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Archiv "Südafrika: Long way to freedom" (25.06.2004)

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as erste, was wir von Rob- ben Island sehen, sind die Pinguine. In einer großen Kolonie stehen sie dicht ge- drängt in unmittelbarer Nähe zur Anlegestelle. Keine halbe Stunde hat das Schiff vom Nelson Mandela Gateway an Kapstadts zur Touristenmeile umgestalteten Waterfront ge- braucht, um zu der 11,5 km ent- fernten Insel in der Table Bay zu gelangen. Und doch gab es von dort jahrzehntelang kein Entrinnen. Robben Island ist das Symbol weißer Schreckens- herrschaft und schwarzen Frei- heitswillens. Heute wird die In- sel, auf der manche Häftlinge über ein Vierteljahrhundert eingekerkert waren, als Na- tionalmuseum und Weltkul- turerbe von schwarzen und weißen Touristen besucht.

Nelson Mandela verbrachte 18 seiner insgesamt 27 Gefäng- nisjahre im Hochsicherheits- trakt von Robben Island.

Ein Bus fährt uns zu den markantesten Schauplätzen der ehemaligen Gefangenen- insel. Der berüchtigte Kalk- steinbruch liegt in brütender Hitze und gleißendem Licht.

Ohne Schuhe, nur mit Shorts bekleidet, mussten die Gefan- genen tagaus, tagein sinnlos

Steine klopfen, erzählt unser Führer, der selbst als Aktivist des verbotenen Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) mehrere Jahre auf Robben Island einsitzen musste. Sideeq Levy zeigt auf eine Höhle im Kalkstein, die für die Notdurft vorgesehen war, aber von den Gefangenen heimlich als Schulungsraum benutzt wurde.

Denn „each one teaches one“, lautete die Parole, mit der Nelson Mandela die Gefange- neninsel zur Universität um- organisierte. Die vielen jungen Gefangenen ohne jede Bildung sollten das Wissen der einsit- zenden Akademiker vermittelt bekommen. Nur im Steinbruch war eine unkontrollierte Kom- munikation möglich. „So gin- gen zwar die Lungen durch den Staub kaputt, aber unsere Köp- fe wurden frei“, sagt Sideeq Levy, bevor wir zum Hoch- sicherheitstrakt weiterfahren.

Hinter einem Wachturm lie- gen die Sektionen A und B, um- geben von doppelten Maschen- drahtzäunen, zwischen denen scharfe Hunde Fluchtversuche unterbinden sollten. Dort wur- den die Anführer der poli- tischen Gefangenen in Ein- zelzellen isoliert. Der Plan der Apartheid-Regierung, die

„normalen“ kri- minellen Gefan- genen gegen die politischen auf- zuhetzen, war nicht aufgegan- gen – die kri- minellen halfen den politischen sogar. Jede Zelle ist fünf Qua- dratmeter groß.

Kein Bett, kein Stuhl, kein Fen- ster. Die Einzel- häftlinge muss- ten auf blan- kem Boden mit einer Filzdecke neben einem Ei- mer schlafen. So wie Gefan- gener Nr. 46664, der 1994 zum ersten schwarzen Präsidenten Südafrikas gewählt wurde. In der Gemeinschaftszelle für die weniger prominenten politi- schen Gefangenen treten unse- rem Führer plötzlich Tränen in die Augen. Mit dem Stock zeigt er auf Nr. 6063, seine eigene, und auf den Speiseplan. Selbst beim Essen wurde nach Haut- farbe selektiert. Nur Misch- linge bekamen Tee und Brot.

Die Schwarzen mussten sich mit Reis begnügen.

Weil sie tagsüber weder lesen noch schreiben durften, taten sie es nachts neben den vier Kübeln in der Kloecke.

Auf dem Rück- weg zur Anlege- stelle löst sich nur langsam unsere Be-

klommenheit. Die Pinguine stehen noch immer ungerührt an ihrem Platz.

Auch Langa ist nur eine halbstündige Busfahrt von der Waterfront entfernt. Etwa 250 000 Menschen leben in der ältesten Township Kapstadts.

Die 1901 entstandene Schwar- zensiedlung wurde nach dem aufständischen Hlubi-Häupt- ling Langalibalele benannt.

Die Passgesetze zwangen die Schwarzen in die Homelands, in Stadtnähe entstanden illega- le Brettersiedlungen. Passkon- trollen und Zwangsumsiedlun- gen bestimmten den Alltag.

Behördlich wurde zwischen

weiß, malayisch, indisch, farbig und schwarz unterschieden.

Seit dem Ende der Rassen- trennung fahren Touristen durch die Townships, machen Fotos aus dem Bus ohne auszu- steigen. Das zu ändern hat sich Victor Mguqulwa vorgenom- men. Der junge Schwarze ist der Chef von Eziko, einem Re- staurantbetrieb in Langa, wo mit finanzieller Hilfe der Hotel- gruppe Sun International jähr- lich 80 Arbeitslose zu Köchen ausgebildet werden, von denen 80 Prozent später auch Arbeit finden. Die Lehrküche wurde aus vier ausrangierten Schiffs- containern zusammengebaut, in denen 16 Schüler gleichzeitig ihr Handwerk lernen können.

Beim Rundgang durch Lan- ga werden wir mit der harten Realität konfrontiert. Einer- seits leben vier Familien in einem Zimmer, andererseits herrscht Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Windschiefe Wellblechhütten werden durch einfache, billige Häuser ersetzt.

Langsam, aber stetig wird Man- delas Versprechen erfüllt. In vielen Bretterbuden sparen die Bewohner für ein eigenes Zu- hause. Dort, wo die Bewohner ihre neuen Häuser bereits vom Staat gekauft haben, blü- hen Blumen auf der Fensterbank.

Auch Lady Mok- wemas langer Weg zum eigenen Be- trieb ist eine Er- folgsstory, die Hoff- nung macht. Jahre- lang arbeitete die dreifache Mutter als Bedien- stete für ein weißes Ehepaar, bis sie zufällig eine Rechnung für Käse und Wein über 39,95 Rand sah, das Doppelte ihres Monatslohns. Da be- schloss sie, zur Abendschule zu gehen. Sie wollte mehr wert sein, als zwei Stück Käse und zwei Flaschen Wein. Danach eröffnete Lady Mokwema ei- nen Secondhandladen, später wurde daraus eine Garküche.

Ein Mittagessen in ihrem klei- nen, blitzsauberen Restaurant ist fester Bestandteil der neuen Township Tours, die den Besu- chern den Alltag von Langa na- he bringen wollen. Roland Motz V A R I A

A

A1900 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 2625. Juni 2004

Südafrika

Long way to freedom

Auf den Spuren von Nelson Mandela

Reise

Die Einzelhäft- linge mussten

auf blankem Boden mit einer Filzdecke

neben einem Eimer schlafen.

Foto:Roland Motz

Der Hochsicherheitstrakt von Robben Island

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