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Archiv "Gesundheitspolitik in Nordeuropa: Unabhängig von Raum und Zeit" (29.02.2008)

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A452 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 929. Februar 2008

D

ass Gesundheitstelematik als ein wichtiges Instrument zur Erhöhung der Effizienz der nordeu- ropäischen Gesundheitssysteme an- gesehen wird, ist angesichts der Flächenausdehnung der betroffenen Länder leicht nachvollziehbar (Ta- belle). So ist etwa Finnland bei einer Einwohnerzahl von rund 5,3 Millio- nen Menschen flächenmäßig etwa so groß wie die Bundesrepublik Deutschland, und circa 1,5 Millio- nen (28 Prozent) aller Einwohner le- ben in der Region rund um die Hauptstadt Helsinki. Die durch- schnittliche Bevölkerungsdichte be- trägt 15,6 Einwohner pro Quadrat- kilometer, doch in den nördlichen und östlichen Landesteilen liegt sie nochmals deutlich niedriger.

Kein Wunder, dass das Ziel, das die Politik in Sachen E-Health Mitte der 90er-Jahre gesetzt hat, lautet:

Der Zugang zu sämtlichen für die Gesundheitsversorgung erforderli-

chen Informationen soll unabhängig von Ort und Zeit ermöglicht werden.

Im vergangenen Jahr ist Finnland diesem Ziel einen großen Schritt nähergekommen – mit der umfassen- den Realisierung der landesweiten ambulant-stationären elektronischen Patientenakte. Die 2007 veröffent- lichte neueste finnische E-Health- Roadmap steckt die Ziele aber nochmals deutlich höher.

Elektronische Patientenakte – die Vision wurde wahr

2002 hatte die finnische Regierung eine klare Vision formuliert: Bis En- de 2007 sollte flächendeckend in al- len ambulanten und stationären Ge- sundheitseinrichtungen eine elek- tronische Patientenakte mit gleichen Kerninhalten genutzt werden – un- abhängig davon, ob die Einrichtun- gen in öffentlicher oder privater Trä- gerschaft betrieben werden. Die Umsetzung dieser Vision schritt

rasch voran, denn bereits 2005 nutz- ten 95,6 Prozent der Gesundheits- zentren und 18 von 20 Kranken- hausbezirken eine elektronische Pa- tientenakte (ePA). Dabei entwickel- te sich die Nutzung der ePA insbe- sondere in den Kliniken des Landes sehr schnell: Noch 2003, zwei Jahre zuvor, nutzten nur fünf der Kran- kenhausbezirke die ePA.

Bei der Entwicklung der elektro- nischen Patientenakte ging man ei- nen für das Land im äußersten Nordosten der Europäischen Union typischen Weg: Es sollte keine zen- trale, vom finnischen Staat für alle Anwender vorgegebene Lösung entwickelt werden. Vielmehr setzte man auf den schon in den Jahren zu- vor entstandenen regionalen Lösun- gen für ambulante Gesundheitszen- tren einerseits und etliche der Krankenhausbezirke andererseits auf. Dabei handelte es sich meist um gemeinsame Entwicklungen von IT- Unternehmen und den Einrichtun- gen des Gesundheitswesens.

Die gemeinsamen Inhalte und eine von allen genutzte Struktur der Daten für die elektronische Patientenakte wurden durch eine vom Gesundheits- ministerium berufene Kommission festgelegt, in der Vertreter der ver- schiedenen Einrichtungen und Orga-

Telematik gilt in allen Ländern Nordeuropas als Instrument

zur Erhöhung der Effizienz der Gesundheitssysteme.

Unter dem Schlagwort E-Health will man den Zugang zu allen für die Gesundheitsversorgung erforderlichen Informationen ermöglichen. Vorreiter sind Dänemark und Finnland.

Uwe K. Preusker

TELEMATIK

Foto: dpa

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T H E M E N D E R Z E I T

nisationen des Gesundheitswesens saßen. Sichergestellt wurde die Um- setzung der Strategie durch den „Gol- denen Zügel“, das heißt die Bereit- stellung staatlicher Gelder, die für die Jahre 2004 bis 2007 mit jeweils etwa zehn Millionen Euro rund 50 Prozent der gesamten Entwicklungskosten deckten. Die andere Hälfte mussten die in Finnland für die Finanzierung und Sicherstellung der gesundheitli- chen Versorgung zuständigen Kom- munen aufbringen.

Regionale Lösungen – nationale Austauschbarkeit Für die landesweite ePA-Einführung war die Digitalisierung sämtlicher für die Patientenakte erforderlichen Da- ten eine der zu bewältigenden Aufga- ben. Außerdem musste die technische und semantische Kompatibilität der unterschiedlichen ePA-Ansätze si- chergestellt werden. Schließlich muss- ten eine landesweite E-Health-Infra- struktur aufgebaut, Identifikations- und Verifikationslösungen entwickelt und eine elektronische Signatur im- plementiert werden. Zusätzlich soll- ten den im Gesundheitssystem Täti- gen auch noch im Netz verfügbare Hilfsmittel zur Entscheidungsfin- dung, beispielsweise bei der Arznei- mittelverordnung, an die Hand gege- ben werden. Auch das für April 2008 flächendeckend vorgesehene elek- tronische Rezept sowie eine eben- falls bis zum Ende 2007 eingeführte standardisierte nationale elektroni- sche Pflegedokumentation zählen zu den vorgesehenen E-Health-Maß- nahmen.

Für die Austauschbarkeit der Da- ten zwischen den unterschiedlichen regionalen Lösungen war die finni-

sche HL7-Kommission zuständig.

Sie legte im Konsens zwischen den Vertretern der Behörden, Einrich- tungen des Gesundheitswesens und den IT-Unternehmen die Schnitt- stellen fest, die alle ePA-Lösungen berücksichtigen müssen.

Der dritte Teil der Strategie war ei- ne von öffentlichen Stellen landes- weit sichergestellte Infrastruktur für verschiedene Teilbereiche: So ist STAKES, das nationale finnische Zentrum für Forschung und Entwick- lung im Gesundheits- und Sozialwe- sen, für den Betrieb eines sogenann- ten Code-Servers zuständig, der als Open Source die jeweils aktuellen Versionen aller im Gesundheitswesen verwendeten Codier- und Klassifika- tionssysteme zur Verfügung stellt.

Über diesen Code-Server wird außer- dem ein ebenfalls nationales Code- System zur eindeutigen Identifikati- on von Dokumenten, elektronischen Patientenakten, Personen und Institu- tionen (ISO-OID – Object Identifier) bereitgestellt. Die eindeutige digitale Identifikation der im Gesundheitswe- sen Beschäftigten dagegen ist Auf- gabe der finnischen Rechtsschutz- zentrale für das Gesundheitswesen (Terveydenhuollon Oikeusturvakes- kus, TEO) (Grafik).

Ein Teil der geplanten Projekte im Rahmen der E-Health-Strategie ist noch in der Bearbeitung. So ist der Start des landesweiten elektroni- schen Rezepts für den 1. April 2008 vorgesehen, nachdem die gesetzli- chen Voraussetzungen hierfür ein Jahr vorher geschaffen wurden und

der Vertrag über die Zurverfügung- stellung der erforderlichen elektro- nischen Arzneimitteldatenbank zwi- schen der Apothekerorganisation und KELA, der staatlichen finni- schen Sozialversicherungsanstalt, unterschrieben wurde. Auch die lan- desweite Archivierung der Patien- tendaten, für die nach dem entspre- chenden, am 1. Juni 2007 in Kraft getretenen Gesetz KELA zuständig ist, wird nach einer vierjährigen Übergangszeit spätestens Anfang 2011 von allen öffentlichen und pri- vaten Erbringern von Gesundheits- leistungen sowie den Apotheken ge- nutzt werden können.

Der gesicherte Austausch der in den jeweiligen Gesundheitseinrich- tungen gespeicherten Daten beginnt im zweiten Halbjahr 2008. Sowohl für die Datenspeicherung als auch den Austausch zwischen verschie- denen Leistungserbringern ist je- weils die Zustimmung der Patienten erforderlich. Im Hinblick auf die Datenspeicherung muss die Zustim- mung jährlich erneuert werden.

Zusätzlich sollen die Kommuni- kation und Information für die Ver- sicherten und Patienten erweitert und in hoher, gesicherter Qualität per E-Health ermöglicht werden. So soll jeder Patient seine ePA und die In- formationen darüber, wer wann wel- che Informationen geändert oder die ePA genutzt hat, im Netz einsehen können. Darüber hinaus soll er auch Informationen zu gesundheitlichen Fragen auf elektronischem Weg über ein speziell hierfür eingerichte-

WEB-TIPPS

www.sundhed.dk– Nationales dänisches Gesundheits- portal mit Teilbereichen für die Bürger und die im Gesund- heitswesen Tätigen

www.tervesuomi.fi– Prototyp des nationalen Gesund- heitsportals für jedermann in der Verantwortung des finni- schen Amts für die Volksgesundheit (Kansanterveyslaitos, KTL)

www.stm.fi– Website des finnischen Sozial- und Gesundheitsministeriums

www.hl7.fi– Website des finnischen HL7-Ausschusses Übersicht über die Komponenten der finnischen

ePA-Lösung Nach: Niilo Saranummi, VTT, InformationTech- nology 2005

GRAFIK

Elektronische Patientenakte (ePA) in Finnland

Strukturierte Daten einschließlich Pflege ePA-Archivierung

Schnittstelle,Adapter (HL7 CDA R1 –> R2) Datenschutz, Datensicherheit (PKI) Identifikationssystem (OID-Codes) Nationaler Code-Server elektronisches Rezept Entscheidungsunter- stützung (Medikation) Desktop-Integration „Single Sign On“

Standards

(„Nationale Normen“)

Gesetzgebung

(Datenschutz, Einwilligung, nationaler ePA-Dienst)

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A456 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 929. Februar 2008

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tes Gesundheitsinformationsportal (www.tervesuomi.fi) erhalten, das in der Verantwortung des finnischen Amts für die Volksgesundheit (Kan- santerveyslaitos – KTL) steht und dessen Prototyp Anfang 2007 online gegangen ist.

Einen weiteren Schritt stellt die Entwicklung von interaktiven elek- tronischen Services dar, über die zum Beispiel Terminvereinbarungen und die Information über die Ergebnisse von Laboruntersuchungen und ande- ren diagnostischen Maßnahmen er- möglicht werden. Bis zum Jahr 2010, so sieht es die E-Health-Roadmap vor, sollen alle hier genannten Lö- sungen implementiert sein.

Die Identifikation der Patienten soll auf der Basis der schon lange existierenden eindeutigen Personen- identifikationsnummer mittels digi- taler Signatur beruhen, die bereits heute jeder Finne beantragen und nutzen kann.

Einen deutlichen zeitlichen Vor- sprung vor allen anderen nordeu-

ropäischen Staaten im Bereich E- Health hat Dänemark: Dort wurde bereits im Dezember 2003 ein Inter- netportal eröffnet, in dem sowohl der Bürger als auch der im Gesund- heitswesen Tätige alle wesentlichen Informationen findet. Mittlerweile besitzen mehr als zwei Millionen Dänen eine elektronische Signatur, mit der sie unter anderem ihre elek- tronische Patientenakte im Netz ein- sehen und kontrollieren können, welcher Arzt sie im Verlauf der ver- gangenen Jahre behandelt hat, wel- che Medikamente sie verschrieben bekommen haben oder wer Einsicht in ihre Patientenakte hatte.

Telematik-Vorreiterrolle hat Dänemark

Auch Termine beim Arzt können vereinbart, Wartelisten und Quali- tätsdaten verglichen sowie passende Ärzte oder Krankenhäuser gesucht und allgemeine Gesundheitsinfor- mationen zu wichtigen Erkrankun- gen heruntergeladen oder die seit

April 2007 auch auf den Gesund- heitsseiten veröffentlichten Preise der Zahnärzte verglichen werden.

Die elektronisch gespeicherten me- dizinischen Daten der dänischen Pa- tienten reichen dabei bis in das Jahr 1977 zurück. Die in Gesundheits- berufen Tätigen können im Netz Laborergebnisse einsehen und elek- tronische Rezepte ausschreiben so- wie Zeiten für Patienten bei den Spezialisten in den Kliniken buchen.

Inzwischen tauschen die Gesund- heitseinrichtungen den größten Teil der Daten elektronisch über das Ge- sundheitsportal „sundhed.dk“ aus. Die Zahl der Besucher erreichte im Jahr 2007 insgesamt 35,3 Millionen – je- der Däne hat das Portal also durch- schnittlich siebenmal aufgesucht.

Auch die Hausärzte nutzen die Kommunikationsmöglichkeiten des Portals intensiv. So boten Ende 2007 bereits 51 Prozent der Hausärzte eine elektronische Terminvereinbarung und 55 Prozent die elektronische Re- zepterneuerung an. Ab 2009 soll die- se Zahl bei 100 Prozent liegen: Dann haben alle Bürger das Recht, ihre Re- zepte elektronisch zu erneuern und auf dem gleichen Weg ihre Arztter- mine zu vereinbaren. Insgesamt wer- den bereits heute deutlich mehr als 80 Prozent der Rezepte elektronisch ausgestellt und an eine vom Patien- ten bestimmte Apotheke übermittelt.

Im Oktober 2006 wurde dazu ein zentraler Rezeptserver in Betrieb ge- nommen, der landesweit dafür sorgt, dass die Rezepte an die richtige Apo- theke übermittelt werden.

Vorläufer und immer noch ein wichtiger Teil des Gesundheitspor- tals ist das dänische „Health Data Network“, eine elektronische Platt- form für die im Gesundheitswesen Tätigen. Der Aufbau dieses Profi- netzes, das heute in das Portal

„sundhed.dk“ integriert ist, begann Anfang der 90er-Jahre. Es verbindet faktisch das gesamte dänische Ge- sundheitssystem elektronisch.

❚Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2008; 105(9): A 452–6

Anschrift des Verfassers Dr. rer. pol. Uwe K. Preusker Preusker Health Care OY Vestrantie 112 FIN-01750 Vantaa E-Mail: uwe.preusker@phc.fi Stand 2005 oder später, sonst speziell angegeben;

1) Umrechnungskurse Februar 2008: 1 Euro = 9,423 SEK; 1 Euro = 8,0292 NOK; 1 Euro = 7,4533 DKK

2)Gesundheitszentren im eigentlichen Sinn gibt es flächendeckend nur in Schweden und Finnland;

in Norwegen existieren ebenfalls teilweise kommunale Gesundheitszentren; überwiegend wird die ambulante primärärztliche Versorgung – wie in Dänemark auch – jedoch durch niedergelassene Allgemeinärzte sichergestellt

Quellen: OECD Health Data 2007; European Health Observatory (div. Länder und Jahre); nationale Statistiken TABELLE

Kennziffern der nordeuropäischen Gesundheitssysteme

Gegenstand Schweden Finnland Norwegen Dänemark

Gesamtausgaben für Gesundheit 242 679 11 217 176 031 141 432

in Landeswährung1) Mill. SEK Mill. Euro Mill. NOK Mill. DKK

Gesamtausgaben für Gesundheit pro Kopf 26 875 SEK 2 260 Euro 38 075 NOK 2 611 DKK Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP 9,1 % 7,5 % 9,1 % 9,1 %

Gesundheitszentren2) Ca. 1 000 257 – *) – *)

Akutkrankenhäuser 81 98 50 88

Akutbetten/1 000 Einwohner 2,2 2,9 3,0 3,1

(2005) (2005) (2005) (2004)

Durchschnittliche Verweildauer 4,6 Tage 4,8 Tage 5,2 Tage 3,5 Tage in Akutkrankenhäusern

Berufstätige Ärzte 30 553 12 850 17 082 19 287

(2004) (2004)

Berufstätige Ärzte/1 000 Einwohner 3,4 2,4 3,7 3,6

(2004) (2004)

Arzneimittelausgaben in Prozent 12,0 % 16,3 % 9,1 % 8,9 %

der Gesundheitsausgaben

Einwohner 9,08 Mill. 5,27 Mill. 4,64 Mill. 5,43 Mill.

(2006) (2006) (2006) (2006)

Fläche (qkm) 449 964 338 145 386 958 43 000

Einwohner/qkm 20,0 15,6 14,3 125,0

Referenzen

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