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Archiv "Vorsorgemuffel oder Screeningversager? Vorsorgeverhalten von Patienten mit kolorektalem Karzinom in der Region Leipzig" (20.03.2009)

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M

it einer geschätzten Inzidenz von 73 000 Neu- erkrankungen im Jahr 2007 ist das kolorekta- le Karzinom (KRK) die zweithäufigste Krebserkran- kung in Deutschland (1) (Grafik 1). Die Letalität die- ser Krankheit korreliert mit dem Erkrankungsstadium bei Diagnosestellung (2). Patienten, bei denen das KRK in einem kurativ operablen Stadium erkannt wird, haben eine 5-Jahres-Überlebensrate von 65 bis 95 %. Demgegenüber sind im metastasierten Stadium IV trotz der Fortschritte in der medikamentösen zy- tostatischen und der interdisziplinären Therapie (2) selten Heilungen zu erzielen.

Vorsorgeuntersuchungen ermöglichen es, das KRK im Früh- oder Vorstadium als adenomatöse Polypen zu entdecken. Die älteste Methode zur Vorsorgeleis- tung ist die digitale Untersuchung des Rektums. Sie ist für Männer und Frauen ab dem 45. Lebensjahr Bestandteil des 1971 eingeführten Krebsfrüherken- nungs- beziehungsweise Vorsorgeprogramms der ge- setzlichen Krankenversicherungen. 1982 kam der Test auf fäkales okkultes Blut (FOBT) als Vorsorgeunter- suchung für KRK hinzu. Seit 2002 zählt die Kolosko- pie ab dem 56. Lebensjahr zum Früherkennungspro- gramm.

Die Effizienz der Früherkennungsmaßnahmen kann an verschiedenen Parametern gemessen werden;

der am stärksten überzeugende ist sicherlich die Sen- kung der Mortalität an KRK. Die Effizienz des FOBT in der Vorsorge des KRK ist gut belegt. Die jährliche Anwendung senkt die Mortalität durch KRK um 25 % (3). Ein einmaliger FOBT nach rektal-digitaler Unter- suchung ist untauglich (4).

Die höchste Spezifität und Sensitivität, ein KRK oder dessen Vorstufen zu entdecken, besitzt die Endo- skopie. Daneben hat sie den großen Vorteil, dass ein therapeutischer Eingriff in gleicher Sitzung erfolgen kann. Durch die endoskopische Abtragung von Adeno- men (Polypektomie) kann die Entstehung eines Karzi- noms noch im benignen Stadium der Adenom-Karzi- nom-Sequenz verhindert werden. Gleichzeitig ist die Komplikationsrate bei Endoskopien gering (5, 6).

Für die Sigmoidoskopie ist durch Fall-Kontroll- Studien eine Senkung der Inzidenz und Mortalität an KRK im rektosigmoidalen Bereich belegt (7, 8).

Durch dieses Verfahren werden mehr Neoplasien im distalen Kolon entdeckt als mit dem FOBT allein (9).

Der protektive Effekt der Sigmoidoskopie hält für 6 bis 10 Jahre an.

ORIGINALARBEIT

Vorsorgemuffel oder Screeningversager?

Vorsorgeverhalten von Patienten mit kolorektalem Karzinom in der Region Leipzig Konrad Schoppmeyer, Henning Spieker, Joachim Mössner

ZUSAMMENFASSUNG

Hintergrund: Das kolorektale Karzinom (KRK) ist die zweit- häufigste krebsbedingte Todesursache in Deutschland.

Vorsorgemaßnahmen stehen zur Verfügung und werden von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet.

Methoden: Diese Untersuchung widmete sich den Vorsor- gemaßnahmen bei Patienten im Raum Leipzig, bei denen ein KRK diagnostiziert worden war. Anhand eines standar- disierten Fragebogens für Patienten sowie einer Kontaktie- rung der Hausärzte wurden die Daten durchgeführter Vor- sorgeuntersuchungen erfasst sowie Gründe für unterblie- bene Vorsorgeuntersuchungen eruiert.

Ergebnisse: 212 Patienten mit KRK wurden in die Untersu- chung eingeschlossen. Bei 175 Patienten (83 %) wurde das Karzinom nach Auftreten von Symptomen entdeckt („Symptomgruppe“), bei 37 Patienten (17 %) im Rahmen der Vorsorge („Vorsorgegruppe“). In den der Diagnose vor- ausgegangenen 10 Jahren beteiligten sich insgesamt 51 % der Patienten an Vorsorgemaßnahmen. Am häufigsten wurde der Test auf okkultes Blut im Stuhl eingesetzt, aller- dings meistens nicht leitliniengerecht. 25 Patienten (12 %) erhielten Vorsorgekoloskopien, davon 20 innerhalb von 5 Jahren vor Diagnose des Karzinoms. Als Grund für die un- terbliebene Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen wurde vorwiegend Unkenntnis des Angebots angegeben.

Schlussfolgerung: In dieser retrospektiven Erhebung an Patienten mit KRK zeigt sich, dass die meisten Patienten an keiner leitliniengerechten Vorsorgemaßnahme teilnah- men. Die intensivierte Beratung vonseiten der Ärzte ist damit ein wesentlicher Verbesserungsansatz. Bei der Durchführung der Vorsorge sollten bei Stuhltest und Vor- sorgekoloskopien auf leitliniengerechte Verfahrensweisen geachtet werden.

Dtsch Arztebl Int 2009; 106(12): 195–201 DOI: 10.3238/arztebl.2009.0195 Schlüsselwörter: Kolorektalkarzinom, Vorsorgeuntersu- chung, Versorgungsforschung, Koloskopie, Stuhltest

Medizinische Klinik und Poliklinik II, Universitätsklinikum Leipzig AöR:

PD Dr. med. Schoppmeyer, Spieker, Prof. Dr. med. Mössner

(2)

Nur die komplette Koloskopie ermöglicht es, auch im rechtsseitigen Kolon gelegene Neoplasien zu ent- decken; sie hat für Karzinome und Adenome des ge- samten Kolons eine hohe Sensitivität und Spezifität.

Die Inzidenz des KRK sinkt nach koloskopischer Po- lypektomie um 66 bis 90 % (10, 11). Bei kompletter Koloskopie wurden unter kontrollierten (Studien-)Be- dingungen selten Neoplasien übersehen (12). Nach ei- ner Vorsorgekoloskopie ohne Polypektomie hält der protektive Effekt für mindestens 10 Jahre an (13).

Auf der Grundlage vorliegender Daten wurde im Jahr 2004 die S3-Leitlinie zum KRK publiziert (2).

Gemäß dieser Leitlinie wird eine Koloskopie als Früherkennungsmaßnahme für Personen mit durch-

schnittlichem Risiko für ein KRK – das heißt, keine erstgradigen Verwandten mit KRK, Polypen und Adenomen – ab dem 50. Lebensjahr empfohlen. Die Untersuchung sollte nach 10 Jahren wiederholt wer- den. Bei Personen, die eine Koloskopie ablehnen, sollte eine Sigmoidoskopie alle 5 Jahre in Kombinati- on mit jährlichem FOBT durchgeführt werden. Falls jegliche Endoskopie zur Früherkennung abgelehnt wird, sollte der jährliche FOBT allein erfolgen. Ein positiver FOBT sollte nicht wiederholt werden, son- dern erfordert in jedem Fall eine Koloskopie.

Um die Vorsorge beim KRK weiter zu verbessern, ist zunächst wichtig, den gegenwärtigen Versorgungs- stand zu analysieren. Das Ziel dieser Untersuchung war es daher, bei am KRK erkrankten Patienten in der Region Leipzig zu prüfen, an welchen Stellen Versor- gungsprobleme bestehen. Hierzu sollten folgende Fragen beantwortet werden:

>Wurde das Angebot zur Vorsorge wahrgenom- men?

>Entsprach die durchgeführte Vorsorgemaßnahme den Leitlinien?

>Welche Gründe lagen gegebenenfalls für eine nicht durchgeführte, abgelehnte oder unzurei- chende Vorsorge vor?

Methoden

Im Zeitraum zwischen November 2004 und Dezember 2005 wurden in vier akademischen Lehrkrankenhäu- sern und einer Universitätsklinik der Region Leipzig alle Patienten rekrutiert, die dort wegen eines histolo- gisch nachgewiesenen kolorektalen Karzinoms zur Operation stationär aufgenommen worden waren.

Ausschlusskriterium für die Teilnahme an der Unter- suchung war ein Tumorrezidiv. Vor Studienteilnahme war ein schriftlich erteiltes Einverständnis erforder- lich. Ein zustimmendes Votum der Ethikkommission wurde eingeholt.

Demografische Daten, Familienanamnese bezüglich KRK sowie die Daten zum neu diagnostizierten KRK (Detektionsmethode, Histologie, Lokalisation) wurden mithilfe der Patientenakten erfasst. Die Patienten wur- den retrospektiv anhand eines standardisierten Frage- bogens bezüglich ihrer Anamnese und der von ihnen wahrgenommenen Vorsorge befragt. Der Fragebogen umfasste die folgenden Themenkomplexe:

>Patientendaten

>Name der Klinik

>Anlass, der zur Entdeckung des KRK geführt hat (Abklärung einer Symptomatik oder durch Vor- sorge)

>Art der Beschwerden

>Vorsorgeuntersuchungen innerhalb der vorange- gangenen 10 Jahre (wobei die Vorsorgekolosko- pie erst seit 2002 als GKV-Leistung zur Verfü- gung stand)

>begleitende Darmerkrankungen, insbesondere chronisch entzündliche Darmerkrankungen

>Familienanamnese

>Bekanntheit des Präventionsprogramms für KRK.

Altersstandardisierte Inzidenz und Mortalitätsrate des kolorektalen Karzinoms in Deutschland je 100 000 Einwohner (Europabevölkerung), alle Altersgruppen (1)

GRAFIK 1

TABELLE 1

Demografische Daten der Patienten und Tumorlokalisation unterteilt nach Vorsorge- und Gesamtgruppe

Gesamt Vorsorge Symptom

medianes Alter 68 Jahre 67 Jahre 68 Jahre

Geschlecht m/w 117/95 20/17 97/78

Tumorlokalisation

Rektum 87 (41 %) 13 (35 %) 74 (42 %)

C. sigmoideum 51 (24 %) 12 (32 %) 39 (22 %)

C. descendens 9 (4 %) 0 9 (5 %)

C. transversum 16 (8 %) 3 (8 %) 13 (7 %)

C. ascendens 35 (17 %) 5 (14 %) 30 (17 %)

Caecum 14 (7 %) 4 (11 %) 10 (6 %)

(3)

Die Patienten wurden abschließend gebeten, in ei- nem offenen Interview die Gründe für unterbliebene Vorsorgemaßnahmen zu benennen.

Die Hausärzte der Patienten wurden mittels stan- dardisierten Interviews und gegebenenfalls Besuchen kontaktiert, um die vorgenommenen Vorsorgeuntersu- chungen und die Chronologie der Vorsorgemaßnah- men zu evaluieren und zu validieren sowie offene Fra- gen zu klären.

Die statistische Auswertung der Daten und grafi- sche Darstellung von Maßzahlen und Häufigkeiten erfolgte computergestützt. Die offenen Patienteninter- views wurden mit Unterstützung der Klinik für Psy- chosomatische Medizin am Universitätsklinikum Leip- zig analysiert.

Ergebnisse Patienten

In dem 14-monatigen Untersuchungszeitraum wurden 212 Patienten mit KRK in die Untersuchung einge- schlossen. Die diagnostizierten Karzinome waren bei 138 Patienten im rektosigmoidalen Bereich lokalisiert (65 %), bei den übrigen 74 Patienten (35 %) im proxi- malen Teil des Kolons (Tabelle 1). Bei 19 Patienten (9 %) waren bei erstgradigen Verwandten kolorektale Karzinome bekannt. Bei keinem Patienten war in der Vorgeschichte die Diagnose eines KRK oder einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung gestellt worden. Ebenfalls wurden genetisch bedingte Erkran- kungen bei keinem der Patienten festgestellt.

Vorsorgeverhalten

Das KRK wurde bei 37 Patienten (17 %) im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung diagnostiziert (Vorsorge- gruppe), davon erfolgte bei 10 Patienten primär eine Vorsorgekoloskopie, bei 27 Patienten wurde eine Ko- loskopie nach vorausgegangenem positivem FOBT durchgeführt.

Bei den übrigen 175 Patienten (83 %) wurde eine entsprechende Untersuchung vorgenommen, weil Be- schwerden vorlagen (Symptomgruppe). Hierzu zähl- ten:

>Blut im Stuhl (41 %)

>Änderung der Stuhlgewohnheiten (42 %)

>Gewichtsverlust (17 %)

>Leistungsschwäche (16 %)

>Anämie (9 %)

>Schmerzen (19 %) (Tabelle 2).

Unter den 175 Patienten der Symptomgruppe wa- ren 8 Patienten jünger als 50 Jahre und fielen somit noch nicht unter das Angebot des Vorsorgepro- gramms. Sie wurden bei der weiteren Analyse der Vor- sorgeleistungen nicht berücksichtigt.

Das Vorsorgeverhalten war bei den Patienten der Vorsorgegruppe auch in der Vergangenheit intensiver als in der Symptomgruppe. In den vorausgegangenen 10 Jahren beteiligten sich 33 der 37 Patienten (89 %) an Vorsorgeuntersuchungen zum kolorektalen Karzi- nom. Im Gegensatz dazu hatten nur 74 der 167 auf- grund von Symptomen entdeckten KRK-Patienten

(44 %) in der Vergangenheit an Vorsorgemaßnahmen teilgenommen. Der Anteil aller Patienten, die in dem 10-jährigen Zeitraum vor Diagnosestellung Vorsorge- untersuchungen in Anspruch genommen hatten, be- trug 53 %. Der FOBT als alleinige Vorsorgemaßnah- me wurde von 40 % aller Patienten und damit am häu- figsten genutzt (Grafik 2).

Test auf okkultes Blut im Stuhl

100 Patienten hatten in den 10 Jahren vor Diagnose- stellung einen oder mehrere FOBT erhalten. Bei 51 Patienten war der FOBT jährlich durchgeführt wor- den, bei 17 Patienten alle 2 Jahre und bei den übrigen nur sporadisch (Grafik 3). Bei 93 Patienten blieben al- le Tests negativ, in sieben Fällen fiel ein positiver Test auf. Bei diesen sieben Patienten folgte in vier Fällen auf den positiven Test eine Koloskopie, die bei zwei Patienten zu einer Polypektomie führte. Bei den ande- ren beiden Patienten konnte keine Neoplasie nachge- wiesen werden. Drei Patienten mit positivem FOBT erhielten einen weiteren FOBT, der negativ ausfiel.

Danach folgte keine weitere Abklärung.

Bezieht man die Untersuchungen zur Diagnosestel- lung mit ein, lag beim letzten FOBT vor der Diagnose eines kolorektalen Karzinoms ein positiver Befund bei 35 von 105 Patienten vor, die einen Stuhltest durchführen ließen. Bei 30 Patienten führte das positi- ve Ergebnis zur Entdeckung des kolorektalen Karzi- noms (86 %). Die Diagnosestellung gelang bei positi- vem FOBT median nach einem Monat. Allerdings vergingen bei 4 Patienten (11 %) vom positiven FOBT bis zur Diagnose mehr als 12 Monate. Umge- kehrt war der letzte FOBT vor Diagnose bei 70 von 105 Patienten negativ. Bei 22 Patienten wurde das KRK innerhalb eines Jahres nach negativem FOBT diagnostiziert, bei 41 nach mehr als einem Jahr (Gra- fik 4a). Bei den übrigen sieben Patienten war es nicht möglich, das Datum des letzten FOBT exakt zu be- stimmen.

TABELLE 2

Durch Vorsorge und symptomatisch entdeckte KRK mit den Symptomen, die zur Abklärung führten

Anzahl (%) durch Vorsorge entdeckt 37 (17) bei Beschwerden entdeckt 175 (83)

Blut im Stuhl 87 (41)

geänderte Stuhlgewohnheiten 89 (42)

Gewichtsverlust 35 (17)

Leistungsschwäche 33 (16)

Anämie 19 ( 9)

Schmerzen 41 (19)

Mehrfachnennungen bei den Beschwerden waren möglich KRK, Kolorektales Karzinom

(4)

Koloskopie

In den der KRK-Diagnose vorausgegangenen 10 Jah- ren wurde bei 25 Patienten eine Vorsorgekoloskopie durchgeführt. Diese Koloskopie erfolgte bei 4 Patien- ten im Anschluss an einen positiven FOBT, bei sieben Patienten ohne vorausgegangenen FOBT und bei 14 Patienten zusätzlich zu einem negativen FOBT. Die Zeitspanne zwischen der letzten Koloskopie und der Diagnose KRK betrug median 2 Jahre und bei 20 von 25 Patienten (80 %) 5 oder weniger Jahre (Grafik 4b).

In 4 Fällen wurde das Caecum bei der Koloskopie nicht erreicht. Deshalb erhielten 3 Patienten eine schriftliche Empfehlung zur weiterführenden Diagno- stik, die jedoch zweimal nicht erfolgte und in einem Fall keinen pathologischen Befund ergab.

Bei 13 Patienten wurde koloskopisch ein Polyp ent- fernt. Von diesen Patienten wurde bei 7 innerhalb von 3 Jahren, bei weiteren 4 innerhalb von 5 Jahren nach der letzten Koloskopie die Diagnose kolorektales Karzinom gestellt.

Bei 3 Patienten war nach Polypektomie keine Emp- fehlung zum Vorgehen im Befund enthalten, bei 5 weiteren Patienten wurde die Empfehlung missachtet.

Nach Vorsorgekoloskopie innerhalb der letzten 10 Jahre war die Lokalisation der Karzinome vergleich- bar derjenigen in der Gesamtgruppe: 68 % der 25 Pa- tienten mit Vorsorgekoloskopie hatten ein KRK im rektosigmoidalen Bereich, 32 % im proximalen Ko- lon.

Gründe für unterbliebene Vorsorgemaßnahmen

105 Patienten nahmen an keiner Vorsorgeuntersu- chung in den der Diagnosestellung vorausgegangenen 10 Jahren teil. Zu den Gründen, warum Vorsorgeun- tersuchungen nicht wahrgenommen wurden, zählte am häufigsten die Unkenntnis über die Möglichkeit (12 %) oder die Indikation (47 %) zur Vorsorge.

Auch ausgebliebene Beratung durch den Arzt (7 %) oder eigene Nachlässigkeit (9 %) wurden angegeben.

Weitere 11 % hatten Angst vor einer Vorsorgeuntersu- chung. 14 % der Patienten gaben an, zu jung für die Vorsorge gewesen zu sein (Tabelle 3). In der Gesamt- gruppe war 43 % der Patienten das Angebot einer GKV-finanzierten Vorsorgekoloskopie ab dem 56. Le- bensjahr nicht bekannt. Die Geschlechts- und Alters- verteilung in der Gruppe ohne Vorsorgeuntersuchun- gen unterschied sich nicht wesentlich von derjenigen in der Gesamtgruppe.

Schlussfolgerung

Der Wert der KRK-Vorsorge ist belegt. Vorsorgeunter- suchungen senken die Mortalität an KRK. Adenome als benigne Vorläufer des KRK werden bei etwa je- dem fünften Vorsorgeteilnehmer entdeckt und können während der Vorsorgekoloskopie komplikationsarm entfernt werden. Bei circa 1 % der Teilnehmer werden KRK diagnostiziert, wovon sich 90 % in einem opera- blen Stadium befinden (6). Wird ein KRK im Frühsta- dium im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung ent- deckt, sind die Heilungschancen für den Betroffenen Vorsorgeuntersuchungen in den 10 Jahren vor Diagnosestellung bei

(A) allen Patienten (n = 212), (B) Patienten der Vorsorgegruppe (n = 37) und (C) Patienten der Symptomgruppe (n = 167).

GRAFIK 2

(5)

weitaus günstiger als bei symptomatisch entdeckten KRK (14). Daher wäre es wünschenswert, wenn mög- lichst viele Personen der entsprechenden Altersgruppe an Vorsorgemaßnahmen teilnähmen. Bis 2005 hatten 8,8 % der anspruchsberechtigten Männer und 10,2 % der Frauen das Angebot einer Vorsorgekoloskopie ge- nutzt (6).

In der vorliegenden Untersuchung aus der Region Leipzig zeigte sich, dass 83 % der an KRK erkrankten Patienten nicht durch Vorsorgemaßnahmen diagnosti- ziert wurden. Mehr als die Hälfte der Patienten hatte überhaupt keine Vorsorgeuntersuchung in Anspruch genommen. In zwei Dritteln der Fälle stellte sich als Grund dafür heraus, dass Vorsorgemöglichkeiten nicht ausreichend bekannt waren. Aufklärung steht demnach weiter an erster Stelle und sollte schon vom Hausarzt eingeleitet werden. Unterstützend in dieser Richtung wirken in Deutschland die Stiftung Lebens- blicke (15) und die Felix-Burda-Stiftung (16), die In- formationsmaterial kostenlos zur Verfügung stellen.

Das einfachste Verfahren ist der FOBT. Für eine zu- verlässige Wirksamkeit muss der Test bei 3 aufeinan- derfolgenden Stuhlgängen angewendet und jährlich wiederholt werden. Manche Karzinome und viele Adenome bluten allerdings nicht oder nur intermittie- rend und können deshalb dem FOBT entgehen. Unbe- dingt sollte nach dem ersten positiven FOBT eine en- doskopische Abklärung erfolgen, um keine kolorekta- len Neoplasien zu übersehen.

Die Endoskopie ist letztendlich das entscheidende Verfahren, um Neoplasien zu entdecken und im Falle von Adenomen und Low-risk-Karzinomen gleichzeitig zu behandeln. Bei unauffälligem Befund senkt die Kolo- skopie das KRK-Risiko auch im Langzeitverlauf erheb-

lich und braucht deshalb nur einmal nach weiteren 10 Jahren wiederholt zu werden (13). In der vorliegenden Untersuchung war jedoch bei 25 Patienten innerhalb ei- nes 10-Jahres-Intervalls vor KRK-Diagnose eine Vorsor- gekoloskopie durchgeführt worden. Die Rate neuer oder koloskopisch übersehener KRK liegt damit in der unter- suchten Kohorte vergleichsweise hoch (17, 18).

Mögliche Risikofaktoren für übersehene kolorekta- le Karzinome beziehungsweise Vorstadien sind

>höheres Patientenalter

>Krankheitsfaktoren wie etwa Lokalisation der Polypen im rechten Kolon, Zahl der Polypen, de- fekte DNS-Reparaturmechanismen, gleichzeitige Divertikulose

>untersuchungsbezogene Faktoren wie beispiels- weise Sauberkeit des Kolons bei der Untersu- chung, Sorgfalt und Erfahrung des Untersuchers (17, 18, 19).

Anwendungsweise des FOBT bei den Patienten, die den FOBT als Vorsorgemaßnahme innerhalb der letzten 10 Jahre vor Diagnose ei- nes KRK durchführen ließen

GRAFIK 3

Zeitspanne zwischen letzter unauffälliger Vorsorgeuntersuchung und Diagnose des KRK. (A) FOBT (n = 70), (B) Koloskopie (n = 25).

k.A., keine Angabe GRAFIK 4

(6)

Patientenalter und die Lokalisation des kolorekta- len Karzinoms bei den 25 Patienten mit Vorsorgekolo- skopie unterschieden sich nicht wesentlich von der Restkohorte und von vergleichbaren Gruppen in ande- ren Publikationen. Bei einem Fünftel der Fälle fehlten adäquate Empfehlungen nach Polypektomie bezie- hungsweise inkompletter Koloskopie, in einem Drit- tel wurde das empfohlene Vorgehen nach Vorsorgeko- loskopie missachtet. Untersuchungsbezogene Para- meter bilden einen weiteren möglichen Einflussfaktor für verbesserte Vorsorgeergebnisse und sollten bei der Konzeption von Vorsorgeprogrammen berücksichtigt werden.

Ein weiteres Problem der Koloskopie als Methode zum Massenscreening sind Vorbehalte in der Bevölke- rung. Vor allem die beschwerliche Vorbereitung in Form der Darmreinigung spielt eine Rolle (20). Poly- ethylen-Glykol(PEG)-Ascorbinsäure-haltige Präpara- tionen werden aufgrund des reduzierten Volumens von 2 Litern von den Patienten eher akzeptiert als die bislang üblichen Darmspüllösungen (21). Die absolut effektive, tolerable und sichere Methode zur Darmrei- nigung ist jedoch noch nicht gefunden. Um die Inzi- denz des KRK weiter zu senken sollte neben der Ver- besserung vorhandener Vorsorgemethoden nach alter- nativen, zuverlässigen Screeningverfahren gesucht werden, die in der Bevölkerung besser angenommen werden.

Radiologische Verfahren wie die CT- oder MR-Ko- lonografie erfordern die gleiche, unangenehme Vorbe- reitung für den Patienten wie die Endoskopie. Sie sind zudem teuer und, was die Computertomografie an- geht, mit einer Strahlenbelastung assoziiert. Untersu- chungen zur Effizienz der CT-Kolonografie ergaben, dass die diagnostische Genauigkeit die der Kolosko- pie nicht ganz erreicht (22). Daher können radiologi- sche Verfahren derzeit nicht als Basismethode zum Screening auf KRK empfohlen werden. Als neue Me- thode wird die Kapselendoskopie des Kolons zurzeit untersucht (23). Die beste Akzeptanz unter den jetzi- gen Vorsorgeuntersuchungen hat der FOBT. Verbes- serte Stuhltests mit hohem negativem prädiktivem Wert wären ein wesentlicher Fortschritt. Auch serolo- gische Tests wie die Bestimmung des Komplement Anaphylatoxins C3a (C3a-desArg) haben möglicher- weise das Potenzial, die Vorsorge zu verbessern (24).

Durch die Fortschritte in der interdisziplinären on- kologischen Behandlung ist es gelungen, das kolorek- tale Karzinom im Stadium IV in vielen Fällen von ei- nem Todesurteil in eine chronische Erkrankung zu verwandeln. Gemeinsame Anstrengungen in den Be- reichen Aufklärung sowie primärer, fachärztlicher und stationärer Versorgung sollten es ermöglichen, das kolorektale Karzinom von einer Volkskrankheit zu einer sporadisch auftretenden, heilbaren Neoplasie zu machen. Die hier gefundenen Ansatzpunkte zur verbesserten Versorgung werden teilweise bereits um- gesetzt und sollten bei der Beratung und Behandlung jedes über 50-jährigen Patienten berücksichtigt wer- den.

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Manuskriptdaten

eingereicht: 5. 6. 2008, revidierte Fassung angenommen: 7. 1. 2009

LITERATUR

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TABELLE 3

Gründe für unterbliebene Vorsorgeuntersuchungen bei 105 Patienten

Gründe Anzahl (%)

Unkenntnis über Vorsorgemöglichkeit 69 (66)

zu jung 15 (14)

Angst 12 (11)

eigene Nachlässigkeit 9 (9)

(7)

14. Hüppe D, Hartmann H, Felten G et al.: Effectiveness of screening colonoscopy in a community-based study. Z Gastroenterol 2008;

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Anschrift für die Verfasser PD Dr. med. Konrad Schoppmeyer Medizinische Klinik und Poliklinik II Universitätsklinikum Leipzig AöR Liebigstraße 20

04103 Leipzig

E-Mail: konrad.schoppmeyer@medizin.uni-leipzig.de

SUMMARY

FFaaiilluurree ooff SSccrreeeenniinngg oorr FFaaiilluurree ttoo SSccrreeeenn??

TThhee SSccrreeeenniinngg BBeehhaavviioorr ooff PPaattiieennttss WWiitthh CCoolloorreeccttaall CCaanncceerr iinn tthhee LLeeiippzziigg AArreeaa

Background: Colorectal cancer (CRC) is the second most common cancer-related cause of death in Germany. Screening for colorectal cancer is effective and is covered by statutory health insurance in Germany.

Methods: The authors studied the screening behavior of patients with CRC in the Leipzig area in the 10 years before their diagnosis. The patients were asked to fill out a standardized questionnaire, and their primary care physicians were questioned, in order to determine what screening measures had been performed and why none had been performed in some cases.

Results: 212 patients with CRC were studied. In 175 (83%), cancer had been diagnosed after the appearance of symptoms ("symptoma- tic group"); in 37 (17%), it had been detected by screening ("scree- ning group"). 51% of the overall patient group had undergone CRC screening in the 10 years before their diagnosis. A test of the stool for occult blood was the most common screening method but was gene- rally not performed in conformity with guidelines. 25 patients (12%) had undergone a screening colonoscopy in the 10 years before their diagnosis; of these 25, 20 had undergone a screening colonoscopy in the 5 years before their diagnosis. The main reason why screening was not performed was ignorance of its availability.

Conclusions: This retrospective study revealed that, of 212 patients with CRC, most had not previously undergone CRC screening in con- formity with guidelines. Better patient education by physicians may improve the effectiveness of screening. Appropriate screening mea- sures include fecal occult blood testing and colonoscopy in conformi- ty with guidelines.

Dtsch Arztebl Int 2009; 106(12): 195–201 DOI: 10.3238/arztebl.2009.0195 Key words: colorectal cancer, screening test, health services research, colonoscopy, stool test

The English version of this article is available online:

www.aerzteblatt-international.de

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Berichtigung

In dem Beitrag von Prof. Dr. med. Konrad J. Werhahn „Altersepilepsie“ in Heft 9 vom 27. Februar 2009 ist in der Tabelle 2 ein Wert falsch wiedergegeben worden. Für das neue Antiepileptikum Pregabalin gilt in der vier-

ten Spalte statt 98 der Wert < 1. MWR

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