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Archiv "Klinik und Genetik der Neurofibromatose: Schlußwort" (17.11.1995)

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MEDIZIN DISKUSSION

Klinik und Genetik der Neurofibromatose

Ergänzung

Zu dem im übrigen ausgezeichne- ten Beitrag wäre noch die spezielle psychiatrische Dimension der Neurofi- bromatose zu erwähnen, die nicht sel- ten nur bruchstückhaft in einschlägigen Werken zur NF dargestellt wird. Unter Zugrundelegung der Literatur der letz- ten Jahre und der eigenen Erfahrungen dürfte der NF und ihren Subtypen eine erhebliche ätiologische Bedeutung bei psychiatrischen Störungen zukommen.

So läßt sich für den Personenkreis in Heimen und Anstalten sowie in Be- rufsbildungswerken nicht mentaler Re- tardierung und psychiatrischer Sym- ptomatik aller Schweregrade inklusive Mehrfachbehinderten ein relativ hoher Anteil von NF1 und 2 aufweisen. Oft wird dieser Zusammenhang erst spät erkannt, da die volle Ausprägung der mentalen Retardierung nicht selten erst zu Beginn des Schulalters offenbar wird. Oft sind dabei die dermatologi- schen Stigmata diskret ausgebildet, so daß von einer nicht unerheblichen Dunkelziffer bei diesen Personenkrei- sen ausgegangen werden muß. In die- ser Hinsicht ähnelt die NF auf klini- scher Ebene den übrigen Neuro-Pha- komatosen, die ebenfalls eine hohe Va- rianz im Ausprägungsgrad des Phäno- typus zeigen. Vielleicht gelingt eines Tages eine genetische Subtypisierung der NF bezüglich dieser „psychiatri- schen Phänotypen" der NF.

Dr. med. Reinhard Baden Arzt f. Neurologie u. Psychiatrie Anstalt Stetten

Postfach 12 40 71386 Kernen

Schlußwort

In der Literatur zur Neurofibro- matose der letzten 15 Jahre wurden Angaben zur Häufigkeit somatischer und psychischer Auffälligkeiten auf der Grundlage diagnostischer Krite- rien erarbeitet (1). Patienten mit in- kompletter Expression der Symptoma- tik (Subtypen) wurden dabei nicht in die Untersuchungen einbezogen oder

nicht systematisch untersucht, da nicht mit Sicherheit davon ausgegangen wer- den konnte, daß in diesen Fällen tatsächlich eine Neurofibromatose vor- lag. Studien an NF1-Patienten, die psy- chopathologische Defizite aufdeckten, wurden in aller Regel an selektierten Kollektiven vorgenommen, die nicht repräsentativ sind. Global gesehen gehören intellektuelle Leistungsdefi- zite aller Stärkegrade zu den am häu- figsten beobachteten Beeinträchtigun- gen (103 NF1-Patienten zwischen 6 bis 75 Jahren wie-

sen einen mittleren IQ von 88,5 auf, während die Kon- trollgruppe einen Mittelwert von 101,8 zeigte) (2). In

einer Populationsstudie ergab die Ana- lyse der Schullaufbahn von Betroffe- nen, daß 32 Prozent von diesen ein in- tellektuelles Handicap hatten (3).

Lernstörungen bei Kindern treten in der Bevölkerung etwa in sechs bis neun Prozent der Fälle auf, während diese bei NF1-Betroffenen in 40 bis 60 Pro- zent festzustellen sind. Bei der diffe- renzierten psychometrischen Untersu- chung von Kindern mit NF1 fanden sich gehäuft Patienten mit verbalen und visoperzeptiven Defiziten. Konse- quenzen dieser Störungen sind Lese- und Schreibschwierigkeiten durch Or- ganisationsmängel, Schwierigkeiten beim Abschreiben eines Textes sowie eine fehlerhafte Sozialwahrnehmung und auffällige Impulsivität. Varnhagen stellte heraus, daß speziell die visuell- räumliche Integration den betroffenen Kindern im Vergleich zu den gesunden Geschwistern Schwierigkeiten bereite (5). Aufmerksamkeitsdefizite der Kin- der sind von Ferner und Hughes bei 58 Prozent der Betroffenen beschrieben worden (2). Motorische Störungen können einerseits in einer generellen verzögerten psychomotorischen Ent- wicklung zum Ausdruck kommen, an- dererseits beeinträchtigten Koordinati- onsschwierigkeiten das Erlernen des Fahrradfahrens, das Schriftbild oder die Leistungen im Sportunterricht bei 43 Prozent der Betroffenen (2). Eben- so gehört eine verzögerte Sprachent- wicklung, Nasalität des Sprachbildes

und unpräzise Aussprache der Konso- nanten zum Spektrum des Krankheits- bildes. In keiner der vorliegenden größeren Studien wird eine spezifische psychiatrische Symptomatologie be- schrieben. Wegen reaktiver Depressi- vität, Angstzuständen sowie vegetati- ver Dysfunktionen sind etwa 20 Pro- zent der Patienten zu Psychologen und Psychiatern überwiesen worden (4).

NF2-Betroffene weisen keine beschrie- benen Defizite auf. Die rechtzeitige Diagnose des Krankheitsbildes ist des- halb entscheidend, weil den Teil- leistungsstörungen durch Fördermaß- nahmen entgegen- gewirkt werden kann. In diagno- stisch unklaren Fällen sollten moleku- largenetische Untersuchungen durch- geführt werden. Die Charakterisierung spezifischer Veränderungen im NF1- Gen wurde durch die Entwicklung ei- nes „Protein Truncation Tests" in letz- ter Zeit erheblich vereinfacht. Im Rah- men von Studien, die die Diagnose NF1 molekulargenetisch absichern, dürfte sich zeigen, ob es eine Subtypi- sierung der NF bezüglich psychiatri- scher Störungen gibt. Dann kann ge- prüft werden, wie groß die erwähnte

„Dunkelziffer" der Patienten ist.

Literatur:

1. Crowe FW, Schall WJ, Neel JV: A clinical, pa- thological and genetic study of multiple neu- rofibromatosis. Thomas, Springfield, 1956 2. Ferner RE, Chaudhuri R, Binham J, Cox T,

Hughes RAC: MRI in neurofibromatosis 1.

The nature and evolution of increased intensi- ty T2 weighted lesions and their rela- tionship to intellectual impairment. J Neurol Neurosurg Psychiatry 1993; 56: 492-495 3. Huson SM, Harper PS, Compston AS: Von.

Recklinghausen Neurofibromatosis. A clin- ical and population study in South-East Wa- les. Brain 1988; 111: 1355-1381

4. Riccardi VM: Neurofibromatosis. Phenotype, natural history and pathogenesis. The John Hopkins University Press, Baltimore, 1992 5. Varnhagen CK, Lewin S, Das JP, Bowen P, Ma

K, Klimek M: Neurofibromatosis and psycho- logical processes. J Dev Behav Pediatr 1988;

9: 257-265

Für die Verfasser:

Dr. med. Victor-Felix Mautner Allgemeines Krankenhaus Ochsenzoll Neurologische Abteilung

Langenhorner Chausee 560 22419 Hamburg

Zu dem Beitrag v an

Dr. med. Victor-Fe lix Mautner et al.

in Heft 24/1995

A-3256 (64) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 46, 17. November 1995

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