Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 28–29½½½½15. Juli 2002 AA1929
S E I T E E I N S
Jürgen W. Möllemann
Gesunder Ehrgeiz D
as habe er nicht nötig, antworteteJürgen W. Möllemann auf die Fra- ge, ob er sich für das Amt des Bundes- gesundheitsministers bewerben wol- le. Allerdings plädierte er im Ge- spräch mit dem Deutschen Ärzteblatt dafür, dass die FDP nach der Bundes- tagswahl am 22. September – Regie- rungsbeteiligung vorausgesetzt – erst- mals das Gesundheitsressort für sich beansprucht. Und wenn es denn gelänge, die Verantwortung für die
„Reformruine Nummer eins“ zu übernehmen, dann müsse selbstver- ständlich eine „starke Persönlichkeit“
das Amt bekleiden. Kurz darauf sagte er: „Als Initiator des Projekts 18 und stellvertretender Bundesvorsitzender zähle ich selbstverständlich zu den stärksten Persönlichkeiten der FDP.“
Mit welcher Partei er lieber eine Regierungskoalition auf Bundesebe-
ne bilden würde, dazu ließ sich Mölle- mann keine eindeutige Aussage entlocken. Sein Lieblingsszenario sei es, wenn die beiden großen Parteien jeweils auf einen Stimmenanteil von etwa 36 Prozent kämen und die Libe- ralen in der Nähe der erhofften 18 Prozent landeten: „Denn dann könn- ten wir Forderungen stellen.“ Wie die- se aussehen würden, hat der gesund- heitspolitische Sprecher der FDP- Bundespartei schnell aufgezählt:mehr Eigenverantwortung, Begrenzung der Solidarität in der Gesetzlichen Kran- kenversicherung (GKV) auf das Not- wendige,Transparenz für die Gesund- heitsberufe und die Patienten, Ent- kopplung der Kosten für die GKV von den Kosten der Arbeit, Wettbewerb unter den Versicherern, Kostenerstat- tung und Euro-Preise für Leistungen statt floatender Punktwerte.
Ernsthafte Konkurrenz bei der Besetzung des Gesundheitsminister- postens sieht Möllemann weder in den Reihen der Sozialdemokraten noch bei der Union: Ministerin Ulla Schmidt sei eh nur ein Platzhalter und somit leicht zu verdrängen. (Möl- lemann: „Besser als die letzten bei- den Komikerinnen im Gesundheits- ministerium wäre ein FDP-Kandidat allemal gewesen.“) Horst Seehofer fehlt nach Möllemanns Einschätzung infolge seiner überstandenen schwe- ren Krankheit noch die Kraft, um das ihm zugedachte „Superministerium“
für Arbeit, Soziales, Gesundheit und eventuell Familie zu leiten. Er könne sich durchaus vorstellen, dass die Ge- sundheit deshalb ein eigenes Ressort bleibe und er, Möllemann, bald wie- der gemeinsam mit Seehofer am Ka- binettstisch sitze. Jens Flintrop
Medizinischer Dienst
In den Startlöchern N
och sind die DRGs keine Rea-lität, schon steht der Medizini- sche Dienst der Krankenkassen (MDK) in den Startlöchern. Unter Rückgriff auf die im Fallpauscha- lengesetz verankerten erweiterten Kompetenzen des MDK reklamiert der Medizinische Dienst der Spitzen- verbände der Krankenkassen (MDS) eine zentrale Rolle bei der DRG- Umsetzung. Unterstützt wird er durch die Verbände der Ersatzkas- sen. Die Kassen – dies wurde bei ei- nem Expertenforum am 6. Juni in Berlin deutlich – legen größten Wert darauf, dass auch mithilfe der Kon- troll- und Aufsichtsfunktion der MDK-Ärzte den Krankenhäusern mehr Wirtschaftlichkeit eingeimpft wird. Wenn schon durch Öffnungs- klauseln und Zuschlagsregelungen im Fallpauschalengesetz aus der
Sicht der Kassen zum Teil auch un- wirtschaftliche Strukturen konser- viert werden, müsse der MDK von Anfang an Fehlanreizen entgegenwir- ken und darauf achten, dass das Fall- pauschalensystem Ausgaben dämpft.
Durch externe Kontrollen sollen über „zentrale Aufgreifkriterien“
Sanktionen bei klinikbedingten Fehl- leistungen verhängt werden können – zum Beispiel bei künstlichen Fallzahl- steigerungen, etwa über das Fallsplit- ting oder über die Abrechnung höher dotierter Kodierschlüssel („Upgrad- ing“). In der Tat ist es dem MDK künftig erlaubt, auch ohne konkrete Verdachtsmomente aus abgeschlos- senen stationären Behandlungsfällen in einer Stichprobe zu prüfen, ob die stationäre Aufnahme und Behand- lung überhaupt erforderlich waren, ob sie nicht unangemessen verkürzt
und/oder ob die DRG-relevante Ko- dierung auch medizinisch richtig war.
Wie der leitende Arzt des MDS, Prof.
Dr. med. Martin L. Hansis, berichtete, zeigen die ausländischen Erfahrun- gen mit pauschalierenden Klinikver- gütungssystemen, dass es in bis zu 20 Prozent der Fälle zu Fehlkodierun- gen kommt. Damit könnten Fehl- steuerungen und ausgabentreibende Ressourcenverschwendungen ver- bunden sein, befürchten die Kassen.
Andererseits muss auch mithilfe des MDK vermieden werden, dass es zu „englischen (‚blutigen‘) Entlas- sungen“ kommt. Schon befürchten die Kassen, dass dadurch ein „Dreh- tür-Effekt“ eintreten könnte, das heißt, ein- und derselbe Patient wird nach kurzer Behandlung wegen der gleichen Krankheit erneut stationär eingewiesen. Dr. rer. pol. Harald Clade