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Globale Entwicklung durch frugale Innovationen?

Von Christian von Drachenfels und Katinka Pipprich,

Institut für Innovation und Technik (iit)

vom 22.04.2013

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Globale Entwicklung durch frugale Innovationen?

Bonn, Berlin, 22.04.2013. Was haben ein Tablet- computer für 35 USD, ein Elektrokardiogramm- Gerät (EKG) für 800 USD und ein Auto für 2.500 USD gemeinsam? Alle diese Produkte kommen aus Indien und wurden in den letzten Jahren in der Wirtschaftspresse unter der Bezeich- nung „frugale Innovation“ als Beispiele für ein mögliches neues Innovationsparadigma disku- tiert. Laut Duden sind die Adjektive „einfach“ oder auch „spärlich“ als Synonyme für frugal verwend- bar. In der Tat könnte man auch von einfachen oder spärlich ausgestatteten Produkten sprechen.

Die Wirtschaftspresse feiert sie gerade deswegen:

Die Innovationsleistung ist die konsequente Re- duktion der Produkte auf ihre Kernfunktion bzw.

auf die von den Nutzern als unverzichtbar angese- hen Funktionen. Dies ermöglicht einen günstigen Verkaufspreis und damit die Erschließung neuer Zielgruppen.

Mit dem Aakash-Tablet kann man Berichten zu- folge kaum mehr als im Internet surfen und Do- kumente lesen. Mehr war jedoch auch nicht ge- wünscht, denn die indische Regierung subventio- niert den Verkauf an Studierende, um möglichst vielen den Zugang zur digitalen Welt zu ermögli- chen. Das „Mac 400“ von General Electric ist ein portables EKG, das auf seine wesentlichen Funkti- onen reduziert und auch im Batteriebetrieb ein- setzbar ist. Es soll insbesondere in ländlichen Ge- bieten die medizinischen Diagnosemöglichkeiten erweitern. Der im Jahr 2008 eingeführte Nano des indischen Mischkonzerns Tata wurde als günstigs- tes Auto der Welt beworben und sollte zum indi- schen Volkswagen werden.

Die Verkaufszahlen des Nanos bleiben mittlerweile deutlich hinter den Erwartungen zurück und auch zum Aakash-Tablet, das Indien sogar jüngst noch bei den Vereinten Nationen anpries, häufen sich Negativschlagzeilen über Lieferengpässe und technische Unzulänglichkeiten. Es geht aber nicht um die einzelnen Produkte, ihre Stärken und Schwächen, sondern um das Grundprinzip: Kon- zentration auf Kernfunktion bzw. Kernnutzen

eines Produktes. Mit dem Tablet soll man Doku- mente bearbeiten können und Zugang zum Inter- net erhalten, das EKG soll wesentliche medizini- sche Diagnosen ermöglichen und das Auto uns von A nach B bringen. Produkte dieser Art haben keine „Extras“, sie erfüllen keine Sonderwünsche, aber eben durchaus die elementaren Bedürfnisse der Menschen, die sie nutzen: Kommunikation, Bildung, Gesundheitsvorsorge und Mobilität.

„Neue Mittelschichten“ als Innovationstreiber In Diskussionen werden daher nun sogar Stimmen laut, die ein frugales Innovationsparadigma als Lösungsansatz für Entwicklungsprobleme sehen.

Dass es davon noch genügend gibt und es innova- tive Lösungen braucht, ist unstrittig. Ernährungs- sicherheit, Gesundheitsversorgung und Zugang zu Bildung sind immer noch Brennpunkte der globa- len Entwicklung. In Anbetracht des globalen Be- völkerungswachstums werden diese Herausforde- rungen nicht geringer. Allerdings hat sich im Zuge der dynamischen Wirtschaftsentwicklung in vielen Ländern die Einkommenssituation der Menschen deutlich verbessert. In der globalen Unterneh- menswelt wird daher seit Jahren auch über die Chance von Milliarden neuer Konsumenten disku- tiert. Es ist die Rede von „neuen Mittelschichten“

die sich in vielen Ländern herausbilden. Noch sind diese „neuen Mittelschichten“ bezogen auf das Einkommensniveau nicht mit dem westlichen Verständnis von Mittelschicht zu vergleichen.

In einer Analyse des Deutschen Instituts für Ent- wicklungspolitik (DIE) heißt es dazu treffend:

„Viele, die früher nichts hatten, haben jetzt ein bis- schen mehr“. Doch schon dieses bisschen mehr bedeutet eine enorme Ausweitung der Kaufkraft in den aufstrebenden Volkswirtschaften. Mit fru- galen Innovationen setzen Unternehmen genau hier an, sie setzen auf die Befriedigung der Bedürf- nisse dieser „neuen Mittelschichten“. Wenn man bisher nur in einem Internetcafé Zugang zum Netz erhielt, dann ist ein eigenes Tablet mit Internetzu- gang – und sei dieser auch noch so langsam – ein gefühlter Innovationssprung. Neu ist dabei, dass

© Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Die aktuelle Kolumne, 22.04.2013 www.die-gdi.de | www.facebook.com/DIE.Bonn | https://plus.google.com/

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die Produktentwicklung und Vermarktung zu- nehmend in aufstrebenden Märkten und nicht mehr in den alten Industrieländern stattfindet.

In Brasilien, China, Indien und weiteren dynami- schen Volkswirtschaften wird ohne Zweifel das lokale Innovationspotential mehr und mehr aus- genutzt. Die Orientierung an den lokalen Bedürf- nissen und der lokalen Kaufkraft ist hier immer häufiger betriebswirtschaftliche Notwendigkeit und konsequente strategische Entscheidung zu- gleich. Früher galt der möglichst rasche Anschluss an globale Wertschöpfungsketten als Königsweg.

Heute zeigt sich, dass bei konsequenter Konzent- ration auf den lokalen Markt durchaus Produkte global agierender Unternehmen ausgestochen werden können.

Eine zunehmende Orientierung in der Produkt- entwicklung an den Bedürfnissen der „neuen Mittelschichten“ kann in den Bereichen Ernäh- rung, Gesundheit und Bildung in der Tat zur Ent- wicklung beitragen. Kühlschränke und Herde, medizinische Diagnose- und Behandlungsgeräte, Smartphones und Computer sind für uns selbst- verständliche Dinge des Alltags. Weltweit werden jedoch viele Menschen diese Geräte und ihre Funk- tionen erst in den kommenden Jahren zum ersten Mal nutzen. Ihre Lebensqualität wird sich dadurch verbessern.

Entwicklung braucht mehr als frugale Innovation

Klar ist aber auch, dass es immer noch viel zu viele Menschen gibt und absehbar auch geben wird, die keine oder kaum finanzielle Möglichkeiten haben, um sich überhaupt die Dinge des täglichen Bedarfs leisten zu können. Die Vereinten Nationen gehen immer noch von rund 850 Mio. Menschen aus, die gegenwärtig unterernährt sind. Die schnelle Lö- sung in Form frugaler Innovationen ist für diese Menschen gegenwärtig leider nicht absehbar. Mit Sicherheit braucht es hier primär (sozial-) politi- sche Innovationen, nicht frugale Innovationen.

Neue Produkte – so innovativ und hilfreich sie für den Einzelnen sein mögen – lösen nicht automa- tisch systemische Probleme. Was nützt das Tablet ohne Lerninhalt oder das medizinische Gerät bei einem Mangel an geschultem Gesundheitsperso- nal? Was bringt ein eigenes Auto, wenn man sich damit in Megastädten bewegen will, die einem dauernden Verkehrsinfarkt erliegen.

Wenn viele ein „bisschen“ mehr Zugang zu inno- vativen Produkten haben, wie es in der DIE- Analyse heißt, dann ist dies sicherlich eine gute Entwicklung. Doch die Entwicklungsprobleme vieler Länder – auch der Schwellenländer – lösen sich damit nicht von selbst.

© Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Die aktuelle Kolumne, 22.04.2013 www.die-gdi.de | www.facebook.com/DIE.Bonn | https://plus.google.com/

Katinka Pipprich Institut für Innovation und Technik (iit) Christian von Drachenfels

Institut für Innovation und Technik (iit)

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