Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 6|
12. Februar 2010 A 247 RUHR 2010Kultur statt Kohle
Das Ruhrgebiet, eine der kulturell reichsten Regionen Europas, trotzt mit circa 100 Großprojekten und 2 000
Veranstaltungen der aktuellen Krise.
W
er Ende Mai im Ruhrgebiet unterwegs sein wird, könnte annehmen, dass unbekannte Flug- objekte diesen Ballungsraum er- kunden. Tatsächlich sind einige Hundert leuchtend gelbe Ballons emporgestiegen. Weithin sichtbar markieren sie das Unsichtbare, die Vergangenheit dieses Landstrichs.„Schachtzeichen“ ist eines der zen- tralen Projekte im Programm der Kulturhauptstadt Essen, die den Titel für das gesamte Ruhrgebiet errungen hat und unter Ruhr.2010 firmiert. In allen 53 Städten sorgen Ballons über den Stellen für Auf- merksamkeit, an denen Zechen standen und die jetzt verfüllten Kohleschächte verliefen.
Besucher der Kulturhauptstadt, die mehr über das Ruhrgebiet erfah- ren möchten, empfängt seit dem 10. Januar das neue Ruhr-Museum, das spektakulär in der früheren Kohlenwäsche der Zeche Zollver- ein Quartier bezogen hat, einem Ort, der den Wandel des Ruhrge- biets symbolisiert. Es lag nahe, die- se Entwicklung nicht nur zum The- ma von Ruhr 2010 zu machen. Die Programmverantwortlichen hoffen
zudem, den Strukturwandel durch die einzelnen Projekte weiter an- stoßen zu können. Das dazugehöri- ge Logo Industriekultur gilt seit der Internationalen Bauausstellung Emscherpark (1989 bis 1999) als Schlüssel zum Erfolg.
„Wir wollen das Ruhrgebiet, sei- nen Mythos, begreifbarer machen und es durch neue Kulturorte ge- stalten“, fasst Jürgen Fischer, Pro- grammkoordinator der Kultur- hauptstadt, die beiden wichtigsten Anliegen von Ruhr 2010 zusam- men. In Duisburg erweitern Herzog
& de Meuron das historische Spei- chergebäude des Museums Küppers- mühle im Innenhafen mit einem teils schwebenden Monumental - korpus auf dem Dach. In Dortmund zieht in die alte Union-Brauerei nicht nur ein Museum, es sollen durch das erste Zentrum für Krea- tivwirtschaft auch Synergien entste- hen. Und in Gelsenkirchen wird der Förderturm der Zeche Nordstern für ein Videokunstmuseum um vier gläserne Ebenen aufgestockt, die eine Riesenstatue von Markus Lü- pertz krönen soll. Neben dem Sicht- barmachen des Wandels ist Nach-
haltigkeit ein zweiter Aspekt, der bei den Programmaktivitäten von Ruhr 2010 Regie führte. „Zum ei- nen pflegen wir Kooperationen mit bestehenden Festivals wie der Ruhrtriennale und dem Theater der Welt, zum anderen bringen wir Neues auf den Weg, das über 2010 hinaus Bestand haben wird“, erklärt der Programmkoordinator. Dazu gehöre etwa die 1. Biennale für In- ternationale Lichtkunst.
Die schon häufig kritisierte Sper- rung einer 60 Kilometer langen Strecke des alten Ruhrschnellwegs, auf der für einen Tag das größte Straßenfest Europas stattfinden wird, darf man dagegen als Event verstehen, das für den nötigen Öffentlichkeitsschub sorgen soll.
Nachhaltiger sind sicherlich Veran- staltungen wie „Melez“ (siehe Foto unten), das an vielen Standorten stattfindende Festival der Kulturen.
Die 53 Ruhrkommunen haben mit weit über hundert Partnerstädten gemeinsame Projekte entwickelt.
Vor allem Jugendliche sind in die- sen Kooperationen angesprochen worden. „Der Aufbau von über 2010 hinaus aktiven Netzwerken soll durch solche Programmange- bote gefördert werden“, sagt Fischer.
Auch im Ruhrgebiet selbst koope- riert man stärker als bislang üblich.
An diversen Spielstätten wird das musi kalische Werk Hans Werner Henzes zu hören sein. Doch das Ruhr gebiet, ohnehin eine der kultu- rell reichsten Regionen Europas, trotzt mit circa 100 Großprojekten und 2 000 Veranstaltungen der ak- tuellen Krise. Informationen unter Telefon: 02 01/8 88 20 10, Internet:
www.ruhr2010.de. ■
Ulrich Traub Klingelschilder
eines multikultu - rellen Wohnhauses in Berlin-Wedding (unten), Impressionen von der Eröffnungs- feier (oben)
Fotos: THS Wohnen GmbH