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Keine Offensichtlichkeit bei drohender Beschneidung in Äthiopien

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VG Ansbach, Beschluss v. 28.06.2018 – AN 3 S 18.30783 Titel:

Keine Offensichtlichkeit bei drohender Beschneidung in Äthiopien Normenkette:

AsylG § 3a Abs. 2 Nr. 6, § 30 Abs. 3 Nr. 7, § 36 Abs. 4 S. 1 Leitsatz:

Wird ein Asylantrag unverzüglich nach der Geburt eines Kindes gestellt und eigene Asylgründe für das Kind vorgetragen (hier: drohende Genitalverstümmelung), so liegt keine missbräuchliche Asylantragstellung nach

§ 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylG vor. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz) Schlagworte:

Genitalverstümmelung, Äthiopien, in Deutschland geborenes Kind, missbräuchliche Asylantragstellung, drohende Beschneidung

Fundstelle:

BeckRS 2018, 14843  

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die in Ziffer 5 des Bescheides vom 11. Juni 2018 ausgesprochene Abschiebungsandrohung wird angeordnet.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

3. Der Gegenstandswert beträgt 5.000,00 EUR.

Gründe

I.

1

Die am … 2018 in Nürnberg geborene Antragstellerin ist äthiopische Staatsangehörige mit oromischer Volkszugehörigkeit. Das Asylverfahren ihrer Mutter wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 5. Februar 2015 rechtskräftig negativ abgeschlossen (AN 3 K 14.30439).

2

Mit Schreiben vom 27. Februar 2018 beantragte die Mutter bei der Antragsgegnerin für die Antragstellerin Asyl. Hierbei machte sie für ihre Tochter die Gefahr der Genitalverstümmelung bei einer Rückkehr nach Äthiopien geltend.

3

Im Rahmen der persönlichen Anhörung am 8. Mai 2018 wiederholte die Mutter der Antragstellerin diese Befürchtungen. Sie können nicht zurück nach Äthiopien, da sie ihr Kind mitnehmen müsste. Sie hätte niemanden dort, nur den Onkel, mit dem sie zerstritten sei. Sie könne ihr Kind vor einer Beschneidung nicht schützen. Sie sei selbst beschnitten und leide sehr darunter. Sie leide unter Angstzuständen und gehe in die Mutter-Kind-Therapie. Ihr Kind werde beschnitten werden. Dies sei ein Muss. Sie selbst sei mit sieben Jahren beschnitten worden. Ihre Mutter habe sie belogen, mitgenommen und in einer ländlichen Gegend die Beschneidung durchführen lassen. Wenn sie zurückkehren müsste, müsste sie zu den Verwandten ihrer Mutter im ländlichen Gebiet zurückkehren. Da die Beschneidung sehr traditionell verankert sei, müsse jedes Mädchen beschnitten werden, sonst könne es nicht heiraten. In der Stadt würde sie mit ihrem Kind auf der Straße landen. Sie wisse nicht, mit wem ihre Tochter nach Äthiopien zurückgehen solle, sie könne sie nicht alleine lassen, sie müsse sie mitnehmen und könne sie nicht beschützen. Ob die Verwandten

mütterlicherseits noch am Leben seien, wisse sie nicht, ebenso wenig, ob sie noch dort lebten. Es sei in der Region … gewesen. Sie hätte keinen Kontakt zu ihrem Onkel und wolle nicht zu ihm zurück, deshalb müsse sie zu den Verwandten ihrer Mutter gehen. Sie kenne sie nicht und wisse nicht, ob sie noch lebten. Sie habe

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keinen Kontakt zu ihnen. Mit dem Vater der Klägerin lebe sie in Deutschland nicht zusammen, aber sei von ihm nicht getrennt. Er habe eine Duldung und sei auch aus Äthiopien. Ob er Verwandtschaft im Heimatland habe, wisse sie nicht. Sie habe ihn im Jahr 2015 in Deutschland islamisch-traditionell geheiratet. Auf Frage, was über die Tradition der Beschneidung in Äthiopien wisse, gab die Mutter der Antragstellerin an, sie selbst sei zweimal beschnitten worden im Alter von sieben Jahren. Die Beschneidung führe zu den ganzen Nebenwirkungen, wie Schmerzen bei der Periode und beim Geschlechtsverkehr. Sie sei beim Frauenarzt gewesen, der ihr ein Gel verschrieben habe. Vor der Geburt sei sehr schlimm gewesen, da sie drei Tage lang Wehen gehabt habe. Ohne Beschneidung sage man den Mädchen nach, dass sie sich nicht

konzentrieren könnten und sexuell aktiv seien. Außerdem führe die Beschneidung zu Infektion und hohem Fieber, da sie nicht hygienisch durchgeführt werde. Man erzähle zwar, dass die Beschneidungen nicht mehr durchgeführt würden, aber das stimme nicht, da sich die Mütter Gedanken machten, dass die Töchter nicht heiraten könnten. Es werde über die Beschneidung nicht gesprochen, deswegen wisse sie auch nicht, ob es in ihrer Umgebung nicht beschnittene Frauen gebe. Meistens bestimmten die Mütter, dass die

Beschneidung durchgeführt wird. Das Schlimmste sei der Druck der Gemeinschaft, besonders in ländlichen Gebieten. Meistens lästerten die Nachbarn, dass das Mädchen kein gutes Kind werde, wenn es nicht beschnitten werde. Die Beschneidung führten Frauen durch, die dafür bezahlt würden, dies sei ihr Beruf.

Sie würden von den Müttern benachrichtigt, es werde ein Termin vereinbart und die Beschneidung

durchgeführt. Auf Frage, ob sie ihre Tochter beschneiden lassen würde, gab die Mutter der Klägerin an, sie könne für den Fall ihrer Rückkehr dagegen nichts tun. Sie wisse zwar, dass es eine Gefahr für das Kind sei, aber bei einem Leben auf dem Land sei das eben so. In der Schule würden die Kinder ihre Tochter

auslachen, wenn sie nicht beschnitten sei. Auf Frage, wie dies die anderen Kinder herausfinden sollten, wenn es doch ein Tabuthema sei, gab die Mutter der Antragstellerin an, es sei ein Tabu zu fragen, ob man beschnitten sei. Aber in einer kleinen Gemeinde werde immer erzählt, dass das Kind nicht beschnitten sei.

Die Gemeinde wisse darüber Bescheid, da es ein Fest nach der Beschneidung gebe. Auf Frage, wie der Vater der Antragstellerin zu dem Thema stehe, gab die Mutter der Antragstellerin an, die Männer glaubten an die Beschneidung, da nur beschnittene Frauen ihren Männern gehorchten. Der Vater ihrer Tochter gehe davon aus, dass das Kind in Äthiopien aufgrund des Drucks der Gemeinde beschnitten werde. Er sei aus politischen Gründen aus dem Land ausgereist. Sie werde ihm ihr Kind nicht geben. Sie selbst könne sie nicht beschützen, da es Tradition sei. Sie könne sich dem nicht einfach entziehen. Irgendwann würde ihre Tochter sonst selbst damit belastet sein, da die Gemeinde sie als Außenseiterin ansehen würde. Auf Frage, ob sie mit ihrem Mann in eine Großstadt ziehen könne, wo niemand sie kenne und niemand wüsste, dass die Tochter nicht beschnitten sei, gab die Mutter der Antragstellerin an, sie habe keine Zukunftspläne, mit ihrem Mann zurückzugehen oder mit ihm zu leben. Sie sei hier derzeit abhängig von der Therapie. Sie glaube nicht, dass sie eine Zukunft mit dem Vater der Antragstellerin habe. Deshalb lebe sie auch nicht mit diesem Mann zusammen. Er habe keine Sicherheiten in seinem Leben. Wenn es ihr selbst schlecht gehe, werde er auf das Kind aufpassen und sie könne sich nicht vorstellen, dass er dem Druck widerstehen werde, sie nicht beschneiden zu lassen.

4

Nach einem Vermerk der Antragsgegnerin vom 7. Juni 2018 geht diese vom alleinigen Sorgerecht der Mutter aus. Der Vater habe in seinem Asylverfahren zwar eine Vaterschaftsanerkennung vorgelegt, jedoch sei diese weder von ihm unterzeichnet, noch sei die aufschiebende Bedingung - hier Zustimmung der Kindesmutter - ersichtlich. Einem weiteren Vermerk vom selben Tag ist zu entnehmen, der Antragstellerin drohe bei einer Rückkehr nach Äthiopien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine

Genitalbeschneidung. Die Mutter habe zwar angegeben, gegen eine Beschneidung zu sein, sich aber dem Druck der Gemeinschaft nicht widersetzen zu können. Dabei habe sie nicht konkret angeben können, wer genau bestimmen würde, dass ihre Tochter beschnitten werden müsse. Dem Vortrag der Mutter zufolge lebten nur noch ihr Onkel und möglicherweise Verwandte ihrer Mutter in Äthiopien, die sie aber nicht kenne.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 28. Februar 2014 sei im Asylverfahren der Mutter festgestellt worden, dass die vorgetragene beabsichtigte Zwangsheirat durch den Onkel der Mutter unglaubhaft sei. Auch aus dem Urteil des VG Ansbach vom 5. Februar 2015 gehe hervor, dass aufgrund der unglaubhaften Angaben zum Reiseweg auch das gesamte Vorbringen zu den Umständen, die zur Ausreise der Mutter aus dem Heimatland geführt haben sollten und auch ihre Angaben zu den noch in Äthiopien lebenden Verwandten infrage gestellt werden müssten. Daher wäre (jetzt) auch eine Rückkehr zum Onkel der Mutter nach … in Betracht zu ziehen. Es sei nicht ersichtlich, dass sich die Mutter der Antragsgegnerin einem eventuell ausgeübten Druck seitens ihres Onkels nicht erfolgreich zur Wehr setzen könne, zumal sie selbst

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angegeben habe, dass grundsätzlich die Mutter über eine Beschneidung bestimme. Von einer Gefahr der Genitalverstümmelung seitens des Vaters des Kindes oder dessen Familie sei im vorliegenden Fall nicht auszugehen, da sie mit diesem keine gemeinsame Zukunft plane. Außerdem fehle es an der Unmittelbarkeit der vorgetragenen Verfolgung, da laut dem Vortrag der Mutter der Klägerin diese selbst im Alter von etwa sieben Jahren beschnitten worden sei. Bis dahin vergingen noch mehrere Jahre und es sei davon

auszugehen, dass bei weiter durchgeführten Antibeschneidungsprogrammen und Aufklärungskampagnen die Zahl der Befürworter der FGM weiter stark zurückgehe, folglich nur noch eine Minderheit der

äthiopischen Bevölkerung auf eine Beschneidung junger Mädchen und Frauen bestehen werde.

Demzufolge fehle es hier an einem substantiierten Sachvortrag.

5

Die Mutter der Antragstellerin legte im Verfahren vor dem Bundesamt ein Attest der … aus … vom 22. Mai 2018 vor, wonach bei der Mutter der Antragstellerin eine Beschneidung stattgefunden habe. Des Weiteren wird ausgeführt, die gesundheitlichen Folgen der FGM sei eine Traumatisierung durch den Eingriff, eine sekundäre Depression, Dyspareunie, Anorgasmie und rezidivierende Harnwegsinfekte. Es bestehe die Notwendigkeit einer antidepressiven Therapie, welche seit 2013 mit Pausen stattfinde. Aktuell sei die Patientin wegen Depressionen in der Mutter-Kind-Tagesklinik im Klinikum … in Behandlung. Eine operative Erweiterung des Scheideneingangs sei indiziert. Um Nierenbeckenentzündungen zu vermeiden, wären immer wieder Antibiotikatherapien erforderlich.

6

Aus einer Bescheinigung der Kinderarztpraxis …, …, vom 9. Mai 2018 ergibt sich, dass die Antragstellerin nicht beschnitten ist.

7

Einem psychologischen Kurzbericht des psychosozialen Zentrums für Flüchtlinge, …, vom 25. Mai 2018 ist zu entnehmen, dass bei der Mutter der Antragstellerin eine mittelgradige depressive Episode (F 32.1) bestehe.

8

Mit Bescheid vom 11. Juni 2018, der als Einschreiben am 12. Juni 2018 ausweislich eines Aktenvermerks der Beklagten zur Post gegeben wurde, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der

Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet ab (Ziffer 1), lehnte den Antrag auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab (Ziffer 2), lehnte den Antrag auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet ab (Ziffer 3), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4), forderte die Antragstellerin auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen und drohte ihr anderenfalls die Abschiebung nach Äthiopien oder in einen anderen zur Rückübernahme verpflichteten oder bereiten Staat an (Ziffer 5) und befristete das gesetzliche Einreiseund Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6).

9

Zur Begründung wird insbesondere ausgeführt, bei der in Äthiopien besonders in ländlichen Gegenden immer noch verbreiteten Praxis der weiblichen Genitalverstümmelung handele es sich um eine Maßnahme, die im privaten Umfeld der betroffenen Mädchen veranlasst werde. Die Mutter der Antragstellerin habe erklärt, ihre Tochter nicht beschneiden lassen zu wollen. Im Normalfall entscheide die Mutter, ob die Tochter beschnitten werde. Der Druck, die Beschneidung der weiblichen Nachkommen durchführen zu lassen, komme jedoch von den männlichen älteren Familienangehörigen und Vätern oder auch künftigen

Ehemännern. Die Mutter der Antragstellerin habe dargelegt, die Gesellschaft würde sie dazu zwingen, die Beschneidung durchführen zu lassen. Auch wenn man davon ausgehe, dass ein entsprechender Druck seitens der Gesellschaft bestehe, sei dennoch anzunehmen, dass die Mutter der Antragstellerin sie vor der Beschneidung bewahren könne. Es gebe zahlreiche Aufklärungsmaßnahmen, die sich gegen die weibliche Genitalbeschneidung richteten und auch von Erfolg gekrönt worden sein. Hinzu komme, dass Personen, die lange Zeit im Ausland waren und nach Äthiopien zurückkehrten, eine eher privilegierte und autonome Position genössen. Auch deswegen sei anzunehmen, dass die Gesellschaft keine Handhabe hätte, sie konkret zur Durchführung der Genitalbeschneidung bei der Antragstellerin zu zwingen. Darüber hinaus bestünde auch die Möglichkeit, sich wegen einer Beratung oder auch Hilfestellung an die zahlreichen Nichtregierungsorganisationen oder auch an staatliche Stellen zu wenden, um sich gegen eine seitens der

(4)

Verwandtschaft forcierte Beschneidung - die aber an sich schon wie aufgezeigt unwahrscheinlich sei - zu wehren.

10

Der Asylantrag werde zudem als offensichtlich unbegründet abgelehnt, da ein Fall des § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylG vorliege.

11

Im Übrigen wird auf die Begründung des Bescheides Bezug genommen.

12

Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten, der am 19. Juni 2018 beim Verwaltungsgericht Ansbach einging, ließ die Antragstellerin Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid erheben (AN 3 K 18.30784).

13

Gleichzeitig wird beantragt,

deren aufschiebende Wirkung gegen die Abschiebungsandrohung anzuordnen.

14

Zur Begründung wird ausgeführt, es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Antragsgegnerin. Es werde einfach behauptet, die Mutter der Antragstellerin werde sich gegen

Beschneidung zur Wehr setzen können. Entsprechende Belege würden nicht angeführt. Der bloße Verweis auf Aufklärungsprogramme reiche an dieser Stelle nicht aus. Letztlich handele es sich hier nur um eine Vermutung der Antragsgegnerin. Aktuellen Quellen sei zu entnehmen, dass es in Äthiopien keinen einzigen Fall der Strafverfolgung wegen der Durchführung einer Beschneidung gebe. Das UN-Komitee für die Rechte der Kinder führe in seinem Bericht zu Äthiopien vom 10. Juli 2015 an, die Praxis der Beschneidung sei zwar gesetzlich verboten. Dieses Verbot werde jedoch nicht umgesetzt, wie die sehr hohe Zahl der beschnittenen Mädchen zeige. Staatlicher Schutz werden nicht gewährt. Frauen, die nicht beschnitten seien und/oder ihre Töchter nicht beschneiden ließen, gülten in dem traditionellen Bild Ostafrikas als unkeusch, lose und mindestens potentielle Huren. Sie seien nicht heiratsfähig. Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin verwies hierzu auf Berichte verschiedener Stellen. Das Risiko, Opfer einer Beschneidung zu werden, bestehe nach wie vor im erheblichen Umfang. Das Argument, es vergehe auch noch einige Zeit, bis die Antragstellerin das Alter von sieben Jahren erreiche, sei nicht tragfähig. Denn die Beschneidung werde im Kleinkindalter vorgenommen. Bei der Mutter der Antragstellerin sei es zu einer Verzögerung gekommen, da diese als Kind habe umsiedeln müssen. Die Mutter der Antragstellerin habe eine Bedrohungslage für sich als alleinerziehende Frau und ihre Tochter geschildert. Die erhebliche Bedeutung dieser besonderen Situation bei der Einschätzung der Widerstandsmöglichkeiten der Mutter sei im streitgegenständlichen Bescheid nicht thematisiert worden. Auch der Verweis auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Ansbach sei nicht geeignet, die Entscheidung zu unterstützen. Außerdem lasse die Antragsgegnerin die vorgelegten Atteste über den Gesundheitszustand der Mutter der Antragstellerin außer acht. Diese sei psychisch erkrankt, leide an qualifizierten Depressionen. Dies schränke ihre Handlungund

Leistungsfähigkeit ein. Die Erkrankung verschlimmerte sich in Stresslagen, wozu auch eine Rückkehr nach Äthiopien mit der Antragstellerin zu zählen sei. Sie wäre nicht dazu in der Lage, sich ausreichend um die Antragstellerin zu kümmern und könne sie insbesondere nicht davor schützen, von Personen aus dem Umfeld einer Beschneidung unterzogen zu werden. Darüber hinaus bestehe auch hier jedenfalls ein Abschiebungsverbot zugunsten der Antragstellerin, da sie und ihre Mutter aufgrund der wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen im Lande als alleinerziehende Mutter mit Kind ohne den Schutz der Großfamilie nicht überlebensfähig seien. Bei der Beschneidung von Mädchen handele es sich keinesfalls nur um eine

Privatsache, sondern es handle sich um eine soziale Norm, die von der Gruppe gefordert und durchgesetzt werde, wie ihre ritualisierte Durchführung und die entsprechenden Feste belegten.

15

Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 22. Juni 2018, den Antrag abzulehnen.

16

Auf Anfrage beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wurde mitgeteilt, dass sich der Vater der Antragstellerin im Asylfolgeverfahren befinde, das er am 15. Januar 2014 beantragt habe. Ein entsprechender Bescheid sei in Vorbereitung.

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17

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Behördenund Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

18

Der Antrag, die gemäß § 75 AsylG ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die

Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung in Ziffer 5 des streitgegenständlichen Bescheides des Bundesamtes nach § 80 Abs. 5 der VwGO anzuordnen, ist zulässig und begründet.

19

Die Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG wurde eingehalten, da der Bescheid am 12. Juni 2018 zur Post gegeben wurde und der Antrag am 19. Juni 2018 bei Gericht einging.

20

Der Antrag hat Erfolg, da ernstliche Zweifel an der Offensichtlichkeitsentscheidung bestehen,

§ 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG.

21

Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens ist gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG die unter Setzung einer Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) ausgesprochene

Abschiebungsandrohung. Die mit dieser Verwaltungsentscheidung intendierte umgehende Beendigung des Aufenthalts des Asylbewerbers im Bundesgebiet stützt sich auf die Ablehnung des Asylantrags als

offensichtlich unbegründet und ist deren Folge. Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen

Rechtsschutzes daher auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht besteht, zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen.

22

Demnach darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an dem Offensichtlichkeitsurteil oder der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung im Übrigen bestehen (§ 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG). Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung - insbesondere das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes - einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält.

23

Derartige Zweifel bestehen vorliegend.

24

Die Ablehnung der Anträge in den Ziffern 1 bis 3 des angefochtenen Bescheides als offensichtlich unbegründet findet ihre Grundlage weder in der von der Antragsgegnerin der Entscheidung zugrunde gelegten Norm des § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylG noch in anderen Offensichtlichkeitstatbeständen des § 30 AsylG.

25

1. Nach § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylG ist ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet

abzulehnen, wenn er für einen nach diesem Gesetz handlungsunfähigen Ausländer gestellt wird oder nach

§ 14a AsylG als gestellt gilt, nachdem zuvor Asylanträge der Eltern oder des allein personensorgeberechtigten Elternteils unanfechtbar abgelehnt worden sind.

26

Diese Vorschrift soll eine als missbräuchlich anzusehene Asylbeantragung verhindern. Davon kann ausgegangen werden, wenn nach unanfechtbarer Ablehnung des Asylantrags der Eltern oder eines sorgeberechtigten Elternteils für das Kind keine eigenen Asylgründe geltend gemacht werden (Hailbronner, Ausländerrecht, Stand November 2017, § 30 AsylG, Rn. 99). Die Vorschrift dient dann auch der

Verfahrensbeschleunigung.

27

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

(6)

28

Das Asylverfahren der Mutter der Klägerin ist seit 2015 rechtskräftig abgeschlossen. Anhaltspunkte für ein anhängiges Folgeverfahren bestehen derzeit nicht. Die Antragstellerin wurde im Februar 2018 geboren.

Schon wegen dieser zeitlichen Zäsur bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der ausdrücklich gestellte Asylantrag für die Antragstellerin in missbräuchlicher Absicht gestellt wurde.

29

Die Mutter hat unverzüglich nach der Geburt für ihre Tochter Asyl beantragt und damit zum Ausdruck gebracht, dass ihrer Auffassung nach für die Antragstellerin eigene Asylgründe vorliegen, welche sie in dem Antrag konkret benannt hat. Die geltend gemachte Befürchtung der Genitalverstümmelung ist bei Bestehen einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit geeignet, die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz als

„geschlechtsbezogene Handlung“ zu rechtfertigen, § 3 a Abs. 2 Nr. 6 AsylG (vgl. VG Ansbach, U.v.

27.9.2016 – AN 3 K 16.30877 -, juris Rn. 19 m.w.N.). Die Mutter der Antragstellerin hat zu der Befürchtung, sie könne die Beschneidung ihrer Tochter nicht verhindern, vor dem Hintergrund ihrer persönlichen

Lebensverhältnisse in der Anhörung ausführlich vorgetragen. Auch aus diesem Vorbringen ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Asylantragstellung.

30

Da die Antragstellerin nicht in stabilen Familienverhältnissen lebt und die Mutter nach der vorgelegten Bescheinigung psychisch beeinträchtigt scheint, ist die geltend gemachte Befürchtung, die Beschneidung der Antragstellerin für den Fall einer Rückkehr nach Äthiopien nicht verhindern zu können, auch nicht von vornherein ausgeschlossen, so dass der geltend gemachte Asylgrund nicht von vorherein als völlig aussichtslos einzuschätzen ist.

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2. Nachdem auch andere Gründe für die Offensichtlichkeitsentscheidung nicht vorliegen, bestehen an der ausgesprochenen Abschiebungsandrohung die oben dargestellten ernstlichen Zweifel, weshalb dem Antrag stattzugeben ist.

32

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83 b AsylG.

33

Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG.

34

Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG nicht mit der Beschwerde angreifbar.

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