Liquidationsprobleme im Zu- sammenhang mit medizini- schen Leistungen am „Ge- lenk“ treten nicht nur bei Operationen, sondern zum Beispiel auch in der Ma- gnetresonanztomographie auf.
Das Fußgelenk gliedert sich in ein unteres und oberes Sprunggelenk. Aber der Ver- such, diese jeweils in „große Gelenke“ umzudeuten, offen- bart sich schnell als unlauterer Abrechnungstrick, statt der Nr. 5729 GOÄ (2 400 Punkte) die höher bewertete Nr. 5730 GOÄ (4 000 Punkte) abrech- nen zu wollen.
Schwieriger zu entscheiden sind Auslegungsdifferenzen in der Gelenkchirurgie, trotz – oder gerade wegen – der Einführung der Gebühren- ordnungsnummern für arth- roskopische Operationen in das Leistungsverzeichnis der GOÄ 1996, verbunden mit der gleichzeitigen Aufnahme weitreichender Ausschlussbe- stimmungen (siehe Allgemei- ne Bestimmungen zu Ab- schnitt L III. GOÄ). Danach darf eine Reihe von endosko- pischen oder offenen Eingrif- fen an demselben Gelenk nicht mehr nebeneinander abgerechnet werden. Es fragt sich allerdings: Was heißt
„dasselbe Gelenk“? Darf ei- ne Arthroplastik am Acro- mioclaviculargelenk nicht ne- ben einem Eingriff am Gle- nohumoralgelenk abgerech- net werden, weil beide Ge- lenke zur funktionellen Ein- heit des Schultergelenks ge- hören, selbst wenn Nr. 2137 (Arthroplastik eines Schul- tergelenks) nicht von der Ausschlussbestimmung be- troffen ist?
In der Rechtsprechung ist in erster Linie der Wortlaut der Leistungslegenden maß- geblich. Ein im Zusammen- hang mit der Auslegung „des- selben Gelenks“ häufig zitier-
tes Urteil – obwohl es die ver- tragsärztliche Gebührenord- nung BMÄ/E-GO betrifft – ist das Urteil des Bundesso- zialgerichts vom 25. August 1999 zur Schultergelenk-Ar- throskopie (Az.: B 6 KA 32/
98 R). Danach ist im „allein maßgeblichen gebührenord- nungsrechtlichen Sinne“ ein Gelenk unteilbar. Die Schluss- folgerung des Bundessozial- gerichts basiert aber nicht auf einfacher Wortauslegung, sondern unter anderem auf der Beleuchtung der Syste- matik, nach der die ver- tragsärztlichen gelenkchirur- gischen Eingriffe geordnet sind, sowie auf dem Grund- satz, dass es nicht in erster Linie Aufgabe der Gerich- te, sondern „Aufgabe der Bewertungsausschüsse sei, unklare Regelungen in der Gebührenordnung zu präzi- sieren“.
Im Privatliquidationssek- tor fehlt ein durch den Ge- setzgeber eingerichteter Be- wertungsausschuss, die Wei- terentwicklung der GOÄ ist bislang ganz auf die (Un-) Tätigkeit des Verordnungsge- bers angewiesen. Die GOÄ ist ein historisch gewachsenes Sammelsurium, ohne einheit- liche Terminologie und mit zahlreichen logischen Brü- chen. Unfreiwillig – aber un- vermeidlich – werden die Ge- richte immer häufiger die Widersprüche zwischen ver- altetem Gebührenverzeich- nis und medizinischem Lei- stungsgeschehen schlichten müssen. Eine über die ein- fache Wortauslegung hinaus- gehende Berücksichtigung me- dizinischer, historischer und bewertungsbezogener Aspek- te wird dabei unerlässlich sein (siehe Urteil Amtsge- richt Hannover vom 12. No- vember 2002, Az.: 561C 5101/01).
Dr. med. Regina Klakow-Franck
Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 928. Februar 2003 AA575
Auslegung des „Gelenks“
Medizinischer Sachverstand unverzichtbar
GOÄ-Ratgeber
V A R I A