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Inklusion der sozio-technischen Konstellation passager reproduktionsmedizinisch assistierter Menschwerdung

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Inklusion der sozio-technischen Konstellation passager reproduktionsmedizinisch assistierter Menschwerdung

Kultur- und Sozialwissen- schaften

Dissertation

Ulrich Kütz

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Inklusion der sozio-technischen Konstellation

passager reproduktionsmedizinisch assistierter Menschwerdung

Dissertation im Fach Soziologie

Eingereicht zur Erlangung des Grades

eines Doktors der Sozialwissenschaften (Dr. rer. soc.) an der Fakultät für Kultur- und Sozialwissenschaften der FernUniversität in Hagen

Von

Dr. med. Ulrich Kütz

Betreuer: Prof. Dr. Frank Hillebrandt

Hagen, den 14.03.2017

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Inklusion der sozio-technischen Konstellation passager reproduktionsmedizinisch assistierter Menschwerdung

1. Einleitung 4

2. Grundlegende Frage- und Problemstellungen 8

Teil I Der Blick hinter die Dinge

3. Das soziale Feld humaner Reproduktion 36

3.1. Die Evolution der humanen Reproduktion im sozialen Beziehungsgeflecht von Sexualität – Zeugung – Verwandtschaft

43

3.1.1. Sexualität: Von der Entdeckung der Reproduktions- und Sozialfunktion der Kopulation als Sexualität bis zum Versuch der Entkopplung von Sexualität und Zeugung

43

3.1.2. Zeugung: Von der Zeugungserkenntnis zur Kenntnis der Zeugung 53 3.1.3. Verwandtschaft: Genetische Zuordnung als Muster kultureller Erbfolge 58

3.2. Trennung von Sexualität und Zeugung 65

Σ 3 Fazit 76

4. Trennung von Reproduktions- und Sozialfunktion der Sexualität mittels sozio-technischer Konstellationen

78

4.1. Trennung der Sexualfunktionen als Erweiterung sozialer Kontingenz 80 4.2. Relation von Technik und Sozialität am Beispiel der Antikonzeptiva 82 4.2.1. Kondom: einfaches Werkzeug von situativer Komplexität 87 4.2.2. Intra-Uterin-Pessar (IUP): inkorporiertes Werkzeug mit strikter Kopplung 95 4.2.3. Hormonelle Kontrazeption: gezielte Intervention in einen autonomen

organischen Regelkreis

104 4.3. Reproduktionsmedizin:

Kopulationsfreie Reproduktion durch raum-zeitliche Körperteilung

120

4.3.1. Evolutionäre Voraussetzungen der Praktik Reproduktionsmedizin 121 4.3.2. Soziale Voraussetzungen der Praktik Reproduktionsmedizin 124 4.3.2.1. Kulturelle Inklusion der Reproduktionsmedizin 124 4.3.2.2. Soziale Inklusion der Praktik Reproduktionsmedizin 128 4.3.2.3. Nutzer-Akzeptanz der Praktik Reproduktionsmedizin 135

Σ 4 Fazit 145

Σ Zwischenresumée der grundlegenden Probleme:

Trennung der Sexualfunktionen mittels sozio-technischer Konstellation im sozialen Funktionskomplex

147

(4)

Teil II Die Dinge zum Sprechen bringen

Die analysierten assistierenden Reproduktions-Technologien (ART)

Methodische Anmerkungen 149

5. Insemination – Prozedur der körperlichen künstlichen Befruchtung 157

5.1. Medizinischer Sachverhalt 162

5.2. Differenzierung in und infolge der Praktik Insemination 168 5.3. Sozio-evolutionäre Musterentwicklung und –Konflikte 175

5.4. Soziale Inklusion der Insemination 185

Σ 5 Fazit 192

6. In-vitro-Fertilisation (IVF / ICSI / Kryo-ET) –

Prozedur der extrakorporalen künstlichen Befruchtung

193

6.1. Medizinischer Sachverhalt 201

6.2. Differenzierung in und infolge der Praktik In-vitro-Fertilisation 213 6.3. Sozio-evolutionäre Musterentwicklung und –Konflikte 220 6.3.1. Biologisches Ausgangsmaterial: die Keimzellen 222 6.3.2. Prae-embryonale Phase: Imprägnation bis zur 2-PN-Zelle 231 6.3.3. Embryonale Phase: Kernverschmelzung bis zum Embryotransfer 235

6.4. Soziale Inklusion der In-vitro-Fertilisation 241

Σ 6 Fazit 246

7. Präimplantationsdiagnostik (PID) –

Prozedur der präventiven Selektion nach genetischen Kriterien

249

7.1. Medizinischer Sachverhalt 251

7.2. Differenzierung durch die Praktik Präimplantationsdiagnostik 254 7.3. Sozio-evolutionäre Musterentwicklung und –Konflikte 265

7.4. Soziale Inklusion der PID 275

Σ 7 Fazit 285

Σ Zwischenresumée zu den untersuchten Dinge

Sozialer Wandel durch Erweiterung sozialer Kontingenz durch den

Funktionskomplex IVF auf eine Phase der Menschwerdung mit differenter Grundstruktur

286

(5)

Teil III Die neue Sicht auf die Dinge

Reproduktionsmedizinisch erweiterte Sozialität: der Embryo-in-vitro 8. Die neuartige soziale Existenz des Embryo-in-vitro

8.1.1. Erweiterung der sozialen Existenz von Menschwerdung 288 8.1.2. Erschaffung einer hybriden Phase der Menschwerdung 291 8.1.3. Wissenschaftliche Meta-Ebene und Individuelle Realebene 293

8.2. Die SKIP-Argumente aus Perspektive der Studie 296

8.2.1. Spezies-Argument 297

8.2.2. Kontinuitäts-Argument 302

8.2.3. Identitäts-Argument 306

8.2.4. Potentialitäts-Argument 313

Σ 8.2. Fazit der SKIP-Argumentation 323

8.3. Status des Embryo-in-vitro aus Perspektive der Studie 324

8.3.1. Soziale Entität im Bereich der IVF 325

8.3.2. Musterableitung zur Steuerung sozialen Verhaltens in der IVF 331

Σ 8.3. Fazit des Status-Diskurses 337

8.4. Die semantische Inklusion des „Embryo“-in-vitro 339

Σ 8.4. Fazit der Inklusionsprozedur des Embryo-in-vitro 345

Exkurs Die Dinge sind nicht immer, was sie scheinen

9. „Leihmutterschaft“ – epochaler Musterkonflikt globalisierter ART? 346

9.1. Die Ebene der humanen Reproduktion 348

9.2. Die Ebene der Semantik 351

9.3. Die Ebene des Rechts 354

9.4. Die Ebene kultureller Akzeptanz 357

Resumée Neue Sicht der Dinge nur mit neuem Blick!

Inklusion der sozio-technischen Konstellation passager reproduktionsmedizinisch assistierter Menschwerdung und ihre deskriptiven Anforderungen an die Soziologie

360

Abkürzungen 365

Glossar medizinischer Begriffe 367

Literaturverzeichnis 370

(6)

Soziale Inklusion der sozio-technischen Konstellation

passager reproduktionsmedizinisch assistierter Menschwerdung

1. Einleitung

Was verbirgt sich hinter dem Thema?

Zunächst scheinen die Begriffe nur teilweise einer soziologischen Studie zurechenbar und bedürfen schon von daher der näheren Erläuterung. Dies gilt insbesondere für die Fokus- sierung auf den thematischen Kernbereich >passager assistierter Menschwerdung<.

Das konkrete Untersuchungsfeld der Studie, ein besonderer Bereich der neueren Medizin, greift durch kulturelle Artefakte modifizierend in die materiellen Grundlagen humaner Reproduktion und damit Sexualität ein (vgl. Michelmann/ Himmel 2005; vgl. Otte 2007).

Dadurch kommt es, wenn man die Kontrazeption mit einbezieht, seit etwa einhundertfünfzig Jahren mit zunehmender Geschwindigkeit zu ko-evolutionär auftretenden sozialen Differen- zierungen in kontextuellen Gebieten wie der Familienorganisation (vgl. Herden 2007), des generativen Verhaltens (vgl. Münz/ Ulrich 2006; vgl. BFSFJ 2005) und der gesellschaftlichen Bewertung von Grundnormen, hier insbesondere der Abtreibung und damit in Zusammen- hang stehend, der Menschenwürde (vgl. Boltanski 2007: 287ff; vgl. Hoerster 2013). Sozialen Differenzierungen, die zu neuen Konstellationen im Interaktionsnetzwerk auf mikrosozio- logischer Ebene führen und dies, sowohl im Hinblick auf die Zuordnung der Interaktionen als auch auf deren Qualität. So treten zunehmend hybride Interaktionsmuster in Form sozio- technischer Konstellationen auf, dabei werden teilweise die Grenzen der Entitäten undeutlich und es stellt sich, sofern die Entität humanen Ursprungs ist, die Frage nach dem Individuum.

Da sich das Studienfeld im Grenzbereich von Humanbiologie und Sozialität befindet, hält die Studie an anthropologischen Vorannahmen fest, da sie zur Zeit keine hinreichende legitimierende theoretische Begründung für einen Verzicht sieht und ein soziologischer Verzicht zu einem Widerspruch zwischen dem Postulat sozialer Plastizität des Menschen einerseits und seiner Autonomie als modernem Individuum andererseits führen müßte (vgl.

Kalupner 2000: 154).

Zugleich wechselwirken diese Differenzierungen mit den Netzwerken sozialer Ordnung auf makrosoziologischer Ebene. Im Zuge sozialen Wandels kommt es zu unterschiedlich strukturierten Konflikten im Sozialgefüge von Verwandtschaft, der ethisch-moralischen Akzeptanz sowie des Rechts. Diese herauszuarbeiten und ihre divergierenden Lösungs- möglichkeiten sowie Wechselwirkungen zum Evolutionsprozeß der sozio-technischen Konstellationen zu beschreiben, ist eine weitere Zielsetzung der Studie. Da sich zudem die sozio-technischen Konstellation historisch mit zunehmender Geschwindigkeit entwickeln, wird Gesellschaft zu immer komplexeren Inklusionsleistungen genötigt, was eine Entscheid-

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ung nicht im jedem Fall ermöglicht, weshalb situativ immer häufiger Entscheidungen latent gestellt werden.

Die Studie geht davon aus, daß bei der wissenschaftlichen Rekonstruktion, wegen der dabei notwendig einzunehmenden verschiedenen Perspektiven, die Reduktion auf eine Gesamt- schau rudimentär bleiben muß, da die Dynamik des Perspektivwechsels notwendig einen jeweiligen Begriffswechsel erzeugt (vgl. Reckwitz 2005:76).

Um die Probleme im Grenzbereich zwischen Humanbiologie und Soziologie identifizieren können, mag die Vorbildung des Autors auf medizinischem Gebiet von Nutzen sein.

Eignung des Studienthemas

Die Auswahl des Themas selbst leitet sich von der Eignung des Forschungsbereichs

>Reproduktionsmedizin< als Ausdruck des sozio-biotechnischen Entwicklungsstandes der Evolution humaner Reproduktion mitsamt seiner kontextuellen sozialen Ko-Evolutionen und dem Umstand, daß es sich dabei um einen soziologisch kaum erschlossenen Forschungs- bereich handelt, ab.

Die Eignung der Reproduktionsmedizin als Forschungsbereich wird deutlich, wenn man ihre Einbettung in das Feld humaner Reproduktion insgesamt betrachtet.

Als Ausdruck der Zweigeschlechtlichkeit bildetet sich ein Geschlechtsdimorphismus aus (vgl.

Mayr 2005: 175), dessen Ausprägung sich evolutionär im Zuge umweltbedingt angepaßter Aktionsformen sowie sozialer Interaktionsformen änderte. Die zunehmende Komplexität manueller Handlungen mußte von einer ko-evolutionären Vergrößerung des Gehirns beglei- tet werden, der aber eine Erweiterung des Geburtskanals durch den aufrechten Gang entgegenstand. Der evolutionäre Ausweg aus diesem Dilemma bestand in der Geburt eines neurologisch nicht voll entwickelten Kindes, dessen abschließende Hirnentwicklung außer- halb des Mutterleibes erfolgen mußte, damit aber gleichzeitig einer sozialen Program- mierung zugänglich wurde. Seit etwa 100.000 Jahren konnte so die Hirngröße konstant bleiben. Damit wurde die Ausdehnung der Brutpflege zur Grundlage kultureller Evolution, die selbstbeschleunigend, die zu ihrem Vollzug notwendige Entwicklung von Sprache hervor- brachte (vgl. Mayr 2005: 304ff). Parallel verlagerte sich die Steuerung sexueller Aktivität von einer instinktiven zu einer kulturellen sozial-normativen Form. Grundlage dessen war die evolutionäre Desynchronisation von Paarungsbereitschaft und Empfängnisfähigkeit. Zudem finden sich schon bei den Primaten und hier insbesondere bei den Schimpansen und mehr noch bei den Bonobos (vgl. de Waal 1995: 79), Zeichen einer nicht ausschließlich genera- tiven Funktion der Sexualität. So dient Sexualität hier neben der rein reproduktiven Funktion schon einer Förderung und Stabilisierung sozialer Beziehungen sowie individueller Befriedigung.

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Diese biologischen Umstellungen erforderten flexiblere Mechanismen der Geschlechtspart- nerzusammenführung, die eine größere Wahlfreiheit erlauben und trotzdem eine für die Reproduktion hinreichende Kopulationsfrequenz gewährleisten, ohne daß der Zeitpunkt der Empfängnisbereitschaft angezeigt wird. An die Stelle induzierten Instinktverhaltens tritt ent- wicklungsgeschichtlich die Qualität mentaler Lust, gekoppelt mit körperlichem Erleben, ggf.

in Form des Orgasmus, bei Koinzidenz intentionalen sexuellen Handelns hinsichtlich Ereig- niszeitpunkt und Partnerwahl. Damit verbindet sich die Ausübung von Sexualität mit der Notwendigkeit zur sozialen Entscheidung. Das in der reproduktionsmedizinischen Prozedur notwendige, komplexere Entscheidungsmuster setzt die Evolution entscheidungsgeprägter humaner Reproduktion somit fort.

Gleichzeitig bildet die kulturelle Genese von Verwandtschaftsstrukturen die Grundlage für eine soziale Ausformung von Gruppenselektion. (vgl. Mayr 2005: 313f; vgl. Maturana 1984:

213) Altruismus zum Nutzen eigener Nachkommen in der sozialen Gruppe enger Verwandter (vgl. Fetchenhauer/ Bierhoff 2004: 133ff) setzt eine Klassifizierung auf dieser Ebene voraus und begründete damit deren Legitimation durch Normen und sofern auch der Fremde eingeschlossen wird, auch eine erweiterte Ethik (vgl. Mayr 2005: 316).

Durch die, mit den modernen Kontrazeptiva und der Reproduktionsmedizin erfolgte Entkopp- lung von reproduktiver und nicht-reproduktiver Sexualität und der durch die Reproduktions- medizin, als evolutionär neue soziale Differenzierung, hervorgebrachten existentiellen Verbindung von Mensch und Technik, werden die bisher entwickelten sozialen Regularien sexuellen Verhaltens einer Prüfung ihrer historischen Beständigkeit unterzogen, d.h. sie müssen sich als evolutionär stabile Mechanismen bewähren (vgl. Vollmer 1993: 119f).

Das soziale Feld der Studie, die früheste Phase ontogenetischer Menschwerdung 1, stellt sich zwar nicht als soziologische >terra inkognita< dar, aber „die Sozialwissenschaften haben unserer Meinung nach der Erschaffung menschlicher Wesen nicht die Aufmerk- samkeit gewidmet, die sie verdient, …“ (Boltanski 2007: 54). Wobei Boltanski in seiner

>Soziologie der Abtreibung< ein umfassendes soziologisches Bild von Zeugung und Schwangerschaft zeichnet und eine Chronologie von Dispositiven einer >Sozialordnung der Zeugung< herausarbeitet, die Arbeit allerdings nur den Zeitraum der Schwangerschaft umfaßt (vgl. Boltanski 2007).

Das Untersuchungsfeld >Soziologie des Lebenslaufs< liegt bis heute, zwischen Geburt und Tod, was in seinem Ursprung aufgrund von Längsschnittstudien aus den 60er Jahren begründet sein mag. (vgl. Mayer 2002: 41) Gleiches gilt auch heute noch für die Daten- struktur quantitativer Sozialforschung, z.B. in Form von Geburtskohorten. (vgl. Sackmann/

1 Unter Menschwerdung wird in dieser Studie, vor dem Hintergrund der phylogenetischen bio-sozialen Entwicklung der Menschheit, die ontogenetische Entwicklung des Menschen mit Fokussierung auf die bio/sozialenAspekte in den ersten 3 Wochen ihrer Entwicklung verstanden.

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Wingens 2001) Diese bedient sich, basierend auf dem zivilrechtlich festgelegten Beginn der Rechtsfähigkeit des Menschen zum Zeitpunkt der vollendeten Geburt (vgl. BGB 1896: §1), dokumentierter Personendaten und wird dadurch auf den nachgeburtlichen Lebensabschnitt festgelegt. In ähnlicher Weise behält das Konzept der Generationenforschung, die die schon von Rousseau beschriebenen Lebensphasen: Kindheit, Jugend, Adoleszenz bei (vgl.

Weymann 2000:37ff).

Wenn sich Hirschauer in seiner DFG Studie der vorgeburtlichen Lebensphase selbst zu- wendet, um in ihr sowohl Geschlechtsdifferenzierung als auch Fragen der personalen Entität des Ungeborenen zu untersuchen und in seiner Kurzfassung über das DFG Projekt feststellt:

„Die kultur- und sozialwissenschaftliche Forschung reagiert bislang auf diese Entwicklung [der medizintechnologischen Entwicklungen zu Beginn des 21. Jahrhunderts (U.K.)] mit Begleitstudien zu zahlreichen Einzelaspekten, sie verfügt aber nicht über einen eigen- ständigen Begriff der Schwangerschaft als sozialem Ausnahmezustand und des Ungebore- nen als soziale Entität. [kursiv (U.K.)].“ (Hirschauer 2011: 1), so stellt sich sofort die Frage, was denn den ´sozialen Ausnahmezustand´ begründen soll, wenn Schwangerschaft eine gesellschaftliche Realität seit Anbeginn der Menschheit darstellt? 1

B. Duden war im deutschsprachigen Raum eine der ersten, die eine durch visualisierende Bildgebung geförderte Differenzierung von schwangerer Frau und Fötus und damit den Lebensabschnitt der Schwangerschaft, in den soziologischen Diskurs einbrachte. Der technologisch neuartige Zugriff auf Schwangerschaft führte zu Irritationen der Bewertung und die entstehende Abweichung vom bisherigen Interaktionsmuster zwischen Schwangerer und Fötus wurde dabei heftig kritisiert. (vgl. Duden 1991) Inzwischen hat jedoch die Vergewis- serung des Schwangerschaftsverlaufs über den Ultraschall die ´gute Hoffnung´ als Standardmuster abgelöst und kann damit als Beleg für die Evolution sozialer Ordnungs- muster gelten.

Wenn schon die Phase der Schwangerschaft im Verlauf der Menschwerdung eine nicht hinreichende soziologische Beachtung gefunden hat, so gilt dies um so mehr von der Phase zwischen Zeugung und Beginn der Schwangerschaft. Der genaue Ablauf dieser Phase der Menschwerdung ist zwar, nach Entdeckung der Eizelle 1827 durch von Baer (vgl. Girod 1978:1912), zunehmend verdichtend durch embryologische Forschung bekannt geworden, jedoch gründen die Erkenntnisse entweder seit der Antike auf tiermedizinischen Analogien, insbesondere zum Huhn (vgl. Bäumer-Schleinkofer 1993) oder ab dem Ende des 18. Jahr-

1 Als >soziale Entität< werden in der Studie soziale Existenzen bezeichnet, die aus Interaktionen hervorgehen und für ihre Existenz dauerhaft auf soziale, situative Kontingenz-Realisation angewiesen sind.

Insofern zählen Individuen, obwohl aus der Interaktion Kopulation entstanden, nicht zu den so bezeichneten

>sozialen Entitäten<, ebenso nicht der Embryo-in-vivo, da der Aufenthalt in utero nicht zu den so benannten sozialen Interaktionen zählt. Dagegen gehört der Embryo-in-vitro, da seine Existenz nur durch die beständige Interaktion mit dem reproduktionsmedizinischen Team in einer sozio-technischen Konstellation ermöglicht wird, zu den sozialen Entitäten.

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hunderts auf der Untersuchung abgetriebener oder fehlgeborener Embryonen (vgl. Hopwood 2002: 238ff). Damit lag, bis zur Einführung reproduktionsmedizinischer Praktiken, der Beginn sozialer Realität individueller Menschwerdung im Bemerken und Bekunden einer Schwan- gerschaft, durch leiblich feststellbare Bewegungen des Embryo-in-vivo in der 18. bis 20.

Schwangerschaftswoche (SSL) Woche nach der Empfängnis. Erst mit der Einführung der Ultraschall-Untersuchung Ende der 60er Jahre wurde der direkte Nachweis zunächst in die 12., heute in die 5. Woche, sowie, Anfang der 80er Jahre, mit dem chemischen Nachweis des ß-HCG im Urin der Schwangeren, auf den 10. bis 12. Tag nach der Empfängnis vorver- legte. Der verbleibende Abschnitt der Entwicklung eines Individuums von der Zeugung bis hierher blieb jedoch bis zum Beginn der In-vitro-Fertilisation (IVF) außerhalb sozialer Zugriffsmöglichkeiten.

Eine soziologische Beschäftigung mit dieser Phase ist bislang, zumindest im Bereich deutschsprachiger Veröffentlichungen, noch nicht erfolgt. Die Studie versucht mit ihrer Fragestellung diese Phase in einigen Aspekten zu erschließen.

2. Grundlegende Frage- und Problemstellungen

Vorbemerkung

Die Frage nach der Frage setzt einen kommunizierenden Fragenden voraus, soll diese als Mitteilung von sozialer Qualität gesehen werden. Damit wäre >soziale Wechselseitigkeit<

und darin sind sich alle soziologischen Theorien einig, Voraussetzung von Sozialität, bei allerdings weitgehender Uneinigkeit über deren Form.

Soziale Wechselseitigkeit muß in ihrer Ausführung als Folge der ko-evolutionären, sich wechselseitig bedingenden Entwicklung von Gehirn und Sozialstruktur gesehen werden (vgl.

Kappelhoff 2003: 19ff; vgl. Maturana 1984: 213ff; vgl. Tomasello 2006: 25ff), die es uns überhaupt erst ermöglicht, indem wir uns eines nicht-linear funktionierenden Gehirns bedie- nen, in der nicht-linearen Komplexität von Sozialität zurechtzukommen, (vgl. v. Foerster 1993: 162; vgl. Mainzer 2004: 19) und zwar in jedem Moment der Realisierung von Sozialität. Ob das Gehirn als Organ eines Angehörigen der Sozialität, solange es nur Sinn erzeugt, innerhalb derselben gedacht wird, wie im methodologischen Individualismus (vgl.

Esser 2001:205ff) oder, als durch strukturelle Kopplung von Bewußtsein, mit der rein kommunikativ wechselwirkenden Gesellschaft verbunden, wie in der Systemtheorie (vgl.

Luhmann 1984: 346ff; vgl. Luhmann 2008: 42ff), ist wie der soziologische Diskurs ausweist theoretisch strittig.1

Interessant wird die Beschreibungs-Viabilität der jeweiligen Theorie dann im Untersuchungs- feld einer Studie, wenn dort konkrete soziale Wechselseitigkeit stattfindet, obwohl einer der

1 Die Frage nach der Abgeschlossenheit des Bewußtseins gegenüber der, wie auch immer definierten sozialen Wechselseitigkeit, ist im Zusammenhang der Studie nicht vorrangig klärungsbedürftig, da, in der zu betrachtenden Phase der Menschwerdung, Bewußtsein nicht vorhanden ist und somit Sinnbildung nicht direkt erfolgen kann, sondern eine für ihre Präsens substituierende Konstruktion gewählt werden muß.

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Beteiligten mangels Gehirn kein Sinn produzierendes Bewußtsein besitzt. In wieweit Körper als Teil von Sozialität zu gelten haben oder ihr durch strukturelle Kopplungen beigeordnet werden, wie in der Systemtheorie, ist eine weiteres Problem, das nur durch die Viabilität bei der Beschreibung empirischer Fakten entschieden werden kann.

Da sich die Studie wesentlich auf Verbindungen zwischen technischen Artefakten und der Menschwerdung, auch im Fall ihrer Verhinderung, bezieht, geht die Studie von der Hypo- these aus, daß jede direkte Einbeziehung des körperlich-dinglichen in die Sozialität weniger Zusatzannahmen erfordert. (vgl. Lindemann 2005)

Soziale Wechselseitigkeit muß, so die Arbeitshypothese der Studie, auf drei Ebenen be- schreibbar sein:

- als Ebene körperlicher Präsenz, was auch für technische Artefakte gelten soll,

- als Ebene individueller Erwartungen, ggfs. Erwartungs-Erwartungen, die Emergenz- Ausdruck individuellen Bewußtseins sind,

- als Ebene eines sozial gültigen Erwartung-Erwartungsgeflechts, das soziale Muster als Rahmenbedingung bildet. 1

Da sich die Studie mit der Reproduktionsmedizin, zumal im bislang wenig bearbeiteten Feld humaner Reproduktion liegend, auf einen soziologisch bislang kaum durchdrungenen Bereich von Sozialität begibt, kann die ungeklärte Anwendung eingeführter Begrifflichkeiten problematisch sein. Deshalb soll hier zunächst eine Explikation der Problemstellung sowie der zur ihrer Bearbeitung verwendeten Begrifflichkeiten erfolgen. 2 In einer zweiten Stufe werden dann die spezifischen Fragestellungen formuliert.

Einheit in der Differenz von Natur und Kultur

Der Forderung Durkheims, „die Erklärung des sozialen Lebens in der Natur der Gesellschaft selbst [zu] suchen“ folgend (Durkheim 1984: 186), setzen auch viele Theoriezweige der Soziologie auf die Cartesianische Trennung von Natur und Kultur und orientieren sich an nicht-materiellen Fakten, von denen wiederum Durkheim in einer Metapher fordert, daß diese (sozialen) Fakten in ihrer Wirkung wie >Dinge< zu behandeln seien.

1 Als >Muster< bezeichnet die Studie eine Konstellation, die sich durch folgende Eigenschaften auszeichnet:

gleichbleibende Struktur, Wiederholbarkeit und Identifizierbarkeit.

Ein Muster kann sich auf materielle, diskursive, gestaltende Strukturen oder solche des individuellen oder kollektiven Verhaltens beziehen. Seine Beschreibung kann von unterschiedlichen Standpunkten aus und unter unterschiedlichen Gesichtspunkten erfolgen.

2 Nach Möglichkeit wird sich die Studie dabei auf eingeführte Begrifflichkeiten stützen, sie ggfs. mit einer Anmerkung zum Gebrauch in der Studie versehen, und nur dort, wo es die Umstände erfordern, auf einen neuen Begriff ausweichen, der in der Regel auf einem höheren Abstraktionsniveau liegend, keine unerwünschten Konnotationen enthält. Da die Studie auf ein konkretes Untersuchungsfeld ausgerichtet ist, erfolgt in jedem Fall eine konkretisierende Anwendung. Die Verwendung neu eingeführter Begriffe verfolgt also keine hermeneutischen Ziele, sondern ist rein der semantischen Not geschuldet.

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In diesem Bemühen konnte der soziologische Diskurs bis heute keine auch nur annähernde Einheitlichkeit entwickeln. So stehen nomologische Erklärungen, wie die Handlungstheorie von H. Esser, mit dem >Modell der soziologischen Erklärung<, die Makrophänomene kausal aus Mikrophänomenen ableiten möchte (vgl. Esser 1999: 75ff; vgl. Kron 2010: 53ff; vgl.

Greshoff/ Schimank 2012), neben der Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) von Latour, die von einer Symmetrie aller an Interaktionen beteiligten Akteure, egal ob menschlicher oder nicht- menschlicher Natur, deshalb Aktanten genannt, ausgeht (vgl. Latour 2007) und der ganz auf rein kommunikativer Interaktion basierenden Systemtheorie Luhmanns (vgl. Luhmann 1984) nebeneinander, um nur einige wichtige Exponenten zu nennen.

Bis in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts folgte der soziologische Diskurs im Wesent- lichen der Vorgabe Durkheims. Mit dem „naturalistic-turn“ in den 1980er Jahren, wurde versucht die „vergessene Natur“ wieder in den Diskurs einzubinden. Wie immer bei solchen turns, überzeichnete der neue Blickwinkel den Einfluß der Natur auf soziale Phänomene, so daß ein Umwelt- und Biologiedeterminismus die Folge waren. Die Antwort im Diskurs ließ nicht lange auf sich warten und so traten sozio-zentristische Ansätze, konstruktivistischen Charakters zur Gegenoffensive an und schwankten zwischen Selbstgenügsamkeit des Sozialen und sozialer Konstruktion von Natur. (vgl. Lemke 2013: 8f) Analog dieser Dichotomie gestaltet sich auch der epistemische Umgang mit Materialität.

Eine Position zwischen diesen Polen nimmt zum einen die ANT Latours ein, die eine dichotome Trennung von Natur und Kultur grundsätzlich ablehnt und als nie existent gewe- sen behauptet (vgl. Latour 2000), sowie die „Biosozialität“ von Rabinow, die ein „Neu- arrangement des Verhältnisses von Natur und Kultur [vornimmt], das durch das Verschwin- den einer eindeutigen und klaren Grenzziehung zwischen beiden Bereichen gekennzeichnet ist“ (Lemke 2013: 23) sowie die evolutionäre Erkenntnistheorie, die auf einer Ko-Evolution von Natur und Kultur aufbaut. (vgl. Kappelhoff 2003)

Diese Uneinheitlichkeit entspricht im Kern jenem ethnologisch vorfindlichen In-der-Welt-Sein, von dem Descola als Anthropologe sagt, er sei ein

„spezifischer Kompromiß zwischen den Gegebenheiten der allen zugänglichen, jedoch unterschiedlich interpretierten sinnlichen Erfahrung und einem Modus des Zusammenlebens von Existierenden, der den historischen Umständen entspricht, so daß keiner dieser Kompromisse, so bewundernswert sie zuweilen sein mögen, in der Lage ist, für alle Situationen adäquate Lösungen zu bieten.“

(Descola 2013: 584)

Descola´s teilt die ethnologisch vorfindlichen ontologischen Weltinterpretationen in vier Typen ein: den vor allem bei den australischen Aborigines anzutreffenden kosmogene- tischen Totemismus, den in hierarchischen Staatenbildungen des Alten Ägyptens, der Inkas sowie dem indischen Kastenwesen anzutreffenden kosmozentrischen Analogismus, (vgl.

Descola 2013: 577f, 406), den bei amerindianischen Völkern anzutreffenden anthropogene- tischen Animismus und den sich im europäischen Raum entwickelnden anthropozentrischen

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Naturalismus. (vgl. Descola 2013: 380, 406f) Allen Weltinterpretationen gemein ist ihre soziale Funktion, als jeweils die Sozialität bestimmende Indentifikationsform. Wobei keine Form die anderen vollständig ausschließt, da ihnen wesentliche Elemente gemein sind.

„[…] die Identifikationsmodi [sind] Verfahren […], die Erfahrung zu schematisieren, Verfahren, die in bestimmten historischen Situationen über- wiegen, und keine empirischen Institutionen und Glaubensinhalte. Jede dieser generativen Matrizes, die die Praxis und die Wahrnehmung der Welt strukturieren, ist zwar in einer bestimmten Zeit und an einem Ort vorherrschend, aber nicht ausschließlich; der Animismus, der Totemismus, der Analogismus oder der Naturalismus könne sich in der Tat mit der diskreten Anwesenheit der anderen andeutungsweise bestehenden Modi abfinden, da jede von ihnen die mögliche Realisierung einer elementaren Kombination ist, deren Elemente universell vorhanden sind. Jede ist also in der Lage, zu dem lokal herrschenden Schema Nuancen und Modifizierungen beizutragen und damit viele jener idiosynkratischen Variationen hervorzubringen, die man kulturelle Unterschiede zu nennen pflegt.“ (Descola 2013: 252)

Für die Studie gilt es im Wesentlichen eine Auseinandersetzung mit dem Naturalismus zu führen, da dieser die im Kulturkreis prägende Weltinterpretation dargestellt hat. Dabei kann ein Blick auf den Animismus als dessen struktureller Widerpart von Nutzen sein, da die Studie sich um eine neue Sicht auf die Modifikation natürlicher Materialität und die Posi- tionierung kultureller Identifikation bemüht.

„Der Animismus und der Naturalismus zeigen sich als antithetische Weisen, die Eigenschaften der Dinge zu unterscheiden: im ersten Fall betont man den physikalischen Unterschied zwischen den Existierenden (hier haben sie verschie- dene Körper), während man gleichzeitig erkennt, daß sie dieselbe Art von Beziehung knüpfen (da sie eine analoge Interiorität besitzen); im zweiten Fall unterstreicht man dagegen die physikalische Kontinuität zwischen den Elementen der Welt (sie unterliegen alle den Naturgesetzen), um die Heterogenität der Beziehungen besser feststellen zu können, die geeignet sind, sie zu verbinden (da von diesen angenommen wird, daß sie von der Fähigkeit oder Unfähigkeit abhängen, eine Interiorität mit variablen Inhalten auszudrücken).“ (Descola 2013: 567)

Die Auseinandersetzung um die soziale Positionierung des Embryo-in-vitro führt zu einem Changieren zwischen den beiden Positionen immer dann, wenn die Studie die scheinbar klare Trennung zwischen Natur und Kultur aufhebt. Muß man die sozio-technische Konstel- lation, in die der Embryo-in-vitro existenziell eingebunden ist, als Ausdruck einer alle Entitäten umfassenden Natur ansehen? Bildet dabei die, wenn auch nur potentielle, Men- schenkultur die Diskriminierungsebene zur Abgrenzung der Technik oder führt die sozio- technische Konstellation die Sinngebung der biologischen, technischen und menschlichen Ebene zusammen, stellt damit eine Gemeinsamkeit her und überläßt der körperlichen Materialität die Ebene der Diskriminierung?

Und wie steht es mit dem Hintergrund der Trennung von Natur und Kultur, reicht hier der Bezug auf ein anthropologisches Erbe? Eine Position, die zumindest von Soziologen nur teilweise akzeptiert werden würde. Bedarf es eines umfassenderen Standpunkts, vielleicht

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eines kosmologischen? Wenn ja, so kann in unserem Kulturkreis als Weltinterpretation weder auf die Traumzeit noch auf ein hierarchisches Kastenwesen Bezug genommen werden. Eher schon käme ein in allen Natur-, Geistes-, Sozial-, Kulturwissenschaften vor- handener Evolutionismus in Frage. Die Studie wird sich diesen Fragen in den folgenden Kapiteln nähern.

Um den Hintergrund der Studienargumentation klarer darzustellen, erscheint es sinnvoll, die historische Genese des Naturalismus zu skizzieren; was hier mit Bezug auf Descola geschieht.

„Im griechischen Denken, insbesondere des Aristoteles, sind die Menschen noch Teil der Natur“ (Descola 2013: 112), da Teil einer holistischen Kosmologie. Die Erkenntnis ihrer Gesetze ermöglicht dem Menschen sich in derselben zu positionieren.

Zu dieser Zeit entsprach das Bild einer holistischen Kosmologie nicht nur der griechischen, sondern auch der chinesischen Denkweise. So erfuhren die beiden Urkräfte >Yin< und

>Yang< ihren zyklischen Wechsel und ihre gegenseitige Durchdringung im >Tao<. (vgl.

Granet 1985: 90) Dabei gehen letzten Endes „die Zwei Kräfte, das Yin und das Yang, auf negative und positive Bilder der sexuellen Erfahrung des Menschen zurück“, (Needham 1984: 212) ein Schluß, auf den das Kapitel 3, bei der Darlegung der historischen Entwicklung humaner Reproduktion, noch zurückkommen wird.

Mit dem Christentum änderte sich der Bezug zum metaphysischen Hintergrund radikal.

Danach entspringen sowohl der Mensch als auch die Natur der Geschöpflichkeit Gottes, wobei der Mensch mit seiner Ebenbildlichkeit, gegenüber allen anderen Wesen, eine Sonderstellung einnimmt. Eine Position, die in der Genesis ausdrücklich benannt wird: „…

und machet sie [die Erde (U.K.)] euch untertan und herrscht über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf der Erde kriecht.“ (Bibel 1930: 1. Buch Moses, Kap. 1, Vers 28)

Da beide Bereiche göttlicher Schöpfung entspringen werden im Mittelalter jene, die nicht in der heiligen Schrift lesen können, angehalten, „in der Natur zu lesen“, 1 um Gott näher zu kommen, da sich ja auch hier der göttliche Wille konkretisiere. (Augustinus zitiert in Descola 2013: 113)

Mit der Renaissance beginnt eine zunächst noch zweistufige Entfernung vom direkten Gottesbezug. Seit dem 17. Jahrhundert löst eine Analogie zwischen mechanistischen Prakti- ken und Wissenschaften die direkte gottinduzierte Gesetzmäßigkeit der Natur ab; wobei Gott jedoch als Schöpfer der neuen Gesetzlichkeit im Hintergrund verbleibt. (vgl. Descola 2013:

115ff). „Die Natur als autonomer ontologischer Bereich, als wissenschaftliches Forschungs- und Experimentierfeld, als auszubeutender und zu gestaltender Gegenstand, diese Natur

1 Eine Empfehlung, die gut eineinhalb Jahrtausende später, im Zuge einer holistischen Ökologie, wieder aktuell werden sollte.

(15)

gelangt zu einer Existenz, an der zu zweifeln nur wenigen in den Sinn kommt. [kursiv (U.K.)]

“ (Descola 2013: 117)

Wenngleich die Gestaltung der Natur schon seit der neolithischen Revolution in Angriff genommen worden war, so wurde sie doch erst jetzt zum bewußten Projekt.

„Die Konstruktion der Natur hat wirklich begonnen! Eine gesellschaftliche und ideologische Konstruktion zwar, aber auch eine praktische Konstruktion dank dem Können der Uhrmacher, Glashersteller oder Linsenschleifer, all jener Handwerker, die das Experiment im Labor und damit die stete Arbeit der Trennung und Wiederzusammensetzung der Phänomene ermöglichen, wodurch jene Gegenstände der neuen Wissenschaft erzeugt werden, deren Autonomie zum Preis einer Amnesie der Voraussetzungen ihrer Objektivierung erlangt wird.“

(Descola 2013: 106)

Noch jedoch hielt sich der Mensch in seiner besonderen Position. Erst im 18. Jahrhundert, 1766, setzte ihn Carl von Linné, in der 12. Auflage seiner taxonomischen >Systema naturae<, als >Homo sapiens< in einen direkten Zusammenhang mit Schimpansen und Orang-Utans und löste damit die Sonderposition auf. (vgl. Lexikon 2007 Band 11: 443) Nach Foucault, wurde der Mensch jedoch zu dieser Zeit, noch nicht als ein gesellschaftliches Wesen begriffen.

„Das erkenntnistheoretische Feld, das die Humanwissenschaften durchlaufen, ist nicht im voraus vorgeschrieben gewesen, keine Philosophie, keine politische oder moralische Option, keine empirische Wissenschaft gleich welcher Art, keine Beobachtung des menschlichen Körpers, keine Analyse der Sinneswahrnehmung, der Vorstellungskraft oder der Leidenschaft ist jemals im siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts auf etwas wie den Menschen gestoßen. Der Mensch existierte ebenso wenig wie das Leben, die Sprache, und die Arbeit.“ (Foucault 2008: 414)

Deshalb konnte der Begriff der Gesellschaft, als organisierte Totalität, erst im 19. Jahr- hundert Gestalt annehmen und damit der Natur entgegengesetzt werden (vgl. Descola 2013:

118), und am Ende des Jahrhunderts die Grundlage für einen Begriffsbildung von Kultur werden. Damals noch in Konnotation, mit dem hierarchisch zu denkenden Begriff der Zivilisation assoziiert. (vgl. Descola 2013: 121) Durch die am Übergang zum 20. Jahrhundert geschaffenen Geisteswissenschaften, besonders durch die von Deutschland ausgehende Präzisierung der Begriffe, erhielt der Gegensatz von Natur und Kultur eine neue Qualität.

Nicht mehr die ontologische Herleitung bildete das Differenzkriterium, sondern die analytische Methodik. Der nomothetischen Methode der Naturwissenschaft wurde die idiographische der historischen Wissenschaft gegenüber gestellt. (vgl. Descola 2013: 126) Mit der Erweiterung des geisteswissenschaftlichen Begriffsfeldes auf das kulturwissenschaft- liche erreicht die Differenzierung von Natur und Kultur ihr vorläufig letztes Stadium, indem sich erstmals auch eine Einheit der Differenz andeutet.

„Statt zwischen einem nomothetischen Ansatz und einem idiographischen Ansatz zu unterscheiden, sollte man daher die wissenschaftliche Tätigkeit als ein und denselben Vorgang betrachten, der auf einen einzigen Gegenstand abzielt, jedoch mittels zweier unterschiedlicher Methoden: der Verallgemeinerung, wie

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sie für die Naturwissenschaften typisch ist, und der Individualisierung, deren Domäne sich die Kulturwissenschaften gesichert haben.“ (Descola 2013: 127)

Für die Moderne weist Latour auf das Paradox hin, daß seit dem 17. Jahrhundert die

„Wissenschaftliche und technische Tätigkeit nicht aufhört, Mischungen von Natur und Kultur innerhalb immer komplexerer Netze zu schaffen“ und gleichzeitig bemüht sei, „die Trennung von Menschen und Nichtmenschen in zwei völlig abgeschottete ontologische Bereiche zu garantieren. Kurz die Modernen tun nicht, was sie sagen, und sagen nicht, was sie tun.“

(Descola 2013: 141)

Descola bemüht sich, die dichotomische ontologische Zuordnung von Entitäten in die Bereiche von Natur und Kultur, durch den ethnologischen Nachweis anderer Sichtweisen aufzuheben, indem er ein diese trennende Grenzen überwindendes Miteinander im Neben- einander aufzeigt. Latour plädiert für eine Assoziation von heterogenen Entitäten in Netz- werken, die keiner ontologischen Differenzierung mehr zugänglich sind, die aber ihre Form als Entität bewahren und in der Assoziation lediglich ihre Attribute hybridisieren. (vgl. Latour 2000; 214f) Damit behalten jedoch alle Entitäten die ihnen eigenen Grenzen, auch wenn sie einen anderen ontologischen Status annehmen.

Dagegen fragt die Studie danach, wie man die praktisch vollzogene Integration heterogener Entitäten in sozio-technische Konstellationen und damit gleichzeitig die postulierte Grenze zwischen Natur und Kultur aufhebend beschreiben und die Entgrenzung der Entitäten durch ihre existenzielle Kopplung bezeichnen kann. Und welches Hintergrundes man hierzu bedarf, der die Einheit der Gegensätze, die Zusammenfassung beider Pole Natur und Kultur in einem Prozeß ermöglicht und der zugleich die entgrenzte Integration der Entitäten hervorbringt.

Sie übernimmt damit den Vorwurf jener gesellschaftlichen Unfähigkeit, daß die Beziehung zwischen zwei Wesen nur als Relation, d.h. als Interaktion von voneinander unabhängigen Wesen, und nicht im Modus des Inbegriffenseins verstanden werden kann; Boltanski Marilyn Strahern zitierend. (vgl. Marilyn Strahern zitiert bei Boltanski 2007: 274 FN 54 auf S. 489) 1 Diese Unfähigkeit zu überwinden, bedarf es möglicherweise eines Paradigmenwechsels in der Interpretation der Welt und der semantischen Identifkationsform.

Position der Studie

Die Studie vertritt die Position einer ko-evolutionäre Differenzierung von Natur und Kultur, wobei Natur die Einheit der Differenz bildet. Sie verneint insofern eine kontradiktorische Dichotomie zwischen Natur und Kultur und zudem eine Einschränkung von Kultur auf eine, die kulturellen Bereiche nichtsprachlicher Kommunikation und materieller Technik, aus-

1 (Vgl. Strahern, Marilyn (1992): After Nature: English Kinship in the Late Twentieth Century, Cambridge: Cambridge University Press, S. 47-53)

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schließenden Sozialität. Humane Kultur wird lediglich als eine spezielle Evolutionsstufe innerhalb der Evolution von Natur betrachtet, die der bestimmter animalischer Kulturen zeitlich nachfolgt und diese gleichzeitig vorgängig als Subelement enthält. Sie ist mit der phylogenetischen Entwicklung von Menschen assoziiert. Die Frage der Studie ist dabei nicht, ob eine genetische Ableitung von Kultur aus Natur möglich ist und welche Differenz sich dabei ergibt, sondern ob diese Differenz auch situativ dann noch besteht, wenn Natur durch Kultur modifiziert wird.

Ko-evolutinär zur materiellen Entwicklung von Lebewesen fand stets die der sozialen Organi- sation derselben statt. Dies betrifft frühe Symbionten ebenso wie die Bildung von Korallen- stöcken, Mischwäldern, Staatenbildung bei Insekten und die anlagebedingten Unterschiede in der Nachwuchsaufzucht von Tierpopulationen. Die Art der Vermehrung, die Reifung des Nachwuchses am Lebensanfang, die Relation von Reproduktionsphase und Lebensalter, die Art der Freßfeinde und Nahrungskonkurrenten sowie der Zugang zu Nahrungsmitteln waren die wesentlichen Parameter, die mit ihrer Wechselwirkung die jeweilige Form der Sozialität strukturierten, wie auch diese wiederum, die äußeren Gegebenheiten beeinflußte. Die dazugehörigen evolutionär, operationalisierten Muster weisen in ihrer materiellen Manifes- tation, in Form der DNA und deren Auslesungssteuerung 1, ebenso wie in der Evolution vorfindlicher Sozialstrukturen, auf eine Ko-Evolution beider Bereiche, mit Bezug zur jeweilig materiellen wie kulturellen Vorgängigkeit hin.

Materielle und kulturelle Evolution unterscheiden sich jedoch wesentlich durch die Zeit- fenster, in denen man ihre jeweiligen Veränderungen wahrnehmen kann. Während materielle Entwicklungen der bio-evolutionären Ebene in sechs bis siebenstelligen Jahreszahlen ver- laufen, entwickeln sich materielle der kultur-evolutionären Ebene in fünfstelligen, immaterielle in zwei bis dreistelligen. Entsprechend lassen sich bio-evolutionäre Operationalisierungen, im Gegensatz zu den historisch erfaßbaren kultur-evolutionären, nur erforschen, wenn die Selektionszyklen entsprechend kurz sind. 2

Die Studie teilt die Position Latours, hinsichtlich einer schon immer bestehenden sozialen Wechselwirkung zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Akteuren und den sich daraus für die Musterbildung auf beiden Seiten ergebenden Konsequenzen. (vgl. Latour 2000: 242f) Dies allerdings mit einer Einschränkung, die in der Kritik von Schulz-Schaeffer an der ANT deutlich wird, denn deren radikale Symmetriebildung führt zur Aufhebung der Unterscheidbarkeit aller Aktanten. Aktanten müssen jedoch noch unterschieden werden

1 So liegt z.B. die Übereinstimmung der DNA von Schimpansen und Menschen bei 98%. (vgl. Hertel 1997:

157)

2 Dies gilt z.B. für den Bereich von Bakterien oder Viren, deren Veränderungen beobachtbar sind, während für die gleichartige Beobachtung von Säugetieren, bei natürlicher Vermehrung, nur die indirekte Form der Archäologie zur Verfügung steht. Lediglich gezüchtete Tiere erlauben, wegen er verkürzten Selektionsdauer, eine direkte Beobachtung von Veränderungen.

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können in solche, die, durch wählbare Handlungsoptionen, ihr genetisch situiertes Handeln gestalten können und denen, die ohne diese Möglichkeit, lediglich effektiv situativ reagieren.

(vgl. Schulz-Schaeffer 1998: 15) Weiterhin muß zwischen den Aktanten, die im beobachteten Prozeß zur Disposition gestellt werden können und denen, die dies nicht können und vorausgesetzt werden müssen und damit identifizierbar sind, unterschieden werden 1. (vgl.

Schulz-Schaeffer 2000: 207)

Die Studie folgt auch der Kritik von Lemke an der Theorie der Bio-Sozialität, die sowohl die faktische Asymmetrie der Wechselwirkung zwischen Natur und Sozialität zugunsten der Natur in Form von Sozialitäts-Prägungen biologisch verbundener Menschen in Patienten- und Selbsthilfegruppen (vgl. Lemke 2013: 33) als auch der überzogenen Determinations- erwartungen in der Nachfolge des Human-Genom-Projekts. (vgl. Lemke 2013: 38)

Die Gegenwart macht, wegen der vielen sozialen Praktiken im Grenzbereich von Natur und Kultur, eine analytische Arbeit auf diesem Gebiet der Grenzüberschreitungen und Grenzauflösungen, nicht nur im Bereich der Anthropologie, möglich, da

„die Situation im Begriff [ist], sich zu verändern, und es […] schwierig [ist], so zu tun, als befänden sich die Nichtmenschen nicht überall mitten im sozialen Leben, ob sie nun die Form eines Affen annehmen, mit dem man in einem Labor kommuniziert, der Selle einer Yamswurzel, die den, der sie anbaut, im Traum aufsucht, eines elektronischen Gegners, der beim Schachspiel geschlagen werden muß, oder eines Ochsen, der bei einer zeremoniellen Opferung als Vertreter einer Person behandelt wird.“ (Descola 2013: 17)

Da sich die Studie mit der Inklusion in humane Sozialität befaßt, wird sie sich nicht nur mit der Differenz von Natur und Kultur, sowie ggfs. deren Auflösung, sondern auch mit Differen- zierungen innerhalb von Kultur auseinandersetzen müssen. So muß Sprache mit ihrer Begriffsbildung Lebenswirklichkeit erfassen, was sowohl für die Interaktion von Kopulation, als Basis humaner Reproduktion, gilt wie auch für das dieser zugrundeliegende Abstraktum Sexualität; und, sofern Technik in diese Interaktion mit hineinkonstruiert wird, auch mit ihr.

Jener Technik, die in Form von Werkzeugherstellung und –nutzung, nach Gehlen, als klassifikatorisches Kennzeichen humaner Entwicklung gilt. (vgl. Gehlen 1961: 93)

Zwischen sozialer Struktur, sprachlicher Bezeichnungsfähigkeit, Reproduktionsform und Technik bestehen dabei ebenfalls ko-evolutionäre Beziehungen. So daß wir es analytisch mit einer zweidimensionalen Ko-Evolution zu tun haben, der zwischen dem jeweiligen kulturellen Element zur, hier biologischen, Natur und zwischen den genannten kulturellen Elementen untereinander.

1 So kann in einer Beobachtung zwar ein effektiv situativ-agierender Aktant zur Disposition stehen, nicht aber der Beobachter selbst.

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Argumentationsfigur der Studie

Die Studie bedient sich dabei folgender Argumentationsfigur, bei der die Natur, als vor- gängige Evolutionsstufe, der Kultur einen Evolutionskorridor gewährt, der die materiellen Grundbedingungen humaner Lebensmöglichkeiten festlegt. In der Studie wird dieser als

>bio-evolutionärer Operationalisierungskorridor< bezeichnet.

Die Studie orientiert sich dabei an dem, der Medizin entlehnten Modell des Operationalisierungs- korridors, eines Bereichs, in dem innerhalb definierter Bedingungen medizinische Interaktionen nicht destruktiv ablaufen können, wenn diese, die situativ bestehenden Kompensationsmöglich- keiten von Musterdiskrepanzen nicht überschreiten. Dabei überträgt ihn die Studie auf alle Bereiche, die sich durch Musterbildungen charakterisieren lassen, und in denen das Ausmaß der jeweiligen Musterdiskrepanz einer Operationalisierungsprozedur, die Passung an das Kriterium der Lebensfähigkeit nicht überschreitet, d.h. Lebensfähigkeit gewahrt bleibt.

Dabei führt die evolutionäre Entwicklung zu Gegebenheiten, die sich durch unterschiedliche Grade von Kompatibilität zur sozialen Realisierung auszeichnen. So muß z.B. die aufgenommene Nahrung den Möglichkeiten des aufnehmenden Nahrungssystems entsprechen. D.h. das Muster der Nahrung muß zu dem des Verdauungssystems kompatibel sein. Dabei kann die Muster- diskrepanz, innerhalb der Kompatibilität möglich ist, enger oder weiter sein. So ist z.B. der Genuß von Möhren in der Regel bekömmlich, der von Fingerhut unbekömmlich, der von blauem Eisenhut in jedem Fall tödlich. (vgl. Dreyer 2011: 118ff)

Neben dem Ausmaß der Musterdiskrepanz spielt noch die Striktheit der Kopplung, des in der Passungsprüfung befindlichen Musters eine Rolle. Während die Inkorporation von Quecksilber erst über eine längeren Zeitraum zum Tode führt, benötigt diejenige von Zyankali nur einen kurzen Moment. (Schönberger/ et. al. 2003: 1300f) In der Regel entspricht eine weniger strikte Kopplung einer geringeren Musterdiskrepanz mit größerer Passungstoleranz, eine striktere Kopplung einer höheren Musterdiskrepanz mit entsprechend geringer Passungstoleranz.

Dabei muß die Kopplungsintensität innerhalb einer Prozedur jedoch nicht durchgängig homogen sein. Nach einer Phase der Musterkompatibilität kann es zu einer mehr oder weniger abrupt ein- tretenden Inkompatibilität kommen. So führt z.B. die zügige Aufnahme von Alkohol zunächst zu keinen Aufnahme-Problemen, bis ein Zuviel plötzliches Erbrechen auslöst. Medizinische Maß- nahmen sollten sich deshalb immer im Verträglichkeitskorridor bewegen.

Die Breite des Operationalisierungskorridors selbst bestimmt den Bereich, in dem die Reali- sierung von Lebensfähigkeit möglich ist. Außerhalb liegende Realisierungen führen zu einem Ausschluß von der Operationalisierung mit Lebensfähigkeit. So liegt Mord, ebenso wie tödliches Unfallgeschehen zwar noch innerhalb des sozialen Realisierungskorridors, nicht aber dagegen mehr im Operationalisierungskorridor von Lebensfähigkeit.

Das Modell der Passung sozialer Realisierung innerhalb eines Operationalisierungskorridors ist ohne Probleme auch auf den Bereich kultureller Entwicklung anwendbar. Auch hier bilden

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sich auf der Grundlage normativer Vorgaben unterschiedliche Musterdiskrepanzen, die in unterschiedlicher Form akzeptiert, toleriert oder ignoriert werden können. Je strikter die Kopplung zwischen der Realisation und der jeweiligen Vorgabe ist, desto eher treten Musterdiskrepanzen auf und führen zu unüberbrückbaren kulturellen Musterkonflikten.

Alle bio-kulturellen Leistungen, d.h. Sozialordnung, Sprache, Reproduktionsmodus und Technik, sind allerdings in situativ unterschiedlichem Maß in der Lage, modifizierend auf diesen Operationalisierungskorridor einzuwirken, und damit die soziale Kontingenz zu erweitern. Durch medizinische Techniken und Kenntnisse können Krankheiten in ihrer Wirkung auf die Lebensfähigkeit von Menschen gemindert oder gar geheilt werden; ggfs. ist sogar ein Lebenserhalt möglich, wo früher der Tod sicher war. Dies betrifft, innerhalb des Studienthemas, besonders das Überleben jener medizinisch therapierten, die ansonsten das Reproduktionsalter nicht erreicht hätten.

Die Studie befaßt sich mit der technikinduzierten Modifikation menschlicher Reproduktion, als Modifikation des biologischen Operationalisierungskorridors und bezeichnet die hierbei situativ wirksame Technik als >sozio-technische Konstellation<.

Allerdings bedarf die soziale Anwendung solcher Konstellationen einer situativ wirksamen sozialen Inklusion. Die, in Form diskursiver und normativer Auseinandersetzungen selbst evolutionär verlaufend, in einem, von der Studie so bezeichneten, >kultur-evolutionären Akzeptanzkorridor< positioniert werden muß.

Soziologische Perspektiven

Die Reproduktionsmedizin eröffnet einen neuen, bislang sozial nur auf einer abstrakten wissenschaftlichen Metaebene, nicht aber konkret individuell erfaßbaren, sozialen Kontin- genzraum, der sowohl evolutions- als auch differenzierungstheoretisch beschrieben werden muß. Dabei müssen evolutionstheoretische Überlegungen immer Differenzierungen der Ent- wicklungsvarianten und differenzierungstheoretische immer evolutionäre Aspekte einschließen.

Die Studie wird den evolutionstheoretischen Fokus auf die Entwicklung des Musters humaner Reproduktion richten und hier versuchen, Evolutionsschritte gegeneinander abzu- grenzen, wobei die einzelnen Variationen der Reproduktionsmuster sowie ihre normative und praxeologische Selektion und deren Retentionsmechanismus nur skizziert werden können.

Eine ausführlichere Darstellung würde eine historische Herangehensweise notwendig machen, was hier nicht geleistet werden kann.

Der differenzierungstheoretische Fokus wird auf den Entwicklungen im Bereich der Repro- duktionsmedizin und der durch sie erwirkbaren sozialen Kontingenzerweiterungen liegen.

Das erfordert einmal Aussagen über die zu betrachtenden Differenzierungsebenen, im Sinne

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des funktionalen Typs gesellschaftlicher Organisation (vgl. Tyrell 2008:57ff), bei Luhmann in drei Ebenen angelegt: Gesellschaft – Organisation – Interaktion (vgl. Luhmann 1975: 13).

Zum anderen sind Angaben zu den Modalitäten der Differenzierung, ihrer Strukturen, ihrer Unterscheidungskriterien, ihres zeitlich/ räumlichen Verlaufs oder ihrer Richtung als evolutionäre Entwicklung erforderlich. Darüber hinaus sind wechselseitige Beziehungen zur evolutionären Entwicklung sozialer Muster zu beschreiben.

Folgende Ebenen sollen unterschieden werden:

Humane Reproduktion fand bis zum Beginn der Reproduktionsmedizin als Nebeneffekt interaktiver Kopulation statt. Mit dem Einsatz der Antikonzeptiva wurden zwei Funktionen von Sexualität, eine reproduktive und eine sozialer Adhärenz, sichtbar und gleichzeitig deren Trennung ermöglicht.

Diese Differenzierung wird die Studie inhaltlich und in ihrer Wirkung auf die soziale Musterbildung aufzuzeigen haben.

Menschwerdung betrifft, auf Ebene der Gesellschaft, die phylogenetische und kulturelle Entwicklung der Gattung Homo am Übergang von den Primaten zum Homo sapiens und auf Ebene des Individuums, die ontogenetische und soziale Entwicklung des Einzelnen. Im Fokus der Studie steht, vor dem Hintergrund der phylogenetischen Ebene, die Entwicklung des Individuums. Da bei Fokussierung auf die, noch ganz am Anfang stehende Entwicklung des Einzelnen, dessen Charakteristika sich nur in ihrer biologischen, nicht aber sozialen Struktur rudimentär zeigen, wird die Studie, statt des mit sozialen Konnotationen entwickelter Charakteristika behafteten Begriff des >Individuums<, den neutralen Begriff der >Entität<

verwenden. 1

Welchen Einfluß dieser Differenzierungsschritt auf die Ausbildung des im Stadium nascendi befindlichen individuellen Menschen hat, wird die Studie aufzuzeigen haben.

Kulturevolutionär verändert sich die Art der Kopplung zwischen Menschen sowie zwischen Mensch und Technik durch die (Medizin-)Technik in so dramatischer Weise, daß deren Musterwandel noch kaum beschrieben werden kann. Der Vorgang, der die zwischen- menschliche Kopplung durch die dazwischentretende Technik lockert, führt gleichzeitig zu einer strikteren menschlichen Kopplung an die Technik. Wenn man den Zeitraum betrachtet, in dem sich in jüngerer Zeit wesentliche Kopplungsänderungen historisch entwickelt haben, lassen diese Differenzierungsschritte erahnen, daß man von einem Epochensprung sprechen muß.

1 Mit dem Begriff >Entität< soll hier eine Möglichkeit sozialen Bezugs benannt werden, die nicht notwendig Eigenschaften eines Wesen besitzt. Dies ermöglicht eine zunächst nicht-wesensgebundene Bezeichnung des Embryo-in-vitro, um eine zu frühzeitige konnotative Festlegung zu vermeiden.

(22)

Auf der ersten Evolutionsstufe, der Jäger und Sammler, bestand keine Einflußmöglichkeit auf den zu sammelnden Gegenstand. Mit der Jagd entwickelten sich verschiedene Jagd- Techniken, sowohl prozeduraler als auch materieller Art. Deren Kopplung war in jedem Fall extern und im Wesentlichen lose. Die zwischenmenschlichen Kopplungen richteten sich ausschließlich nach den externen Bedingungen.1 Durch die kulturelle Weitegrabe prozedu- raler Technik und handwerklicher Fähigkeiten, von Generation zu Generation, gelang eine mental internalisierte Kopplung der Individuen, die, unterstützt durch die Entwicklung mystischer Kulte, die sozialen Form der Tradition annahm.

Mit der zweiten Evolutionsstufe, der „neolithischen Revolution“, wechselte die Lebens-Mittel Beschaffung zu Landwirtschaft und Tierzucht. Die Bedeutung kultureller Weitergabe nahm deutlich zu, die Techniken blieben jedoch materiell extern und noch im wesentlichen lose gekoppelt, wobei im Rahmen von Züchtung ein gewisser Einfluß auf die Entwicklung der Zielentitäten, Pflanze oder Tier, möglich wurde, d.h. die Kopplung wurde strikter. Zugleich nahmen zwischenmenschliche Kopplungen, durch die Ausbildung verbindlicher sozialer Strukturen, striktere Form an.

Durch die dritte Evolutionsstufe, der Technikwissenschaft ab dem 17. Jahrhundert, kommt es zu einer Verschiebung in Richtung strikter Kopplung an die Technik. Und mit der Human- technologie des 20. Jahrhunderts, zu der auch die Reproduktionsmedizin zu zählen wäre, zudem zu einem Wechsel von externer zu interner Kopplung. Technik tritt hier zunehmend an die Stelle bislang eher strikter zwischenmenschlicher Kopplungen, ermöglicht und unterstützt deren Realisierung auch in sozial gelockerter Form, allerdings um den Preis einer strikten Kopplung an eben diese Technik.

Alle drei Evolutionsstufen schufen spezifische soziale Muster, wobei sich die Wurzeln der zurzeit gültigen Muster, bis zur neolithischen Revolution zurückverfolgen lassen. Die Betrachtung der Gültigkeitszeiträume vorheriger Konstellationen läßt erahnen, welche dramatischen Auswirkungen auf soziale Muster uns durch die jetzigen, in schneller Folge auftretenden Differenzierungsschritte bevorstehen.

Zu dieser Zukunftsfrage kann die Studie allerdings lediglich einen kleinen Ausblick eröffnen.

Auf interaktiver Ebene war, seit dem Auftreten geschlechtlicher Vermehrung, die Kopu- lation zweier gegengeschlechtlicher Individuen, der ´Eltern in spe´, Voraussetzung für Repro- duktion. Diese ist in zweifacher Hinsicht raum-zeitlich lokalisiert gewesen, zum einen kamen, vor der Zeit globaler Mobilität, die zwei Individuen in der Regel, aus einer zu lokalisierenden Sozialität, zum anderen fand die Kopulation, als face-to-face Interaktion, notwendig lokalisiert statt. Diese Lokalisierung schlug sich u. a. auch im Differenzierungsmuster von

1 Als „lose“ Technik wird eine solche bezeichnet, die leicht reversibel an den Anwender gekoppelt ist und zum anderen nicht deterministisch auf die Zielentität einwirkt. Als „strikte“ Technik wird eine solche bezeichnet, die, zumindest zeitlich passager, nicht reversibel an den Anwender gekoppelt ist und/oder deterministisch auf die Zielentität einwirkt.

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Andersartigkeit nieder, was, aufgrund des von Lévi-Strauss postulierten Inzestverbots, zu Allianzen führte. (vgl. Lévi-Strauss 1986: 9f) Heute bindet die global mögliche Mobilität

´Eltern in spe´ nicht mehr an eine lokalisierbare Sozialität, jedoch ist die Kopulation selbst weiterhin noch raum-zeitlich lokalisiert. Die Reproduktionsmedizin löst diese letzte Lokalisierbarkeit jedoch vollkommen auf, indem sie die Befruchtung aus dem Körper der Frau herauslöst und sowohl sozial als auch raum-zeitlich verfügbar macht.

Wie dieser Differenzierungsschritt inhaltlich aussieht und wie er sich auf die Entwicklung sozialer Muster auswirkt, wird die Studie aufzuzeigen haben.

Reproduktionsmedizin umfaßt die Ausübung der eigentlichen reproduktiven Tätigkeit, in Form umgrenzter Interaktion zwischen dem ´Elterpaar in spe´ als Publikum und dem reproduktionsmedizinischen Team in der Leistungsrolle. Dabei erscheint die Struktur der spezialisierten Profession auf der Ebene von Organisation, eingebettet in die Organisation einer derart tätigen Praxis oder Klinik, als sozialer Differenzierungsschritt. Dabei basiert die reproduktionsmedizinische Praktik auf medizinischen und medizintechnischen Ergebnissen kontextueller Fachrichtungen in Kliniken und Universitäten und wird mit Hilfe von Medizintechnik, innerhalb der Regularien des Gesundheitswesen und in der Regel auch, innerhalb der durch die Politik gesetzten normativen Grenzen, für deren Einhaltung die Rechtsprechung zuständig zeichnet, durchgeführt.

Hierin wird das funktional differenzierte Muster der Moderne, in Form evolutionär entwickelter gesellschaftlicher Teilsysteme, konkret aufzuzeigen sein.

Die Studie behandelt damit evolutions- und differenzierungstheoretische Aspekte nicht nur funktionaler Art auf gesellschaftlicher Ebene, sondern auf allen drei benannten Ebenen und in unterschiedlichen Modalitäten (vgl. Tyrell 2008: 113f; vgl. Mayntz 1997:40f), da sich nur so die Komplexität sozialer Praxis abbilden läßt. Hierbei sollen jeweils strukturale neben prozeduralen Aspekten beachtet werden. Wobei die Studie hier leider auf keinen eindeutigen soziologischen Diskurs zurückgreifen kann. 1

1 Siehe hierzu die Aussage Luhmanns in seinem Frühwerk [ZfS Skript: Einfache Sozialsysteme, S. 75]

zitiert nach Tyrell. „Trotz dieses Zusammenhangs aller Ebenen des Systembildung wird es zweckmäßig sein, die Gesellschaftstheorie im engeren Sinne auf diejenigen Teilsysteme zu beschränken, die gesamtgesellschaftlich relevante Funktionen erfüllen, und daneben eine Theorie organisierter Sozialsysteme und eine Theorie der Interaktionssysteme auszuarbeiten; denn es gibt allgemeine Eigenarten von Organisation und Interaktion, die sich nicht aus dem gesellschaftlichen Funktionskontext ergeben, sondern aus dem besonderen Systembildungsprinzip.“ (Tyrell 2008: 71) Der Bezug zu unterschiedlichen Sozial- und Interaktionasystemen findet sich auch in einem frühen Vortrags-Manusskript von 1975 über „Strukturauflösung durch Interaktion“, das erst 2011 veröffentlicht wurde. (vgl. Luhmann 2011)

Hierzu auch der Vorwurf von Knorr-Cetina zur Unterkomplexität der Differenzierungstheorie „Die Differenzierungstheorie [der Systemtheorie (U.K.)] ignoriert, wie spezialisierte Bereiche durch Struktu- rierungsformen, die Funktionsdifferenzierungsgrenzen unterlaufen, sowohl ermöglicht als auch immer wieder ersetzt werden.“ (Knorr-Cetina 1992: 406)

Dem hält Nassehi entgegen, daß „der gesellschaftliche Ort von Handlungen … erst einer Beobachtung transparent [wird], die jene empirischen Kompaktformen in ein Verhältnis zur

(24)

Fragestellungen an Beobachtungen im Grenzbereich von Natur und Kultur

Die Studie versucht den Vorgang der sozialen Inklusion, der in Form einer sozio-technischen Konstellation auftretenden passageren Assistenz von Menschwerdung, zu beschreiben.

Alle drei kursiv gehaltenen Begriffe bedürfen dabei der kritischen Betrachtung.

Zunächst ergeben sich bei der Beobachtung der Inklusion sozio-technischer Konstellationen drei Probleme.

Orientiert an der soziologischen Vorstellung von Inklusion, seien sie real, wie in der Handlungstheorie, als abstrahierte Kommunikationsadressen, wie in der Systemtheorie oder als sich historisch entwickelnde Aktanten-Assoziationen, wie in der ANT gedacht, fokussieren alle Theorien auf aktive Entitäten. Wie sieht es jedoch mit der Inklusion aus, wenn die zu inkludierende, auch nur potentiell faßbare, menschliche Entität mangels Bewußtsein intentional gar nicht aktiv sein kann und nur in der Aktivitätsform eines lebendigen Zellhaufens in künstlicher Umgebung erscheint? Stellt sich die Frage nach der Möglichkeit einer sozialen Substitution von Aktivität und welche Form soll diese ggfs. haben?

Wird der Mangel an Interaktivitätskompetenz der zu inkludierenden Entität sozial substituiert, damit dann daran orientiert, eine Inklusionsentscheidung getroffen werden kann? Wie und durch wen soll diese verantwortet werden? Wird das mangelnde Aktivitätsvermögen eventuell durch ein Potentialitätsargument sozial substituiert und damit der Inklusionssystematik Rechnung getragen? Wie wird ein Bezug zwischen der Entität und den Substituenten hergestellt, wenn die Identität der Entität selbst nicht festgelegt werden kann?

Findet eine nur semantische Analogisierung zu anderen Entitäten statt, um einen diskursiven Bezug zu ermöglichen?

Wie ist die Frage nach der sozialen Rolle nur fraglich menschlicher Entitäten im Rahmen einer sozio-technischen Konstellation, wie sie für Aktanten-Netzwerke von der ANT postuliert wird, im Hinblick auf die Reproduktionsmedizin zu beantworten? Wäre eine Ausweitung des Inklusionsbegriffs auf artifizielle Entitäten, d.h. soziale Entitäten, zumindest dann zu diskutieren, wenn eine nur potentielle menschliche Entität existentiell an eine sozio- technische Konstellation gekoppelt ist? Wie greifen reflexiv gestaltete soziale Muster in den Steuerungsprozeß von Inklusion ein, wenn diese soziale Widersprüche erzeugt? Werden dieselben ausgetragen oder als nicht auflösbare Dilemmata latent gehalten? Wird sich das der Entität zugeordnete Muster an herrschenden Musterkonstellationen orientieren oder wird die Entität ein neues soziales Muster generieren?

kommunikativen Ausdifferenzierung von Funktionssystemen setzt. In Handlungen und Organisa- tionen, wo solche Kompaktformen auftreten, verschmelzen also die Funktionssysteme nicht – im Gegenteil: die Kompaktform der Handlung als pralle Form ermöglicht es den Funktionssystemen erst, operativ getrennt zu bleiben.“ (Nassehi2004: 109)

(25)

Wie ist der Prozeß passager assistierter Menschwerdung prozedural aufzufassen?

Handelt es sich dabei um eine kontinuierliche Prozedur ohne qualitative Stufen? Oder besteht eine Diskontinuität, gebunden an externe Entscheidungen und deren Umsetzungen?

Läßt sich die in ihrer Entwicklung zu verfolgende Entität, als identische, bis zum Endzustand kontinuierlich verfolgen, so daß man dem Anfangsstadium der Entwicklung eine Potentialität mit Bezug zum Endstadium zubilligen kann?

Auf diese Fragen wird im Folgenden versucht einzugehen und dabei besonders auf die speziellen Neuartigkeiten des Studienfeldes hingewiesen, was auch die eigentliche Studien- legitimation darstellt. Dabei wird die jeweilige Beschreibungs-Viabilität gängiger soziologi- scher Theorien im Hinblick auf die, mit dem Prozeß sozialer Inklusion zusammenhängenden Fragestellungen zu prüfen sein.

Im Folgenden soll auf die sich ergebenden, einzelnen Fragestellungen eingegangen werden, um deren Umsetzbarkeit innerhalb bestehender soziologischer Theorien zu erörtern.

Das Problem der Substitution spezifischer Inklusionsvoraussetzungen bei der sozialen Inklusion während der passager assistierten Menschwerdung.

Der Begriff der sozialen Inklusion ist als Gegensatz zum Begriff der sozialen Exklusion entwickelt worden, wobei letzterer aus der Auseinandersetzung mit der Sozialen Frage der 1980er Jahre, vor allem in Frankreich, erwuchs. (vgl. Kronauer 2010: 24) Das Begriffspaar wurde vor allem in der Systemtheorie Luhmann´s (vgl. Luhmann 1997: 618ff), durch seine Betonung als typischer sozialer Mechanismus der funktionellen Differenzierung in der Moderne, aufgenommen.

„Im Rahmen der Differenzierungstheorie ist nun an den Inklusionsbegriff zu denken. Unter Inklusion ist der kommunikative Mechanismus zu verstehen, wie Menschen im Kommunikationszusammenhang für relevant gehalten werden, wie sie ansprechbar, zurechnungsfähig, positionierbar oder auch nur thematisierbar sind. Der Mechanismus der Inklusion vermittelt also die sachliche und soziale Sinndimension, indem er auf den Begriff bringt, wie Ereignisse der sachlich formierten Funktionssysteme sozial zugerechnet werden.“ (Nassehi 2004: 110f)

Die im Zusammenhang der Studie relevante Frage nach der sozialen Inklusion kann beim

>Embryo-in-vitro<, der Zielentität des Wunschkindes, jedoch weder an das Vorhandensein eines Menschen oder einer Person noch an Bewußtsein und auch an keinen aktiven Kom- munikationszusammenhang anknüpfen. Die Behandlung des Embryo-in-vitro, lediglich als kommunikatives Thema, würde den praxeologischen Aspekt der Reproduktionsmedizin ausschließen und damit sein Zustandekommen überhaupt. Da diese Streitfrage nur empirisch entschieden werden kann, muß die Studie die, bei der Beschreibung vorfindliche, Viabilität der jeweiligen soziologischen Theorie prüfen.

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