Videoanalyse von Modellgasen
‐ Der kinetischen Gastheorie auf der Spur ‐
In den „Annalen der Physik“, Ausgabe 19 von 1906, erschien eine wichtige Arbeit Albert Einsteins, in der er eine quantitative Vorhersage für die Brownsche Molekularbewegung gab. Im Jahre 1827 war dem Arzt und Botaniker Robert Brown aufgefallen, dass sich Pollen in Wasser seltsam „zackig“ bewegten. Jahrzehntelang scheiterten die Erklärungsversuche und die seltsame Bewegung blieb geheimnisvoll. Für die Idee, dass die Bewegung der Pollen durch ständige Stöße mit Wassermolekülen verursacht wird, war Einsteins Berechnung ein wichtiger Punkt und führte zur heutigen Theorie der Wärme.
Modelle von Gasen sind für das Verständnis der kinetischen Gastheorie wichtig. Im Physikunterricht sind bei der Brownschen
Molekularbewegung statistische Aussage und der Aspekt der Temperaturabhängigkeit der Bewegung von Interesse. Aus dem Experiment selbst lassen sich mehrere Fragen beantworten:
‐Genügt die experimentell bestimmte Geschwindigkeitsverteilung der Maxwell‐Boltzmann‐Verteilung?
‐Wie hängt die Geschwindigkeitsverteilung der Gasmoleküle von der Temperatur ab?
‐Wie hängt das mittlere Verschiebungsquadrat der Gasmoleküle von der Temperatur ab?
‐Wie hängt die Gesamtenergie des Gases von der Temperatur ab? Die Beziehung zwischen der Gesamtenergie des Gases und der Temperatur ist eine der zentralen Aussagen der kinetischen Gastheorie.
0 2 4 6 8 10 12 14 16
2,57,5 12,5
17,522,527,532,537,542,547,5 52,557,562,567,572,5
77,582,5 87,592,597,5
Häufigkeit in Prozent
Geschwindigkeit in cm/s gemessene Verteilung Fitkurve F(v) = 5 * c * v * exp( ‐ c/2 * v² )
Der historische Hintergrund
Die interessanten Fragen
Die Versuchsaufbauten
Die Ergebnisse
0 1 2 3 4 5 6
0 10000 20000 30000 40000 50000 60000
U²/V² (~T)
<x>² / cm²
0 2 4 6 8 10 12 14
0 10000 20000 30000 40000 50000 60000
U²/V² (~T)
<v>² / cm²/s²
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
0 10 20 30 40
Geschwindigkeit in cm/s
Häufigkeit in Prozent gemessene Verteilung
Fitkurve F(v) = c * v * exp( ‐ c/2 * v²)
0 2 4 6 8 10 12 14
0,5 1,5 2,5 3,5 4,5 5,5 6,5 7,5 8,5 9,5 10,5 11,5 12,5 13,5 14,5 15,5 16,5 17,5 18,5 Geschwindigkeit in cm/s
Häufigkeit in Prozent
gemessene Verteilung Fitkurve F(v) = c * v * exp( ‐ c/2 * v² )
Zusammenschau der Fitkurven aller zehn Datensätzen mit verschiedenen
Modelltemperaturen
Vergleich des Quadrates der Betriebsspannung U² und der relativen Modellgastemperatur T/T0
(R²=0,983)
Mittleres Verschiebungsquadrat in Abhängigkeit der Temperatur
(R²=0,846)
Mittleres Geschwindigkeitsquadrat in Abhängigkeit der Temperatur
(R²=0,977)
1905 beendete Einstein seinen Artikel über die Brownsche Molekularbewegung mit dem Wunsch „Möge es bald einem Forscher gelingen, die hier aufgeworfenen, für die Theorie der Wärme wichtigen Fragen zu entscheiden!“. Etwas mehr als 100 Jahre später lernen die Schüler nicht nur die Richtigkeit der Annahmen Einsteins im Unterricht, sondern können auch mit dem modernen Mittel der Videoanalyse seinem Wunsch nachkommen, seine Ideen experimentell zu belegen.
Verschiedene Abhängigkeit lassen sich einfach und überzeugend an unterschiedlichen Modellen, wie dem großen oder kleinen Luftkissentisch oder der Rüttelkammer, erkennen.
Das Fazit
Die Abbildungen zeigen die drei untersuchten Geräte zur Simulation eines idealen Gases (von links nach rechts: der große Luftkissentisch der Firma Deadalon, der kleine Luftkissentisch der Firma Phywe und das Demonstrationsexperiment zur Veranschaulichung der Maxwellverteilung von Phywe). Zur Auswertung wurde das gut ausgeleuchtete Modellgas mit einer digitalen Videokamera jeweils für etwa drei Minuten (über 2.000 Frames im Vollbildmodus) gefilmt und die Bewegung eines Teilchens mit einer automatischen Videoanalyse (Software „measure Dynamics“) analysiert.
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90
1 10 19 28 37 46 55
Geschwindigkeit
Anzahl
Gemessene Geschwindigkeitsverteilung beim großen Luftkissentisch und Fitkurve (c = 21 s²/m²)
Gemessene Geschwindigkeitsverteilung beim kleiner Luftkissentisch und Fitkurve (c = 280 s²/m²)
Gemessene und theoretische Geschwindigkeitsverteilung für ein beobachtetes Teilchen in der Rüttelkammer (c = 240 s²/m²)
Thomas Geßner*+, Thomas Wilhelm+, Michael Benz+
* Hanns‐Seidel‐Gymnasium, An der Maas 2, 63768 Hösbach,
+Lehrstuhl für Physik und ihre Didaktik, Universität Würzburg, Am Hubland, 97074 Würzburg gessner@physik.uni‐wuerzburg.de; wilhelm@physik.uni‐wuerzburg.de; michael.benz@physik.uni‐wuerzburg.de
HANNS-SEIDEL-GYMNASIUM
hsg
2
2 1 2
²
)
(
kT cvv m
e v c e
T v k v m
F
⋅ ⋅ − ⋅⋅− ⋅
⋅
⋅
=
⋅
⋅ ⋅
=
0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5
0 10000 20000 30000 40000 50000 60000
U²/V²
T/T0