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gen auf Privatanleger wird dabei gerne von popu- listischen Parteien aufgegriffen, um eine anti- europäische Stimmung anzuheizen.
Die Schweiz blieb von diesem internationa- len Trend der Negativzinsen nicht verschont. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat sich be- reits im Dezember 2014 für eine Negativzinspoli- tik entschieden, um den Aufwertungsdruck auf den Franken zu mindern. So führte die SNB per Januar 2015 einen Zinssatz von −0,25 Prozent auf Girokontoguthaben ein, um damit den 3-Mo- nats-Franken-Libor weiter in den Negativbereich zu drücken. Nur einen Monat später beschloss die SNB sogar die Aufhebung des Mindestkur- ses gegenüber dem Euro. Das führte schliesslich zu einer markanten Aufwertung des Frankens – auch wenn der Zinssatz auf Giroguthaben zu- sätzlich auf −0,75 Prozent gesenkt wurde.
Negativzinsen befeuern Rückgang der Spareinlagen bei Banken
Diese Geldpolitik der negativen Zinsen kann al- lerdings nur funktionieren, wenn Geschäfts- banken diese Zinsen auch an ihre Kunden wei- tergeben. Denn ansonsten entsteht für die Sparer auch kein Anreiz, mehr Geld auszuge- ben. Offensichtlich befürchten die Banken aber, dass Zinssätze unter null zu einem Kunden- rückgang und zu beträchtlichen Geldabflüssen führen würden. Da die Zinssätze für Kredite je- doch meist vertraglich an die Geldmarktsätze gebunden sind, leiden in erster Linie die Ren- tabilität, die Kapitalschöpfung und die Kre- ditbereitschaft der Bank darunter, wenn sie ihre Kundschaft vor Negativzinsen verschont.
Durch eine geringere Kreditbereitschaft wird
Z
ur Belebung der Konjunktur haben die Zen- tralbanken der wichtigsten Industrieländer in den letzten Jahren immer aggressivere geld- politische Instrumente eingesetzt. Manche sind sogar so weit gegangen, ihren offiziellen Zinssatz unter null zu senken. Das Ziel der Zentralbanken ist es dabei, weitere Anreize für Konsum und In- vestitionen zu bieten.Beim Blick auf Kunden und Verbraucher wirft die Einführung der Negativzinspolitik allerdings grundlegende Fragen auf, die bisher noch nicht untersucht wurden: Sind die Banken überhaupt bereit, die Kosten an die Kontoinhaber weiterzu- geben? Und wenn ja, wie würden diese darauf re- agieren?
Während in den USA die Federal Reserve Bank die Zinsen bereits wieder leicht erhöht hat, gibt es in Europa kaum Anzeichen für eine sol- che Trendwende. Die noch immer fragile Wirt- schaftserholung in Europa bleibt anfällig für Rückschläge – nicht zuletzt auch wegen der zahl- reichen anstehenden Wahlen in diesem Jahr. Das Thema der Negativzinsen und ihrer Auswirkun-
Vorsicht vor Negativreaktionen der Sparer
Zwei neue Umfragen legen nahe, dass bei der Einführung von Negativzinsen viele Be- fragte ihr Geld bei Banken abheben würden. Die Konsumanreize sind den Studien zufolge verhalten. Nur gerade jeder zwölfte Schweizer möchte als Reaktion mehr Geld ausgeben.
Mark Cliffe, Carlo Cocuzzo
Abstract Die Wirksamkeit von Negativzinsen wird in letzter Zeit immer häufi- ger angezweifelt. Deshalb stellen sich grundlegende Fragen, die bisher noch nicht untersucht wurden: Sind die Banken überhaupt bereit, diese Kosten an die Kon- toinhaber weiterzugeben? Und wenn ja, wie würden diese darauf reagieren? Die- ser Artikel stützt sich auf zwei kürzlich veröffentlichte Umfragen: eine Studie für Europa, die USA und Australien im Auftrag der niederländischen ING-Bank und eine Befragung des Finanzberatungsinstituts Moneypark für die Schweiz. Die Mehrheit der Befragten gab dabei an, ihre Ersparnisse im Falle von Negativzin- sen abzuheben. Ungefähr die Hälfte von ihnen möchte in alternative Finanzan- lagen investieren. In der Schweiz könnte sich nur rund jeder Zwölfte vorstellen, als Reaktion auf die Negativzinsen mehr auszugeben. Möglicherweise würden die Sparer etwas weniger negativ reagieren, wenn sie tatsächlich mit Negativzinsen konfrontiert wären. Dennoch ist die Frage nach der Wirksamkeit dieses geldpoli- tischen Instruments angesichts dieser Grundstimmung durchaus berechtigt.
FOKUS
SHUTTERSTOCK
Gemäss einer weltweiten Umfrage ist die Wirkung von Negativzinsen auf den Konsum bescheiden.
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die stimulierende Wirkung, welche die Zentral- banken mit ihrer Zinssenkung anstreben, zu- sätzlich abgeschwächt. Doch zumindest in der Schweiz haben die Privatkunden auf die Nega- tivzinspolitik der SNB reagiert. Wie die Daten zeigen, hat die Einführung der Negativzins- politik zu einem Rückgang der Spareinlagen auf Bankkonten geführt (siehe Abbildung 1). Da- bei stellt sich nun aber die zentrale Frage, ob die Kunden nun tatsächlich mehr konsumieren oder ob sie einfach nur Bargeld horten.
Die meisten Kunden würden ihr Geld abheben
Um den Effekt der Negativzinsen auf die Kunden zu untersuchen, beauftragte das niederländi- sche Finanzinstitut ING Ende 2015 das Marktfor- schungsunternehmen Ipsos damit, rund 13 000 Personen in Europa, den USA und Australien zu befragen. Die Befragten gaben an, wie sie auf die tiefen Zinssätze reagiert haben und wie sie re- agieren würden, falls die Zinsen unter null fallen sollten.1
Bei solchen Befragungen ist allerdings Vor- sicht geboten. Denn nicht immer tun die Be- fragten auch tatsächlich das, was sie antworten.
Trotzdem sind die Ergebnisse erstaunlich. Drei Viertel der Befragten geben an, dass sie ihr Geld im Falle von Negativzinsen von ihrem Sparkon- to abheben würden. Davon würden nur 12 Pro- zent mehr Geld ausgeben. Die meisten gaben an, dass sie wohl entweder in riskantere Anlagen investieren oder ihr Erspartes «an einem siche- ren Ort» in bar aufbewahren würden (siehe Ab- bildung 2).
Tatsächlich lässt sich diese negative Reaktion auf allfällige Negativzinsen sehr zutreffend mit dem verhaltensökonomischen Konzept des «loss regret» erklären. Dieses besagt, dass eine Zins- senkung von 0 auf −0,5 Prozent stärkere Gefüh- le auslöst als eine Senkung von 1 auf 0,5 Prozent.
Erstere wird eindeutig als Verlust wahrgenom- men, während man Letztere lediglich mit einem geringeren Gewinn gleichsetzt.
Hinzu kommen auch politische und kultu- relle Faktoren. Viele empfinden Negativzinsen als eine unfaire «Besteuerung» von Kleinan- legern. Das gilt insbesondere für Kulturen, in denen Sparsamkeit als Tugend gilt. Im Durch- Abb. 1: Entwicklung der Negativzinsen und der Sparguthaben bei
Banken in der Schweiz (2009–2016)
ING ECONOMIC AND FINANCIAL ANALYSIS, THOMSON REUTERS / DIE VOLKSWIRTSCHAFT
0,75 In % In Mio. Franken 18 000
12 000
-12 000 6 000 0 -6000 0,6
0,45
0,3 0,15
0
2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017
Durchschnittlicher Zinssatz auf Girokonten Veränderung Sparguthaben pro Jahr (rechte Skala)
Abb. 2: Was die Befragten mit dem abgehobenen Geld machen würden
ING INTERNATIONAL SURVEY / DIE VOLKSWIRTSCHAFT
Die Abbildung zeigt die Untergruppe der Befragten, die zumindest einen Teil ihres Geldes von ihrem Sparkonto abheben würden (78% aller Befragten). Da Mehrfachantworten möglich waren, kann das jeweilige Landestotal 100 Prozent übersteigen.
Einen grösseren Teil des Ersparten ausgeben als sonst Das Ersparte in andere Anlageinstrumente investieren
Einen bedeutenden Teil der Ersparnisse abheben und an einem sicheren Ort aufbewahren 60 In %
40
20
0 USA Grossbritannien
Australien Österreich
Belgien Frankreich
Deutschland Italien
Luxemburg Nieder
lande Spanien
Tschechien Polen
Rumä nien
Türkei Durchschnitt
Gewichtet nach Land, Alter, Geschlecht und Region. Alle Antworten sind auf dem 95-Prozent-Niveau signifikant. Da Mehrfachantworten möglich waren, kann das jeweilige Landestotal 100 Prozent übersteigen.
ING INTERNATIONAL SURVEY / DIE VOLKSWIRTSCHAFT
Geld vom Sparkonto abheben Mehr sparen, um Sparziele zu erreichen Nichts unternehmen
Abb. 3: Wie die Sparer weltweit auf Negativzinsen reagieren würden
100 In % 75 50 25
0 USA Grossbritannien
Australien Österreich
Belgien Frankreich
Deutschland Italien
Luxembu rg Nieder
lande Spanien
Tschechien Polen
Rum änien
Türkei Durchschnitt 2009
FOKUS
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Literatur
Akerlof, G. und R. Shiller (2009). Animal Spirits:
How Human Psychology Drives the Econo- my, and Why It Matters for Global Capitalism, Princeton University Press.
Haldane, A. (2015). How Low Can You Go?, Rede vor der Handelskammer von Portadown, vom 18. September 2015.
Hannoun, H. (2015). Ultra-Low or Negative Inter- est Rates: What They Mean for Financial Stabi- lity and Growth, Diskussionsbeiträge am Eurofi High-Level Seminar, Riga.
ING (2015). Negative Rates, Negative Reactions ING Economic and Financial Analysis.
White, W. (2012). Ultra Easy Monetary Policy and the Law of Unintended Consequences, Federal Reserve Bank of Dallas, Globalization and Mo- netary Policy Institute Working Paper Nr. 126.
Heitmann, S. und J. Gautier (2016). Negativzinsen auf Sparkonten: Jeder vierte Schweizer würde sein Geld abheben, Money Park.
schnitt würde allerdings nur eine Minderheit von 11 Prozent der Befragten mehr sparen (siehe Abbildung 3).
Ein Viertel der Schweizer würde Bargeld horten
Privatanleger in der Schweiz wurden bei der Um- frage von ING nicht berücksichtigt. Dennoch kommt man auch für die Schweiz praktisch zu den gleichen Ergebnissen, wie eine ähnliche Be- fragung im Auftrag des Finanzberatungsinsti- tuts Moneypark zeigt.2 (siehe Abbildung 4). Die Befragten sollten angeben, wie sie auf die Ein- führung von Negativzinsen durch ihre Bank re- agieren würden. Nur 10 Prozent aller Personen antworteten, dass sie nicht wüssten, was sie tun würden. 53 Prozent hingegen gaben an, dass sie Abb. 4: So würden Schweizer auf Negativzinsen reagieren (Umfrage September 2016)
MONEYPARK / DIE VOLKSWIRTSCHAFT
Die Umfrage wurde vom Marktforschungsinstitut GfK in der Schweiz auf Deutsch und Französisch durchgeführt.
Insgesamt wurden 1013 Personen befragt.
Mark Cliffe Chefökonom der ING Group, ING Bank, London
Carlo Cocuzzo Wissenschaftlicher Mitarbeiter, ING Bank, London
ihr Erspartes in andere Finanzinstrumente in- vestieren würden. Ein Viertel aller Personen würde das Geld zu Hause aufbewahren. Und nur 8 Prozent der Befragten antworteten, dass sie mehr ausgeben würden.
Kaum Effekt auf den Konsum
Diese Umfrageergebnisse dürften sowohl für die Banken als auch für die Zentralbanken ernüch- ternd sein. Die Banken könnten daraus schlies- sen, dass ihre Befürchtungen bezüglich der Wei- tergabe von Negativzinsen an ihre Kundschaft wohl berechtigt sind. Vielleicht fielen die Ant- worten aber auch deshalb so deutlich aus, da die Bankkunden sehr besorgt waren, dass sie für das Aufbewahren ihres Ersparten auf einem Bank- konto belastet werden könnten.
Somit stehen die Banken vor einer schwie- rigen Wahl: Entweder sie senken die Zinsen für Privatkunden nicht unter null, oder sie tun es doch und riskieren damit beachtliche Abflüs- se von Kundengeldern. Unabhängig davon le- gen die Ergebnisse nahe, dass Negativzinsen die Konsumausgaben weniger stark ankurbeln als Zinssenkungen über der Nullgrenze. Politische Entscheidungsträger und Banken in ganz Euro- pa werden deshalb darauf hoffen müssen, dass die momentan noch fragile Wirtschaftserholung keine grösseren Rückschläge erleidet.
Immobilien Vorsorge Andere Anlageformen Bargeld zu Hause aufbewahren Mehr ausgeben Geld auf Konto lassen Ich weiss es nicht
1 Siehe ING (2016).
2 Die vollständige Studie ist auf Moneypark.ch verfügbar.
15%
16%
22%
25%
8%
4%
10%