Welche Aspekte sind relevant für die Familienplanung und Familiengründung:
Ergebnisse der Studie „frauen leben 3“, Phase 2
23./24.04.2018, Köln, Reflexionsworkshop „Familienleitbilder im Referat
‚Familienplanung und Verhütung‘“ der BZgA Prof. Dr. habil. Cornelia Helfferich
Sozialwissenschaftliches Frauen-ForschungsInstitut Freiburg (SoFFI F.) EH Freiburg/ Institut für Soziologie Univ. Freiburg
Familienplanung: Ja! Aber?
Von richtigen und anderen Zeitpunkten für Kinder –
Analysen und Folgerungen für Wissenschaft, Praxis und Politik
Zur Studie: Schwerpunkt
Titel der Abschlusstagung 2014 in Berlin
>>
BZgA-Konferenz zum Abschluss des Forschungsprojektes"frauen leben 3 – Familienplanung im Lebenslauf von Frauen"
Statistische Auswertungen zu Familienplanung
Statistische Auswertungen zu Familienplanung
Instit ut f Soziolür ogie
Forschungsdesign
WEN BEFRAGT?
20- bis 44-jährigen Frauen in sieben Bundesländern
N=8.521 Frauen mit N=10.079 Schw.
WIE?
Standardisierte Bevölkerungsbefragung, Zufallsstichprobe
Qualitative Interviews n=97 (nur 2012)
WANN?
2012, 2016 (2017/18)
WAS? (s.u.)
Zurückliegende reproduktive Ereignisse im Lebenslauf: gewollte,
eingeschränkt gewollte und ungewollte, ausgetragene und abgebrochene Schwangerschaften
Aktuell: Partnerschaft, Kinderwunsch, Verhütung Sozialdaten, biograf. Eckdaten
Berlin Stadtstaaten Bremen
Hamburg
Sachsen OST
Mecklenburg-Vorpommern Brandenburg
Thüringen
Baden-Württemberg WEST
Niedersachsen
Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz
Schleswig-Holstein
Instit ut f Soziolür ogie
Bundesländer – „frauen leben 3“
Insti tut f Soziolür
„Ungewollte“ Schwangerschaften sind eine Teilmenge der „nicht beabsichtigten“ Schwangerschaften.
Die Einteilung entspricht dem internationalen Standard.
Abgebrochene Schwangerschaften gelten als „ungewollt“.
Ziel: Eine angemessene, nicht voreingenommene wissenschaftlichen Betrachtung von ungewollten Schwangerschaften
Differenzierung „ungewollte Schwangerschaft“
Gewollt aber später
„Unbeabsichtigt“
Ungewollt Zwiespältig
Inhalte der Präsentation
(1) Einstellungen zu Familie und zur Arbeitsteilung in der Familie (2) Gewollte und ungewollte Familiengründungen
(3) Geburtenaufschub und die Vermeidung von biografischen Nachteilen (4) Die Bedeutung von Partnerschaften und die Situation von
Alleinerziehenden
Gliederung
Insti tut f Sozioür logie
Insti tut f Soziolür
Generelle Kinder- und Erwerbsorientierung.
Aber große Unterschiede in den Einstellungen zu Familie und zur Arbeitsteilung in der Familie
1
Einstellungen zu Kindern und
Müttererwerbstätigkeit: Beides!
• Erwerbsorientierung, aber im Zweifelsfall Priorität bei der Familie
• Präferenz Teilzeitbeschäftigung, wenn Kinder klein sind
• Betonung von Unabhängigkeit vom Partner bei der eigenen Absicherung
• Jede zweite ist sich unsicher, ob der Partner seine
Erwerbstätigkeit reduzieren sollte, wenn Kinder klein sind.
Dafür sprechen sich 15% aus.
Es gibt deutliche Unterschiede nach Bundesländern und Bildung
1
Einstellungen zu Kindern und Müttererwerbstätigkeit
• Die Frauen sind hoch kinderorientiert
– z.B. 76,6%: „Ich wollten schon immer Kinder“,
– 37,9%: „Man kann auch ohne Kinder glücklich sein“
– 2% der unter 25-jährigen Kinderlosen wollen keine Kinder
• Sie sind hoch erwerbsorientiert
– z.B. 85,2%: „Mütter sollen ihre berufliche Perspektive nicht aus dem Auge verlieren“
• Sie wollen unabhängig sein
– 79,4%: „Frauen brauchen heute eine eigene finanzielle Absicherung, unabhängig vom Partner“
(1) Einstellungen zu Kindern und Müttererwerbstätigkeit
ABER auch:
• Ideal Reduzierung der Erwerbstätigkeit, solange die Kinder klein sind
– Teilzeit: 51,8%
– Erwerbsunterbrechung: 33,5%
– Vollzeit: 12,0%
• Unsicherheit, ob der Partner seine Erwerbstätigkeit reduzieren soll, wenn ein Kind kommt
– ja: 15,3%
– teils-teils: 50,8%
– Nein: 34,0%
Institut für Soziologie
Abb. 1: Ländervergleich: Idealvorstellung Erwerbstätigkeit von Müttern kleiner Kinder (in %)
Ideal Müttererwerbstätigkeit im Ländervergleich
5
49,2 42,2
23,2
54,4
21,1 0
20 40 60 80
Vollzeitarbeit Teilzeitarbeit Unterbrechung
Baden-Württ. Nieders.
Rheinland-Pfalz Nordrhein -Westfalen
Sachsen Berlin
Meck.-Vorp.
Institut für Soziologie
Abb. 2: Ländervergleich: „Der Mann sollte in der Lage sein, so viel Geld zu verdienen, dass die Partnerin nicht dazu verdienen muss“ /
„Die Erziehung der Kinder leidet, selbst wenn die Mutter nur Teilzeit arbeitet“ (in %)
Konservative Leititems im Ländervergleich
33,5
12,5 16,8
8,8 0
10 20 30 40
Mann verdient genug Erziehung leidet
Baden-Württ. Nieders. Rheinland-Pfalz
Nordrhein-Westfalen Sachsen Berlin Meck.-Vorp.
Institut für Soziologie
Abb. 3: Ländervergleich: „Der Mann sollte weniger arbeiten, wenn die Kinder klein sind (in %)
Engagement des Mannes im Ländervergleich
18,3
25,8 10,6
42,7
0 10 20 30 40 50
Ja Nein
Baden-Württ. Nieders. Rheinland-Pfalz
Nordrhein-Westfalen Sachsen Berlin Meck.-Vorp.
Institut für Soziologie
Abb. 4: „Der Mann sollte in der Lage sein, so viel Geld zu verdienen, dass die Partnerin nicht dazu verdienen muss“ / „Die Erziehung der Kinder leidet, selbst wenn die Mutter nur Teilzeit arbeitet“ – nach Bildung (in %)
Konservative Leititems nach Bildung
32,8
27,8 24,8
15,5 26,3
15,4 13,5
9
0 5 10 15 20 25 30 35
Mann verdient genug Erziehung leidet
niedrig mitteln höher hoch
Insti tut f Soziolür
30% unbeabsichtigte Familiengründungen – von „Planung“ kann nur bedingt die Rede sein.
Aber zu früh sollte es auf keinen Fall sein.
2
• „Den richtigen Zeitpunkt gibt es nie“: 64,9%
• „Es ist heute unbedingt notwendig, die Geburt eines Kindes genau zu planen“: 18,6%
Den richtigen Zeitpunkt gibt es nie?
Insti tut f Sozioür logie
Abb. 5: Intentionen der Familiengründung
Jede dritte Familiengründun g war nicht beabsichtigt: 30,5%, 17% sollten erst später erfolgen, bei 3,2% war der Wunsch zwiespältig und 10,3% waren ungewollt
Gewolltheit der Familiengründung (1. Kind)
Alle
Familiengründungen N=5.118
Nicht beabsichtigte Fam.-gründungen n=1.562 Ungewollte Fam.-gründungen n=526
2
• Die Bildung
Je niedriger, desto eher ungewollt (6% → 20%) Hängt zusammen mit:
• Alter bei der Familiengründung:
Je jünger, desto eher ungewollt (4% → 37% bei 30 Jahre
→ < 20 Jahre)
• Genauer: Nicht das Alter als solches, sondern die Konsolidierung der Berufs- und Partnerschaftssituation!
Ungeschriebenes Gesetz: Erst Ausbildung, dann Kind(er) Geburtenaufschub bis zur Konsolidierung, um Nachteile zu vermeiden
Determinanten ungewollter Familiengründungen
Insti tut f Sozioür logie
Institut für Soziologie
Abb. 6: Schwangerschaftsintention bei der Familiengründung – nach Bildung (in %)
Abhängigkeit gewollter Familiengründungen von der Bildung
52 66,5 70 78,1
23,8
18,3 17,8 12,7
20,1 11,9 9,1 6,2
0%
20%
40%
60%
80%
100%
niedrig (n=487) mittel (n=1.826)
höher (n=1.235)
hoch (n=1.555)
ungewollt
zwiespältig, unentschieden gewollt, aber später
gewollt, auh der Zeitpunkt, oder früher
Institut für Soziologie
Abb. 7: Schwangerschaftsintention bei der Familiengründung – nach Alter bei Eintritt der Schwangerschaft (in %)
Abhängigkeit gewollter Familiengründungen von der Bildung
25,3
57,2 76,7 86,1 86,9
32,5
25,6
14,4 6,8 5
36,8 14 6,1 4,1 3,6
0%
20%
40%
60%
80%
100%
bis unter 20 J. (n=418)
25 bis unter 30 J.
(n=1.424)
25 bis unter 30 J.
(n=1.977)
30 bis unter 35 J.
(n=1.061)
35. J. und mehr (n=222)
ungewollt
zwiespältig, unentschieden gewollt, aber später
gewollt, auh der Zeitpunkt, oder früher
Abb. 8: Kinderwunsch kinderloser Frauen nach Alter (in %)
Gewollte Familiengründungen
Insti tut f Sozioür logie
• „Gewollt aber später“ – hoher Anteil „freudig begrüßt“
→ Hinweis auf Ambivalenzen!
• Die wichtigsten Bedingungen, die gegen eine Familiengründung sprechen, sind eine schwierige berufliche und finanzielle Situation und keine (feste) Partnerschaft
Frauen mit niedriger Bildung gründeten eine Familie
• in jüngerem Alter
• auch unter ungesicherteren Bedingungen*
Frauen mit hoher Bildung schoben die erste Geburt eher auf.
* Jede zweite niedrig qualifizierter Frauen hatte zu dem Zeitpunkt, als das erste Kind auf die Welt kam, noch keine feste Stelle. Sie waren auch seltener verheiratet.
Unbeabsichtigte Familiengründungen – doch gewollt?
Insti tut f Sozioür logie
Abb. 9a: Kinderlose Frauen – abnehmende Gründe gegen eine (baldige) Familiengründung – nach Alter (in %)
Gibt es den richtigen Zeitpunkt?
30,1 30,3
32,8 31,3
25,7 48,5
50,7
43
21,9
16,2 64,3
33,2
13,2
2,7 0,9
11,2
20,7
22,4
17 14,4
0 10 20 30 40 50 60 70
20-24 Jahre (n=705)
25-29 Jahre (n=696)
30-34 Jahre (n=250)
35-39 Jahre (n=182)
40-44 Jahre (n=222)
Schwierige
Partnerschaftssituation berufliche und finanzielle Unsicherheit
Ausbildung / Studium
Schwierige Vereinbarkeit von Familie(nplänen) und Beruf zu jung und unreif
Insti tut f Sozioür logie
Abb. 9b: Kinderlose Frauen – zunehmende Gründe gegen eine (baldige) Familiengründung – nach Alter (in %)
Gibt es den richtigen Zeitpunkt?
0 0,9
2
11
40,7
1,3
4,2
9,6
14,3 16,3
1,4 3,3 4
12,6
19
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45
20-24 Jahre (n=705)
25-29 Jahre (n=696)
30-34 Jahre (n=250)
35-39 Jahre (n=182)
40-44 Jahre (n=222)
zu alt
Familienplanung abgeschlossen
Gesundheitliche Bedenken
Insti tut f Sozioür logie
Abb. 9c: Kinderlose Frauen - Gründe gegen eine (baldige) Familiengründung – nach Alter (in %)
Gibt es den richtigen Zeitpunkt?
0 10 20 30 40 50 60 70
20-24 Jahre (n=705)
25-29 Jahre (n=696)
30-34 Jahre (n=250)
35-39 Jahre (n=182)
40-44 Jahre (n=222)
Schwierige Partnerschaftssituation
berufliche und finanzielle Unsicherheit
Ausbildung / Studium Schwierige Vereinbarkeit von Familie(nplänen) und Beruf zu jung und unreif
zu alt
Familienplanung abgeschlossen
Gesundheitliche Bedenken
Insti tut f Sozioür logie
Insti tut f Soziolür
Vermeidung von biografischen Nachteilen: Für den Geburtenaufschub sprechen gute Gründe
3
Insti tut f Soziolür
Abb. 10: Einstellungen zu Familienplanung , Anteil „stimme zu“–
nach Bildung (in %)
Frühe Mutterschaft: Ja, aber
37,5
42,7
35,1 37,2
32
36,2 26,4
32,9
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45
Es ist besser, jung im Leben Kinder zu kriegen als spät
Wer zu früh ein Kind bekommt, hat Nachteile bei
den beruflichen Chancen
niedrige Bildung mittlere Bildung höhere Bildung hohe Bildung
Institut für Soziologie
Abb. 11: Finanzielle Situation heute – nach Alter bei Eintritt der Schwangerschaft (in %)
Und die Folgen? Junge Mutterschaft und finanzielle Situation heute
29,7 33,8 44,5 53,4 55
42,9 41,6
39,2 33,9 31,9
14,4 16,3 12,5 9 10,5
12,9 8,3 3,8 3,7 2,6
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
unter 20 J.
(n=417)
20 bis 24 J.
(n=1.427)
25 bis 29 J.
(n=1.966)
30 bis 34 J.
(n=1.062)
35 J. und älter (n=229)
(sehr) gut mittel
schlecht, ohne ALG II schlecht, mit ALG II
Junge Mutterschaft und berufliche Absicherung
Insti tut f Sozioür logie
Abb. 12: Erwerbsumfang und Rückkehranspruch auf Teil-/Vollzeit
vor der Geburt des 1. Kindes - nach Alter bei der Geburt (in %)*
Berufliche Absicherung bei weiteren Kindern
Insti tut f Sozioür logie
Abb. 13: Anteil mit Anspruch auf Rückkehr auf Teilzeit oder
Vollzeit bei dem 1., 2. und 3. Kind - nach Schulabschluss (in %)
• Geburtenaufschub in ein höheres Alter ist Thema der höher und hoch qualifizierte Frauen – sie lebten länger in unverbindlicheren
Partnerschaften und blieben länger kinderlos und versuchen, berufliche Nachteile zu vermeiden.
Nach dem späten Start „holten“ die hochqualifizierten Frauen dann
„auf“: Im Alter von 35- bis 44 Jahren sind sie nur noch etwas seltener verheiratet und Mütter. Sie „holten“ aber Frauen mit anderen
Bildungsabschlüssen nicht ganz „ein“, denn sie blieben häufiger kinderlos und hatten seltener drei und mehr Kinder als niedrig qualifizierte Frauen.
• Niedrig qualifizierte Frauen gründeten früher eine Familie. Sie
warteten nach dem früheren Start in die Familie mit dem zweiten Kind etwas länger und bekamen etwas häufiger drei und mehr Kinder.
Bildungsunterschiede beim „Timing“
Insti tut f Sozioür logie
Insti tut f Soziolür
Große Bedeutung der Partnerschaft – Alleinerziehen als Armutsrisiko
4
Insti tut f Soziolür
Die Partnerschaft ist die wichtigste Voraussetzungen für
• (Sichere) Verhütung
• Gewolltheit von Schwangerschaften
• Kinderwunsch recht bald – bei Kinderlosen ebenso wie bei Müttern
• Austragen ungewollter Schwangerschaften
Die Bedeutung der Partnerschaft
Abb. 14: Anteil ungewollter Schwangerschaften – nach schwieriger Partnersituation (in %)*
Quelle: BZgA, Datensatz „frauen leben 3“ 2016, 20- bis 44-jährige Frauen in Rheinland-Pfalz, berechnet auf Schwangerschaften, n=1.735, * signifikante Unterschiede
Ungünstig: eine schwierige
Partnersituation
• In der Stichprobe 5,4% Alleinerziehende (ohne Partner). 39% sind 1 – 2 Jahre, 28% 2 - 5 Jahre und 33% mehr als 5 ohne Partner.
• 22,7% beziehen Sozialleistungen.
• Sie sind häufiger nicht erwerbstätig, wenn die Kinder klein sind, und häufiger erwerbstätig mit größeren Kindern. Sie haben schlechtere berufliche Positionen.
• 34% machen sich „(sehr) große Sorgen“, 36,8% „(überhaupt) keine Sorgen“ um die berufliche Zukunft (Vergleichszahlen für Mütter in Partnerschaft: 18,6% und 48,7%).
• Sie wünschen sich seltener recht bald ein weiteres Kind (4%) verglichen mit Müttern in Partnerschaften (10%).
• Sie haben häufiger jemals eine Schwangerschaft abgebrochen (16,5% zu 8,9%).
Alleinerziehende
Insti tut f Sozioür logie
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
Sozialwissenschaftliches
FrauenForschungsInstitut Institut für Soziologie