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Uber die V. soziale Studienreise der deutsche» Garteustadtgesellschaft

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kette cler Selelltckakt kür kommunale Sozialpolitik in kiga.

^ Ns. Zi.

Als Manuskript gedruckt für die Mitglieder der Gesellschaft für kommunale Sozialpolitik in Riga.

Uber die V. soziale Studienreise der deutsche» Garteustadtgesellschaft

uach England.

Vortrag»

gekalten am 12. Oktober >912 in «lep GeseMckast kür kommunale Sozialpolitik in R.iga

P. lia6ijgln,

Architekt^

ZIklt Äköisdungei!.

V. Jakrgang.

Druck

Wiga.

von W. F.

1913.

Hacker.

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Kerickt über 6!e V. loyale 5tu6!enreile 6er 6eutscken Sartenttaätgelellsckatt nack England

ini Zoinmer 1912.

Von Architekt P. W. Ladygin.

Hochgeehrte Anwesende!

Unsere Stadtverwaltung hat es mir möglich gemacht, an der V. sozialen Studienreise nach England, die im Sommer 1912 von der deutschen Gartenstadtgesellschaft unternommen wurde, teilzunehmen.

Bevor ich über die Ergebnisse dieser Reis^ spreche, möchte ich mir erlauben, Sie mit Zweck und Zielen dieser Gartenstadtgesellschaft bekannt zu machen.

Das im Jahre 1898 erschienene Buch des Engländers Ebenezer Howard: „Gartenstädte in Sicht" führte zur Gründung der englischen

„OAi'äsn ^.ssoeiation", und bald darauf im Jahre 1902 ent­

stand auch die deutsche Garteustadtgesellschaft. Die genannte Ver­

einigung ist eine Propagandagesellschaft und erblickt ihr Hauptziel in der Gewinnung des Volkes für die Begründung von Gartenstädten.

Der Begriff der Gartenstadt wird dabei folgendermaßen definiert:

„Eine Gartenstadt ist eine planmäßig gestaltete Siedelnng aus wohl­

feilem Gelände, das dauernd im Obereigentum der Gemeinschaft erhalten wird, derart, daß jede Spekulation mit dem Grund und Boden dauernd unmöglich ist. Sie ist ein neuer Stadttypus, der eine durchgreifende Wohnungsreform ermöglicht, für Industrie und Handwerk wohlfeilere Produktionsbedingungen gewährleistet und einen großen Teil seines Gebiets dauernd dem Garten- und Ackerbau sichert."

Diesen Satzungen gemäß ist die Gartenstadtgesellschaft bemüht, Gründungsgenossenschasten ins Leben zu rufen und öffentliche Körper­

schaften wie auch das Volk für die Verwirklichung ihrer Ziele zu ge­

winnen, was durch Herausgabe einer Zeitschrift, Vorträge, Wander­

ausstellungen und Studienreisen geschieht. Dabei muß vermerkt werden, daß die Garteustadtgesellschaft ihre Propaganda nicht nur aus Deutsch­

land beschränkt, sondern auch andere Länder für die Idee der Garten­

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stadtbewegung zu interessieren sucht. So waren auch jetzt zur Teil­

nahme an der Studienreise verschiedene fremdländische Institutionen aufgefordert worden, und in der Zahl der 150 Beteiligten waren Russen, Rumänen, Dänen und Böhmen, letztere in einer Anzahl von 45 Personen, vertreten. Die Organisation dieser Reise war in jeder Hinsicht vortrefflich, auch ließ der warme und freundliche Empfang englifcherfeits nichts zu wünschen übrig.

Indessen kann man bei einem so kurzen Überblick, wie wir ihn in den 12 Tagen unseres Aufenthalts in England gewonnen haben, nur ganz oberflächlich die englische Wohnweise und Wohnsitte, die Durchführung der Bauten und deren technische Durchbildung kennen lernen, und was ich Ihnen hier referieren kann, erschöpft leider bei weitem nicht das interessante Thema.

Die englische Wohnweise ist eine vollkommen andere als die nnserige, und es wäre verfehlt, sie ohne weiteres auf unsere Verhält­

nisse übertragen zu wollen. Das schließt aber nicht aus, daß wir bei sinngemäßer Anwendung doch eine große Förderung vom Stu­

dium der englischen Wohnweise erwarten dürfen.

Was jedem, der England besucht, wie in der Stadt, so auch aus dem Lande auffällt, ist die streng durchgeführte Trennung der Woh­

nungen voneinander, die in der Ausbildung des Einfamilien­

hauses ihren vollkommensten Ausdruck findet. Bei Durchwanderung der Städte sieht man in den Wohnvierteln kilometerlange Straßen, die mit zwei- oder dreistöckigen kleinen Häusern bebaut sind; solche Mietkasernen wie die nnserigen sind seltene Ausnahmen. Die eng­

lischen, Wohnhäuser haben eine sehr schmale Straßenfront und sind in den Großstädten oft zu Hunderten nach demselben Grundriß und mit derselben Fassadendurchbildung gebaut. So bebaute Straßen sind zwar wenig schön, hier waltet nur der praktische Gesichtspunkt der Massenproduktion, doch ist dem Ganzen eine gewisse Originalität nicht abzusprechen.

Selten trifft man große Geschoßhäuser, und die meisten von diesen gehören zu den kommunalen Wohnungsbauten, die ihrer Plan­

bildung nach übereinandergebaute Einfamilienhäuser darstellen.

Dank der schnellen Entwicklung von Handel und Industrie sind die englischen Städte sehr schnell herangewachsen. Die dabei ange­

sammelte Masse einer unbemittelten Bevölkerung und die hiermit ver­

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bundene Verschlechterung der Wohnungsverhältnisse zwang die Stadt- Verwaltungen, kommunale Wohnungsbauten auszuführen. Hier wur­

den Beispiele gegeben, die Anerkennung und Nachahmung verdienen.

Der erste Schritt galt den Häusern mit schlechten und ungesun­

den Wohnungen. Um das Eingreisen der Gemeindeverwaltung in das Privateigentum zu ermöglichen — denn ohne zwangsweise Ent­

eignung von Bauten und sogar von ganzen Stadtvierteln war ein Ersatz durch bessere Wohnbauten undenkbar —, waren Enteignungs­

gesetze erlassen worden. Diese Enteignungsgesetze wurden im Laufe der Zeit vollkommener ausgebildet und gaben der Gemeinde Schutz vor unberechtigten Forderungen der Hausbesitzer. In weiterer Folge erhielt die Gemeindeverwaltung das Recht, nicht allein die zu sanie­

renden Grundstücke zu enteignen, sondern auch unbebaute (wie im Stadtgebiet, so auch außerhalb desselben), was späterhin von großer Bedeutung wurde.

Doch hat die Gesetzgebung der Gemeinde auch Pflichten auf­

erlegt, und zwar mußte sie für die Ausgesiedelten, sei es beim Durch­

bruch neuer Straßen oder beim Niederreißen der zum Wohnen als ungeeignet befundenen Häuser, Unterkunft schaffen. Es erwachsen dadurch ganz bedeutende Ausgaben, die durch Anleihen gedeckt wer­

den müssen, zu deren Verzinsung und Tilgung besondere Steuern erhoben werden.

Diese Gesetzesbestimmungen haben den Stadtverwaltungen die Möglichkeit gegeben, die kommunale Wohnungsfürsorge in großem Maßstabe durchzuführen. Es wurde darin vieles geleistet, wie in der Provinz, so auch in London, besonders seit der Schaffung des Graffchaftsrates.

Die kommunalen Wohnungsbauten umfassen Logierhäuser, Etageu- n u d K l e i n h ä u s e r ( O o t t a g s s ) . D i e L o g i e r h ä u s e r o d e r L e d i g e n h e i m e sind in England sehr verbreitet, denn hier ist die Vermietung von Bettstellen in privaten Wohnungen nicht üblich. Die erwerbsmäßigen Logierhäuser waren, bevor die Gemeinde ihre Tätigkeit auf dieses Gebiet ausdehnte, Schmutz- und Lasterhöhlen, auch waren sie Herde für verschiedene Krankheiten. Seitdem aber kommunale Logierhäuser bestehen, müssen auch Privatunternehmer, um im Konkurrenzkampf nicht zu unterliegen, besseres bieten. Die meisten dieser Anstalten sind für Männer und nur wenige für alleinstehende Frauen be­

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stimmt. Die Einlogierten zahlen für jede Nacht einen Betrag von 12 bis 25 Kop.

Solche kommunale Logierhäuser besitzen fast alle englischen Groß­

städte, doch stehen London, wo in solchen Bauten 1800 Menschen Unter­

kunst finden, und Glasgow mit Ledigenheimen für 2400 allen voran.

Auf unserer Reise besuchten wir in England ein Ledigenheim in London (Lrues IZouss), das von der Grafschaft im Jahre 1906 er­

richtet worden war und für 685 Männer bestimmt ist. Obgleich das Haus sehr gut eingerichtet ist und in den unteren Geschossen mit Speisesälen, Rauch-, Lese- und Schreibzimmern, Bädern und sonstigen Räumen ausgestattet ist, macht die Anstalt doch eher den Eindruck eines Nachtasyls, als eines Logierhauses oder Ledigenheims. Man findet dort endlose, schmale Gänge, schmale Treppen, die Schlafzellen sind bis aufs äußerste eng bemessen, und die Scheidewände zwischen den Zellen reichen nicht bis zur Decke. Jedenfalls kann sich hier niemand heimisch fühlen, wozu noch der Umstand kommt, daß die oberen Stockwerke mit den Schlafzellen den ganzen Tag über abge- geschlosfen und für niemand, außer dem Dienstpersonal, zugänglich sind. Auch hinter uns wurden die eisernen Gittertüren zugeschlossen, damit die Einwohner nicht die Gelegenheit, zu den Schlafzellen zu gelangen, ausnutzen konnteu. Die Anlage schien mir außerdem uicht übersichtlich genug, und viele von uns suchten Ausgänge aus diesem Labyrinth; doch wenn es einem gelang, an eine Treppe zu kommen, so sand er stets eine verschlossene Gittertür vor sich. Mit einem frohen Freiheitsgefühl verließen wir dieses Haus, und so mancher verglich wohl diese Anlage zu ihren Ungunsten mit dem freundlichen Ledigenheim in Charlottenburg.

Der Bau von großen Etagenhäusern widerspricht, wie ich schon vorhin bemerkte, sonst völlig der Wohnsitte Englands. Die Etagen­

häuser entstanden gewöhnlich an Stelle von niedergelegten ungesunden Stadtvierteln, an Stelle von sogenannten Slums, wo Bodenpreise und Enteignnngskosten zur höchsten Bodenausnutzung zwangen. Die erwähnten Slums sind meistens zweistöckige kleine Häuser, die in jedem Stockwerk nur einen Raum haben. Die Straßen, an denen solche Slums liegen, sind eng; die Breite beträgt zwischen den Häuser­

fluchten 7 bis 14 Fuß, selten mehr. Zuweilen liegen hinter den Häusern ganz kleine Höfe, wo die notwendigsten Hausarbeiten aus­

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geführt werden, zum Teil sind auch keine Höfe vorhanden und alles, was im Hause als störend befunden wird, z. B. Waschtröge, zer­

brochene Möbelstücke usw., wird einfach auf die Straße gestellt. Wird im Hause ein Waschfest gefeiert, was, nach dem Äußeren der Ein­

wohner zu urteilen, wohl nur zu hohen Fest- und Feiertagen ge­

schehen mag, so muß man mit besonderer Geschicklichkeit unter der ausgehängten Wäsche die Straße hinauskreuzen. Hier wohnt dicht zusammengedrängt die ärmste Bevölkerung, hier ist der gefährlichste Herd für alle Infektionskrankheiten und die größte Sterblichkeit, und darum ist es mit Freuden zu begrüßen, daß die englischen Stadtver­

waltungen hier energisch eingreifen und daß, dank ihrer Fürsorge, die Slums allmählich verschwinden.

In Liverpool sahen wir einige von solchen Slums, deren Zahl gerade in dieser Stadt sehr abgenommen hat. In Liverpool sind bis zu diesem Jahre über 22,000 Slums niedergerissen worden und an deren Stelle Etagenhäuser und OottaAes mit 2886 Wohnungen, die 7198 Wohnräume enthalten, ausgeführt. Der Mietpreis für die Wohnräume beträgt hier ca. 70 Kop. pro Woche und Raum. Der Preis variiert je nach dem Stockwerk, und danach kosten die Woh­

nungen von zwei Räumen im ersten Stockwerk ca. 1 Rbl. 80 Kop.

pro Woche, im zweiten 1 Rbl. 50 Kop., dann 1 Rbl. 30 Kop. und 1 Rbl. 20 Kop. Dreiräumige Wohnungen kosten 2 Rbl. 30 Kop., 2 Rbl. 10 Kop., 1 Rbl. 90 Kop. und 1 Rbl. 80 Kop., vierräumige 2 Rbl. 80 Kop., 2 Rbl. 50 Kop., 2 Rbl. 30 Kop., 2 Rbl. 20 Kop. usw.

Inbegriffen in diesen Preisen sind die Ausgaben für den Wasserver­

brauch und die kommunale Wohnungssteuer.

Die Häuser sind an hübschen breiten Straßen belegen und stoßen mit der Rückseite an die schmäleren Wirtschaftsstraßen. Jede Woh­

nung ist mit allen Bequemlichkeiten ausgestattet und jede für sich räumlich ganz getrennt. Die frei oder halboffen angelegten Treppen dienen zur Verbindung der offenen Galerien, die die Häuser von einer Seite umgeben und auf diese Weife die einzelnen Wohnungen auch in den oberen Stockwerken direkt von außen zugänglich machen.

Einzelne Straßen umschließen hübsche Parkanlagen und Rasenflächen, ans denen Turn- und Spielplätze angelegt sind.

Zu erwähnen wäre noch, daß diese Häuser in Liverpool nur Minderbemittelten zugute kommen. Obgleich hier die ärmsten Leute

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wohnen, herrscht ziemliche Sauberkeit; auch die Mieten werden von 98 A der Einwohner pünktlich bezahlt.

Eine viel größere Anzahl von ähnlichen Häusern ist in London entstanden, es sind seit dem Jahre 1902 weit über 6000 Wohnungen erbaut worden. Die Anlage erinnert an die Liverpooler, bloß sind die Häuser bedeutend größer und durchweg fünfstöckig, die freien Plätze zwischen den Blocks bedeutend kleiner; die Mieten aber sind annähernd doppelt so hoch wie in Liverpool.

Beachtenswerter ist die nächste Stufe des kommunalen Wohnungs­

baues — die Cottages. Die Kleinhausbauten sind erst in neuerer Zeit entstanden, als den Gemeinden die Möglichkeit gegeben wurde, außerhalb des Stadtgebietes Grundstücke für Arbeiterwohnzwecke an­

zukaufen. Dieser Umstand war sehr wichtig, denn die Sanierungs­

bauten in größeren Städten erforderten bedeutende Ausgaben; so betrug z. B. der Verlust der Londoner Grafschaft etwa 500 Rbl. pro Kopf der verdrängten und wieder untergebrachten Bevölkerung. Auch ist der Bau von Etagenhäusern keineswegs als Ideal einer modernen Wohnungsfürsorge anzusehen und führte dazu, immer größere Flächen innerhalb der Städte mit Arbeiterkasernen zu bebauen. Daher kaufte der Grasschaftsrat billigeres Land außerhalb der Stadtgrenze, um Kleinhänser darauf zu errichten und auf diese Weise die übervölkerten Stadtteile zu entlasten. So entstand z. B. „Totterdown Fields", eine Vorstadt, die 7200 Menschen in 1233 Hausern beherbergt. Das Totterdown-Fields-Grundstück befindet sich in einer Entfernung von gegen 9 Kilometer von Sharing Eroß (Bahnhof im Zentrum Londons) und hat einen Flächenraum von 38Vs aerss oder 34,226 Quadrat­

faden. Die hier erbauten Häuser sind zweistöckig, in Reihen von nicht mehr als 20 gruppiert und haben Vorgärten von 5 bis 14 Fuß Breite; hinter dem Hause liegt ein kleiner Hausgarten. Im Inneren ist jedes Haus mit zweckentsprechenden Einrichtungen, wie Büffets, Speise- und Kleiderschränken, Regalen?c., versehen. Die meisten Häuser sind auf 3 Räume angelegt, und der Mietpreis beträgt ca.

3 Rbl. pro Woche. Die Kosten des Baues betragen durchschnittlich 70 Rbl. pro Kubiksaden. Die Einwohner dieser neuen Vorstadt haben eine bequeme Verbindung mit der Mutterstadt, wobei der Fahrpreis für eine Tour nur 4 Kop. ausmacht.

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Ähnliche Vorstadtansiedelungen bei London sind auch Hammer­

smith mit 9000 Einwohnern und Woodgreen mit 40,000 u. a. m.

Die Cottages außerhalb des Stadtgebiets weisen günstigere finan­

zielle Resultate auf, als die großen Etagenhäuser in Sanierungs­

vierteln. Es wurde hier eine durchschnittliche Verzinsung aller Bauten von 3,76A erzielt, gegen 2,41A bei den Etagenhäusern.

Die planmäßige Stadterweiterung und Vorstadtgründung fand in der letzten Zeit eine weitere Unterstützung durch den „l'ovm-I'IaQ-

John Burns, der kürzlich Gesetz wurde. Nach diesem Akt hat die Gemeinde das Recht, Bebauungspläne für die Stadter­

weiterung auszustellen und ihre Durchführung auch auf dem privaten Grundbesitz zu überwachen.

Wir sahen schon vorher, daß der städtische Kleinwohnungsbau in seiner Entwicklung in nahe Beziehung zu der Gartenstadt tritt.

Jedoch als direkte und ältere Vorläufer der Gartenstadtbewegung sind verschiedene von Fabrikanten geschaffene Ansiedelungen anzusehen.

Hierher gehören vor allem Port Sunlight bei Liverpool, Bournville bei Birmingham nnd New-Earswick bei Jork.

New-Earswick ist hervorgegangen aus einer Stiftung, die von dem Senior der Schokoladenfabrik Rowntree bei Jork gemacht wurde.

Diese Stiftung Yatte speziell den Zweck, zur Lösung der Wohnungs­

frage der arbeitenden Klassen beizutragen, und ist nicht nur für die Arbeiter der Rowntreeschen Fabrik bestimmt, sondern soll auch son­

stigen Kreisen Minderbemittelter dienen.

Das dazu benutzte Land umfaßt ein Areal von ca. 106,000 Quadratfaden, wovon annähernd 10,000 als Kinderspielplätze ge­

dacht sind.

Der Bau mustergültiger Häuser in Gärten, deren Mietpreis im Rahmen der niedrigeren Mietpreise einer kleineren Stadt, wie Jork, lag, hatte seine Schwierigkeiten. Hier galt es um so schärfer zu rechnen. Die äußere Architektur der Häuser ist daher auch schlicht, doch nicht zum Schaden der Ästhetik. Das für den Bau geliehene KapitalDMß mit 3-3,5L verzinst werden; um das zu erreichen, sind die Mieten der Häuser auf 5—5,5 ^ ihrer Herstellungskosten fixiert worden. Der Überschuß ist für den Unterhalt der Straßen, Wohlfahrtseinrichtungen :c. bestimmt.

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Die Häuser liegen sehr hübsch gruppiert, von Gärten umgeben, der Abstand der Häusergruppen untereinander ist mindestens 50^).

Breite Parkstreifen sind um die Ansiedelung gezogen, auch die öffent­

lichen Gebäude, wie Schule, Vereinshaus und Halle für religiöse Versammlungen, die im Zentrum des Dorfes liegen, sind von weiten Anpflanzungen umgeben. Die Häuser sind, wie ich vorhin erwähnte, sehr schlicht gebaut, auch die innere Einrichtung ist sehr einfach, dabei äußerst solide und geschmackvoll.

Dem Grundriß nach unterscheidet man hier Häuser verschiedener Typen. Der kleinste Typ besteht aus einem Wohnraum (14'6"X10') und einer Spülküche (10'//x6'9") im ersten Stock und drei Schlas- räumeu (ca. II^XlvV^ und 6V4') im zweiten Stock, wobei die innere Höhe 8' beträgt. Das Hans hat einen Kohlenraum, eine Handkammer und Wasserklosetts. Der Mietpreis beträgt 2 Rbl.

20 Kop. für die Woche, die Steuer und Zahlung für den Wasserver­

brauch 50 Kop. Der Baupreis inkl. Land, Straßenanlage und Kana­

lisation macht für einen fochen Bau 2400 Rbl. aus. Der nächste Typ stellt schon bedeutend größere Häuser vor, und außer den vorher erwähnten Räumen haben wir hier in der Spülküche, die 9^ X 8' groß ist, eine Badewanne. Die Schlafräume sind auch bedeutend größer, und der Wohnraum hat Maße von 20'/./ x 11'/«"- Der Baupreis ist 2850 Rbl, der Mietpreis 2 Rbl. 45 Kop. und die Abgaben betragen 72 Kop. die Woche. In derselben Weise steigen die Mietpreise mit dem Baupreis auch bei anderen Typen der Häuser.

Die kleinen Cottages werden je 12 auf einen Acre (889 Quadrat­

faden) hingebaut, die größeren, die schon aus 7 Räumen bestehen und deren Baupreis 3900 Rbl., der Mietpreis 3 Rbl. 70 Kop. pro Woche erreicht, je 19 auf 2 Acres. Jedes Haus besitzt einen Garten, der mindestens 35 Quadratfaden groß ist.

Hier möchte ich noch einige Preise für Arbeitskräfte und Bau- materialen anführen. Die Verblendsteine kosten 17 Rbl. pro Tausend, gewöhnliche Mauerziegel 11 Rbl. 50 Kop. Die Löhne entsprechen annähernd den uuserigen. Ein Maurer erhält 36, ein ZiiMermann 33, Maler 30, ungelernter Arbeiter 24 Kop. pro Stnnd?iHWie es möglich war, bei verhältnismäßig so hohen Preisen doch so wohlfeile Häuser zu baueu, darauf komme ich weiterhin zu sprechen.

i) - ^ Fuß, " Zoll.

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Eine zweite Stiftung des englischen Fabrikantentums ist Bourn- ville, ein Gartendorf, das vom Kakaofabrikanten Cadbnry gegründet wurde. Die Hänser entstanden auf der Besitzlichkeit des Herrn Cad­

bnry in einer Entfernung von 6 Kilometern von der Stadt Birming­

ham. Zuerst begann der Gründer die einzelnen Landparzellen und die darauf befindlichen Hänser zu verkaufen, um auf diese Weise eine Anzahl von kleinen Grundbesitzern zu schaffen. Es zeigte sich jedoch, daß hiergegen viele Bedenken erhoben werden konnten, besonders daß zu wenig Sicherheit dafür vorhanden war, daß ein auf diese Weise erworbenes Besitztum von den neuen Eigentümern auch im Einklang mit den Motiven und Wünschen verwaltet werden würde, die dem Verkäufer vorgeschwebt hatten. Daher wurde beschlossen, die Häuser und das Land auf einen Zeitraum von 999 Jahren in Erbpacht zu vergeben und in den Vertrag Bedingungen aufzunehmen, die die Verwirklichung des vom Pächter angestrebten Zweckes sicherten. Fa­

milien, welche diese Gelegenheit ausnutzen wollten, aber nicht genü­

gend Kapital besaßen, gewährte man Hypotheken auf den Besitz, und zwar für diejenigen, die weniger als den halben Preis bezahlten, zu 3A, für solche aber, die die Hälfte und mehr anzahlen konnten, zu 2 Vs A- Diese Anordnung war in mancher Beziehung zufriedenstel­

lend, doch ließen sich auch hiergegen zum Teil dieselben Einwendungen machen, die gegen den ursprünglich geplanten Verkauf des Landes erhoben wurden. So wurden dann später die Grundstücke nur auf 99 Jahre in Pacht vergeben.

Es muß bemerkt werden, daß die Ansiedelung nicht nur für die Arbeiter der Cadburyschen Fabrik angelegt worden ist, sondern die Hälfte der Einwohner auf anderen Fabriken und in Birmingham beschäftigt ist.

Als die Siedelung entstand, war die nächste Frage, wie das Fortbestehen und die Ausdehnung derselben gesichert werden könnten.

Man beschloß, eine Verwaltung einzusetzen, die das Besitztum im Einklang mit den in der Gründungsurkunde niedergelegten Bedin­

gungen erhalten und verwalten sollte. Der mögliche Überschuß soll dabei zum weiteren Bau von Häusern und zum Ankauf von Grund­

stücken in der Nähe von Birmingham dienen, so daß eine Möglich­

keit vorliegt, neue Ansiedelungen unter denselben Bedingungen wie Bournville zu gründen. Die Stiftung ist ein vollständiges Geschenk

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gewesen, kein Teil des Kapitals oder der Einkünfte fließt dem Geber oder seinen Rechtsnachfolgern zurück. Der Grund und Boden ist jetzt 530 Acres groß, und der Wert der Stiftung beträgt ca. 2^/s Mill. Rbl.

Einige Auszüge aus der bereits erwähnten Gründungsurkunde werden sicher von Interesse sein. Erstens wird der Wunsch ausge­

sprochen, daß die Bauten nur ^'4 des Grundplatzes einnehmen sollen, auf dem sie errichtet werden, der übrige Teil soll als Garten oder freier Platz mit dem Hause verbunden sein. Die Mieten müssen so bemessen werden, daß sie von den arbeitenden Klassen bezahlt werden können, ohne sie jedoch in die Lage zu bringen, Almosen­

empfänger zu sein. Jeder Teil des Besitztums darf zu Läden oder Fabriken verwandt werden, doch soll keine Fabrik mehr als Vis des ganzen Grundstückes einnehmen, auf dem sie gebaut wird. Die Ver­

waltung darf das Land für die Bebauung vorbereiten, darf Geld borgen, Kapitalien anlegen, auch Land für Gotteshäuser, Hospitäler, Schulen zc. hergeben, doch müssen diese Institute derartig organisiert werden, daß sie aus das sorgfältigste alle Einflüsse von Sekten aus­

schließen und jegliche Klasseneifersucht vermeiden. Auch wird es der Verwaltung nahegelegt, den Verkauf von geistigen Getränken mög­

lichst ganz zu verbieten. Das sind die Hauptgründungsbedingungen von Bournville.

Im Anschluß daran möchte ich eine kurze Beschreibung der An­

siedelung, wie der Besucher sie heute vorfindet, geben.

Das Dorf hat eine sehr glückliche Lage in einer gesunden Ge­

gend. Der Boden ist gewellt und gut bewaldet; soweit es anging, wurden die Bäume stehen gelassen, auch ist eine große Anzahl von Bäumen neu angepflanzt worden. Die Häuser sind halb freistehend, d. h. nur an einer Seite an das Nachbarhaus angebaut, oder sie stehen zu dreien oder vieren zusammen. Es kommen ungefähr 6 Häuser aus einen Flächenraum von 900 Faden (1 Acre), inklusive Straßen.

Die meisten Eottages haben zwei Wohnräume, eine Abwaschküche, drei Schlafzimmer und die gewöhnlichen Bequemlichkeiten. Es gibt auch Häuser mit einem großen Wohnzimmer, statt der zwei kleineren, und einige wenige Häuser mit nur zwei Schlafzimmern.

Die billigsten Häuser, die im Besitz der Dorfverwaltung sind, werden zum Preise von 2 Rbl. 20 Kop. pro Woche vermietet, größere kosten bis zu 4 Rbl., wobei in dieser Summe die Steuern nicht in­

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begriffen sind. Das Grundstück, das jedem Hause zugeteilt wird, ist durchschnittlich 105 Qu.-saden groß, der darauf befindliche Garten wird von erfahrenen Gärtnern gleich beim Bau des Hauses angelegt, so daß der Pächter oder Eigner (solche gibt es in Bournville gegen 160) nicht etwa gezwungen ist, unkultiviertes Land zu bearbeiten. Das Gartenland wird meistens sehr gut ausgenutzt und soll im Durch­

schnitt an Obst und Gemüse für 90 Kop. pro Woche abwerfen. Im ganzen sind zurzeit 807 Häuser gebaut und von annähernd 4000 Menschen besiedelt. Es besteht eine große Nachfrage nach Häusern, und die Mieter ziehen selten wieder aus, es sei denn, daß sie ganz und gar die Gegend verlassen.

Emen ebenso interessanten und gelungenen Versuch einer Garten­

ansiedelung stellt Port-Sunlight in der Nähe von Liverpool dar.

Herr William Lever, Inhaber einer weltbekannten Seifenfabrik, be­

stimmte nach Ankauf des Landes für sein Unternehmen, daß V?

der Fläche für das Geschäft und für eine Ansiedelung verwandt werden sollten. Mit dem Wachstum der Fabrik wurde auch immer mehr Land angekauft, und zur Zeit erstreckt sich das Werk über 96 Acres, und weitere 135 Acres sind für den Bau von Kleinhäusern ausgenutzt worden. Die Zahl der Häuser beträgt 800, und nach der Bestimmung des Gründers dürfen nicht mehr als 10 Häuser pro Acre (889 Faden) gebaut werden. Es liegt immer noch die Möglichkeit vor, die Gartenansiedelung noch weiter auszubauen, denn der freie Grundbesitz der Aktiengesellschaft, in welche das industrielle Unternehmen umgewandelt wurde, beläust sich auf ein stattliches Areal von 440 Acres in Port-Sunlight und Umgebung. Das Dorf darf nicht, wie New-Earswick oder Bournville, als ein von der Fabrik abgesondertes Arbeiterwohnungssystem angesehen werden, vielmehr war es von Ansang an ein Stück der industriellen Organisation von Port-Sunlight und wuchs in demselben Maße, wie das Geschäft aus­

blühte. Die Häuser sind an die Angestellten und Arbeiter der Fabrik gegen einen Mietpreis vergeben, dessen Höhe für die Instandhaltung der Bauten genügt.

Die Cottages in Port-Sunlight sind auf zweierlei Art gebaut, entweder mit einer Wohnküche oder mit getrennter Küche und Wohn­

zimmer. Ausnahmen machen nur einige größere Häuser für die höheren Beamten der Fabrik. Im ganzen erinnern die Bauten ihrem

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Plane nach an solche in Bournville oder Earswick, doch ist das Außere der Kolonie viel eleganter. Die Vorgärten werden von der Firma in Ordnung gehalten, wofür die Einwohner ungefähr 10 Kop. pro Woche zu zahlen haben. Die Gärten hinter den Häusern stehen den Mietern zur freien Verfügung und werden hauptsächlich zum Obst- und Gemüsebau ausgenutzt.

Die Firma verzichtet aus die Verzinsung des Anlagekapitals, und der Mistpreis ersetzt, wie schon erwähnt, nur die Jnstandhaltnngs- kosten nebst 1A für Entwertung. Die Baukosten betrugen für die besagten Arten von Häusern 3200 und 5300 Rbl., die Miete beträgt demnach 2 Rbl. 10 Kop. und 3 Rbl. die Woche, welche Summe hie und da von eifrigen Parzellengärtnern durch ihren Obst- und Ge­

müseertrag gedeckt wird. Außerdem wird die Zahlung der Miete durch ein Prosperitäts-Anteilhaberschastssystem erleichtert. Nach diesem System sind die Angestellten und Arbeiter, ihren Dienstjahren und Lohnbezügen entsprechend, an der Dividende der Fabrik beteiligt.

Durch diese Einrichtung und die gesamte Fürsorge, die beim Bau der Häuser zutage tritt, verstand es die Fabrikleitung, sich einen Trupp von beständigen und anhänglichen Arbeitern zu schaffen und zu erhalten.

Da Herr Lever die ersten Architekten Englands heranzog, so stellt die Kolonie geradezu eine Ausstellung einer ganzen Fülle von reizvollen und interessanten Häusertypen dar, die in ihrem schönen Gartenschmuck wohl nirgends ihresgleichen findet. Auf mich machte die Ansiedelung durch ihre Schönheit einen großen Eindruck, dazu war, als wir hinkamen, noch ausnahmsweise schönes Wetter, und nach so vielen regnerischen Tagen hatte man den Eindruck, als ob in England nur in Port-Sunlight die Sonne wirklich zum Vor­

schein kommt.

Die erwähnten Ansiedelungen, besonders Bournville, rücken dem Ideal einer wirklichen Gartenstadt immer näher und können als ein Ubergang zu dieser modernen Wohnform betrachtet werden.

Bevor ich über die Entstehung der wirklichen Gartenstädte be­

richte, möchte ich hier kurz die zwei Faktoren dieser neuen Strömung erwähnen, nämlich die Bau- und die Mietergenossenschast.

Der Zweck einer Baugenossenschaft wird im englischen Gesetz folgendermaßen definiert: „Durch Zeichnung von Mitgliedern ein

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Kapital aufzubringen, um Mitgliedern aus den Fonds der Gesellschaft Geld zu leihen und zwar gegen hypothekarische Sicherstellung auf freiem Grundbesitz oder Erbpachtbesitz." Also wirkt das genossen- schaftliche Kreditsystem zur Beschaffung von Grundbesitz, und es er­

werben dabei Anteile nicht nur baulustige Mitglieder, sondern auch solche Leute treten bei, die nur ihr Geld gut und sicher anlegen wollen.

Der Erwerb des Landes und der Bau eines Hauses bleibt jedem einzelnen überlassen. Die Häuser, die dieser Organisation ihren Ur­

sprung verdanken, liegen daher auch vollkommen zerstreut, und ge­

schlossene Ansiedelungen sind auf diesem Wege nicht entstanden. Die Zahl solcher Baugenossenschaften beträgt gegenwärtig in England gegen 2000, und es werden jährlich gegen 190 Millionen Rubel eingezahlt

und gegen 100 Millionen an Hypotheken vergeben.

Den weiteren Schritt, nämlich den gemeinschaftlichen Erwerb von Grundstücken und die gemeinschaftliche Erbauung und Verwal­

tung von Häusern, hat die englische Genossenschaftsbewegung erst in jüngerer Zeit in der Form der „OopÄrtutti-sdip l'önautZ

(Mietergenoffenfchaften) getan. Das Feld der Tätigkeit dieser Mieter­

genossenschaften bilden meist Gegenden mit dichter Bevölkerung, vor allem Großstädte und deren Umgebung, wo der Grund und Boden teuer und die Mieten schon sehr hochgeschraubt sind. Diese Art von Genossenschaft entstand auch aus dem Bedürfnis des Arbeiters, im Interesse einer ungehemmten wirtschaftlichen Existenz nicht an die Scholle gefesselt zu sein. Es handelt sich hier nur um Mietwoh­

nungen, so daß nur der Mietpreis und nicht etwa außer diesem noch eine Kaufquote zu zahlen ist.

Dem Arbeiter verdankt diese Organisation auch ihr ungewöhnlich schnelles Wachstum. Sie entstand im Jahre 1903, und schon im Jahre 1911 betrug die Summe des angelegten Kapitals über 10 Millionen Rubel.

Diesen Bau- und Mietergenossenschasten ist auch die größte An­

zahl von englischen Gartenstädten zu verdanken.

Als ein wohlgelungenes Beispiel einer englischen Gartenstadt, eine Verwirklichung der Ideen des Herrn Ebenezer Howard muß ich hier Letchworth nennen, die sogenannte erste Gartenstadt.

Im Jahre 1902 erfolgte die Gründung der „(Zai-ävu (üitv I>io- nesr mit einem Kapital von 200,000 Rbln., die sich

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die Aufgabe stellte, Land für die erste Gartenstadt zu erwerben.

Heute, nach zehn Jahren, ist die seinerzeit als Utopie hingestellte Gründung aufs schönste zur Wirklichkeit geworden.

Die Gesellschaft kaufte ca. 1500 Deffätinen Land zu 1000 Rbl.

pro Dessätine beim Dörfchen Letchworth, ca. 50 Kilometer nördlich von London. Bald nach ihrer Gründung verwandelte sich die?iov66r Oompan? in die erste Gartenstadtgesellschaft mit einem Kapital von 3 Millionen Rubeln, auf das bis jetzt rund 2 Millionen eingezahlt wurden. Wie die meisten dieser englischen Gründungen, beschränkt die Gesellschaft ihre Dividende auf 5A, mit dem ausgesprochenen Zweck, alle Überschüsse der Gesamtheit der Ansiedler zugute kommen zu lassen.

Der Bebauungsplan, der durch ein nationales Preisausschreiben gewonnen wurde, ist eine in gleicher Weise soziale, hygienische und künstlerische Gesichtspunkte verwirklichende praktische Gestaltung von Ebenezer Howards theoretischem Gartenstadtplan. Die Hauptstraßen laufen radial vom Zentrum aus und werden von polygonal verlau­

fenden Querstraßen geschnitten. Das Industrieviertel ist durch eine Bodenwelle und einen Parkstreifen von den Wohnvierteln getrennt und so gelegen, daß die herrschenden Winde den Rauch von der Stadt wegwehen. Auf das eigentliche Stadtgebiet entfällt nur der dritte Teil des erworbenen Landes, während der übrige dauernd der gärtnerischen und landwirtschaftlichen Kultur dieuen soll und so eine große baufreie Zone um die Stadt bildet. Auch innerhalb der An^

siedelnng bleibt ein großes nnüberbantes Areal bestehen, das außer den Hausgärten und Straßen ungefähr Vs der bebauten Fläche ausmacht.

Die Haupttätigkeit der bodenbesitzenden Gesellschaft besteht bis­

her in der Ausschließung des Geländes. Es sind rund 56 Kilometer neue Straßen, 78 Kilometer Kanalisation, 112 Kilometer Wasser­

leitungsstränge und 84 Kilometer Gasleitung bisher angelegt worden.

Außerdem baute die Gesellschaft ein großes Wasserwerk, Gas- und Elektrizitätswerk, Schwimmbad, Waschanstalt ?c. und bezieht ihre Einnahmen nicht nur aus Bodenpacht, sondern auch aus diesen ge­

meinnützigen Unternehmungen. Die Gesellschaft vergibt das baureife Land an Private und die erwähnten Mietergenossenschaften, deren in Letchworth zwei bestehen, in 99- und 999jährige Erbpacht. In Be­

rechnung gezogen wird nur der tatsächliche Umfang des Grundstücks, und keinerlei Sondergebühren für Straßenanlagen, Kanalisation usw.

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— 37 —

werden erhoben. Der Pachtpreis beträgt jährlich zwischen 3 und 6 Kop. pro Quadratmeter, je nach der Lage des Grundstücks und seiner Entfernung vom Zentrum der Stadt. Die billigeren Einfamilien­

häuser werden fast ausschließlich von den Mietergenossenschasten aus­

geführt; sie enthalten eine Wohnküche, Abwaschküche, 3 Schlafzimmer und Bad. So ein Bau erfordert rund 2500 Rbl. und wird ein­

schließlich Garten für eine Wochenmiete von 2 Rbl. 50 Kop. an abge­

geben. Im ganzen sind bis jetzt 1700 Einsamilienhäuser gebaut worden.

Auch die industrielle Entwicklung von Letchworth ist zufrieden­

stellend. Den Anfang machte eine Maschinenfabrik, es folgten einige Buchdruckereisn und Buchbindereien, Textil- und Motorfabriken, die ausgedehnten bautechnischen Werkstätten der Mietergenossenschaften, im ganzen etwas über 30 größere industrielle Unternehmungen; dazu kommt noch eine Anzahl von kleineren Betrieben.

Die erste Gartenstadtgesellschaft ist Besitzerin nicht nur des Gas- und Elektrizitätswerks, sie ist auch Herrin der Gasthäuser, der Ver­

kehrsmittel und vor allem des Grund und Bodens. Es ist weiter beschlossene Sache, daß alles dieses später in die Hände der politischen Ge­

meinde übergeht, indem Letchworth eine Stadtverfassung erhalten wird.

Haben wir es bisher mit Gründungen zn tun gehabt, die im Zusammenhange mit der Industrie und, wie Letchworth, in größerer Entfernung von den Städten ins Leben gerufen wurden, so vertritt Hampstead bei London den Gartenvorstadttyp und bildet eine große abgeschlossene gemeinnützige Wohnsiedelnng. Das Land, an­

nähernd 270 Dessätinen, wurde von der „Unwpstsaä Zuburd 1'rust" erworben, die ihre Dividende ebenfalls auf 5I beschränkt.

Gleichwie in Letchworth, baut auch hier die gemeinnützige Terrain­

gesellschaft nicht selbst, sondern erschließt nur das Gelände. Durch Anlage von Straßen und Kanalisation erreichte hier der Bodenpreis 2 Rbl. pro Quadratmeter. Die Gesellschaft vergibt das Land zu Bauzwecken nur in Erbpacht aus 99 Jahre. Die Mietergenossenschasten erhalten den Boden zum Selbstkostenpreise mit dem Recht, nach Ab­

lauf der festgesetzten Frist die Pacht auf weitere 99 Jahre zu erneuern.

Der größte Teil von den 900 bestehenden Häusern, in denen schon jetzt über 5000 Menschen wohnen, wurde von den 3 Mietergenossen­

schasten gebaut. Die Ansiedelung würde nach ihrer vollständigen Ausgestaltung im ganzen für 32,000 Menschen Unterkunft bieten.

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In Hampstead wohnen die verschiedensten Bevölkerungskreise:

vom Arbeiter, der 100 Rbl. Jahresmiete zahlt, bis zum hochgestellten Beamten oder Angehörigen freier Berufe mit 1000 Rbln. Hausrente.

Die Absicht der Gründer, hier durch Mischung der in England getrennt lebenden verschiedenen Bevölkerungsschichten ein größeres gegenseitiges soziales Verständnis zu ermöglichen, ist in hohem Grade geglückt und wird noch gefördert durch eine Anzahl gemeinnütziger Institute, Versammlungen und Diskutierklubs.

Außer den angeführten Gartenstädten besuchten wir noch die Garten­

vorstadt bei Hnll, Harborne bei Birmingham, eine überaus reiz­

volle Kolonie, die vom architektonischen und städtebaulichen Standpunkt als mustergültig zu bezeichnen ist, und endlich Ealing bei London.

Ich werde hier darauf verzichten, diese Gartenstädte und ihre Entstehung zu beschreiben, denn sie gleichen im großen und ganzen denen, die ich als typische vorhin angeführt habe. Man sieht überall freundliche Häuser, von Gärten umgeben, man kommt in schöne, helle Räume, und man fühlt geradezu, daß hier die Menschen gesund wohnen.

Daß die Anlagen wirklich sehr hygienisch und gesund sind, zeigen uns die statistischen Daten über die Sterblichkeit. Es betrug die Sterblichkeit auf 1000 Lebende im Durchschnitt von 5 Jahren in Port-Sunlight 7,62, Bournville 5,5, Letchworth 4,8, Hampstead 4,2, während für Liverpool die Sterblichkeit 20,3, Manchester 19,g8 und für 26 englische Großstädte im Durchschnitt 15,s.ist. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, daß der Zuzug in die Gartenstädte sich aus den kräftigsten Altersklassen rekrutiert, was die Sterblichkeit gleichfalls herabdrückt. Ausschlaggebender sind daher die Ziffern der Säuglings­

sterblichkeit. Für den angeführten Zeitraum war sie (auf 1000 Ge­

burten) in Letchworth 38, 4 , in Bournville 80,s, in Port-Sunlight 65, 4 ,

währrend die Durchschnittszahl für 26 englische Großstädte auf 145 steigt. Diese schönen Resultate gegenüber den größeren Städten sprechen schon an und für sich zu Gunsten der Gartenstadtbewegung.

Gegenüber der Dichte des Wohnens, dem Staub und Ruß, dem Lärm der Straße und des Hauses, dem Erdrückenden des Häusermeeres in der Großstadt — haben wir hier kleine Häuser mit zahlreichen, wenn auch zum Teil kleinen Räumen, frische Luft, Helles Licht und köstliche Ruhe. Daß diese günstigen Momente, die die Gartenstadt mit sich bringt, auch die Gesundheit stärken und fördern müssen, liegt

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auf der Hand und wurde schon durch die angeführten statistischen Zahlen bewiesen.

Das Land für eine Gartenstadt wird sehr sorgfältig ausgewählt, und alle Vorzüge und Nachteile des zu erwerbenden Bodens werden in Betracht gezogen. Hier spielen, neben der technischen Möglichkeit und der Möglichkeit einer guten Verbindung mit der Großstadt, auch die hygienischen Erfordernisse eine große Rotte. Wir haben schon vorhin gesehen, einen wie geringen Teil die bebaute Fläche im Ver­

gleich zum gesamten Areal ausmacht, und man sieht überall die Be­

strebung, große Grünflächen innerhalb der Siedelungen anzulegen und sogar, wie in Letchworth, ganze Parks und landwirtschaftliche Zonen zu erhalten.

Bei der Anlage von Straßen ist man immer bestrebt, eine solche Gestaltung zu schaffen, daß alle Wohnräume der Häuser zur Sonnen­

seite zu liegen kommen.

In Harborne sind die Häuser an der Nordseite der Straßen so erbaut worden, daß sie mit ihren Rückseiten und den daran stoßenden Wirtschaftshöfen zur Straßenflucht liegen; doch ist die Ausbildung des Ganzen dabei so geschickt durchgeführt, daß man an nichts Anstoß nehmen kann. Es ist ja selbstredend, daß das Gelände einer Garten«

stadt vor der Bebauung schon durch Anlage von Kanalisation und Wasserversorgung erschlossen wird, wobei auf ein gesundes Trinkwasser großer Wert gelegt und dieser Umstand beim Erwerb des Grundstückes im Auge behalten wird.

Die Einrichtung der Entwässerung hat zuweilen große technische Schwierigkeiten zu überwinden, und schon diese Anlagen allein sind hier des Studiums wert. Meistens handelt es sich dabei um Errich­

tung von großen biologischen Klärungsanlagen, die weit außerhalb der bebauten Zonen sich befinden.

Die Staubplage wird einerseits durch ausgedehnte Rasenflächen und Anpflanzungen, andererseits aber durch eine geschickte Bauweise der Straßen bekämpft. Man kann in den englifchen Gartenstädten verschiedene Arten von Straßen unterscheiden. Vor allem die großen Verkehrsstraßen, deren Fahrdamm ca. 42 Fuß breit ist; zu beiden Seiten des Fahrdammes sind Rasenstreifen von ca. 8 Fuß Breite;

auf diesen Streifen werden auch Bäume angepflanzt; neben dem Rasen liegt der 4—5 Fuß breite Fußsteig; zwischen ihm und der

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40 —

Häuserflucht befinden sich die Vorgärten. Der Oberbau des Fahr­

dammes besteht aus einer ungefähr 2 Vs zölligen Schicht heiß aufge­

tragenen Asphaltbetons, bestehend aus Asphalt und feinem Stein­

schotter; der Unterbau ist 5—6 Zoll stark und wird aus Steinschlag mit Kalkmörtel und Portlandzementzusatz gebildet.

Die gewöhnlichen Wohnfiraßen haben makadamisierten Ober­

bau. Gewöhnlich ist der Fahrdamm nur 14' breit und bei Vorhan­

densein von Ausweichestellen sogar noch schmäler. Natürlich sind hier auch Fußsteige und Vorgärten, zuweilen auch Rasenstreifen vorhanden.

Zwischen den Gärten, die hinter den Häusern liegen, findet man nur ganz schmale Wirtschaftsstraßen oder richtiger Wirtschaftsgänge, denn die Breite beträgt nur ungefähr 5'; doch genügt diese Breite, um mit dem Handwagen bequem durchzukommen und den nötigen Vorrat an Kohlen oder sonstigen Waren zu den Wirtschastskammern zu führen.

Man sieht bei der Anlage von Straßen, besonders Fahrdämmen, eine große Sparsamkeit walten, um die Kosten der Bodenerschließung und des Unterhalts möglichst zu verringern und dadurch auch die Miet­

preise dementsprechend niedrig ansetzen zu können. Aus diesem Grunde findet man oft Sackgassen, deren Fahrdamm am Ende mit einer kreisförmigen Verbreiterung versehen ist, um die Fuhrwerke umkehren zu lassen. In angemessener Entfernung von diesem Kreise liegen die Häuser, vor denen sich so, zu großer architektonischer Wirkung, ein hübscher freier Platz befindet. In diesem Falle führen zu den Häusern nur Wirtschaftsgänge, und der Grund für die Häuser stellt sich dementsprechend bedeutend billiger.

Man muß überhaupt staunen über manche gelungene Planbil­

dung der Straßen, wobei möglichste Ökonomie von ausschlaggebender Bedeutung war. Die Bebauungspläne der meisten englischen Garten­

städte stammen von den besten Architekten und gingen aus nationalen Wettbewerben hervor. Wie die Hauptstraßen, so sind auch die Wohn­

straßen, und diese ganz besonders, dem Gelände vorzüglich angepaßt und machen durch ihre Krümmungen und die reiche Abwechslung der Ausblicke einen vorzüglichen Eindruck.

Vorhin habe ich bereits die Planbildung eines Einfamilienhauses

— und es handelt sich hier nur um solche — besprochen. Die Häuser werden meistens zu Gruppen von 2 bis 8, sogar zu 10 vereinigt, doch stellt jedes Haus mit dazu gehörigem Garten eine Einheit für sich dar.

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Wenn man die Bauweise der Häuser näher betrachtet, so findet man die Erklärung für die verhältnismäßig niedrigen Miet- und Baupreise, Preise, zu denen man bei uns, wenn auch die Arbeitskräfte und Bau­

materialien annähernd ebenso hoch bewertet werden wie in England, nichts Gleichwertiges bieten kann. Hier spielen vor allen Dingen die klimatischen Verhältnisse eine wichtige Rolle.

Das milde Klima erlaubt es, Außenwände nur einen Stein stark (10") zu bauen und einfache Fenster zu verwenden, auch braucht die Dachkonstruktion nicht für die große Schneelast berechnet zu werden.

Der Hauptzweck der Heizanlage in den Wohnräumen ist es, eine möglichst gute Ventilation im Winter beim hohen Feuchtigkeitsgehalt der Außenluft zu bewerkstelligen; daher finden wir fast durchgängig die Anlage von Kaminen, die sich bedeutend billiger stellen als unsere Kachelöfen.

Wenn man verschiedene Baukonstruktionen näher betrachtet, so staunt man, wie sparsam der Engländer das Material verwendet, wie genau alles berechnet wird. Auch ist die Erbauung mehrerer Häuser von gleichem Typus und zu gleicher Zeit von Bedeutung, ein Umstand, der eine gewisse Massenproduktion von gleichen Artikeln bedingt und dadurch die Beschaffung der einzelnen Bauteile verbilligt.

Doch muß dabei wieder betont werden, daß die Bauten bis in die kleinsten Details, wenn auch schlicht, so doch sehr dauerhaft, solide und nicht ohne eine gewisse Eleganz ausgeführt werden.

Auch der Anlageplan der Häuser gibt ein Muster für sparsame Ausnutzung des Raumes. Hier muß ich auf folgende Gesichtspunkte aufmerksam machen: Einschränkung der Geschoßhöhe, der Vorplätze und Treppen auf das allergeringste, ferner zweckmäßige Anordnung der einzelnen Wohnräume, nebst Abgeschlossenheit und rationeller Durchbildung derselben. Besonders der erste Punkt dürfte von maß­

gebender Bedeutung für die Herstellungskosten eines Kleinhauses werden. Es ist naturgemäß, daß in Geschoßhäusern eine größere Höhe der Räume notwendig ist, als in einem freistehenden Einfamilien­

hause, wo eine Querlüstung immer möglich ist und nie eine dauernde übersüllnng der Räume eintritt. Der Vorteil der geringeren Höhe (in England gewöhnlich 8 Fuß) ist einerseits in sparsamer Erwärmung, andrerseits aber in Ersparnissen an den Baukosten zu suchen. Es ist nicht allein das ersparte Mauerwerk und die geringeren Kosten für die

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Treppen, sondern ebenso wesentlich die Verminderung des Raumes, welcher bei niedrigerer Treppe erzielt wird, und jeder Quadratfuß bebauter Fläche weniger verringert die Bausumme und desgleichen den Mietzins. Dem Engländer liegt es nahe, zu der großen Ein­

schränkung des Grundrisses zu kommen, schon weil er mit ganz an­

deren Möbeln zu rechnen hat als wir. Er kann seine Gänge und Treppen auf ein ganz minimes Maß beschränken (man findet Treppen von 27 " Breite), weil er keine Schränke nnd großen Möbel­

stücke zu befördern hat. Schrankmöbel in unserem Sinne scheinen in England außer den Fremdenhotels unbekannt zu sein, man hat dafür eingebaute Schränke, die besonders im Obergeschoß unter den Dach­

schrägen, neben Kaminvorsprüngen nnd dergleichen sehr bequem an­

gelegt werden und dabei die Fläche des Raumes besser auszunutzen gestatten. Die Schlafräume, die sich im oberen Geschoß befinden, sind ziemlich eng bemessen, im Durchschnitt 7' x 11', doch gewähren sie noch immer genügend Platz, um die nötigen Möbel bequem hin­

zustellen, weil die Zimmer nur ein Fenster und nur eine Eingangs­

tür haben und dadurch die Wandflächen gut auszunutzen sind. Die Wohnräume im unteren Stock erhalten dagegen viel größere Maße, im Durchschnitt 20' X 14' und sind zur Aufstellung größerer Möbel und zur gleichzeitigen Ansammlung von mehreren Menschen bestimmt. Falls nur ein Wohnraum, der zugleich auch als Küche benutzt wird, vorgesehen ist, so wird er noch reichlicher bemessen.

Gewöhnlich ist der Kamin einer Wohnküche in einer Nische unterge­

bracht und ist auch zu gleicher Zeit als Wärmespender und Küchen­

herd hergerichtet; seine Bestimmung geht noch weiter, er wärmt das Wasser sür die an der Wohnküche liegende Abwaschküche und für die Badewanne, und in einzelnen Fällen wird auch eine Warmwasser­

heizung für das Haus an einen solchen Kamin angeschlossen.

Um das hier gegebene Bild der englischen Gartenstädte zu er­

gänzen, muß ich noch die entstandenen Kommunalbauten erwähnen.

Alle Gartenstädte besitzen eigene Schulen, Port-Sunlight sogar ein technisches Institut, Kindergärten :e. Diese Bauten sind neueren Datums und zeigen im Grundriß manchen neue Ideen. Die Schul­

häuser sind gewöhnlich einstöckig, und man vermißt oft Korridore, die zum Teil durch offene, den inneren Hof umschließende Hallen, zum Teil durch einen großen Saal ersetzt werden. Die den Fenstern

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gegenüberliegende Klassenwand hat auch in ihrem oberen Teil breite, aber niedrige Fenster, die über dem Dach der Hallen oder Korridore münden und eine ideale Querlüftung der Klassenräume gestatten.

In den Klassenzimmern und Sälen sind die Wände stets mit schönen Gravüren nach berühmten Gemälden, historischen Bildern und Photo­

graphien geschmückt, was, außer der Belehrung und Geschmacksbil­

dung, den Räumen einen freundlichen Charakter verleiht.

Auch im weiteren wird für die Jugend sehr gut gesorgt. Man findet großartige Turnsäle, Sport- und Spielplätze, auch Schwimm­

anstalten im Freien und in gedeckten Räumen; ja, die Schwimm- und Badeanstalt in Bournville könnte ihrer Größe und Ausführung nach mit jeder in westeuropäischen Großstädten in Konkurrenz treten.

Viele von den Gartenstädten haben öffentliche Bibliotheken, alle besitzen Klubgebäude, die mit echt englischem Komfort und Behag­

lichkeit eingerichtet sind; auch fehlen nicht die Versammlungshallen, Theaterbühnen :c. Port Sunlight hat sogar ein kunstgewerbliches Museum und eine Gemäldegalerie, zu deren Entstehung der Gründer der Kolonie, Herr Lever, viel beigetragen hat, indem er ihnen alle Schätze seiner umfangreichen Privatsammlungen zum allgemeinen Wohl gestiftet hat.

Auch die minderbemittelten alten Leute haben es nicht schlecht in den Gartenstädten. Ich habe in den Ansiedelungen etliche Alters­

versorgungshäuser gesehen; diese Häuser werden meistens einstöckig gebaut, jeder Einlogierte erhält ein Wohnzimmer mit abgeteiltem hellen Alkoven für das Bett. Auch hier ist das Prinzip des engli­

schen Wohnwesens beibehalten, denn jedes Zimmer mit dem Alkoven bildet eine besondere Wohnung und ist mit allen Wirtschaftsbequem­

lichkeiten versehen. Selbstredend sind auch diese Häuser mit Garten­

anlagen umgeben, und in Bournville, wo ein solches Alteleute-Haus einen großen Gartenhof umschließt, ist die Anlage direkt künstlerisch zu nennen. Die Zahlung für die Zimmer ist in solchen Häusern sehr gering und übersteigt nie 40 Kop. pro Woche, die ganz Armen werden aus Kosten der Genossenschaften unterhalten und verpflegt.

Zum Schluß möchte ich noch ein Gartenfest erwähnen, das wir, dank der freundlichen Einladung der Mietergenossenschaft, in Ealing mitmachten.

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Wie in Hampstead, so ist auch in Ealing die Einwohnerschaft aus sehr verschiedenartigen Gruppen zusammengesetzt; hier sind alle Schichten der Gesellschaft, von der niedrigsten bis zur obersten, ver­

treten, und schon deshalb allein war es interessant, dieses Fest, welches zum Jahresabschluß der Genossenschaft gegeben wird, zu besuchen.

Nach dem offiziellen Teil, in dem die Resultate des Abschlusses ver­

kündigt wurden, begannen die Belustigungen und Sportspiele. Es wurde deren eine Menge geboten, und zwar zu gleicher Zeit an vielen Stellen, für jung und' alt; fast alle Einwohner des Ortes waren da, und nach dem Geschäftsschluß war auf den weiten Plätzen ein förmliches Gedränge. Es fanden Wettbewerbungen statt im Singen und Tanzen, in verschiedenstem Sport, und daran nahmen, wie die Arbeiter, so auch Damen und Herren der höheren Stände teil.

Um auch die Resultate des Gartenbaues vorzuführen, fand hier eine große Obst-, Gemüse- und Blumenausstellung für die Erzeugnisse der Hausgärteu der Einwohner statt. Es waren da manche schöne Exemplare von Obst- und Blumenarten zu sehen, die auch auf einer professionellen Ausstellung ihren Platz hätten behaupten können. Für die besten Erzeugnisse waren Geldpreise ausgesetzt. Überall auf dem riesigen Platz der Kolonie war ein lustiges Treiben von fröhlichen Menschen, obgleich es auch an diesem Tage ununterbrochen regnete und kalt war. Diese Fröhlichkeit ist auch nicht auf Rechnung des Alkohols zu setzen, denn den findet man hier nicht, ebensowenig wie in den anderen englischen Gartenstädten.

Hochverehrte Anwesende! Ich habe hier versucht, das, was ich in der kurzen Zeit von der englischen Gartenstadtbewegung gesehen und kennen gelernt habe, Ihnen mitzuteilen. Doch kann ich den Ein­

druck, den man beim Besuch der Gartenstädte gewinnt, Ihnen bei weitem nicht in seiner ganzen Fülle übermitteln. Ich schließe mit dem Wunsche, daß manche von Ihnen die Möglichkeit finden mögen, sich selbst von der Großartigkeit dieser Bestrebungen zu einer Wohn­

reform an Ort und Stelle zu überzeugen.

(24)

L i t e r a t u r .

1) „Aus englischen Gartenstädten", Ausgabe der Deutschen Gartenstadtgesellschaft, Berlin 1910.

2) <At,^ Movement up-to-Z^ts. Von Erwart G.

Culpin, London 1912.

3) Prospekte und Beschreibungen von den Gartenstadtgesellschaften in: a) Harborue; d) New-Earswick; e) Bourneville; 6) Letchworth;

s) Port-Sunlight.

4) Einzelne Nummern der Zeitschriften: a) Ids keeoi-ä (Hktwp8t6L.ä Luduid), 1912; d) Oaräsn (ütiss anä l'ovn I^ÄlliiZnA, 1912.

5) ^.rti^an's O^vellinAS. Ausgabe der Liver­

pooler Stadtverwaltung.

(25)

Zu Seite 26.

8trahenansickl cler von cter Liverpoten 8tacltverivaltung erbauten Ctagenliäuler.

(26)

^',>1 ^cile

s^e>v-Sai swicl:: 8ti al';ena„sickt

s^evl'-Cai'3v>'ick: liückscitc cien krause»'

(27)

7/^5/

7 > b i

1^06

'58 s?PI

(28)

Zu 5eite

)?nsic^t einer 8trshe Äev Gsrtenvsrstaclt Caling

(29)

Zu Seite .!!>,

i-lO^ILLL — lOpe^aci-e

^LkvIT'S- SiS-t w (ijl

kcbauungsplsn der Gsptenvoi'stactt Sating bei London.

(30)

Zu Seite 42.

I c / '

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^ypiscke Grunttrisse von lileinkäulern in engliscken 6artenstsclten.

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