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Archiv "Sterbebegleitung: Überfällig" (25.03.2011)

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Deutsches Ärzteblatt

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Heft 12

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25. März 2011 A 649

Das Leser-Forum

Beiträge im Deutschen Ärzteblatt sollen zur Diskussion anregen. Deshalb freut sich die Redaktion über jeden Leserbrief. Wir müssen aus der Vielzahl der Zuschriften aber auswählen und uns Kürzungen vorbehalten. Leserbriefe geben die Meinung des Autors, nicht die der Redaktion wieder. E-Mails richten Sie bitte an leserbriefe@aerzteblatt.de, Briefe an das Deutsche Ärzteblatt, Ottostraße 12, 50859 Köln.

STERBEBEGLEITUNG

Prof. Hoppe erläuter- te im DÄ-Interview die Neufassung der Grundsätze zur ärzt- lichen Sterbebeglei- tung (DÄ 7/2011:

„Interview: ,Die ärzt- liche Ethik wird von allen ernst genom- men‘“ von Gisela Klinkhammer und Heinz Stüwe und DÄ 5/2011: „Beihilfe zum Suizid: Keine ärztliche Aufgabe“

von Volker Lipp und Alfred Simon).

Überfällig

Die neuen „Grundsätze“ haben durch die Neufassung der Präambel bei der ärztlichen Beihilfe zum Sui- zid eine längst überfällige Locke- rung formuliert, aber sie beantwor- ten mindestens zwei Fragen nicht, auf die sich wohl so manche(r) Arzt/Ärztin eine Antwort wünschen würde:

1. Die Präambel formuliert ein ärzt- liches Ethos – und das ist gut; aber sie schweigt zum Problem der Be- gründung, und zwar einer solchen, die unseren Wertepluralismus be- rücksichtigt. Dies mit wenigen Sät- zen zu leisten, ist sicherlich schwie- rig, aber erst durch die Begründung (auch: ihres historischen Wandels) wird der Vorwurf, „das ärztliche Ethos“ sei quasi abgeschafft wor- den, vollends ad absurdum geführt.

2. Es gibt vor allem für schwer kranke Menschen in höherem Alter die Möglichkeit, durch konsequen- ten Verzicht auf Essen und Trinken vorzeitig aus dem Leben zu gehen (vergl. www.fvnf.de), worüber der Unterzeichnende als Zweitautor mit dem niederländischen Arzt B. Cha- bot 2010 ein Buch („Ausweg am Lebensende“) veröffentlicht hat . . . Der Kommission, die an der Neu-

fassung der „Grundsätze“ arbeitete, war von mir vorgeschlagen worden, hierzu eine Aussage aufzunehmen, da nicht wenige Ärzte, wenn sie mit einer Patientenfrage zu diesem The- ma konfrontiert werden, wohl erst einmal in Verlegenheit geraten. Ist es eine ärztliche Aufgabe, Pa- tient(inn)en bei diesem Weg aus dem Leben mit Rat und Tat beizu- stehen, oder ist dies angesichts der suizidalen Komponente solch einer Entscheidung zu verneinen?

Der Wunsch, die Grundsätze mögen hierzu eine Aussage enthalten, soll- te bei der nächsten Überarbeitung wohl weiter an Berechtigung ge- wonnen haben, da die Thematik bis dahin wohl einem größeren Teil der Ärzte nicht mehr ganz unbekannt sein dürfte.

Dr. rer. nat. habil. Christian Walther, 35043 Marburg

Unübersichtlich und widersprüchlich

Der Artikel über die Beihilfe zum Suizid zeigt eindrücklich, wie un- übersichtlich und widersprüchlich die Situation ist. Einerseits ist Bei- hilfe zum Suizid nicht strafbar, an- dererseits setzt man sich wegen un- terlassener Hilfeleistung juristi- schen Konsequenzen aus, wenn man das Leben des Suizidenten nicht rettet. Einerseits soll die Mit- wirkung des Arztes bei der Selbst- tötung dem ärztlichen Ethos wider- sprechen, andererseits soll ein Arzt in schwerwiegenden Einzelfällen aus moralischen Gründen bei einem freiverantworteten Suizid helfen dürfen. Der Präsident der Bundes- ärztekammer hat angekündigt, diese Widersprüche auflösen zu wollen.

Die persönliche Situation zwischen Patient und Arzt ist schon schwer

genug, als dass der Arzt sich in die- ser Lage auch noch mit dubiosen Paragrafen befassen muss.

So ist es dringend geboten, dem be- handelndem Arzt unmissverständ- lich zu sagen, was er juristisch und berufsethisch tun darf. Diese Richt- linien sollten sich an die Maxime halten, dass es nun einmal Patienten gibt, die trotz bester palliativer Ver- sorgung nicht mehr leben wollen, und dass wir Ärzte der einzige Be- rufsstand sind, der ihnen in dieser schwierigen Lebenssituation helfen muss.

Prof. Dr. med. Claus Werning, 50226 Frechen

Eine Gewissensfrage

Alle Menschen sind vor dem Ge- setz gleich, heißt es im Grundge- setz, Artikel 3, der Bundesrepublik Deutschland. Und dieses sollte na- türlich auch für die Ärzteschaft gel- ten. Daher ist der Vorschlag des Kammerpräsidenten, Strafrecht und Berufsrecht zu harmonisieren, nur zu begrüßen. Ob Beihilfe zum Sui- zid durch einen Arzt jedoch ethisch vertretbar ist, sollte eben dieser nur mit sich und dem Patienten ausma- chen. Aber nicht mit dem Staatsan- walt.

Dr. med. Enrico Schalk, 39116 Magdeburg

Unterschiedliche Ansinnen

Lipp und Simon haben einen Über- blick über den derzeitigen straf- rechtlichen und berufsrechtlichen Stand gegeben, dem zuzustimmen ist. Ihre Benennung der praktischen Probleme zeigt, dass sie nur einen Teil der Suizidbeihilfe-Ansinnen von Menschen in unserem Lande vor Augen haben, offensichtlich diejenigen Ansinnen, die im We-

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25. März 2011 sentlichen im Rahmen der Palliativ-

medizin an Ärzte herangetragen werden. Man muss sich jedoch vor Augen führen, dass sich diese An- sinnen deutlich von denjenigen un- terscheiden, die an Organisationen wie Dignitas herangetragen werden.

Es gibt in unserem Lande sehr wa- che und reflektierte Menschen, die ein Suizidbeihilfe-Ansinnen an eine Organisation herantragen, die sich nicht in einem Spätverlauf einer zum Tode führenden Erkrankung befinden. Sie wenden sich an eine Organisation, weil sie nach zum Teil vieljähriger Beschäftigung mit dem Thema der Überzeugung sind, ein begründetes Anliegen auch anderen Menschen mitteilen zu können. Nach bisher 99 allgemein ärztlichen und psychiatrischen Be- gutachtungen für Dignitas und Ster- beHilfeDeutschland zur Frage der selbstbestimmten Urteilsfähigkeit müssen die von Lipp/Simon ge- nannten praktischen Probleme an- ders beurteilt werden:

– In einem mehrstufigen Beurtei- lungsprozess einschließlich einer formalen gutachtlichen Untersu- chung innerhalb einer Organisation lässt sich die Authentizität der Wil- lensbildung sicher beurteilen. Nur in vereinzelten Fällen war die Palliativ- medizin beziehungsweise das Hos- piz vom Krankheitsbild her eine Op- tion, sie wurde jedoch von den Be- troffenen zugunsten einer Lebensbe- endigung nachdrücklich abgelehnt.

– In den intensiven Gesprächen fan- den sich nicht die geringsten Anzei- chen von Fremdbeeinflussung – al- lerdings die entschiedene, durch Miterleben begründete Meinung, den Weg in ein Altenheim nicht zu wollen.

– Wenn die individuell ärztliche oder organisierte Suizidbeihilfe un- missverständlich am eigenen, kri- tisch geprüften Willen des Nachsu- chenden orientiert wird: Welche Dammbruchgefahren sollten dann drohen? Wie sollte das jetzt oft nicht nur fürsorglich, sondern auch

fremdbestimmend erlebte Bild der Ärzte beeinträchtigt werden? Das teilweise ausschließlich patriarcha- lische Selbstverständnis der Ärzte müsste sich in der Tat ändern – sol- len wir das als moralisch verwerf- lich ansehen? Auch bei der Abtrei- bung gibt es Ärzte, die diese Leis- tung nicht anbieten – der Dissens zwischen Befürwortung und Ableh- nung ist gesellschaftlich etabliert.

Können wir ein ausschließlich am Lebensschutz orientiertes Berufs- recht – mit Nachordnung des in un- serer meinungspluralen Gesell- schaft grundgesetzlich garantierten Selbstbestimmungsrechtes – im Ernst vertreten?

Der Schlusssatz von Lipp/Simon muss nachdrücklich betont werden:

Berufsrechtliche Konsequenzen mögen von relevanten Mehrheiten vertreten werden. Sie sind mora- lisch nur illiberal fremdbestimmend zu rechtfertigen!

Priv.-Doz. Dr. med. Johann Friedrich Spittler, 45711 Datteln

PA TIENTENRE CHTE

Ob ein eigenes Ge- setz tatsächlich Ver- besserungen für die Praxis bringt, ist un- ter Experten um- stritten (DÄ 5/2011:

„Anhörung zum Pa- tientenrechtegesetz: Fehlende Gutach- ter, lange Prozesse“ von Heike E. Krü- ger-Brand).

Mehr Zeit für Patienten

Zu Ihrem interessanten Beitrag: Der Patientenbeauftragte will die Pa- tientenrechte, insbesondere die der Opfer von Behandlungsfehlern, stärken, die SPD will sie erweitern.

Soweit ich sehen kann, sind die Rechte der Patienten, auch der be- handlungsbedingt geschädigten, nicht eingeschränkt. Die ordentli- che Gerichtsbarkeit in Arzthaft- pflichtsachen wird in Deutschland ergänzt und fühlbar entlastet durch die von unseren Ärztekammern ein- gerichteten Schlichtungsstellen und Gutachterkommissionen. Deren Verfahren sind für die Patienten

kostenfrei, sie erfordern keinen eigenen Rechtsbeistand und keinen großen Aufwand des Patienten.

Tausende Patienten, die einen feh- lerverursachten Behandlungsscha- den bei sich annehmen, veranlassen im Vertrauen auf die Neutralität und den Sachverstand dieser Stellen je- des Jahr dort Verfahren. Diese be- enden in den meisten Fällen den Patient-Arzt-Streit, ihre Dauer ist in der Regel kürzer als die von Ge- richtsprozessen. T. S. Jost, ein Rechtsprofessor aus den USA, hat diese Einrichtungen evaluiert und festgestellt, dass Deutschland auf diesem Gebiet der alternativen Streitbeilegung in Arzthaftungsfäl- len, an dem man in Amerika schei- terte, durchaus erfolgreich ist. – Dem Kölner Ordinarius für Medi- zinrecht Professor Katzenmeier zu- folge gelangten mehrere Untersu- chungen zu dem Ergebnis, dass die Bundesrepublik „mit den bestehen- den Patientenrechten mit erhebli- chem Vorsprung eine Spitzenstel- lung in den Ländern der EU“ inne- hat. Auch dem Europaabgeordneten Dr. Liese zufolge hat Deutschland

international in diesbezüglichen Rankings immer vordere Plätze ein- genommen (beides Ärztetags-Vor- träge 2009/10).

Viele Kranke und Verletzte kom- men jedoch in der Realität unseres Versorgungssystems deshalb nicht zu ihrem vollen Recht, weil ihren Ärzten die Zeit für ihre eigentliche ärztliche Arbeit zu sehr beschnitten wird: durch Arbeitsverdichtung und durch Überlastung mit büro- kratischen Pflichten. Man würde sicherlich das behandlungsbedingte Fehler- und Schadensrisiko min- dern, wenn man den Ärzten und Pflegekräften wieder genügend Zeit gäbe, um ihre Arbeit an den Patienten ordentlich und in Ruhe zu tun . . .

Aber in einem politischen Klima, in dem die ärztliche Diagnoseerfas- sung durch Gesetz geregelt ist und Mandatsträger die Kodifizierung sogar der Terminvergabe in Arzt- praxen planen, werden Vernunft- gründe möglicherweise das Patien- tenrechtegesetz nicht verhindern.

Literatur beim Verfasser

Prof. Dr. Klaus D. Scheppokat, 30989 Gehrden

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