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Herstellung eines allogenen immunsuppressiven Hautersatzes: eine in vitro Studie

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Academic year: 2022

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(1)

Aus der

Klinik für Plastische, Ästhetische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie

der

Medizinischen Hochschule Hannover

Herstellung eines allogenen immunsuppressiven Hautersatzes – eine in vitro Studie

Dissertation

zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin in der Medizinischen Hochschule Hannover

vorgelegt von

Frederik Schlottmann

aus Hamburg

Hannover 2019

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Angenommen vom Senat der Medizinischen Hochschule Hannover am 18.02.2020

Gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Hochschule Hannover

Präsident: Prof. Dr. med. Michael P. Manns

Betreuer der Arbeit: Prof. Dr. med. Peter M. Vogt

Referent: PD Dr. med. Markus Winny

Koreferent: Prof. Dr. med. Jörn Elsner

Tag der mündlichen Prüfung: 18.02.2020

Prüfungsausschussmitglieder: PD Dr. med. Heiko Sorg PD Dr. med. Philipp Mommsen Prof. Dr. med. Jens Vogel-Claussen

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Meinen Eltern und Großeltern in tiefer Dankbarkeit

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„Naturwissenschaft ist der Glaube an die Unwissenheit der Experten.“

Richard P. Feynman (1918 – 1988)

Physiker und Nobelpreisträger

(5)

1. Einleitung ... 1

1.1 Anatomie und Physiologie der Haut ... 1

1.2 Schädigungen der Haut am Beispiel von Verbrennungsverletzungen ... 3

1.3 Synthetische und biologische Hautersatzmaterialien ... 6

1.4 Keratinozyten basierte Hautersatzverfahren ... 9

1.5 Immunologische Reaktion der Gewebeabstoßung ... 10

1.6 Anforderungen an einen idealen Hautersatz ... 14

1.7 Immunmodulation von allogenen Transplantaten durch Reduktion der Expression ... von MHC-I-Molekülen auf der Zelloberfläche ... 14

2. Ziele der Arbeit ... 17

3. Publikation ... 18

3.1 Rolle der Ko-Autorinnen und Ko-Autoren ... 18

3.2 Originalpublikation ... 19

4. Diskussion ... 39

4.1 Zusammenfassende Beurteilung der Ergebnisse und Diskussion ... 39

4.2 Schlussfolgerungen und weiterführende Perspektiven ... 44

5. Zusammenfassung ... 46

6. Abkürzungsverzeichnis (in alphabetischer Reihenfolge) ... 47

7. Literaturverzeichnis ... 48

8. Danksagung ... 62

9. Curriculum vitae ... 63

9.1 Lebenslauf ... 63

9.2 Publikationsverzeichnis und Vorträge ... 64

10. Erklärung nach § 2 Abs. 2 Nr. 7 und 8 PromO ... 66

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1. Einleitung

1.1 Anatomie und Physiologie der Haut

Die Haut mit einer Gesamtfläche von 1,5 bis 2 m2 und einem Gewicht von etwa 4 Kilogramm ist eines der größten Organe des menschlichen Körpers. Sie bildet eine Schutzbarriere gegen physikalische und chemische Einflüsse aus der Umwelt, verhindert einen ausgeprägten Flüssigkeitsverlust sowie die mikrobielle Kontamination des Organismus und gewährleistet so die Integrität des menschlichen Körpers. Zudem spielt sie in der Thermoregulation des Körpers eine wichtige Rolle (1,2). Bei der Haut, fachterminologisch auch Kutis genannt, werden zwei Schichten, die Epidermis und die Dermis, unterschieden. An die Dermis schließt sich in der Tiefe die fettzellreiche Subkutis an, die funktionell und strukturell eng mit der Dermis verbunden ist. Kutis und Subkutis bilden zusammen die Hautdecke, die auch als Integumentum communis bezeichnet wird. Haare, Nägel und in die Haut eingelagerte Drüsen, werden als Hautanhangsgebilde bezeichnet. An Handflächen und Fußsohlen bildet die Haut ein Individuum spezifisches Muster und wird Leistenhaut genannt. An anderen Stellen des Körpers spricht man von Felderhaut (1,2). Im Folgenden soll auf die unterschiedlichen Schichten der Haut noch einmal im Detail eingegangen werden.

Die Epidermis bildet die direkte Oberfläche des Körpers und besteht aus einem mehrschichtigen, verhornten Plattenepithel, dessen spezifische Epithelzellen auch als Keratinozyten bezeichnet werden. Die Epidermis lagert auf einer kräftigen Basalmembran, die auch als dermal-epidermale Junktionszone bezeichnet wird und Ursprung verschiedener Krankheitsprozesse sein kann (1,3).

Histologisch kann eine Differenzierung der Epidermis in fünf Schichten erfolgen, in denen sich die unterschiedlichen Differenzierungsstufen der Keratinozyten widerspiegeln. Man unterscheidet, von basal nach apikal, folgende Schichtung: Stratum basale, Stratum spinosum, Stratum granulosum, Stratum lucidum sowie Stratum corneum (1). Weitere zelluläre Bestandteile der Epidermis sind neben den Keratinozyten auch Melanozyten, Langerhans-Zellen, Lymphozyten und Merkel-Zellen. Über zahlreiche desmosomale Verbindungen sind die Keratinozyten untereinander verbunden und verleihen der Haut so ihre biomechanischen Eigenschaften (1). Der Keratinozyt synthetisiert Keratin und differenziert sich im Rahmen des Prozesses der Verhornung von basal nach apikal, um schließlich als kernlose tote Hornzelle, auch Korneozyt genannt, als oberste Hautschicht abgeschilfert zu werden. Der Prozess der Verhornung verläuft dabei dynamisch in einem Gleichgewicht zwischen Zellneubildung, Zelldifferenzierung und Abschilferung der toten Korneozyten an der Körperoberfläche (1). Die Stammzellen der Haut, von denen eine rege Zellerneuerung ausgeht, liegen im Stratum basale über den Papillen der Dermis (1). Auf die Funktion der Stammzellen im Rahmen der Wundheilung soll im Verlauf noch weiter eingegangen werden. Der Differenzierungsprozess beginnt mit postmitotischen Keratinozyten und umfasst die Synthese und Modifikation von Keratinen, sowie die Prozessierung und den Umbau von Zellorganellen des Keratinozyten, um mit Apoptose und einer Änderung der Zellmorphologie zum Korneozyten abzuschließen (1). Ein Zyklus der Zellerneuerung der Epidermis nimmt dabei einen Zeitraum von circa 4 Wochen in Anspruch. Die Differenzierung ist dabei genetisch programmiert und erfolgt unter dem Einfluss verschiedener Wachstumsfaktoren, Hormonen

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und Zytokinen, wie beispielsweise dem Endothelial Growth Factor, dem Keratinozyten- Wachstumsfaktor und dem Vitamin-A-Derivat Retinsäure (1). Die Expression dieser Faktoren ist im Rahmen des Prozesses der Wundheilung gesteigert (3).

An die Epidermis schließt sich in der Tiefe die Dermis an und stellt das spezielle Bindegewebe der Haut dar. Die Dermis verleiht der Haut ihre spezifischen biomechanischen Eigenschaften, insbesondere Festigkeit und Elastizität, und ist an der Speicherung von Wasser beteiligt (1,3). Sie besteht überwiegend aus Kollagen Typ I und Typ III sowie elastischen Fasern, Hyaluronsäure und weiteren Bestandteilen. Histologisch kann ebenfalls eine weitere Differenzierung von apikal nach basal in das Stratum papillare sowie das Stratum reticulare erfolgen. Das Stratum papillare ist funktionell und morphologisch eng mit dem Stratum basale der Epidermis verbunden und enthält zahlreiche Kapillaren, welche die Epidermis versorgen (1,3). Das Stratum reticulare hingegen ist kollagenreich und enthält dicke elastische Fasern. An die Dermis schließt sich in der Tiefe die Subkutis an, die überwiegend aus Fettgewebe besteht. Insbesondere im Rahmen der Wärmeisolation sowie als Druckpolster gegen äußere mechanische Einflüsse kommt der Subkutis eine entscheidende Bedeutung zu. In den bindegewebigen Septen, die das Fettgewebe in eine läppchenartige Struktur unterteilen, liegen zahlreiche Blut- und Lymphgefäße sowie Nervenbahnen (1). Neben dem kräftigen, verhornten Plattenepithel der Epidermis und den komplexen Bindegewebsstrukturen der Dermis und Subkutis enthält die Haut Sinneskörperchen, Nerven sowie ein weitverzweigtes Netz von Blut- und Lymphgefäßen (4). Die Haut wird über einen arteriellen Gefäßplexus versorgt, der im Grenzbereich zwischen Kutis und Subkutis unterhalb der Papillen im Stratum papillare ein weitverzweigtes Gefäßnetz bildet. Der Plexus wird dabei aus arteriellen Gefäßen der Muskulatur gespeist und bildet mit den drainierenden Venen einen venösen Plexus, der für die Thermoregulation des menschlichen Organismus von entscheidender Bedeutung ist. Die drainierenden Venen verlaufen analog zu den zuführenden Arterien (1).

Als äußerste Schutzschicht des Körpers ist die Haut alltäglich äußeren Einflüssen ausgesetzt und kann geschädigt werden. Daher ist der Prozess der Wundheilung essentiell für das Überleben des menschlichen Organismus. Durch intensive Forschungsbemühungen der vergangenen Jahrzehnte ist der zelluläre und molekulare Mechanismus der Wundheilung mittlerweile recht gut verstanden (4,5).

Die Wundheilung ist ein evolutionär hoch konservierter Prozess, der in mehreren aufeinanderfolgenden Phasen abläuft, die sich teilweise überlappen. Es können dabei die Inflammationsphase mit Exsudation und Resorption, die Granulationsphase mit Zellproliferation und Ausbildung von Granulationsgewebe sowie die Differenzierungsphase mit Remodeling der extrazellulären Matrix unterschieden werden (5,6). Der Regenerationsprozess der Haut des Menschen mittels Reepithelialisierung basiert dabei auf epidermalen Stammzellen, die im Bereich des Stratum basale liegen und durch verschiedene Promotoren getriggert werden können (7). In weiteren Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass auch Stammzellen, die im Bereich der Haarfollikel liegen, am Regenerationsprozess des Epithels beteiligt und für diesen teilweise sogar essentiell sind (8–12).

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Der Prozess der Wundheilung läuft im Vergleich unterschiedlicher Spezies zueinander teilweise sehr divers ab. So können einige Amphibienarten, wie beispielsweise der Axolotl (Ambystoma mexicanum), auch vollschichtige Hautdefekte ohne Narbenbildung komplett regenerieren. Selbst die Pigmentierung der Haut sowie sekretorische Hautanhangsgebilde können dabei regeneriert werden (13). Im Vergleich ist beim menschlichen Organismus nur eine eingeschränktere Wundheilung möglich. Eine Ausnahme bilden lediglich humane Feten, bei denen eine narbenfreie Wundheilung erstmalig 1979 durch Rowlatt beschrieben wurden (14). In weiteren Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass aufgrund des naiven fetalen Immunsystems eine umfassende Entzündungsreaktion, wie sie im Wundgebiet des adulten Organismus beobachtet wird, unterbleibt (15,16). Der Prozess der Wundheilung endet beim adulten Menschen mit der Ausbildung von Narbengewebe, das die grundlegende Funktionalität als Barriere gegen Umwelteinflüsse zwar restituiert, jedoch im Vergleich zu gesunder Haut ein minderwertiges Gewebe darstellt (17,18). Häufig kommt es auch zu einer kosmetischen Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes, die bei größer ausgedehnten Narbenarealen auch mit einer erheblichen psychosozialen Beeinträchtigung des menschlichen Individuums einhergehen kann (19). Ergänzend muss darauf hingewiesen werden, dass Hautanhangsgebilde, wie Haarfollikel oder sekretorische Drüsen, im Narbengewebe des Menschen nicht regeneriert werden können. Die Bedeutung dieser Hautbestandteile für den Regenerationsprozess sowie die Physiologie der Haut, insbesondere im Kontext der Sensibilität und der Thermoregulation, ist in vielen Studien weiter quantifiziert worden (20,21). Basierend auf den bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen wird zurzeit die Beeinflussung beziehungsweise Unterstützung des Wundheilungsprozesses intensiv beforscht (22). Insbesondere für die Versorgung großflächiger Wunden, beispielsweise bei Verbrennungspatienten, wird dies in den kommenden Jahren voraussichtlich weiterhin einen interessanten Bestandteil der Forschung zur Optimierung der Patientenversorgung darstellen.

1.2 Schädigungen der Haut am Beispiel von Verbrennungsverletzungen

Als Verbrennungstrauma bezeichnet man die Schädigung von Gewebe, beispielsweise der Haut, durch äußere physikalische beziehungsweise chemische Einflüsse. So kommt es beispielsweise durch thermische Einwirkungen auf die Haut zu einer Erhöhung der intrakutanen Temperatur, die je nach Dauer und Höhe der einwirkenden Wärme zu einer unterschiedlich stark ausgeprägten Schädigung führt. Dabei sorgt eine intrakutane Temperatur von 45°C für ein Erythem, wohingegen Temperaturen ab 55°C zu einer Blasenbildung und ab über 60°C durch Eiweißdenaturierung zu einer Nekrose führen. Nach Beendigung der Wärmeeinwirkung ist das Schädigungsausmaß jedoch nicht sofort ersichtlich, da es durch eine verlangsamte Wärmeabgabe zum sogenannten „Nachbrennen“

kommen kann (23).

Im Jahr 2016 waren in Deutschland laut aktuellen Erhebungen der Deutschen Gesellschaft für Verbrennungsmedizin insgesamt 4.350 Menschen, 2.589 davon Kinder, von Verbrennungsverletzungen betroffen (24). Dabei wurden von den teilnehmenden Kliniken alle Menschen erfasst, die sich aufgrund ihrer Verletzungen in stationärer Behandlung befanden. Eine

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entsprechend hohe Dunkelziffer von kleineren Verbrennungsverletzungen, die keiner stationären Behandlung bedurften, ist anzunehmen. Im Jahr 2016 waren Patienten im Vergleich zu Patientinnen in einem Verhältnis von 3:1 signifikant häufiger von Verbrennungsverletzungen betroffen, wobei sich die meisten Unfälle im häuslichen Umfeld ereigneten (24).

Klinisch sind mehrere Einteilungen von Verbrennungsverletzungen geläufig. Beispielsweise kann eine Brandwunde nach Jackson in drei Zonen eingeteilt werden. Man unterscheidet dabei eine zentrale Nekrose-Zone von einer intermediären Stase-Zone sowie einer peripheren Hyperämie-Zone (23,25,26). Die klinische Beurteilung der Verbrennungstiefe erfolgt in 4 Graden, die in Tabelle 1 mit dem entsprechenden klinischen Erscheinungsbild sowie Regenerationsmöglichkeiten dargestellt sind.

Grad Betroffene Hautschicht Klinisches Bild Regeneration / Heilung

I Epidermis

- Erythem - Ödem - Mäßiger

Dauerschmerz - Hyperästhesie

- Narbenfreie Abheilung durch Schuppung der Haut innerhalb von maximal 7 Tagen

IIa Epidermis

Oberflächliche Dermis

- Erythem - Blasenbildung - Heftige Schmerzen - Wundgrund

durchblutet

- Reepithelialisierung durch erhaltene Stammzellen der Hautanhangsgebilde - Narbenfreie Abheilung, je nach Alter des

Patienten und Verbandsregime binnen 10- 14 Tagen

IIb Epidermis Dermis

- Weiß-grauer Wundgrund - Nicht durchblutet,

Nekrose

- Wenig Schmerzen

- Deutlich prolongierte Wundheilung aufgrund fehlender Stammzellen der zerstörten Hautanhangsgebilde

- Häufig Ausbildung hypertropher Narben - Indikation zur Nekrektomie und

Hauttransplantation

III

Epidermis Dermis

Subdermale Strukturen

- Vollständige Zerstörung aller Hautschichten, ggf. tieferliegender Strukturen

- Abheilung kleinerer Areale unter Kontraktion und Narbenbildung - Systemische Reaktion des Organismus

bei großflächig betroffenen Arealen mit erhöhter Mortalität, ggf.

intensivmedizinische Behandlung erforderlich

- Indikation zur Nekrektomie und Hauttransplantation

Tabelle 1: Übersicht über die 4 Grade von Verbrennungsverletzungen mit klinischem Erscheinungsbild und Regenerationspotential (Eigene Darstellung mit Daten nach Kolokythas und Aust (23))

Mehrere äußere und innere Faktoren haben Einfluss auf die Ausdehnung der Brandwunde, wie beispielweise Durchblutung oder Umgebungstemperatur. Zudem sind weitere Scores zur Beurteilung der Ausdehnung von Brandwunden etabliert. Mit der Neunerregel nach Wallace kann eine

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Abschätzung der Ausdehnung der Verbrennung in Prozent der verbrannten Körperoberfläche vorgenommen werden (27). Dabei werden einer oberen Extremität jeweils 9% Körperoberfläche zugewiesen und die Handfläche des Patienten mit 1% Körperoberfläche angegeben. Ein angepasster Score für Kinder ist ebenfalls verfügbar. Verschiedene Computerprogramme und andere Messmethoden wie dreidimensionales Imaging erlauben eine genauere und detaillierte Quantifizierung und Dokumentation (28,29). Sowohl Verbrennungsausdehnung als auch Verbrennungstiefe haben auf die weitere klinische Versorgung des Patienten erheblichen Einfluss.

Eine korrekte klinische Einschätzung der Verbrennungsausdehnung sowie -tiefe erfordert eine lange klinische Expertise (30). Je nach Verbrennungsgrad stehen unterschiedliche therapeutische Optionen zur Verfügung und es sollte regelmäßig eine Reevaluation der Brandwunde erfolgen, damit eine optimale und zeitgerechte Versorgung des Patienten erfolgen kann (30,31).

Geht das Ausmaß eines Verbrennungstraumas deutlich über einen lokalen Befund hinaus und sind großflächige Areale des menschlichen Körpers betroffen, spricht man von einem schwerverbrannten Patienten. Im Rahmen der sogenannten „Verbrennungskrankheit“ kann es durch die ausgedehnten Verbrennungen zu weiteren systemischen, teilweise lebensbedrohlichen Reaktionen des menschlichen Organismus kommen (32). Insbesondere der Verlust der Barrierefunktion der Haut führt zu einem erheblichen Flüssigkeitsverlust, der auch als Capillary Leak bezeichnet wird. Reflektorisch kommt es zu einer Katecholaminausschüttung und einer Gewebsazidose, die zu Kreislaufreaktionen bis hin zum Schock und dem Versagen ganzer Organsysteme führen können (32). Zudem kann es durch Freisetzung toxischer Lipoproteine aus der verbrannten Haut, der Resorption bakterieller Endotoxine, beispielsweise aus dem Darm, sowie einer bakteriellen Superinfektion der Brandwunden zu systemischen Entzündungsreaktionen bis hin zum septischen Schock kommen (32). Somit kommt es zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Immunkompetenz des Schwerverbrannten, was auch auf die weitere Versorgung sowie die Überlebenswahrscheinlichkeit erheblichen Einfluss haben kann.

Auch die metabolischen Konsequenzen von Verbrennungsverletzungen auf den kindlichen Organismus sind umfassend untersucht worden und zeigten teilweise deutlich ausgeprägtere Reaktionen im Vergleich zum adulten Organismus (33,34).

Die Versorgung Brandverletzter, insbesondere von Schwerverbrannter, erfolgt in Deutschland in hochspezialisierten Verbrennungszentren, die über eine umfassende technische und personelle Ausstattung verfügen und somit eine optimale Versorgung gewährleisten können (35). In der Erstversorgung steht neben dem sofortigen Behandlungsbeginn insbesondere eine adäquate Volumenersatztherapie innerhalb der ersten 24 Stunden, eine suffiziente Beatmung sowie eine zeitnahe chirurgische Versorgung der Brandwunden im Vordergrund (36). Durch den enormen Fortschritt in der intensivmedizinischen Versorgung von Schwerverbrannten und den Ausbau des Netzwerks an Verbrennungszentren konnte ein signifikanter Anstieg der Überlebensraten verzeichnet werden (37,38). Basierend auf den Erfolgen in der Optimierung der Erstversorgung von Schwerverbrannten ist auch der Bedarf an Hautersatzmaterialien in der klinischen Versorgung in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen (36).

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Das interdisziplinäre und multimodale Behandlungskonzept von Verbrennungsverletzungen umfasst neben der oben erwähnten intensivmedizinischen Behandlung vor allem das chirurgische Débridement zur Herstellung keimarmer Wundverhältnisse, um eine suffiziente Defektdeckung und somit eine adäquate Wundheilung zu ermöglichen (39–41). Die autologe Hauttransplantation stellt trotz intensiver Bemühungen der Forschung nach wie vor den chirurgischen Goldstandard in der Versorgung von Verbrennungsverletzungen dar, da es bisher keinem Hautersatzmaterial gelungen ist, die Funktion der Originalhaut suffizient zu ersetzen (42). Neben Vollhauttransplantaten haben insbesondere Spalthauttransplantate einen hohen Stellenwert in der Versorgung von Brandwunden (36,43). Die chirurgische Prozedur der Spalthauttransplantation ist klinisch etabliert und verfügt über eine langjährige Erfahrung (44). In tierexperimentellen Studien konnte gezeigt werden, dass die frühzeitige Exzision und Defektdeckung die Überlebensprognose von schwerverbrannten Ratten signifikant verbesserte (45). Trotzdem stellt die autologe Hauttransplantation den Rekonstruktiven Chirurgen auch vor Herausforderungen. So ist insbesondere bei großflächigen Brandwunden die begrenzte Verfügbarkeit an körpereigenem Spendergewebe für eine autologe Hauttransplantation als limitierender Faktor zu nennen (44). Zudem ist jede Hauttransplantation mit einem Hebedefekt, einer ästhetischen Beeinträchtigung und, im Fall einer myokutanen freien Lappenplastik, mit einem Funktionsverlust verbunden (36,44). Insbesondere der dauerhafte Wundverschluss mit einem zufriedenstellenden ästhetischen Ergebnis stellt in der Versorgung großflächiger Brandwunden weiterhin eine besondere Herausforderung dar.

Trotz intensiver Forschung und der Entwicklung von alternativen Behandlungsmöglichkeiten, wie beispielsweise dem enzymatischem Wunddébridement mit NexoBrid™ (46), stellt die chirurgische Therapie noch immer den Goldstandard der Behandlung von Verbrennungsverletzungen dar, da bislang kein alternatives Therapieverfahren die Eigenschaften gesunder Haut hinreichend wiederherstellen konnte. Auch vor dem Hintergrund der erheblichen sozioökonomischen Kosten für die Versorgung chronischer Wunden sowie des zu erwartenden Kostenanstiegs aufgrund des demografischen Wandels ist ein kompletter und möglichst frühzeitiger Wundverschluss anzustreben (47,48). In den folgenden Abschnitten soll noch einmal im Detail auf die verfügbaren biologischen und synthetischen Hautersatzmaterialien sowie zellbasierte Hautersatzverfahren eingegangen werden.

1.3 Synthetische und biologische Hautersatzmaterialien

Über die Jahre hinweg hat sich ein breites Angebot industriell gefertigter Hautersatzmaterialien mehr oder weniger erfolgreich etabliert, so dass auf dem Markt aktuell ein Potpourri erwerbbarer Hautersatzmaterialien verfügbar ist (36,49). Jedes dieser Hautersatzmaterialien ist Bestandteil verschiedener Forschungsansätze und verfügt teilweise auch über einen Stellenwert in der klinischen Versorgung von Brandverletzten (50,51). Neben der Transplantation von allogenen und xenogenen Hauttransplantaten, die lediglich als biologische Gerüstmatrix gewertet werden können, sollen im Folgenden Integra®, Transcyte® und MatriDerm® exemplarisch als gängige Hautersatzmaterialien besprochen werden.

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Neben dem Goldstandard der autologen Hauttransplantation kommen insbesondere bei großflächigen Verbrennungen auch xenogene Materialien, wie beispielsweise Schweinehaut, zur temporären Defektdeckung zum Einsatz (52,53). Auch die Transplantation allogener Haut von Körperspendern ist aufgrund des Mangels an autologen Spenderarealen klinisch in einigen Fällen indiziert (54). Die Anwendung xenogener oder allogener Hauttransplantate ist jedoch als wenig vielversprechend zu werten. Insbesondere eine sekundäre Transplantatabstoßung aufgrund einer durch das Transplantat hervorgerufenen Immunreaktion sowie Sekundärinfektionen und eine verstärkte Narbenbildung sind als Nachteile in der Anwendung zu nennen (53). Die antigenen Eigenschaften der Fremdhaut können durch eine Glycerol-Konservierung reduziert werden, was zu einem Untergang der zellulären epidermalen und dermalen Bestandteile führt (55). Aufgrund des immunkomprimierten Zustands des Schwerbrandverletzten kann es jedoch auch zu einer verzögerten Abstoßungsreaktion im Verlauf nach der Wiederherstellung der Immunkompetenz des Patienten kommen. Auch die potentielle Übertragbarkeit von Krankheitserregern, wie beispielsweise des Humanen Immundefizienz-Virus (HIV) oder der Hepatitisviren, muss bei der Transplantation von Fremdhaut als kritisch betrachtet werden.

Als Vorteil der Verwendung von allogenem oder xenogenem Material hat sich lediglich die sofortige Wiederherstellung der Barrierefunktion der Haut herausgestellt (55). Dies ist vor dem Hintergrund des oben beschriebenen erheblichen Flüssigkeitsverlustes von Schwerverbrannten aufgrund des Verlustes der Integrität der Haut als erheblicher Gewinn in der klinischen Versorgung zu werten. Die ästhetischen Ergebnisse nach der Transplantation von Fremdhaut sind meist ebenfalls nicht zufriedenstellend. Teilweise werden inkongruente Einheilungsraten xenogener oder autologer Hauttransplantaten berichtet (36).

Mit Integra® steht ein synthetisches, nicht resorbierbares Hautersatzmaterial zur Verfügung, das bereits seit den 1980er Jahren Bestandteil der Versorgung Brandverletzter ist und sich in Studien bewährt hat (56). Das Material besteht aus einer dermalen zur Wundseite gerichteten Komponente aus bovinem Kollagen Typ I und Haifisch-Chondroitin-6-Sulfat sowie einer nach außen gerichteten Silikonmembran, die vor Austrocknung und Infektion schützen soll. Eine poröse Struktur der dermalen Komponente erlaubt dabei die Einwanderung von Zellen aus dem Wundbett und somit eine Neovaskularisation (57–60). Die Matrix wird im Laufe der Zeit zu körpereigenem Material umgebaut.

Nach einem Zeitraum von 3 Wochen ist die Vaskularisation erfolgt (59), so dass nach Desilikonierung eine dünne autologe Spalthaut transplantiert werden kann, um einen vollständigen und vollschichtigen Wundverschluss zu erreichen (61). Als Vorteile in der Anwendung werden eine qualitativ bessere Narbe, eine objektivbar höhere Viskoelastizität sowie eine kürzere Hospitalisierungszeit gewertet (60).

Als signifikante Nachteile überwiegen hingegen die erforderliche Einheilungszeit von mehreren Wochen, die damit verbundene penible Verbandstechnik sowie erhöhte Behandlungskosten (36,42).

Im Gegensatz zu Integra® handelt es sich bei Transcyte® um ein zelluläres, allogenes Hautersatzmaterial, bestehend aus allogenen Fibroblasten, die auf einer Biomembran kultiviert wurden (42). Die allogenen Fibroblasten synthetisieren im Verlauf eine Kollagenmatrix und sezernieren wachstumsfördernde Substanzen, wie beispielsweise Keratinocyte Growth Factor und Transforming Growth Factor-β2 (62–64). Das lebende Biomaterial Transcyte® muss tiefgefroren und

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aufwendig gelagert werden und die damit verbundenen höheren Kosten (64,65) wiegen die bis um 4 Tage schnellere Epithelialisierung im Vergleich zu anderen Biomaterialen nicht auf (64). Zudem ist die Indikation für die Anwendung zur temporären Deckung von zweit- bis drittgradig verbrannten, chirurgisch débridierten Arealen recht begrenzt (36,64).

Mit MatriDerm® ist seit einigen Jahren ein dermaler, zellfreier Hautersatz für tiefschichtige Verbrennungen kommerziell erhältlich. Die Matrix besteht dabei aus bovinem Kollagen Typ I und Typ III sowie Elastin und wird, wie im Tiermodell untersucht, vom Empfängerorganismus über den Zeitraum von Wochen in körpereigene Matrix umgebaut (66,67). Ein ähnliches biodegradierbares Verhalten konnte auch im menschlichen Organismus gezeigt werden (68). MatriDerm® ist in verschiedenen Dicken erhältlich und kann bei Raumtemperatur gelagert werden, so dass das Handling erheblich einfacher ist als bei anderen Biomaterialien (67). Insbesondere das einzeitige Vorgehen mit simultaner autologer Spalthauttransplantation wird klinisch als erheblicher Vorteil gewertet und zeigte keine Unterlegenheit zur alleinigen allogenen Spalthauttransplantation (36). Auch bessere Narbenqualität sowie reduzierte Wundkontraktion konnten beobachtet werden (69,70), so dass die bisherigen Ergebnisse in der klinischen Anwendung vielversprechend sind (70,71). Auch eine adäquate und suffiziente Vaskularisierung der Matrix konnte nach Transplantation in vivo beobachtet werden (72). Ein vollschichtiger Hautersatz ist mit MatriDerm® allerdings ebenfalls bisher nur in Kombination mit einer autologen Spalthauttransplantation möglich. In weiterführenden Studien wurde MatriDerm® aufgrund der vielversprechenden Eigenschaften und Wirkungen auf den menschlichen Organismus als Matrix für zellbasierte Studien genutzt, um die Anwendbarkeit als Trägermatrix für Ansätze des Tissue Engineering zu untersuchen. So konnte in vitro gezeigt werden, dass Zellen verschiedenen Ursprungs, wie beispielsweise pankreatische Stammzellen (73), Präadipozyten (74), Fibroblasten und Keratinozyten (75,76), auf der MatriDerm®-Matrix adhärieren und proliferieren. Damit eignet sich MatriDerm® als Trägermatrix für weitere Forschungsansätze im Bereich des Tissue Engineering und der Regenerativen Medizin (75).

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass mit Hilfe von Hautersatzmaterialien eine erhebliche Verbesserung der chirurgischen Therapie ermöglicht worden ist. Die Spalthauttransplantation ist jedoch nach wie vor unverzichtbar um einen hochwertigen, permanenten Hautersatz zu erreichen und stellt den Goldstandard in der klinischen Versorgung von Brandverletzten dar (52). Alle biologischen und synthetischen Hautersatzmaterialien können die physiologische Funktion der Haut bisher nur unzureichend ersetzen. Auch der mit ihnen verbundene höhere Kostenaufwand sollte ebenfalls nicht vernachlässigt werden (52). Insbesondere die Flüssigkeits- und Thermoregulation, eine fehlende Sensibilität, eine unzureichende immunologische Verträglichkeit mit dem Empfängerorganismus sowie mangelnde biomechanische Eigenschaften stellen noch Herausforderungen für die zukünftige Forschung dar. Abschließend lässt sich festhalten, dass es trotz umfassender Forschungsvorhaben bisher nicht gelungen ist einen Hautersatz herzustellen, der einen vollwertigen, universell einsetzbaren sowie immunologisch verträglichen Ansatz bildet und dessen Anwendung ein ansprechendes ästhetisches Ergebnis ermöglicht.

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1.4 Keratinozyten basierte Hautersatzverfahren

Neben den oben erwähnten chirurgischen Therapieoptionen sowie den unter 1.3 erwähnten kommerziellen Hautersatzmaterialien existiert eine große Vielfalt zellbasierter Ansätze für Hautersatzverfahren. Seit der erstmalig erfolgreichen in vitro Kultivierung von Keratinozyten, durch Rheinwald und Green 1975, sind diese zunehmend als erfolgversprechender Ansatz zur Herstellung eines künstlichen Hautersatzes in den Fokus der Forschung gerückt (77,78). Im Verlauf fokussierten sich verschiedene Forschungsansätze insbesondere auf die Transplantation autologer Keratinozyten (79,80). So sind aktuell autologe Keratinozyten beispielsweise als Zellsheet (EpiCel™) (81) oder als Sprühsuspension (ReCell™) (82) kommerziell erhältlich und Bestandteil der klinischen Versorgung von Brandverletzten. Die Anwendung ist jedoch nach wie vor sehr limitiert, da die Herstellung mit einem hohen Kostenaufwand und einer mehrwöchigen Kultivierungszeit verbunden ist (83). Zudem weisen die Einheilungsraten der Transplantate noch eine deutliche Schwankungsbreite auf (84,85).

Beiden Darreichungsformen fehlt außerdem die dermale Hautkomponente, so dass eine ausreichende Stabilität der Transplantate, insbesondere im Handling bei der Herstellung, aber auch bei der Transplantation, nicht gegeben ist (36). Auch die Auswirkung auf die Narbenbildung ist noch nicht abschließend untersucht worden. In weiteren Studien wurde die Verwendung von unterschiedlichen Trägermatrices im Bereich des Tissue Engineering mit Keratinozyten, wie beispielsweise Fibrinkleber (86) oder Spinnenseidematrices (87,88), umfassend untersucht. Weitere Forschungsansätze eines biologisch verträglichen Hautersatzmaterials haben sich zudem auf Fibroblasten als Zellpool fokussiert, da Fibroblasten im Rahmen der Wundheilung in die Wunde migrieren, dort proliferieren und die extrazelluläre Matrix neu synthetisieren. Zudem sezernieren sie eine Vielzahl an Zytokinen und Wachstumsfaktoren, die den Wundheilungsprozess initiieren und fördern (89).

Mit der Etablierung eines effizienten und kostensparenden Kultivierungsprotokolls für Keratinozyten legten Radtke et al. den Grundstein für eine erhebliche Erleichterung der recht aufwendigen Kultivierung von primären Keratinozyten. Das etablierte Protokoll zeigte eine serumfreie, zeit- und kostensparende Methode, die Reinkulturen auch über einen längeren Zeitraum von mindestens 5 Wochen ermöglichten. Die kultivierten Keratinozyten zeigten über den gesamten Versuchszeitraum keine morphologischen Veränderungen und ein reges Proliferationsverhalten (90). Trotz der geschilderten Nachteile stellen autologe Keratinozyten ein wichtiges zelltherapeutisches Werkzeug dar, welches mit Hilfe von Immunmodulation noch weiter optimiert werden könnte. So konnte 1987 durch Morgan et al. erstmals die erfolgreiche genetische Modifikation von Keratinozyten mittels retroviralem Gentransfer des Human Exogenous Growth Hormone beschrieben und im Tiermodell weiter quantifiziert werden (91). Mit der Etablierung viraler Vektoren als Transfektionsmethode konnte eine effiziente Transfektion von Keratinozyten erreicht werden (92–94). Die virale Transfektion von Keratinozyten stellt dabei ein vielversprechendes Werkzeug für gentherapeutische Anwendungen dar.

So konnten Vogt et al. im Schweinmodell die Expression von Wachstumsfaktoren und ß- Galactosidase sowie die Regeneration der Epidermis nach Transplantation von retroviral transfizierten Keratinozyten nachweisen (95). Auch die systemische Expression von Genen in Bioreaktorsystem bietet vielfältige Optionen hinsichtlich einer gentherapeutischen Anwendung von modifizierten Keratinozyten (96). Bei der Anwendung viraler Vektoren sollte jedoch eine sorgfältige Nutzen-Risiko-

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Analyse erfolgen, da sie einerseits eine unkontrollierte Immunreaktion hervorrufen können und andererseits nur den Transfer von Genen mit einer limitierten Größe ermöglichen (97,98).

Nichtsdestotrotz konnte die erfolgreiche und effiziente Transfektion von Keratinozyten anhand eines Green-Fluorescent-Protein (GFP) exprimierenden Vektors mit einem kommerziell erhältlichen Transfektionsreagenz unter serumfreien Kulturbedingungen nachgewiesen werden (90). Trotz intensiver Forschungsvorhaben und Bemühungen verbleibt die Datenlage zur Anwendung genetisch modifizierter Keratinozyten als Hautersatz in vivo unzureichend. Schlussfolgernd lässt sich konstatieren, dass die genetische Modifikation von Keratinozyten die Grundlage für die Herstellung eines universell einsetzbaren und immunologisch verträglichen Hautersatzes bilden könnte (22). Auf die immunologischen Grundlagen der Abstoßungsreaktion von Geweben wird in Abschnitt 1.5 ausführlicher eingegangen.

1.5 Immunologische Reaktion der Gewebeabstoßung

Die Transplantation von Geweben oder ganzen Organen hat sich im Rahmen des medizinischen Fortschritts zu einer wichtigen Behandlungsoption entwickelt, um erkrankte Strukturen und Organe zu ersetzen. Seit der ersten erfolgreichen Hauttransplantation durch Reverdin 1871 hat sich auch die Hauttransplantation zu einem Grundpfeiler in der klinischen Versorgung Schwerverbrannter entwickelt (57). Jedoch stellt eine adaptive Immunreaktion des Empfängerorganismus nach erfolgter Transplantation noch eine der größten Herausforderungen in der Transplantationschirurgie dar (99).

Die zellulären und molekularen Mechanismen der Gewebeabstoßung sind bisher recht gut verstanden und sollen im Folgenden grundlegend erläutert werden. Es werden drei Typen der Abstoßungsreaktion von Transplantaten unterschieden: die hyperakute Abstoßungsreaktion, die akute Abstoßungsreaktion sowie die chronische Abstoßungsreaktion (99). Eine Abstoßung von transplantiertem Gewebe oder Organen wird durch eine Immunantwort des Empfängerorganismus auf Alloantigene des Transplantates hervorgerufen. Bei Alloantigenen handelt es sich um Proteinbestandteile, die sich zwischen verschiedenen Individuen unterscheiden und somit vom Empfängerorganismus nach erfolgter Transplantation als körperfremd wahrgenommen werden. Eine Immunreaktion des Empfängerorganismus gegen diese präsentierten Alloantigene führt schlussendlich zu einer Abstoßung des Transplantats (99).

Die hyperakute Transplantatabstoßung ist eine Reaktion des Komplementsystems, die durch bereits vor der Transplantation vorhandene Antikörper ausgelöst wird (100,101). Beim Komplementsystem handelt es um ein System von Plasmaproteinen, das einen der wichtigsten Mechanismen in der Erkennung von Antigenen und der Einleitung einer wirkungsvollen Abwehrreaktion des Körpers darstellt (102). Die Abstoßungsreaktion tritt meist innerhalb kürzester Zeit nach erfolgter Transplantation auf, mitunter kann es sich dabei um einen Zeitraum von nur wenigen Minuten handeln (103). Die Antikörper können sich dabei beispielsweise gegen Blutgruppenantigene oder Major Histocompatibility Complex (MHC)-Antigene richten (101) und können als Reaktion auf eine frühere Transplantation oder Bluttransfusion gebildet worden sein. Sie stellen insbesondere bei der Transplantation von vaskularisierten Organen, beispielsweise einer Nierentransplantation, eine gefürchtete Komplikation mit schneller Organabstoßung dar. Im Rahmen der Abstoßungsreaktion

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einer allotransplantierten Niere reagieren die Alloantigene auf dem Gefäßendothel des Transplantates mit den im Empfängerorganismus vorhandenen Antikörpern und aktivieren somit das Komplementsystem und die Blutgerinnungskaskade (100,101). Folglich kommt es zu einem Gefäßverschluss im Transplantat und einer Abstoßung. Nicht selten treten systemische Reaktionen des Organismus auf, die zu einer lebensbedrohlichen Situation führen können (103). Es konnte gezeigt werden, dass die hyperaktue Abstoßungsreaktion insbesondere bei der Transplantation von xenogenem Gewebe von großer Bedeutung ist (104). In weiterführenden Studien wurde zudem der Fokus auf eine Regulation des Komplementsystems gelegt, um eine hyperakute Abstoßungsreaktion zu verhindern und somit xenogenes Gewebe für die Transplantation nutzbar zu machen. Neben der pharmakologischen Manipulation des Komplementsystems (105) und der Applikation von Immunglobulinen (106) ist auch die Transfektion von codierenden komplementären Desoxyribonukleinsäure-Abschnitten (cDNA) für Komplementsystem regulierende Faktoren im Schwein-Modell umfassend untersucht worden (107,108). Eine Hauttransplantation ist von einer hyperakuten Transplantatabstoßung jedoch nicht betroffen, da eine Immunreaktion erst nach sekundärer Einheilung auftritt.

Neben der hyperakuten Abstoßungsreaktion sind noch die akute und die chronische Abstoßungsreaktion bekannt. Eine akute Abstoßungsreaktion wird nach geltender Lehrmeinung über T-Lymphozyten des Empfängerorganismus vermittelt und durch körperfremde Alloantigene initiiert, die im Transplantat enthalten sind (99). Kommt es zu einer Transplantation von Geweben, die kernhaltige Zellen enthalten, beispielsweise im Rahmen einer Hauttransplantation, führt eine T-Zell vermittelte immunologische Reaktion gegen die hoch polymorphen und im Vergleich zum Empfänger unterschiedlichen MHC-Moleküle, die als Alloantigene fungieren, meist zu einer Abstoßung des transplantierten Gewebes (109). Es handelt sich dabei in der Regel um MHC-I-Moleküle, welche die Abstoßungsreaktion hervorrufen. Diese Reaktion wird auch als alloreaktive Immunantwort bezeichnet (110). Es wird angenommen, dass MHC-I-Antigene die stärksten Initiatoren akuter Abstoßungsreaktionen sind (99).

Es werden drei unterschiedliche Klassen von MHC-Molekülen unterschieden: MHC-Klasse I, MHC- Klasse II und MHC-Klasse III. Bei den MHC-I-Molekülen handelt es sich um Proteinkomplexe, die sich, mit Ausnahme von Erythrozyten und Trophoblasten, auf allen kernhaltigen Zellen des menschlichen Organismus befinden (99). Die Funktion der MHC-I-Moleküle ist umfassend untersucht worden und bisher gut verstanden. Sie dienen unter anderem der Präsentation von Antigenen für zytotoxische T- Zellen, indem sie Peptide auf der Zelloberfläche präsentieren und somit dem Immunsystem signalisieren, welche Proteine in der Zelle synthetisiert werden (110,111). Werden körpereigene Peptide von den MHC-Komplexen auf der Zelloberfläche präsentiert, wird eine Bindung von zytotoxischen Cluster of Differentiation (CD)8+-T-Lymphozyten unterbunden. Dieser Prozess wird auch als Selbsttoleranz bezeichnet und schützt den menschlichen Organismus vor einem Angriff durch das körpereigene Immunsystem (99,112,113). Kommt es hingegen zu einer Präsentation körperfremder Peptide, binden die CD8+-T-Lymphozyten und es kommt zum Zelltod der betroffenen Zelle (110,111). Eine akute Abstoßungsreaktion beruht dabei auf dem lokalen und systemischen

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Zusammenspiel von Zellen und Mediatoren und wird durch zytotoxische CD8+-T-Zellen, CD4+-T- Zellen oder eine Kombination beider Zellarten vermittelt (110,114). Die Alloantigene auf einem Transplantat werden den zytotoxischen T-Lymphozyten des Empfängerorganismus auf zwei unterschiedliche Arten präsentiert, die auch als direkte und indirekte Allogenerkennung bekannt sind (115). Im Rahmen der direkten Allogenerkennung werden ganze körperfremde MHC-I-Moleküle des Allotransplantates erkannt (116). Es kommt zu einer Bindung von CD4+-T-Lymphozyten des Empfängerorganismus an MHC-II-Moleküle des Transplantates sowie von CD8+-T-Lymphozyten des Empfängerorganismus an MHC-I-Moleküle des Transplantates (114,117). Bei der Transplantation solider Organen befinden sich die MHC-Moleküle, die als Alloantigene fungieren, meist auf den Doner- Leukozyten des Spenders und werden mit dem Organ transplantiert. Sie werden auch als „Passenger Leukocytes“ bezeichnet und ihre Anzahl nimmt nach erfolgter Transplantation kontinuierlich ab, so dass die direkte Allogenerkennung unmittelbar nach der Transplantation von Bedeutung ist (99). Die indirekte Allogenerkennung verläuft analog zur klassischen Antigenerkennung, die im Rahmen von Infektionen auftritt. Dabei erkennen CD4+-T-Lymphozyten körperfremde Peptide, die von den MHC-II- Molekülen der körpereigenen antigenpräsentierenden Zellen präsentiert werden (118). Die Peptidfragmente wurden zuvor von den antigenpräsentierenden Zellen aufgenommen und prozessiert.

Es kommt zur Aktivierung der T-Lymphozyten sowie zur Produktion einer Reihe von Zytokinen. Über endotheliale Adhäsionsmoleküle wandern T-Lymphozyten, Makrophagen und Natürliche Killerzellen (NK) in den subendothelialen Raum ein und lösen dort einen Entzündungsprozess aus (99,118). Die sezernierten Zytokine, insbesondere Interferon-gamma sowie Interleukin-4 und -10 sowie Wachstumsfaktoren sorgen dann für eine Progression dieses Prozesses und helfen somit zytotoxischen T-Zellen, Makrophagen und NK-Zellen eine Zytotoxizität gegen das Allotransplantat zu entwickeln (110). Das Verhältnis zwischen direkter und indirekter Antigenerkennung im Rahmen einer Gewebeabstoßung ist bisher nicht abschließend aufgeklärt (99). Man nimmt jedoch an, dass die Bedeutung der indirekten Anitgenerkennung bisher unterschätzt wurde (119,120).

In tierexperimentellen Studien konnte gezeigt werden, dass die Hauttransplantation zwischen nicht verwandten Mäuseinzuchtstämmen, folglich als Allotransplantation bezeichnet, nach zehn bis 13 Tagen zu erwarten ist und zu einer primären Abstoßungsreaktion führt (99,121). Neben einer primären Abstoßungsreaktion ist auch eine sekundäre Abstoßungsreaktion bekannt, die wesentlich schneller über den Zeitraum von sechs bis acht Tagen abläuft und bei wiederholter Transplantation von Haut auf ein Empfängertier beobachtet werden konnte, welches zuvor bereits ein Hauttransplantat desselben Spendertieres abgestoßen hatte (99,121). Die klinische Diagnose einer Abstoßungsreaktion kann anhand verschiedener Parameter, wie beispielsweise klinischer Symptomatik in Form von Epidermolyse, Einblutung oder Nekrose sowie laborchemischer Analysen und der histologischen Beurteilung einer Gewebebiopsie, gestellt werden. Dabei umfassen wichtige Abstoßungsmerkmale die infiltrierenden Immunzellen und deren Ratio zueinander, den strukturellen Abgleich der Gewebeanatomie sowie die histologische Sicherung einer Schädigung der lokalen Blutgefäße (122–124). Die Kompatibilität der MHC-Moleküle zwischen Spender und Empfänger kann das Transplantationsresultat wesentlich verbessern und eine Abstoßungsreaktion verhindern (109,125). So konnte in den vergangenen Jahren der Erfolg insbesondere von Organtransplantationen

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durch einen Abgleich der MHC-Profile zwischen Spender und Empfänger signifikant verbessert werden (125,126). Jedoch kann auch durch eine genaue MHC-Typisierung des Transplantates eine Abstoßungsreaktion des Empfängerorganismus nicht immer verhindert werden (99). Eine perfekte Übereinstimmung ist in der klinischen Praxis selten erreichbar, da Spender und Empfänger in der Regel verwandt sein müssen, um eine genetische Ähnlichkeit der MHC-Moleküle aufzuweisen.

Aufgrund eines Missverhältnisses zwischen Angebot und Bedarf an Spenderorganen ist die Auswahl eines MHC kompatiblen Organs zudem stark eingeschränkt (127). Das für MHC-Moleküle codierende Gen liegt beim Menschen im Bereich der Human-Leukocyte-Antigen (HLA)-Gens und weist eine hohe genomische Diversität auf (128–130). Aufgrund der hohen genomischen Diversität ist trotz eines bestehenden Verwandtschaftsverhältnisses jedoch ein idealer Spender, der ein identisches genomisches MHC-Profil aufweist, meist nicht verfügbar (125,127,130). Die Ursachen hierfür liegen insbesondere darin, dass die zur Verfügung stehenden Methoden der HLA-Typisierung trotz umfassender Fortschritte aufgrund der polymorphen genomischen Diversität und der daraus resultierenden Komplexität eine exakte HLA-Typisierung nahezu unmöglich machen (99,130). Zudem ist bekannt, dass selbst MHC-identische Transplantate, beispielsweise bei HLA-identischen Geschwistern, mit zeitlicher Verzögerung abgestoßen werden. Die Abstoßungsreaktion erfolgt dabei jedoch deutlich verzögert und beruht auf den Minor Histocompatibility Antigens, bei denen es sich um Individuen spezifische Antigene handelt, die nicht Bestandteil der MHC-Proteine sind (131–133). Auf die Minor Histocompatibility Antigens soll hier im Detail nicht weiter eingegangen werden.

Trotz diverser Forschungsansätze ist es bisher nicht gelungen die spezifische Immunreaktion gegen allotransplantiertes Gewebe zu hemmen, ohne die Immunabwehr des gesamten Empfängerorganismus zu beeinträchtigen (134). Bei den meisten Transplantationen ist daher häufig die Anwendung immunsuppressiver Medikamente notwendig, die eine allgemeine Immunkompromittierung hervorrufen (134,135). So sind die klinischen Erfolge in der Organtransplantation solider Organe im Wesentlichen auf die Fortschritte in der Entwicklung immunsuppressiver Medikamente zurück zuführen (99). Die systemische Immunmodulation eines Organismus kann jedoch toxisch wirken und geht mit einer Beeinträchtigung der Immunkompetenz und somit einem erhöhten Infektionsrisiko einher (134). Der Erfolg einer Gewebe- oder Organtransplantation hängt somit mehrheitlich von einer MHC-Typisierung des Transplantates, der Anwendung einer wirkungsvollen Immunsuppression sowie den operativen Fähigkeiten des durchführenden Arztes ab (136,137). Insbesondere für den Schwerbrandverletzten verbietet sich aufgrund der immunologischen Entgleisung im Rahmes des Systemic Inflammatory Response Syndrome (SIRS) eine zusätzliche medikamentöse Immunsuppression (138).

Zu guter Letzt soll kurz auf den Mechanismus einer chronischen Abstoßungsreaktion eingegangen werden, die insbesondere bei der Transplantation solider Organe, wie beispielsweiser einer Niere, auftreten. Es handelt sich dabei um einen langsam fortschreitenden Prozess, der über eine Entzündung der im Transplantat liegenden Blutgefäße gekennzeichnet ist. Es folgt eine Fibrosierung und Vernarbung der Gefäße, was zu einer Minderversorgung und schlussendlich zu einem Versagen des Transplantates führt (139–141).

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Abschließend lässt sich konstatieren, dass die Immunmodulation von allogenen Transplantaten eine vielversprechende Möglichkeit darstellen würde, um Abstoßungsreaktionen zu reduzieren. Ein Eingriff in die intrinsische Alloreaktivität des Gesamtorganismus mittels immunsuppressiv wirksamer Medikamente könnte dadurch verhindert werden. Insbesondere die Anwendung bei immunkompromittierten Patienten, wie beispielsweise Schwerbrandverletzten, wäre hinsichtlich einer Immunkompatibilität von Transplantaten äußerst vielversprechend und würde einen vielfältigen klinischen Einsatz von beispielswiese allogenen Hauttransplantationen ohne Abstoßungsreaktion ermöglichen.

1.6 Anforderungen an einen idealen Hautersatz

Wie in den vorausgehenden Abschnitten geschildert, ist es bisher trotz intensiver Bemühungen nicht gelungen einen Hautersatz herzustellen, der einen vollwertigen, universell einsetzbaren sowie immunologisch verträglichen Ansatz bildet und dessen Anwendung ein ansprechendes ästhetisches Ergebnis ermöglicht (142–146). Ein idealer Hautersatz müsste nach Möglichkeit eine frühzeitige Wiederherstellung der physiologischen und anatomischen Funktion der Haut gewährleisten.

Gegenwärtig kann dieses Ideal nur durch die Anwendung einer vollschichtigen Hauttransplantation oder einer Lappenplastik gewährleistet werden (147). Die Anforderungen an einen idealen Hautersatz leiten sich aus der Funktion der Haut ab und werden im Folgenden noch einmal kurz dargestellt .

Ein idealer Hautersatz sollte die Funktion der Haut als physikalische und chemische Barriere gegen äußere Einflüsse hinreichend wiederherstellen (148). Zudem bedarf er einer ausreichenden biomechanischen Stabilität sowie einer hohen biologischen Funktionalität, um eine suffiziente Belastbarkeit zu ermöglichen und eine Abstoßungsreaktion zu verhindern (149,150). Auch der Prozess der Thermoregulation sollte durch eine ausreichende Adhäsion an das Wundbett, Schweißbildung und Wasserdiffusion ermöglicht werden (147,151). Eine Degradation des Hautersatzes und der Umbau in körpereigenes Gewebe müsste ebenfalls gegeben sein. Die genannten Eigenschaften hängen zum größten Teil von dem angewandten Hautersatzverfahren ab.

Verwendete Biomaterialien bedürfen eines Grundgerüstes , dass weder antigene noch toxische Eigenschaften aufweist und zudem eine gerichtete Zellmigration und Zellproliferation gewährleisten kann (152,153). Auch ein einfaches Handling in der Anwendung, eine schnelle und kostengünstige Verfügbarkeit sowie die ästhetischen Ergebnisse spielen in der Anwendung von Hautersatzmaterialien ebenfalls eine entscheidende Rolle (151,154).

1.7 Immunmodulation von allogenen Transplantaten durch Reduktion der Expression von MHC-I-Molekülen auf der Zelloberfläche

In verschiedenen Studien konnte nachgewiesen werden, dass durch die Modulation der MHC-I- Expression die Überlebenszeit und Akzeptanz transplantierter allogener Organe maßgeblich beeinflusst werden konnte. In einem Knockout-Mausmodell mit fehlender MHC-I- und MHC-II- Exprimierung wiesen allogene Hauttransplantate eine verzögerte Abstoßungskinetik auf (155).

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Auchincloss et al. konnten zeigen, dass MHC-II-defiziente Hauttransplantate im Mausmodell eine Transplantatabstoßung ohne Verzögerung aufwiesen (156). Die Bedeutung der MHC-I-Expression bei der Abstoßung von allogenen Organen wurde daraufhin in weiteren Studien untersucht, die den Fokus auf eine Unterbindung der Antigenpräsentation direkt am Allotransplantat legten. Um dies zu erreichen wurden β2-Mikroglobulin- (β2M) sowie Transporter-Associated-with-Antigen-Processing (TAP)-defiziente Transplantationsmodelle entwickelt und weiter untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass in β2M-defizienten Mäusen die Allotransplantation von pankreatischen Inseln ein unbegrenztes Transplantatüberleben aufwiesen (157), wohingegen die Allotransplantation von Herz und Leber lediglich eine verzögerte Transplantatabstoßung zeigten (158). Allotransplantierte Nieren wiesen sogar eine deutlich verbesserte Nierenfunktion des Transplantats auf (159). In einem weiteren Schritt wurde das Abstoßungsverhalten von Hauttransplantaten in TAP- und in β2M-defizienten Mausmodellen ebenfalls untersucht. Dabei konnte eine verzögerte Abstoßung des Allotransplantates nachgewiesen werden (160–162). Trotz intensiver Bemühungen konnte bisher durch die Eliminierung des β2-Mikroglobulins bzw. TAP-Transporters keine vollständige Entfernung des MHC-Klasse-I- Moleküls im Allotransplantat erreicht werden.

Die genetische Modifikation von Zellen zum Erreichen einer besseren Immunkompatibilität wurde daraufhin in weiterführenden in vitro Studien untersucht. Beispielsweise konnte mittels spezifischer Intrabodies in Endothelialzellen ein phänotypischer Knockout der MHC-I-Expression durch Retention der Moleküle im Endoplasmatischen Retikulum erreicht werden (163). Als weiterer Ansatz zur Allotransplantation von Keratinozyten beziehungsweise Haut konnte in humanen und Affen-Zelllinien eine deutlich reduzierte MHC-I-Expression durch Verwendung von spezifischen Intrabodies nachgewiesen werden. Die Zelllinien zeigten dabei unterschiedliche HLA-A, -B und -C Haplotypen (164). Aufgrund der hohen genomischen Diversität der HLA-Gene ist bisher der genotypische Knockout von MHC-I-Molekülen jedoch nicht realisierbar. Um die Akzeptanz allogener Hauttransplantate zu verbessern, ist es deshalb erstrebenswert die MHC-I-Expression zu unterdrücken und somit eine Abstoßungsreaktion zu verhindern. Gestützt auf die bisherigen Studien stellt die Verwendung viraler MHC-I-modulatorischer Proteine beziehungsweise Vektoren einen innovativen und vielversprechenden Forschungsansatz dar, um die Expression von MHC-I-Molekülen zu modulieren und somit eine Transplantatabstoßung zu verhindern.

Viele Viren haben im Laufe der Koevolution die Fähigkeit entwickelt die virale Peptid-Präsentation zu unterdrücken und somit keine Immunreaktion des infizierten Organismus hervorzurufen (165,166). Als prominenter Vertreter gilt das humane Cytomegalievirus (HCMV), das durch die Reduktion der MHC-I- Expression auf der Zelloberfläche der infizierten Zellen keine virale Peptidpräsentation und somit auch keine Immunreaktion des infizierten Organismus hervorruft (167,168). Durch eine fehlende beziehungsweise reduzierte MHC-I-Expression unterbleibt eine Aktivierung der zytotoxischen CD8+-T- Lymphozyten (169–171). Die zugrundeliegenden molekularen Mechanismen sind bisher gut verstanden. So konnten Ahn et al. nachweisen, dass das HCMV verschiedene Strategien nutzt, um nicht vom Immunsystem des infizierten Organismus erkannt zu werden (172). Das HCMV verhindert die MHC-I-Expression an der Zelloberfläche durch verschiedene modulatorische, transmembranöse Glykoproteine, die als Unique Short Gylcoproteins (US) bezeichnet werden. Es konnte insbesondere

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gezeigt werden, dass die US2-, US3-, US6- und US11-Glykoproteine für die MHC-I-Modulation verantwortlich sind (168,173). Jedes der genannten Glykoproteine wird zu unterschiedlichen Zeitpunkten im viralen Replikationszyklus exprimiert und bedient sich vielfältiger Mechanismen, um die MHC-I-Expression zu modulieren. So konnte gezeigt werden, dass US2 und US11 die neu synthetisierten schweren Ketten des MHC-I-Komplexes vom Endoplasmatischen Retikulum ins Zytosol befördert, wo es zu einer Degradation durch die Proteasomen kommt (174–176). In weiterführenden Studien konnte demonstriert werden, dass die Fähigkeit der MHC-I-Reduktion auf der Zelloberfläche von US2 deutlich ausgeprägter ist als von US11 (177). Im Gegensatz zu US2 und US11 bedienen sich US3 und US6 anderer molekularer Mechanismen, auf die an dieser Stelle jedoch nicht weiter eingegangen werden soll. Somit stellt die Verwendung von US-Glykoproteinen einen vielversprechenden Ansatz dar, um die Expression von MHC-I-Molekülen in Allotransplantaten zu modulieren und somit eine Transplantatabstoßung zu verhindern. Insbesondere für die Herstellung eines immunkompatiblen Hautersatzes zur Versorgung schwerverbrannter, immunkompromitierter Menschen könnte dies von großem Nutzen sein.

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2. Ziele der Arbeit

Das Ziel der veröffentlichen Studie war die genetische Modifikation von primären Keratinozyten bezüglich ihrer MHC-I-Oberflächenexpression, um so ihre Immunogenität zu senken und somit als zelltherapeutisches Werkzeug für einen allogen transplantierbaren Hautersatz nutzbar zu machen. Zu diesem Zweck wurden virale Vektoren, die das US11-Gen des humanen Cytomegalivirus enthielten, generiert und mittels Western Blotting, immunhistochemischer und durchflusszytometrischer Analysen, auf ihre Funktionalität überprüft. In einem weiteren Schritt wurden die transfizierten Keratinozyten auf MatriDerm® als Trägermatrix kultiviert. Bei MatriDerm® handelt es sich um einen kommerziell erhältlichen, dermalen und zellfreien Hautersatz bovinen Ursprungs, der sich in mehreren klinischen Studien für die Therapie tiefschichtiger Verbrennungen bewährt hat. Nach einer Langzeitkultivierung wurden die Vitalität, das Proliferationsverhalten sowie weitere Parameter mittels Live-Dead-Assay und histologischer Analysen untersucht.

Zudem sollte im Vergleich zu Kontrollen eine signifikante Reduktion der MHC-I-Oberflächenexpression der primären Keratinozyten gewährleistet sein, um somit langfristig eine reduzierte Immunogenität hinsichtlich einer zellulären Immunantwort erreichen zu können. Die modifizierten Keratinozyten sollten sich zudem morphologisch und physiologisch nicht von untransfizierten Kontrollen unterscheiden. Abschließend sollte somit basierend auf den Ergebnissen eine Aussage bezüglich der weiteren Anwendbarkeit für die Erzeugung eines immunkompatiblen Hautersatzes mit hoher biologischer Funktionalität und universaler Transplantierbarkeit getroffen werden können.

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3. Publikation

3.1 Rolle der Ko-Autorinnen und Ko-Autoren

Die beteiligten Wissenschaftler haben wie folgt an der Erstellung der nachfolgenden Publikation mitgewirkt:

Planung und Konzeptionierung: Dr. rer. biol. hum. Vesna Bucan Frederik Schlottmann

Dr. rer. nat. Sarah Strauß

Versuchsdurchführung: Frederik Schlottmann

Dr. rer. biol. hum. Vesna Bucan Kevin Hake

Versuchsauswertung: Frederik Schlottmann

Dr. rer. biol. hum. Vesna Bucan Kevin Hake

Dr. rer. nat. Sarah Strauß

Abbildungs-Erstellung: Frederik Schlottmann

Dr. rer. biol. hum. Vesna Bucan

Manuskript-Erstellung: Frederik Schlottmann

Manuskript-Editierung: Frederik Schlottmann

Dr. rer. biol. hum. Vesna Bucan Dr. rer. nat. Sarah Strauß Prof. Dr. med. Peter M. Vogt Kevin Hake

Projektleitung und Supervision: Prof. Dr. med. Peter M. Vogt Dr. rer. biol. hum. Vesna Bucan Dr. rer. nat. Sarah Strauß

Drittmittel-Akquise: Prof. Dr. med. Peter M. Vogt Dr. rer. biol. hum. Vesna Bucan

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3.2 Originalpublikation

Schlottmann F, Strauss S, Hake K, Vogt PM, Bucan V. Down-Regulation of MHC Class I Expression in Human Keratinocytes Using Viral Vectors Containing US11 Gene of Human Cytomegalovirus and Cultivation on Bovine Collagen-Elastin Matrix (Matriderm®): Potential Approach for an Immune-Privileged Skin Substitute. Int J Mol Sci. 2019 Apr 26;20(9):2056.

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4. Diskussion

4.1 Zusammenfassende Beurteilung der Ergebnisse und Diskussion

In der vorliegenden Studie konnte erstmals die erfolgreiche Reduktion der MHC-I- Oberflächenexpression in humanen primären Keratinozyten durch Transfektion mit einem viralen US11-Vektor des humanen Cytomegalievirus beschrieben werden. Das Ziel war dabei eine Reduzierung der Immunogenität der Keratinozyten, um sie langfristig für die Herstellung eines immunkompatiblen und universell einsetzbaren Hautersatzes nutzbar zu machen. In der Vergangenheit wurden verschiedene Protokolle zur erfolgreichen Isolation von primären Keratinozyten beschrieben. Es wurde dabei festgestellt, dass sowohl das Alter als auch die Körperregion der Keratinozytenentnahme Einfluss auf das Proliferationsverhalten der Zellen haben (90). Daher wurden in der vorliegenden Studie Primärzellen verwendet, die einer etablierten Zelllinie entstammten und kommerziell erhältlich waren (178). Sämtliche Experimente erfolgten im Einklang mit der Deklaration von Helsinki sowie mit Genehmigung der Ethikkommission der Medizinischen Hochschule Hannover und folgten den Prinzipien der guten wissenschaftlichen Praxis.

Die verminderte MHC-I-Oberflächenexpression wurde dadurch erreicht, dass der kodierende Anteil des US11-Gens des humanen Cytomegalievirus in einen pCMV6-Vektor kloniert, eingesetzt und ektopisch exprimiert wurde. Die viralen Vektoren waren dabei kommerziell erhältlich. Andere Arbeitsgruppen konnten feststellen, dass die immunmodulatorischen Fähigkeiten des humanen Cytomegalievirus von der Spezifität der kodierenden MHC-I-Allele entscheidend beeinflusst werden.

Es wird angenommen, dass alle US-Gene die Expression von HLA-A- und -B-Allelen beeinflussen, jedoch ist die Datenlage diesbezüglich bisher nicht einheitlich (179–181). Aufgrund der hohen genomischen Diversität erfolgte daher initial eine Bestimmung der HLA-Haplotypen der verwendeten primären Keratinozyten in Kooperation mit dem Institut für Transfusionsmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover. Dabei konnten HLA-A-, HLA-B-, HLA-C- sowie HLA-DRB1-Subtypen nachgewiesen werden, so dass von einer HLA-A- und HLA-B-spezifischen Bindung der verwendet Antikörper für die weitere analytische Auswertung ausgegangen werden konnte.

Es erfolgte die Transfektion der primären Keratinozyten mit einem kommerziell erhältlichen Kit der Firma AMS Biotechnology und eine weitere Kultivierung der Zellen, um nach 24 respektive 48 Stunden eine Evaluation der MHC-I-Oberflächenexpression mittels indirekter Immunfluoreszenz, qualitativer Proteinbestimmung mittels Western Blot sowie einer spezifischen durchflusszytometrischen Analyse durchzuführen. Eine indirekte Immunfluoreszenzfärbung zeigte qualitativ eine Reduzierung der MHC-I-Oberflächenexpression 24 Stunden nach erfolgter Transfektion im Vergleich zu nicht transfizierten Kontrollen. Es zeigte sich in den Färbungen zudem, dass eine Vielzahl der kultivierten Keratinozyten angesprochen wurde. Die Reduzierung der MHC-I- Oberflächenexpression konnte auch in einer qualitativen Western-Blot-Analyse nach 24 beziehungsweise auch 48 Stunden nach erfolgter Transfektion nachgewiesen werden. Hierbei konnte interessanterweise ein Wiederanstieg der MHC-I-Oberflächenexpression durch einen Wiederanstieg des detektierten Proteingehalts nach 48 Stunden nachgewiesen werden. Daher ist lediglich von einer

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transienten Expression des US11-Gens und einer damit einhergehenden Reduzierung der MHC-I- Oberflächenexpression auszugehen.

Zur weiteren Quantifizierung erfolgte daher eine durchflusszytometrische Analyse der transfizierten Keratinozyten 24 und 48 Stunden nach erfolgter Transfektion mit dem US11-Vektor. Die transiente Reduktion der MHC-I-Oberflächenexpression konnte somit verifiziert werden und zeigte eine relative Reduktion der MHC-I-Oberflächenexpression um 32,3% nach 24 Stunden mit einem Wiederanstieg der Expression auf Ausgangsniveau nach 48 Stunden im Vergleich zu untransfizierten Kontrollen. Das Ziel der MHC-I-Oberflächenreduktion zur immunologischen Modifikation konnte somit nach 24 Stunden erreicht werden, jedoch nicht über einen Zeitraum von 48 Stunden aufrecht erhalten werden.

Diese frühzeitige Expression von US11 deckt sich mit den Daten anderer Arbeitsgruppen, die zeigen konnten, dass alle US-Transkripte zu unterschiedlichen Zeitpunkten des viralen Replikationszyklus exprimiert werden. So konnte gezeigt werden, dass sowohl US2- als auch US11-Transkripte etwas 6 Stunden nach Infektion mit dem humanen Zytomegalievirus exprimiert werden (182). Die MHC-I- Oberflächenexpression in der vorliegenden Studie wurde jedoch nicht unterhalb von 24 Stunden quantifiziert, so dass über den frühestmöglichen Zeitpunkt der US11-Exprimierung in der vorliegenden Studie keine weitere Aussage getroffen werden kann. Zur weiteren Quantifizierung in Folgeexperimenten könnte ebenfalls eine Bestimmung der Genexpression auf molekularbiologischer Ebene mittels quantitativer Real Time-Polymerase-Ketten-Reaktion (rt-PCR) erfolgen.

Ursächlich für die MHC-I-Oberflächenreduktion ist der vielfach untersuchte und beschriebene Effekt, dass US11 die neu synthetisierten schweren Ketten des MHC-I-Moleküls in den Proteasomen im Zytosol degradiert und es somit nicht zu einer Expression an der Zelloberfläche kommt (174–176).

Laut aktueller Datenlage gibt es keine Studien, die zum Vergleich für die Reduktion der MHC-I- Oberflächenexpression in humanen primären Keratinozyten nach erfolgreichen Transfektion mit einem US11-Vektor herangezogen werden können. Kim et al. konnten in einer humanen Stammzelllinie eine MHC-I-Reduktion von etwa 40% nach Transfektion mit US11 nachweisen (183), wohingegen Lee et al. in humanen neuronalen Stammzellen nach Transfektion mit US2, US3, US6 und US11 in durchflusszytometrischen Analysen eine MHC-I-Oberflächenreduktion von 20-50% nachweisen konnten (184). Weitere Studien zeigten eine erhebliche Varianz bezüglich der MHC-I-Expression in verschiedenen humanen Zelllinien nach erfolgter Transfektion mit US11 (185). Die in der vorliegenden Studie dargestellte transiente Reduktion der MHC-I-Oberflächenreduktion steht interessanterweise auch im Widerspruch zu den Daten von Radosevich et al., die eine stabile Transkriptexpression in einer humanen A375 malignen Melanom-Zelllinie über einen Zeitraum von 6 Monaten nachweisen konnten (185). Es scheint daher eine erhebliche Varianz sowohl in der Effizienz als auch der Beständigkeit einer MHC-I-Oberflächenreduktion in humanen Zellen nach erfolgter Transfektion mit US-Genen zu geben. Die in dieser Studie erhobenen Daten sind daher als sinnvolle Ergänzung des wissenschaftlichen Diskurs zu werten und bilden derzeit die Grundlage für Folgeexperimente, um die Wirkung der Transfektion mit US11 auf primäre Keratinozyten weiter zu quantifizieren.

In der vorliegenden Studie konnte sowohl im Western Blot als auch in den durchflusszytrometrischen Analysen nach 48 Stunden nach erfolgter Transfektion ein Wiederanstieg der MHC-I- Oberflächenexpression auf Ausgangsniveau nachgewiesen werden. Eine mögliche Erklärung könnte

Referenzen

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