DIE GLOSSE
Faktoren-Konstellationen
„Zur Verwirklichung einer über- greifenden Perspektive der Ge- sundheitspolitik brauchen wir erstens eine komplexe Planung des Gesundheitssystems unter Einbeziehung erkennbarer Fak- toren-Konstellationen an Stelle der bisher praktizierten kurzfri- stigen Maßnahmen-Entschei- dungen zur Behebung von Män- gelzuständen ..."
Oder: „Um die lawinenartig an- steigenden Kosten im Bereich des Gesundheitswesens zu ka- nalisieren, muß eine komplexere Planung unter Einbeziehung er- kennbarer Entwicklungen an die Stelle kurzfristiger Maßnahmen- entscheidungen zur Behebung von Mängelzuständen tre- ten ..."
Dies sind nicht etwa Ausschnitte aus zwei Reden eines Politikers, sondern vielmehr Ausschnitte aus je einer Rede zweier ver- schiedener Politiker. Man könn- te daraus den Schluß ziehen, daß sie beide dieses Soziolo-
gen-Chinesisch aus der glei- chen Quelle geschöpft haben, und man könnte weiter den Schluß ziehen, daß beide Ge- sundheitspolitiker ihre Reden (und ihre Politik'?) fertig aus ei- ner Quelle bezogen haben, in der solches Soziologen-Chine- sisch benutzt wird: beim Wirt- schaftswissenschaftlichen Insti- tut des DGB? Beim Juso-Vor- stand?
Aber das wäre natürlich eine bösartige Unterstellung. Was Staatssekretär Prof. Dr. med.
Hans-Georg Wolters und Hes- sens Sozialminister Dr. med.
Horst Schmidt da fast am glei- chen Tage, der eine in Genf, der andere in Wiesbaden, gesagt ha- ben, beweist nur die imponie- rende Geschlossenheit der Ge- sundheitspolitik ihrer Freunde.
Verständlich ist dieses Soziolo- gen-Chinesisch allerdings trotz- dem nicht: Was, zum Kuckuck, ist der Unterschied zwischen Faktoren-Konstellationen und
Entwicklungen? bt
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Bericht und Meinung
die Kreiskrankenhäuser in Bad Hersfeld, Bad Schwalbach, Bad Soden, Erbach und Idstein, um das psychiatrische Krankenhaus des Landeswohlfahrtsverbandes in Merzhausen, das St.-Josefs-Hospi- tal in Wiesbaden, das St.-Markus- Krankenhaus in Frankfurt und das Elisabeth-Stift in Darmstadt.
Nach Mitteilung von Sozialmini- ster Dr. med. Horst Schmidt sind die Beteiligten übereingekommen, durch gemeinsame Nutzung der EDV sowie durch bessere Koordi- nation der Arbeit in den verschie- densten Einrichtungen die beste und wirtschaftlichste Form der EDV-Anwendung im Krankenhaus zu erarbeiten und die Erfahrungen
gemeinsam auszuwerten. Damit sollen auch Fehlentwicklungen ver- hindert werden, wie sie beim Auf- bau verschiedener EDV-Systeme entstehen könnten, die sich nicht miteinander verbinden lassen.
Der Minister rechnet damit, daß Anfang 1976 einige der EDV-Pro- gramme voll arbeiten und einge- setzt werden können. Schon wäh- rend der Laufzeit des Projektes wollen die Beteiligten ihre erprob ; ten Modelle für den Einsatz der EDV im Krankenhaus allen anderen Interessenten in Hessen und im ge- samten Bundesgebiet zur Verfü- gung stellen. Auf diese Weise soll erreicht werden, daß schon in der ersten Hälfte der 80er Jahre alle
hessischen Krankenhäuser in ein solches Verbundsystem einbezo- gen sind.
Unter den Aufgaben, die mit Hilfe der EDV gelöst werden können, nannte Dr. Schmidt die Erfassung aller ärztlichen Befunde, Labor- und Untersuchungsergebnisse, die Abwicklung der Lohn- und Gehalts- zahlungen sowie die Erfassung al- ler kaufmännischen Vorgänge und die Lagerhaltung. Man könne aber auch mit Hilfe der Datenverarbei- tung diagnostische und therapeuti- sche Maßnahmen koordinieren und damit die Verweildauer der Patien- ten verringern.
Ein wesentliches Element des Pro- jektes ist, so erklärte Dr. Schmidt, die Entwicklung von Modellen für einen wirksamen Schutz medizini- scher Daten in Zusammenarbeit mit dem Datenschutzbeauftragten.
Es werde dabei versucht, parallel mit der Entwicklung von EDV-Ver- fahren im Krankenhaus die dazu- gehörenden Datenschutzverfahren und -maßnahmen festzulegen. gb
BERLIN
CDU: Für erweiterte
Vorsorgeuntersuchungen bei Kindern
Die CDU-Fraktion im Berliner Se- nat brachte einen Antrag ein, wo- nach zusätzliche Möglichkeiten der Früherkennung und Versorgung sogenannter Risikokinder geschaf- fen werden sollen. Entgegen der bisherigen Regelung, die den El- tern eine Reihe von Vorsorgeunter- suchungen als Kassenleistung an- bietet, aber nicht aufzwingt, be- fürwortet CDU-Sprecher Dr. med.
Alexander Hasenclever unter ande- rem eine Pflichtuntersuchung im Alter von etwa drei Jahren. Bis zu dieser Zeit seien geistige Behinde- rungen erkennbar, die bei Neuge- borenen nicht immer diagnostiziert werden könnten. Ein spezielles Be- handlungsbuch sollte angelegt werden, in dem die diagnostischen und therapeutischen Daten behin-
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 21 vom 23. Mai 1974 1533
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Bericht und Meinung
AUS DEN BUNDESLÄNDERN
derter Kinder erfaßt und dann- je- weils bei Ortswechsel oder Arzt- wechsel vorgelegt werden könnten.
Ein Diagnosezentrum und mehrere Therapiezentren, bessere Koordi- nation der verschiedenen Dienst- stellen und ausreichende Heim- platzangebote gehören zu den wei- teren CDU-Forderungen. In einer ersten Aussprache äußerte sich die SPD skeptisch zu den Oppositions- vorschlägen. Nach Ansicht des SPD-Sprechers Dr. med. Kurt Bo- din wären weitere Früherkennungs- untersuchungen nicht nur überflüs- sig, sondern auch psychologisch bedenklich. Seiner Ansicht nach gebe es keine Therapie, selbst wenn Krankheitsanzeichen erkenn- bar wären. DÄ
ÖTV lehnt
Landeskrankenhaus- Gesetzentwurf ab
Die Gewerkschaft ÖTV, Landesver- band Berlin, lehnt den vorliegen- den Entwurf eines Landeskranken- hausgesetzes ab. Nach Ansicht der Berliner ÖTV hemmt der Gesetz- entwurf die notwendigen Reformen in bezug auf ein integriertes Ge- sundheitswesen. Die im Gesetz vorgesehene Beibehaltung der be- zirklichen Zuständigkeit der Kran- kenhäuser steht nach Meinung der ÖTV einer „sinnvollen, bedarfsge- richteten Planung und Reformver- wirklichung" entgegen. zel
BADEN-WÜRTTEMBERG
Mehr Personal
für psychisch Kranke
In den psychiatrischen Landes- krankenhäusern konnte, wie So- zialminister Frau Griesinger im Landtag mitteilte, der Personal- stand (ohne Verwaltungsdienst) in den Jahren bis 1970 bis 1973 um 458 Stellen vermehrt werden. Für das Jahr 1974 sind weitere 199 Stellen vorgesehen. Zur Behebung des Ärztemangels in den psych- iatrischen Landeskrankenhäusern
wird unter anderem angestrebt, die Zahl der Dienstwohnungen zu ver- mehren, eine allgemeine Stellenzu- lage für Ärzte im öffentlichen Ge- sundheitsdienst einzuführen sowie die beamtenrechtlichen Möglich- keiten im Rahmen des durch Bun- desrecht vorgeschriebenen Stellen- schlüssels voll auszunutzen. spid
Sonderschullehrer durch
neuen Studiengang
Zum Sommersemester 1974 hat das Kultusministerium einen neuen Ausbildungslehrgang für Sonder- schullehrer eingerichtet, um den Lehrermangel an Sonderschulen zu verringern. Bewerber um das Lehramt an Sonderschulen können unmittelbar im Anschluß an den Er- werb der Hochschulreife eine sol- che Ausbildung aufnehmen, und zwar an den Pädagogischen Hoch- schulen Heidelberg und Reutlin- gen. Die Ausbildung verlangt ein achtsemestriges Studium in zwei sonderpädagogischen Fachrichtun- gen und dazu in einem Unterrichts- fach. An das Studium schließt sich ein achtzehnmonatiger Vorberei- tungsdienst an.
Grund- und Hauptschullehrer mit der Ersten Staatsprüfung können weiterhin durch ein viersemestri- ges Zusatzstudium und eine acht- zehnmonatige Ausbildung das Lehramt für Sonderschulen erwer- ben, Lehrer mit der Zweiten Staats- prüfung benötigen nur dieses Zu- satzstudium, Inhaber der Lehrbefä- higung für das höhere Lehramt nur ein Zusatzstudium von zwei Seme- stern. WZ
SCHLESWIG-HOLSTEIN
Kinderkardiologie in Kiel wird gefördert
Das Land Schleswig-Holstein hat sich jetzt bereit erklärt, im Neubau der Kinderklinik an der Christian- Albrechts-Universität in Kiel der
Abteilung Kinderkardiologie aus- reichenden Raum zur Verfügung zu stellen. Diese Abteilung war bisher noch in einem ehemaligen Luft- schutzbunker untergebracht. Damit erhält auch die seit einem Jahr ar- beitende Forschergruppe für expe- rimentelle Kardiologie und biome- dizinische Technik bessere Ar- beitsmöglichkeiten.
Diese interdisziplinäre Arbeitsgrup- pe unter Leitung von Professor Dr.
Paul Heintzen beschäftigt sich un- ter anderem mit der Anwendung von Computern in der kardiologi- schen Diagnostik und Grundlagen- forschung. Hierfür haben die Stif- tung Volkswagenwerk und später die Deutsche Forschungsgemein- schaft sowie das Bundesministe- rium für Forschung und Technolo- gie Förderungsmittel bereitgestellt (die letzteren beiden bisher 2,4 Mil- lionen DM). Weitere wissenschaftli- che Bemühungen dienen der tech- nischen Entwicklung, tierexperi- mentellen Erprobung und klini- schen Anwendung neuer Röntgen- Fernsehtechniken in der Kardiolo- gie. gb NIEDERSACHSEN
Kleine Krankenhäuser umwandeln
in Gruppenpraxen
Kleine Krankenhäuser, in denen in absehbarer Zeit eine Schließung drohen kann, weil sie nicht in die amtlichen Bedarfspläne aufgenom- men worden sind (z. B. weil sie we- niger als 100 Betten haben), sollten in Niedersachsen nach Auffassung des sozialpolitischen Sprechers der CDU, Schnipkoweit, in „attrak- tive Gruppenpraxen" mit allen Möglichkeiten moderner Diagnose und Behandlung umgewandelt wer- den. Schnipkoweit bezeichnete diesen Vorschlag in einer Erklä- rung als Beitrag zur Sicherung der ärztlichen Versorgung auf dem Lande und kündigte an, daß ihn seine Partei weiterverfolgen wer- de, falls sie im Juni die Regierungs- verantwortung in Niedersachsen
übernehme. DÄ
1534 Heft 21 vom 23. Mai 1974 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT