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Archiv "Keine Honorarverhandlungen nach politischen Zielprojektionen!: Weitere regionale Stellungnahmen" (28.04.1977)

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Die Information:

Bericht und Meinung

AUS DEN BUNDESLÄNDERN

Die Auseinandersetzungen um die Strukturveränderungspläne der Bun- desregierung (von ihr als Kranken- versicherungskostendämpfungsge- setz bezeichnet) sind in eine — vor- dergründig — ruhigere Phase einge- treten. Gleichwohl, die Regierungs- pläne, unterstützt von Gewerkschaf- ten, Arbeitgebern und RVO-Kassen, liegen unverändert auf dem Tisch.

Davon müssen daher auch die in diesen Tagen von einzelnen Kassen- ärztlichen Vereinigungen herausge- gebenen Informationen ausgehen.

Demnach stellt der Erste Vorsitzen- de der Kassenärztlichen Vereini- gung Koblenz, Dr. med. Josef Schmitz-Formes, in einem Schrei- ben an alle Kassenärzte fest: „Für uns Kassenärzte bleibt der Tatbe- stand festzuhalten, daß die gesell- schaftspolitischen Trends des Ge- setzes durchgesetzt werden sollen."

Schmitz-Formes geht dann auf ei- nen der gewichtigsten Punkte des geplanten Gesetzes, der auch in der Presse immer wieder hochgespielt wird, ein, nämlich die Entwicklung der Ärztehonorare und deren Aus- richtung an volkswirtschaftlichen Daten: „Bei aller Würdigung der Notwendigkeit, die Finanzierungs- möglichkeit der gesetzlichen Kran- kenversicherung zu erhalten, wozu beizutragen die Kassenärzte — auch mit einer Anbindung für die Kran- kenversicherung relevante Orientie- rungsdaten, wie beispielsweise die Grundlohnsumme — bereit sind, müssen wir fordern, die Ursachen der Kostenentwicklung im Gesund- heitswesen aufzudecken und zu be- seitigen. Bei der Kopplung an Orien- tierungsdaten ist allerdings eine Be- rücksichtigung der Vermehrung oder der Verminderung der ärztli- chen Leistungen für uns unverzicht- bar. Die geforderte Systemanalyse wird zeigen, daß die Kostenentwick-

lung eben nicht in der behaupteten

Weise durch das Wachstum der ärzt- lichen Honorare bestimmt wird, und daß der Widerstand der Kassenärzte gegen das Kostendämpfungsgesetz nicht aus deren Kampf um die Hono- rarhöhe resultiert. Warum — so ist in diesem Zusammenhang zu fragen — bekämpfen die Deutsche Angestell- ten-Gewerkschaft, die Ersatzkassen, die Kirchen und viele andere mehr dieses Gesetz ebenfalls? Doch nur, weil sie alle erkannt haben, daß un- ter dem Vorwand der Kosteneinspa- rung in der Krankenversicherung die aus ideologischen und machtpoliti- schen Motiven seit langem geplan- ten Strukturveränderungen inner- halb der gesamten sozialen Kran- kenversicherung durchgesetzt wer- den sollen."

Besonders eingehend behandelt der Erste Vorsitzende der Kassenärztli- chen Vereinigung Niedersachsen, Dr. med. Eberhard Weinhold, die Honorarfragen. In einem Schreiben an den Niedersächsischen Sozialmi- nister, ausgelöst durch eine kleine Anfrage des SPD-Landtagsabgeord- neten Drechsler heißt es: „Soweit es sich um die in der Vergangenheit zwischen den Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen einvernehmlich ver- einbarten Gesamtvergütungen für die ambulante kassenärztliche Be- handlung der Versicherten und ihrer Angehörigen handelt, sind neben zahlreichen anderen Determinanten auch allgemeine wirtschaftliche Ent- wicklungsdaten berücksichtigt wor- den. Die Vertragschließenden haben nach geltendem Recht (§ 368 g Abs.

1 RVO) die ,wirtschaftliche Lage der Krankenkassen' zu berücksichtigen, was die Beachtung der jeweiligen gesamtwirtschaftlichen Situation und der allgemeinen stabilitäts- und konjunkturpolitischen Bemühungen des Staates und der Wirtschaft ein- schließt.

Wie sehr die Vertragschließenden bei der Vereinbarung der Vergütun- gen für kassenärztliche Leistungen dieser Verpflichtung Rechnung ge- tragen haben, zeigt sich daran, daß sich die Steigerungsraten der ver- einbarten Gesamtvergütungsanpas- sungen in den letzten 10 Jahren in Niedersachsen absolut parallel zur Entwicklung der beitragspflichtigen Entgelte der Versicherten entwickelt haben. Von einer überproportional zur durchschnittlichen Grundlohn- summe der Krankenkassen gestie- genen Ausgabenentwicklung für die ambulante kassenärztliche Behand- lung kann daher nicht gesprochen werden. Demzufolge sind die in der Vergangenheit notwendigen Bei- tragserhöhungen der Krankenkas- sen nicht auf vereinbarte höhere Ge- samtvergütungen für die kassen- ärztliche Behandlung zurückzu- führen.

Daß die Gesamtvergütungen an Art und Umfang der von den Versicher- ten in Anspruch genommenen ärztli- chen Leistungen ohne Beeinträchti- gung der Beitragssatzstabilität der Krankenkassen angepaßt werden können, hat der Vorstandsvorsitzen- de des Bundesverbandes der Orts- krankenkassen erst kürzlich bestä- tigt. In seinem Bericht vor der Ver- treterversammlung des BdO Ende 1976 hat er darauf hingewiesen, daß die Grundlohnsummensteigerung je Allgemeinversicherten bei den Orts- krankenkassen im Jahre 1976 etwa 8,3 Prozent beträgt, demgegenüber dürften sich nach unseren vorläufi- gen Berechnungen die Ausgaben für die ambulante ärztliche Behand- lung je Mitglied im gleichen Zeit- raum nur zwischen 5 und 6 Prozent erhöht haben.

Die KV Niedersachsen hält auch für die Zukunft bei der Vereinbarung der Gesamtvergütungen an der Be- rücksichtigung der in § 368 g Abs. 1 RVO genannten wirtschaftlichen Kriterien fest. Sie tritt aber entschie- den den Vorstellungen des Regie- rungsentwurfs entgegen, wonach künftig für die Anpassung der Ge- samtvergütungen politische Zielpro- jektionen entscheidend sein sollen, nicht aber die wirtschaftlichen Ver-

Keine Honorarverhandlungen

nach politischen Zielprojektionen!

Weitere regionale Stellungnahmen

1118 Heft 17 vom 28. April 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(2)

Die Information:

Bericht und Meinung

hältnisse der einzelnen Krankenkas- se oder der Gesamtheit der Kassen einer Kassenart und die Entwicklung des Bedarfs der Versicherten an kassenärztlichen Leistungen. So- weit es sich um die Vergütungen für die Leistungen der Kassenärzte han- delt, ist nach Auffassung der KVN bei Verwirklichung des Regierungs- entwurfs eines Kostendämpfungs- gesetzes eine Gefährdung der Lei- stungsfähigkeit der Kassenpraxen langfristig nicht zu übersehen."

Ideologischer Hintergrund

Angesichts solcher schon seit lan- gem geübter Ausrichtung der Hono- rarverhandlungen auch in überge- ordneten Daten können die sehr viel weiter gehenden Forderungen der Bundesregierung und der Koali- tionsparteien nicht mehr mit Kosten- gründen erklärt werden. Auf den ideologischen Hintergrund des Ge- setzentwurfes geht Dr. Sch mitz-For- mes besonders ein. Er schreibt:

„. .. So spricht nicht nur die Gleich- schaltung der Ersatzkassen für die angestrebte Einheitsversicherung.

Auch die Heilfürsorge, die zum Bei- spiel Polizeivollzugsbeamten, Ange- hörigen der Bundeswehr und des Grenzschutzes zusteht, wird ebenso wie die Untersuchungen zur Durch- führung der Wehrpflicht, Bestandteil der kassenärztlichen Versorgung, ohne daß die bisherigen Vertrags- partner überhaupt nach ihrer Mei- nung gefragt wurden. Mit politi- schem Zynismus wird behauptet, der Gesetzentwurf sehe eine Stär- kung der Selbstverwaltung vor. In Wirklichkeit werden die bisherigen Gesamtverträge zwischen den ein- zelnen Krankenkassen, als in sich geschlossener Gemeinschaft von Versicherten, entfallen zugunsten von Verträgen zwischen Kassenärzt- lichen Vereinigungen und Landes- verbänden der Krankenkassen, um die angestrebte Vereinheitlichung und Zentralisierung durchzusetzen.

Wo bleibt hier noch die Entschei- dung der einzelnen Krankenkasse zum Wohle ihrer Mitglieder?

Was wird aus dem Spielraum für die Selbstverwaltung, wenn durch den vorgesehenen Finanzausgleich zwi-

schen den Krankenkassen die Ent- :scheidungsmöglichkeit über die Verwendung der durch Beitragszah- lung aufkommenden Mittel fortfällt?

Bei Modellversuchen, zum Beispiel in Hamburg oder in Nord-Württem- berg, hat sich erwiesen, daß durch die Öffnung der Krankenhäuser für eine ambulante vorstationäre Dia- gnostik und nachstationäre Behand- lung weder Kosten gespart werden, noch einem Bedürfnis der Patienten entsprochen wird. Sieht man dies im Zusammenhang mit den restriktiven Bestimmungen über die Honorie- rung belegärztlicher Leistungen, kann man doch nur folgern, daß diese Maßnahmen Eingriffe in die freiheitlichen Strukturen unseres Gesundheitswesens sind, durch die eine der tragenden Säulen — nämlich die freiberufliche ärztliche Tätigkeit

— erschüttert werden soll.

Die vorgesehene Belastung der Krankenhäuser mit Investitionsko- sten und die dadurch bedingte Ge- fährdung der Existenz vieler Kran- kenhäuser ist deshalb an dieser Stelle zu erwähnen, weil darin eben- falls ein Schritt in Richtung auf ein zunehmend staatlicher werdendes Krankenhauswesen erkennbar wird."

Wider die Fama

vom „überproportionalen Honoraranstieg"

Den immer wieder zitierten „über- proportionalen Anstieg" der Arztein- kommen ging in einem „Offenen Brief" Dr. med. Klaus Dehler, Vorsit- zender der Bezirksstelle Mittelfran- ken der Kassenärztlichen Vereini- gung Bayerns scharf an. Die Fama war in den vergangenen Monaten mit besonderer Vorliebe vom Bun- desarbeitsministerium und dessen Parlamentarischen Staatssekretär Hermann Buschfort verbreitet wor- den; und bei dessen Kolpotierung hatte sich eine Reihe weiterer Politi- ker vornehmlich der SPD unrühm- lich hervorgetan, so auch der SPD- Bundestagsabgeordnete Konrad Porzner, dessen „Offener Brief an die Kassenärzte" nicht nur Dr. Deh- ler empört hatte. Dehler schreibt in

einem „Offenen Antwortbrief" an Porzner: „Ihre Behauptung, daß der ,überproportionale Anstieg der Arzt- einkommen gestoppt werden muß', ist falsch. Wie andere sozialistische Funktionäre verdrehen Sie in die- sem Punkt durch die bewußte ‚Ver- wechslung' der Begriffe ,ärztliches Einkommen' mit dem richtigen Be- griff ,ärztliche Umsätze' die Tatsa- chen und versuchen Neidkomplexe zu erwecken. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, daß ohne ,Kostendämp- fungsgesetz' alleine auf Grund frei- williger ärztlicher Sparmaßnahmen in Bayern die Umsätze aller Ärzte nur noch mehr um 2,55 Prozent 1976 gegenüber 1975 gestiegen sind, weit unter der Inflationsrate! Und welche der von Ihnen so gerne zitierten Ar- beitnehmerorganisationen wäre mit einem solchen Zuwachs zufrieden gewesen?"

In ähnlicher Weise hatte zuvor Deh- ler auch andere Behauptungen von Porzner zurückgewiesen. Der „Offe- ne Antwortbrief" an Porzner schließt mit einer Aufforderung zur Kurskor- rektur: „Geben Sie sich auch bitte nicht der Illusion hin, der gemeinsa- me Kampf der Ärzte gegen den völlig untauglichen Gesetzentwurf Ihrer Bundesregierung sei mit dem von Ihnen so heftig beklagten Patienten- brief beendet. Machen Sie sich in den nächsten Wochen noch auf wei- tere ,Überraschungen' gefaßt. Auch müssen wir Ärzte nun den Kampf nicht mehr alleine führen: Immer mehr relevante Gruppen stoßen zur Front der Gegner dieses Gesetzes.

Es wird nunmehr neben den Ärzten und Zahnärzten von den Kranken- häusern, den Ersatzkassen, der (Deutschen) Angestelltengewerk- schaft und den Kirchen abgelehnt.

Sie und Ihre politischen Freunde wollen den unmündigen, staatlich versorgten und zentralistisch ver- walteten Patienten, wollen aus rein ideologischen Gründen das gut funktionierende deutsche Gesund- heitswesen nachhaltig verändern.

Kann es Ihnen wirklich auf die Dauer gleichgültig bleiben, was die Ärzte über Sie und Ihre Politik denken?

Noch besteht Zeit und Gelegenheit zur zwingend notwendigen Kurskor- rektur." NJ

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 17 vom 28. April 1977 1119

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