einsatz als Sachbearbeiter oder Assistent“

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