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Archiv "Verfehlte Bonner Werbung für ein verunglücktes Gesetz" (18.08.1977)

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DEUTSCHE S ÄRZTEBLATT

Ärztliche Mitteilungen

Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung

Mit einer kostspieligen Anzeigen-Kampagne bemüht sich die

Bundesregierung, für das

„Kostendämpfungsgesetz"

zu werben; dabei läßt se die Versicherten über die wirklichen nachteiligen Folgen des Gesetzes im unklaren.

Der Erste Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Hans Wolf Muschallik, kritisiert solche „Reklame"

in einem Schreiben an Arbeitsminister

Dr. Ehrenberg und wirft den Verantwortlichen Verunsicherung des

hilfesuchenden Kranken vor.

Verfehlte

Bonner Werbung für ein

verunglücktes Gesetz

„Seit dem 1. Juli ist unsere Krankenversicherung auf dem Wege der Genesung." Diese Behauptung des Bundesarbeitsministeriums fin- det sich in einer Anzeige, die die Bundesregierung just in der Zeit, da manche Krankenkasse Beitragserhöhungen ankündigte, in vielen Tageszeitungen — man schätzt in einer Gesamtauflage von zehn Millionen Exemplaren — einrücken ließ. Der Inhalt dieser als „Mittei- lung des Presse- und Informationsamtes" deklarierten verspäteten Werbung für das am 1. Juli in Kraft gesetzte „Kostendämpfungsge- setz" stieß sehr bald auf heftige Kritik — der Ärzte, der Ersatzkassen, der privaten Krankenversicherung.

Vor allem die erste „Mitteilung" (von insgesamt sechs) erregte den Unwillen der Gesetzes-Kenner. Darin hieß es nach dem ermuntern- den Satz „Sie können auch in Zukunft zu dem Arzt gehen, zu dem Sie gehen möchten": „Und Sie haben Anspruch auf die besten ärztlichen Leistungen und die dazu nötigen Medikamente." Vor allem diese Behauptung greift Dr. med. Hans Wolf Muschallik, der Erste Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, ener- gisch an. Am 5. August schrieb er an Bundesarbeitsminister Dr.

Herbert Ehrenberg:

„Sehr geehrter Herr Minister,

die Bundesregierung hat am 27. Juli 1977 in der Tagespresse eine auffällige Annonce zum Krankenversicherungs-Kostendämpfungs- gesetz mit der Überschrift „Seit dem 1. Juli ist unsere Krankenversi- cherung auf dem Wege der Genesung" in der Tagespresse veröf- fentlicht.

Diese Anzeige enthält u. a. Auskünfte über den Leistungsanspruch des Versicherten. Es wird den Versicherten mitgeteilt, daß sie ,An- spruch auf die besten ärztlichen Leistungen und die dazu benötigten Medikamente haben'.

Heft 33 vom 18. August 1977 2015

(2)

Anzeige

Seit dend.Juli

ist unsere Krankenversicherung auf danWege der Genesung.

So g das seit Jahren: Die Kosten in unse- remGesundheitswesen kletterten und kletterten 1970 kamen die Krankenkassen mit 24 Milliar- ' den DM aus. 1976 brauchten sie 64 Milliarden.

(Vergleichen Sie

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Ihren Krankenkassen- beitrag von heute mit dem vor fünf Jahren.)

Dagegen mußte etwas getan werden. Deshalb haben Bundestag und Bundesrat auf Vorschla der Regierung em. Kostendämpfungsgesetz ver- abschiedet. Und seit dem 1. Juli ist es in Kraft.

Aber was bedeutet dieses Gesetz für Sie als Krankenversicherter?

1. Sie können auch in Zukunft zu dem Arzt ehen, zu dem Sie gehen möchten. Und Sie ha ben Anspruch auf die besten ärztlichen Leistungen und die dazu nötigen Medilcanfente.

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Wenn Sie zusätzliche Informationen brau- chen, schreiben Sie an das Bundesmiyisterhun für Arbeit und Sozialordnung, Rochusstraße 1, 5300 Bonn-Duisdorf. Diese Mitteilung kommt

;vom Presse- und Informationsamt der Bundes- re erun

Heftige Kritik erregte bei Kennern des sogenannten

„Kostendämpfungs- gesetzes"

eine irreführende Anzeige der Bundesregierung, die am 27. Juli in schätzungsweise zehn Millionen Tageszeitungs- Exemplaren erschien — auf Kosten

der Steuerzahler.

Hier ein Ausriß dieser regie- rungsamtlichen Gesetzes-

„Reklame”

Die Information:

Bericht und Meinung

Verfehlte Anzeigenkampagne der Bundesregierung

Ich halte es für nicht korrekt, die Versicherten in kostspieligen Anzei- gen über die wirklichen Folgen die- ses Gesetzes für sie im unklaren zu lassen, bereits jetzt erkennbare gra- vierende Mängel zu beschönigen und darüber hinaus Illusionen her- vorzurufen, deren Realisierungs- möglichkeit nicht besteht. Die Versi- cherten zugleich mit dem Inkrafttre- ten eines Gesetzes zur Kostendämp- fung im Gesundheitswesen aufzu- fordern, über den gesetzlich auf

‚wirtschaftliche' kassenärztliche Versorgung begrenzten Anspruch hinaus die ,besten ärztlichen Lei- stungen' in Anspruch zu nehmen, erscheint mir als ein unerträglicher Widerspruch.

Nicht nur wir Kassenärzte, sondern auch Sie, sehr geehrter Herr Mini- ster, haben in der letzten Zeit oft darauf hingewiesen, daß es drin- gend notwendig ist, das Anspruchs- denken der Bevölkerung im Bereich der Gesundheitsversorgung einzu- dämmen.

Wie soll aber in der Bevölkerung das Bewußtsein für eigene Verantwor- tung zur Gesundheitserhaltung ge- stärkt werden, wenn in einer solchen Weise das kritisierte Anspruchsden- ken durch Reklame für die Inan- spruchnahme jedweder Gesund- heitsleistung ausdrücklich noch ge- fördert wird?!

Es ist weiterhin nicht korrekt, wenn in dieser Anzeige dem Versicherten verschwiegen wird, daß sein Lei- stungsanspruch gegenüber seiner Krankenkasse bei der Versorgung mit Arznei- und Heilmitteln durch die in der Neuregelung festgelegte Zuzahlungspflicht sowie ferner durch die im Gesetz bereits festge- legte Herausnahme von bestimmten Arzneimitteln aus der Leistungs-

pflicht der Krankenkasse gemindert wird.

Mit solchen fehlsamen Interpretatio- nen des Gesetzes und seiner Aus- wirkungen in der Öffentlichkeit wird der hilfesuchende Kranke verunsi-

chert mit der schon jetzt erkennba- ren Folge, daß er letztlich dem Arzt die Schuld für die Minderung seines Anspruchs auf Leistungen der Kran- kenversicherung zuschieben wird, womit sich als eine Folge des Geset- zes Konflikte zwischen Arzt und Pa- tient zeigen. Dies kann ich als Ver- treter der zur Gesetzestreue ver- pflichteten, mir anvertrauten Kas- senärzteschaft nicht hinnehmen.

Mit freundlichen Empfehlungen (gez.) Dr. Muschallik"

Chance zu objektiver Information verpaßt

Soweit Muschalliks Kritik und Rich- tigstellung.

Nun wissen wir zwar spätestens seit dem Urteil des Bundesverfassungs- gerichts über die Wahlkampfauf- wendungen der Bundesregierung, daß mit so mancher „Mitteilung"

aus Bonn der von unseren Regieren- den so oft apostrophierte „mündige Bürger" nicht informiert, sondern eher - mit Verlaub gesagt - für dumm verkauft wird. Doch eine Aus- nahme von einer solchen Praxis wäre diesmal sicherlich angebracht und notwendig gewesen. Eine voll- ständige Information hätten die

„Bürger in unserem Lande" ange- sichts der heillosen Verwirrung über die Folgen des „Kostendämpfungs- gesetzes", die ja gerade zur Zeit des Erscheinens der Regierungsanzeige herrschte, gewiß dankbar begrüßt.

Die Chance, durch wahrheitsgemä- ßere Information etwas von dem Vertrauensverlust, den er in Sachen Renten und „Kostendämpfung" er- litt - wie das Kostenverschiebungs- gesetz zeigt -, wurde vom Bundes- arbeitsminister vertan.

Doch sein Haus, das ja einige Erfah- rungen mit dem Abschieben unan- genehmer Tatsachen hat, kann si- cherlich auch für diese Anzeigen- Fehlinformation notfalls einen Schuldigen finden - und wäre es das böse Presse- und Informationsamt, das die Anzeige aufgab. NJ/DÄ

2016

Heft 33 vom

18. August 1977

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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