von Christian Ewert, Madrid
In der zwischen 961 und 965 von al-Hakam II. errichteten Erweiterung der
Moschee von Cördoba (Abb. 1) ist den sechs freistehenden zweigeschossigen Stüt¬
zen an beiden Langseiten des Mittelschiffes (Abb. 2) über dem Kreuzkämpfer der
Grundsäule und der weiter ausladenden, durch Volutenreihung geprägten Konsole
ein halboktogonaler Pilaster mit attischer Basis, geometrisch gliedernd geschmück¬
tem Schaft und prächtigem antikischen Kapitell vorgeblendet (Verteilung u. Nume¬
rierung s. Abb. 1). Neu wie die Gattung ist der Werkstoff: nicht mehr Stein, son¬
dern Stuck, wie ihn al-Hakam II. im Inneren seines Betsaales für fast alle wesent¬
lichen Dekorgheder verwendet. Die prismatische Grundform der Schäfte ist durch
eine jede Facette umlaufende einfache Leistenrahmung optisch gegen den flachen
deckenden geometrischen Dekor abgesichert, der sich in drei unterschiedlichen Mustergruppen zeigt.
Die einheitliche Wirkung der vom Schaft durch eine SeUwindung getrennten
großen Kapitelle fast quadratischer Proportion erklärt sich aus dem alleinherrschen¬
den Akanthus. Seine Modellierung ist kräftig, seine viellappige Struktur verliert sich
nie in KleinteUigkeit, klar bleiben die Blattgrenzen erhalten. Vergleicht man das
Blattwerk mit den fast gleichzeitig, wenige Jahre früher gefertigten, überfein geglie¬
derten Marmorkapitellen der Pilaster und Säulen des Salön Rico in Madfnat az-
Zahrä', verstärkt sich ihre Wirkung als antikisierende Elemente, obgleich islamische, für die kalifale Kunst typische Details nicht fehlen. Dieselben beiden Grundtypen
wie in den stereometrisch vereinfachten KapiteUen der unteren Bogenordnung sind
zu unterscheiden. Wie in Madinat az-Zahrä' ist der Eierstab der Kompositkapitelle (C 5.7; 5.8; 6.7 = Taf. la; 6.8) durch Blattelemente aufgelöst, wie dort in drei der
vier Stücke (C 5.7; 5.8; 6.8) durch einen Perlstab vom doppelten Blattkranz der
Unterzone abgesetzt. In drei Kapitellen (C 5.7; 6.7 = Taf. la; 6.8) füllen einfache
Nebenabzweige der Eckvoluten die Zone des Eierstabes, nur in einem (C 5.8) ist
um eine kleine zentrale Palmette eine Blattkomposition entwickelt. Typisch kalifal
ist auch die Einzelbehandlung der korinthischen Kapitelle (C 5.5; 5.6; 5.8; 5.9 =
Taf lb; 6.5 = Abb. 2; 6.6; 6.8; 6.9). Nur in einem Stück (C 5.10) sind die Helices
noch verkümmert als kleine Voluten gegeben, in einem weiteren (C 6.6) laufen die
Ecküberfälle in kräftige Spiralen aus, sonst münden sie in Blüten (C 5.6; 5.8; 5.9 =
Taf. Ib; 6.9) oder Palmetten (C 5.5) bzw. die im stehenden Blatt vorgegebene
Viellappigkeit gliedert auch den sich einrollenden Auslauf
Nicht nur die Faktur des PUasterdekors in der Oberzone des Mittelschiffes
al-Hakams II. ist für die Moschee von Cördoba neuartig, sondern auch das über¬
geordnete strenge Kriterium seiner Verteilung auf die Schiffsjoche: der Symmetrie¬
bezug auf die Mihräbachse, d Ji. auf die Tiefenachse des Mittelschiffes, ist schon in
XX. Deutscher Orientalistentag 1977 in Erlangen
480 Christian Ewert
den beiden ersten Moscheephasen durch die Verteilung der vorislamischen Spolien-
kapitelle und ihrer frühislamischen Nacharbeitungen angelegt. Völlig neu ist das
strenge Diktat der Querachse des Mittelschiffes. Die erste Ghederungsstufe geben
die Kapitelle an: drei Vierergruppen. Deutlich sind die vier Pilaster, die das zentrale Joch abstecken (C 5.7; 5.8; 6.7 = Taf. la; 6.8) hervorgehoben ; nur sie zeigen Kom¬
positkapitelle, das einheitliche Grundmotiv ihres Schaftmusters, das senkrecht
orientierte Zickzackband, betont sie als Einheit. Dagegen unterscheiden sich die
Themen der Schaftmuster innerhalb jeder der beiden korinthischen Randgmppen
im N und S: zwischen die zentrale Vierergruppe, in der die diagonalen Schrägrich¬
tungen der Zickzackbänder die Polygonseiten vollkommen beherrschen und die den
äußersten freistehenden Pfeilern vorgeblendeten Pilaster (C 5.5; 5.10; 6.5 = Abb.2;
6.10 = Taf. lc), auf denen die zu Rauten verschwenkten Kassetten sie noch einmal
anklingen lassen, sind ruhige, durch Kanneluren bestunmte Schäfte (C 5.6; 5.9 =
Taf. lb; 6.6; 6.9) eingeschoben. So erscheint der Oberbereich des Mittelschiffes vielfältig , zentripetal" gegliedert: klar dominiert das zentrale Kompartiment (C 5.7;
5.8; 6.7; 6.8), in dem sich beide Symmetrieachsen schneiden. Die beiden nördlich
bzw. südlich anschließenden Joche (C 5.6; 5.7; 6.6; 6.7-5.8; 5.9; 6.8; 6.9) fungie¬
ren als Intervalle: ihren Querachsen ist keinerlei symmetriebildende Wirkung, weder auf Schaft-, noch auf Kapitelltyp konzediert. Den beiden „Flankenkompartimen- ten" (C 5.5; 5.6; 6.5; 6.6-5.8; 5.9; 6.8; 6.9) wird nur bedingt, in den einheitlich korinthischen Kapitellen, Quersymmetrie zuerkannt.
Die Tiefe des Betsaales al-Hakams II. ist in der Mihräbachse in drei räumlich ge¬
trennte Kompartimente gegliedert, die retardierend auf das kultische Zentrum, die
Gebetsnische, vorbereiten. Im siebenjochigen Zentralabschnitt des Mittelschiffes nehmen die Pilaster des Obergeschosses eine verwandte, weitere rhythmisierende Unterteilung vor: drei durch Quersymmetrie sprechende Joche sind herausgehoben;
die übrigen vier Joche schrumpfen zu trennenden Intervallen. In der Mihräbachse der Erweiterung al-Hakams II. herrscht also das Prinzip sukzessiver Dreiteilung. Die vielzelhge Unterteilung des zum Mihräb führenden Mittelschiffes, die in der almora-
vidischen Phase der Qarawiyin-Moschee in Fes durch kompartimentbildende Quer¬
bögen räumlich vollzogen wird, ist hier bereits angelegt.
Aber noch wesentlicher erscheint mir die zweite von dieser Püastergliederung
ausgehende Wirkung: die Reduktion auf drei sprechende Joche schlägt die Brücke
zu den beiden dreijochigen Schmalseiten des Mittelschiffes: Während an den Lang¬
seiten die Untergliedemng den Oberbereich optisch staucht, weitet sie ihn an den
Schmalseiten. Hier verdoppeln die erst in der oberen Ordnung der zweigeschossigen
Arkadensysteme einsetzenden sich kreuzenden Bögen die Anzahl der von den Archi-
volten umschlossenen Schritte. Zweiachsig symmetrische Struktur, Hervorhebung
eines Mittelkompartimentes, optische Verkürzung der Lang- und entsprechende
Dehnung der Schmalseiten lassen im Oberbereich des langen Mittelteiles fast die
Wirkung eines Zentralraumes entstehen: die sog. CapUla de Villaviciosa am Auftakt
und die drei zentralen Maqsüra-Kompartimente werden durch eine strukturell mit
ümen verwandte Raumzelle verbunden, die den T-Typ prägenden Kompartimente
wachsen gestalterisch eng zusammen.
In der Moschee von Cördoba können wir über fast zwei Jahrhunderte hinweg an
ein und demselben Raumteü, dem in der unverrückten Mihräbachse etappenweise
Zur Bedeutung des Akanthus in der westislamischen Baukunst 481
wachsenden Mittelschiff, an ein und demselben Bauglied, der kapitelltragenden
Stütze, beobachten, wie sich im Übergang vom frühen zum hohen Islam der Ge¬
brauch antiken Formengutes wandelt. Das wichtigste Ergebnis überrascht zunächst
in einer Kunst, die gerade im vegetabihschen Dekor so bald ein eigenes, unverkenn¬
bar charakteristisches Repertoire formulierte: in einem hierarchisch bedeutungs¬
vollen Raumteil wird bei Aufgabe der Spolie das antike Formengut mit erhöhtem
Bewußtsein, mit bereicherten Ordnungskriterien, nachgeschöpft.
Daß diese reife Art der Verarbeitung des antiken Repertoires durch die Meister
al-Hakams II. Früchte trug, sei an einem späteren, in der Funktion und in der Pla¬
zierung im Bau verwandten Beispiel dargelegt. Der zwischen 1132 und 1144 ent¬
standene almora vid ische Dekor der Qarawlyin-Moschee in Fes hat in der Regel
jenen Stand der Kanonisierung erreicht, dessen wesentliche Charakteristiken wir am
frühesten in der Aljaferia in Zaragoza, um die Mitte des II. Jh., fassen können.
Stämme, Stiele und Ranken zeigen meist eine einheitliche zarte, unprofilierte, nur
einige mm starke Stirn. Der z.B. für einige Paneele in MSattä, im Westen besonders für den Salön Rico in Madinat az-Zahrä', charakteristische freie Wuchs der Ranken
ist aufgegeben, die geometrisch exakte, mit dem Zirkel vorgerissene Spiralranke
dominiert und geht oft in das Leitmotiv dieser Stilphase über: in das viel-, in der Konzeption parallellappige Fiederblatt.
In den drei Zwickelregistern einer rund konzipierten Muqarnas-Kuppel der
Qarawiyin (Taf. 2a) tritt uns antikischer Akanthus entgegen. Am Gewölbefuß
umschließt ein Ringperlenband die prallen Bouquets (Taf. 3b), in beiden unteren
Registern erscheinen Pinienzapfen, werden aber meist vom Akanthus umwuchert
(Taf. 3a). Nicht nur in der bewegten Blattsilhouette, auch in der stark plastischen,
fleischigen Faktur der beiden unteren Register wirkt der Akanthus antik und setzt
sich vöUig von der soeben charakterisierten kanonisierten Stilstufe ab, die durch das
kleinteUige, von der Erstarrung bedrohte Fiederblatt und von unplastischer, rein
silhouettenhafter Anlage des Dekors gekennzeichnet ist. Nach der detaillierten
Baubeschreibung von H. Terrasse und nach einigen eigenen Beobachtungen zweifle
ich nicht, daß beide Dekorgattungen der almoravidischen Kampagne angehören. Die
auch in anderen, mit konventionellem vegetabilischen Dekor ausgestatteten Gewöl¬
ben derselben Bauphase zu beobachtende GroßteUigkeit der Muqarnas-Elemente ist
typisch für die frühe Stufe dieser im Magrib erst im 12. Jh. in Erscheinung tretenden
Art der Raumüberdeckung. Der vegetabilische Dekor ist nahtlos in die Zwickel
eingepaßt, im dritten Register tief in das ursprüngliche Stuckfleisch eingeschnitten
(Taf. 2b). Die formalen Diskrepanzen beider Dekorgattungen sind zu tiefgehend,
als daß sie mit unterschiedlichen Meisterhänden erklärt werden könnten. Warum
whd an dieser Stelle auf antikes Formengut zurückgegriffen, in einer Epoche, deren Dekoration sich auf einer antikenfernen Stilstufe kristallisierte? Der frühislamische
Eklektizismus war überwunden. Antikischer Akanthus, der uns z.B. im Felsendom
in Jerusalem, eingebettet in den spätantiken Entwicklungsstrom, ganz plausibel
erscheint, wirkt hier zunächst befremdend. Aber auch der Vergleich mit den soeben
untersuchten PUastern der Moschee al-Hakams II. ist erstaunlich. In dieser Kuppel
der QarawFyin wählte man als Schmuckträger Flächen, deren Rahmenform die Ver¬
wendung des konventionellen antiken Kapitells nicht zuließ, in Cördoba dagegen
band man auch noch in der Erweitemng al-Hakams II. antikischen Akanthus an die-
It
482 Christian Ewert
ses gewöhnte Ghederungsschema, auf Paneele und Zwickelflächen ließ man ihn
nicht übergreifen. Man bewegte sich also in einer Rahmenform, für die vorislamische
Antike und islamische Verwendung antiken Formengutes kaum Vorbilder boten.
Das islamische Prinzip der Flächenfüllung ist angewendet, ohne den antiken Einzel¬
gliedern Gewalt anzutun: an einen ungewöhnlichen Rahmen gebunden, sind sie flüs¬
sig komponiert, vor allem aber erstaunhch rein dargebracht. Selbst die aus dem kon¬
ventionellen islamischen Dekor beibehaltenen Elemente, die Pinienzapfen, wurden
in die völlig unislamisch wirkende freie Plastizität einbezogen.
Auch die Plazierung dieses Dekor-Ensembles bietet sich zum Vergleich mit der
Cordobeser al-Hakam-Moschee an. Als Gang vom Hof zum Mihräb unterbricht ein
einziges Langschiff den Fluß der Querschiffe (Abb. 3). Als Durchdringungen bilden
sich neun dem Mihräb enfiladehaft vorgeschaltete Kompartimente, die man mit un¬
terschiedlichen Gewölben überdeckte. Die akanthusgeschmückte Muqarnas-Kuppel
bekrönt das zentral im Betsaal hegende Auftakt-Joch des höhergezogenen Mittel¬
schiffteiles (Abb. 3.4).
Fast ein halbes Jahrtausend nach der Errichtung des Felsendomes, etwa 170
Jahre nachdem al-Hakam II. seine Moschee in Cördoba vollendet hatte, treffen wir
in einer Epoche, deren vegetabilischer Dekor sich schon etwa ein Jahrhundert früher
auf einer antikenfernen Stufe zu kanonisieren begonnen hatte, antike Formen
erhöhter Reinheit an: konventionelles und antikisierendes Formengut klaffen wei¬
ter denn je auseinander.
Sofern das betrachtete antike Repertoire einer gliedernden Ordnung unterworfen
ist, haben wir in Cördoba und Fes als ersten Symmetriebezug die Mihräbachse aus¬
machen können: stets ist der antUce Dekor, sobald seine bewußte Anwendung ein¬
setzt, auf die Gebetsnische ausgerichtet. Besonders in seiner sublimierten Stufe der Nacharbeitung, die weit über die Imitation hinausgehen kann, aber stets authenti¬
sche Einzelformen und die ganz unislamische, nicht an eine einheitliche Bildebene gebundene Plastizität wahrt, ist der so bewußt antik gestaltete, vom konventionel¬
len islamischen Kanon stark abweichende Dekor, der auf hervorragende Bauteile
beschränkt bleibt, vor allem als Mittel zu verstehen, die Ausstrahlung des Mihräb
mit außerordentlichen, an geheiligte Traditionen appellierende Formen darzustel¬
len. Nun erklärt sich auch das eigenartige Verhalten der puritanischen Almohaden
nach der Eroberung von Fes. Fast den gesamten almoravidischen Dekor der Qara¬
wiyin überputzten sie. Nur der als Bedeutungsträger erkennbare Akanthus der
Kuppel in der Mihräbachse fand vor ihren Augen Gnade.
Äbd or-RahmÖn II.
'Abd or-Rohmön III.
ol-Hokom II.
Abb. 1 Cördoba, Hauptmoschee nach der Erweiterung al-Hakams H., rekonstruierter Grundriß (nach F. Hernändez u. L. Torres Balbäs; Innenarkaden nach eigenen Maßen eingezeich¬
net) 1 : 1000
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Abb. 3 Fes, QaiawTyln-Moschee, Grundriß (nach E. Pauty) 1 : 1000; Lage der runden Muqar¬
nas-Kuppel mit Pfeilen markiert.
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„Itoil.
Abb. 2 Cördoba, Hauptmoschee, Erweiterung al-Hakams II. ,
zweigeschossige Mittelschiffsttttze C 6.5 (eigenes Aufmaß;
Lage S.Abb. 1) 1 : 50
Abb. 4 Fes.QaiawIyin-Moschee, Langschnitt durch das Mittelschiff (nach H. Terrasse) 1 :S00;
Lage der runden Muqarnas-Kuppel mit Pfeil markiert)
i
a C6.7; b C5.9; c C6.10. (Aufn. P. Witte, Deutsches Archäologisches Institut, Madrid.) j
Fes, QarawTyTn-Moschee, Mittelschiff, runde Muqarnas-Kuppel (Lage s. Abb. 3.4) a Gesamtuntersicht; b Akanthus-Schmuck der Scheitelzone
(Aufn. Direction des Monuments Historiques et des Antiquites, Rabat)
DIE BASILIKEN VON KANLIDIVAN (= KANYTELIDEIS - KANYTELLEIS)
von Semavi Eyice, Istanbul
Seit 1972 unternehmen wir in Silifke (= Seleukia) und Umgebung archäologische
Forschungen auf der Erdoberfläche. Im Rahmen dieser Arbeiten haben wir uns mit
einer alten kleinen Niederlassung beschäftigt, die im Osten von Silifke hegt und
Kanlidivan genannt wird'. Die Bauten dieser in der Antike Kanytelleis oder Kany-
telideis genannten Ortschaft sind der Forschungswelt nicht ganz unbekannt, aber sie
sind in bezug auf die Frühchristliche und Byzantinische Kunstgeschichte nicht
genug bewertet worden^. Dieses Städtchen befindet sich auf einem Abhang des
Taums-Gebirges und ist nur in einigen Kilometern Entfernung von der antiken
Küstenstraße am Rande einer trichterförmigen geologischen Vertiefung gebaut wor¬
den. Auf der Nord- und Südseite der Vertiefung sieht man Häuserreste und dazwi¬
schen die zu den Nekropolen gehörigen Sarkophage und Grabdenkmäler. Ein drittes
Nekorpolis befindet sich im Westen auf der nach Elaiussa-Sebaste führenden alten
Straße'. Es ist offensichtlich, daß diese natürliche Vertiefung in der antiken Zeit
eine kultische Bedeutung hatte. Wie auf dem dicht daneben stehenden Turm'' zu
lesen ist, wurde sie für Zeus Olbios von Teukros, den Sohn von Tarkyaris, eingerich¬
tet. Strabon berichtet, daß diese Gegend zuerst von den Olba-Priestern regiert,
später aber von Räuberrittern übernommen wurde. Aber später kam die Herrschaft
wieder an Priester-Fürsten. Im ersten Jahrhundert n. Chr. wurde Kanytelleis ein
Dorf (Korne) von dem nahen Elaiussa-Sebaste und führte auf diese Weise in Römi-
1 Dieser Beitrag ist in ausführlicher Form in Türkisch veröffentlicht worden: Silifke gevresinde incelemeler: Kanlidivan (= Kanytelleis-Kanytelideis basilikalari, , .Anadolu Arastirmalari"
IV-V, 1976-1977, S. 411-442 und XVIII Tf.
2 V. Langlois, Rapport sur l'exploration archeologique de la Cilicie ,Archives des Missions Scientifiques" IV, 1856, S. 47; id.. Voyage dans la Cilicie, Paris 1861, S. 225; J. T. Bent, Exploration in Cilicia Tracheia, „Proceedings of R. Geogr. Society" XII, 1890, S. 448; id., A Joumey in Cilicia Tracheia, „Journal of Hei. St." XII, 1891, S. 208, und die Inschriften bearbeitet von E. L. Hicks, S. 226; R. Heberdey u. A. WUhelm, Reisen in Kilikien, „Denk¬
schriften d. Akad." XLIV, Abh. 6, Wien 1896, S. 51; J. Strzygowski, Kleinasien, Leipzig 1903, S. 51;G. L. Bell, Notes on a Journey through Cilicia, „Revue Archeologique" I, 1906, S. 402; V. Schultze, Altchristliche Städte und Landschaften II - Kleinasien, Gütersloh 1926, II, S. 296; Ch. Diehl, Manuel d'art byzantin, Paris 1925, I, S. 91; J. Ebersolt, Monuments d'architectute byzantine, Paris 1934, S. 138; R. Krautheimer, Early Christian and Byzantine Architecture, Middlesex 1965, S. 82, 84; M. Gough, The Early Christians, London 1961, S.
140; O. Feld, Beobachtungen an spätantiken und frühchrisUichen Bauten in Kilikien, ,, Rö¬
mische Quartalschrift" LX, 1965, S. 133.
3 A. Machatschek, Die Nekropolen und Grabmäler im Gebiet von Elaiussa-Sebaste „Denk¬
schr. d. Öst. Akad." Wien 1967.
4 P. Verzone, Cittä ellenistiche e romane dell'Asia Minore „Palladio" II-III, 1957, S. 65.
xx. Deutscher Orientalistentag 1977 in Erlangen