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Sehr geehrter Herr Dr. Barth!

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Academic year: 2022

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Sehr geehrter Herr Dr. Barth!

Ich bin leider aufgrund anderer Verpflichtungen erst jetzt dazu gekommen, mich intensiver mit dem MinE zu beschäftigen und schicke Ihnen meine Stellungnahme daher erst nach der

„Deadline“, auch auf die Gefahr hin, dass sie zu spät kommt. Ich beschränke mich auf knappe, grundsätzliche Aussagen und klammere einstweilen die Problematik der §§ 11b bis 11d aus. Im Einzelnen ist Folgendes zu sagen:

1. Gegen die Einführung der Unterscheidung zwischen Schriftform und „geschriebener Form“

habe ich grundsätzlich nichts einzuwenden (§ 1 Abs 3). Im Einzelfall wird man freilich darüber streiten können, ob die Einhaltung der „geschriebenen Form“ für den Schutz des VN ausreichend ist. Ich halte es nicht für unbedingt notwendig, den Begriff der „Textform“ zu übernehmen, den das BGB und das neue deutsche VVG verwenden, da ich ihn nicht für sehr aussagekräftig halte.

Auf zwei Aspekte ist allerdings hinzuweisen. Zum einen wird zB im KHVG auch die Schriftform verlangt (§§ 14 Abs 2, 29 Abs 1). Soll auch das novelliert werden? Zum anderen ist der Einleitungssatz des § 1 Abs 3 nicht sehr gelungen, da er den Eindruck erwecken könnte, dass formlose Erklärungen im VersVG überhaupt nicht mehr möglich sein sollen.

Das ist aber sicher nicht gewollt.

Die EB gehen unter Hinweis auf § 5b Abs 1 VersVG davon aus, dass für die Vertragserklärung des VN Schriftlichkeit erforderlich ist, sodass die unmittelbare Vertragsabschlussphase insgesamt von der geschriebenen Form ausgenommen bleibt. § 5b Abs 1 VersVG ordnet jedoch für die Vertragserklärung des VN keineswegs Schriftlichkeit an, sondern enthält lediglich eine Verpflichtung des Versicherers, eine Kopie auszuhändigen, wenn der VN seine schriftliche Vertragserklärung dem Versicherer oder seinem Beauftragten persönlich abgibt.

2. Das Ausreichen einer Nachbildung der eigenhändigen Unterschrift steht bereits jetzt in § 3 Abs 1 VersVG. Der Verweis der EB auf § 886 ABGB ist daher überflüssig (EB 1).

3. Die EB äußern zum neuen § 3 Abs 1a die Auffassung, dass auch eine konkludente Vereinbarung möglich sei, wenn der Versicherer nachträglich die technischen Voraussetzungen für die Übermittlung des Versicherungsscheins ändert (EB 2). Woraus soll sich das ergeben? Und ist das wirklich gewollt?

Bei § 3 Abs 1a ergibt sich auch die Frage, was gelten soll, wenn der VN der Übermittlung des Versicherungsscheins in elektronischer Form nicht ausdrücklich zustimmt. Soll der

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Versicherer dann Mehrkosten verlangen können?

4. Es fällt auf, dass im MinE teilweise von der Übermittlung des Versicherungsscheins „in einer elektronischen Datei“, teilweise aber (überwiegend) von Übermittlung „in elektronischer Form“ gesprochen wird. Das sollte vereinheitlicht werden. ME ist die letztgenannte Formulierung vorzuziehen.

5. Einen Schwerpunkt des MinE stellt zweifellos der neue § 5a dar. Er wirft in seiner derzeitigen Fassung eine Reihe von Zweifelsfragen auf.

a. Die EB gehen davon aus, dass bei einer Vereinbarung der elektronischen Kommunikation durch die Vertragsparteien „die Übermittlung (Hervorhebung durch den Verfasser) von Versicherungsbedingungen vom Versicherer an den Versicherungsnehmer sowie von anderen Informationen sowohl vom Versicherer an den Versicherungsnehmer als auch umgekehrt auf elektronischem Weg erfolgen“ könne (EB 2). In Wirklichkeit unterscheidet jedoch der Text der Bestimmung zwischen zwei Fällen, nämlich einerseits der

„Zurverfügungstellung“ von Versicherungsbedingungen und anderen Informationen einerseits und der „Übermittlung“ von Informationen andererseits.

b. Gegenstand der elektronischen Kommunikation sind beim Versicherer „AVB und andere Informationen“; beim VN wird von „Informationen“, aber auch von „Mitteilungen“

gesprochen. Beide Formulierungen deuten darauf hin, dass es ausschließlich um die Bekanntgabe von Tatsachen geht. Die EB gehen aber bei der Erläuterung des Abs 3 (wohl sinnvoller Weise) davon aus, dass auch Vertragserklärungen elektronisch kommuniziert werden können. Dabei handelt es sich aber sicher nicht um „Informationen“. Die Formulierung des § 5a Abs 1 muss daher entsprechend erweitert werden.

c. § 5a Abs 1 Satz 1 enthält den Klammerausdruck „Vereinbarung der elektronischen Kommunikation“. Dieser Ausdruck ist mE entbehrlich. Das VersVG kennt meiner Erinnerung nach keine Klammerausdrücke.

d. Der VN soll das Recht haben, jederzeit kostenfrei auch die Ausfolgung der Versicherungsbedingungen und der anderen Informationen in Papier zu verlangen. Das lässt die bereits oben angesprochene Frage auftauchen, ob es für den VN Kostenfolgen haben kann, wenn er die Vereinbarung der elektronischen Kommunikation nicht abschließt.

e. Nach § 5a Abs 1 letzter Satz bleiben die Informationspflichten nach §§ 9a, 18b und 75 VAG

„hiervon“ unberührt. „Hiervon“ bezieht sich – streng genommen – auf den vorletzten Satz

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der Bestimmung, nach dem das Recht des VN unberührt bleibt, seine Mitteilungen in Papier zu erstatten. Das ist natürlich nicht gemeint. Der letzte Satz ist darüber hinaus aber an dieser Stelle überhaupt deplatziert, da die Informationspflichten nach §§ 9a, 18b und 75 VAG von der Möglichkeit der elektronischen Kommunikation offenbar überhaupt ausgenommen werden sollen. Es würde sich daher empfehlen, diese Ausnahme in einem eigenen Abs 4 auszudrücken.

f. In § 5a Abs 2 werden zusätzliche Anforderungen für den Fall aufgestellt, dass die elektronische Kommunikation durch den Versicherer über eine Website erfolgt, auf der er Informationen der Öffentlichkeit frei zur Verfügung stellt. Dieses „Zurverfügungstellen“ kann gemäß § 5a Abs 1 die Versicherungsbedingungen und andere Informationen betreffen. Die weiteren Voraussetzungen des Abs 2 stellen jedoch nur auf die Versicherungsbedingungen ab. Ist das gewollt? Die EB gehen ja davon aus, dass der Versicherer diese Anforderungen

„zur Erfüllung seiner Informationspflichten aus dem Vertrag“ einhalten muss (EB 3).

Die EB differenzieren im Übrigen zwischen Informationen des Versicherers, die er aufgrund einer Informationspflicht auf die Website stellt, und anderen Informationen. Bezüglich der erstgenannten Kategorie handle es sich um eine Bringschuld des Versicherers, der nur dann Genüge getan werde, wenn es dem VN möglich sei, auf die Informationen des Versicherers auf entsprechend einfachem Weg zu greifen. Bei anderen allgemeinen Informationen sollen dagegen die Bedingungen der Z 1 und 2 „nicht automatisch gelten“. Daran ist zu kritisieren, dass sich diese wichtige Unterscheidung aus dem Text des Abs 2 in keiner Weise ergibt.

g. Der elektronischen Kommunikation durch Übermittlung (§ 5a Abs 3) sind nach den EB auch Vertragserklärungen und andere Erklärungen zugänglich, die Versicherer, VN und Versicherter mit Beziehung auf den Vertrag abgeben. Es wurde bereits oben darauf hingewiesen, dass diese Möglichkeit durch den Begriff der „Information“ höchst unzutreffend umschrieben wird.

h. Gemäß § 5a Abs 3 Z 2 darf der Versicherer sich nicht mehr der Übermittlung durch elektronische Kommunikation bedienen, wenn er Anhaltspunkte dafür hat, dass dem Zugang ein Hindernis entgegen stehen könnte. Den VN sollen in diesem Fall ungeachtet des Verstoßes gegen die Verpflichtung zur Bekanntgabe von Änderungen gemäß Z 1 dieser Bestimmung keine nachteiligen Folgen treffen.

Das ist aus mehreren Gründen problematisch. Zum einen stellt sich die Frage, welchen Sinn die Verpflichtung nach Z 1 haben soll, wenn sich aus der Verletzung dieser Verpflichtung keine nachteiligen Rechtsfolgen ableiten lassen. Die nachteiligen Rechtsfolgen werden

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vielmehr nur den Versicherer zugewiesen. Zum anderen würden Folgen von

„Kommunikationsstörungen“ auf der Seite des VN auch ohne die Verpflichtung nach Z 1 nach allgemeinen Grundsätzen seiner „Sphäre“ zuzuweisen sein. Schließlich steht die Risikozuweisungsregel des § 5a Abs 3 Z 2 auch in offenem Widerspruch zur gesetzlichen Wertung des § 10 VersVG.

i. § 5a Abs 3 Z 4 ist mE unzutreffend platziert, da es um den Inhalt der Vereinbarung über die Übermittlung in elektronischer Form geht. Z 4 sollte daher entweder in Z 1 aufgenommen werden oder aber eine neue Z 2 bilden, wenn man der Auffassung ist, dass die Regelung besonders hervorgehoben werden soll.

6. § 5b Abs 2 enthält in seiner Z 1a ein neues Rücktrittsrecht für den Fall, dass der VN die Versicherungsbedingungen vor Abgabe seiner Vertragserklärung nur in elektronischer Form zur Verfügung gestellt erhalten hat. Auch dazu ist Einiges zu sagen:

a. Das neue Rücktrittsrecht soll dem VN vom Wortlaut her nur dann zustehen, wenn er die Versicherungsbedingungen „zur Verfügung gestellt erhalten hat“. Damit wird ein Terminus aufgenommen, der in § 5a verwendet wird und dort eine ganz bestimmte Bedeutung hat. In den EB liest man dagegen, dass der VN dann ein Rücktrittsrecht haben soll, wenn er die Versicherungsbedingungen nur in elektronischer Form „erhalten hat“. Das ist weiter und deckt auch den Fall der „Übermittlung“ ab. Es stellt sich daher die Frage, was wirklich gemeint ist.

b. Das neue Rücktrittsrecht beruht nicht – wie die bisherigen Rücktrittsrechte des § 5b Abs 2 Z 1, Z 2 und Z 3 – darauf, dass der Versicherer Verpflichtungen verletzt hat, sondern geht offenbar davon aus, dass die elektronische Kommunikation für den VN gefährlicher ist als jene in Papierform. Insofern ist es schon bezeichnend, dass der Wortlaut der Bestimmung davon spricht, dass der VN die Versicherungsbedingungen „nur“ in elektronischer Form zur Verfügung gestellt erhalten hat. Die elektronische Form ist also offenbar eine „mindere“

Form. Es stellt sich die Frage, ob diese Bewertung mit dem Grundanliegen der Reform vereinbar ist, oder ganz im Gegenteil falsche ökonomisch Anreize auslöst (Schauer).

c. Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass der MinE am Katalog der Bestimmungen in Z 3 nichts geändert hat. In der dortigen Aufzählung fehlt daher nach wie vor – mE unverständlicherweise (vgl Fenyves, Die Informationspflichten des Versicherers, VR 2009, H 1-2, 16 [18]) - § 75 VAG.

7. § 5b Abs 3a führt ein allgemeines Rücktrittsrecht ein, das aber nur dem Verbraucher

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zustehen soll. Das ist mE systemwidrig, da das VersVG ganz allgemein dem Kundenschutz gewidmet ist und auch die übrigen Rücktrittsrechte des § 5b allen VN offenstehen. Das gilt auch für das Rücktrittsrecht gemäß § 165a. Die einzige Ausnahme von diesem Grundsatz ist § 8 Abs 3. Dabei sollte es bleiben.

Abs 3a ist überdies falsch positioniert. Da er ein weiteres Rücktrittsrecht schafft, sollte er entweder in Abs 2 integriert werden oder aber einen neuen Abs 2a bilden.

8. Die Neuformulierung des § 35 wirft ein allgemeines Problem auf. Bis jetzt war der VN nur gegen „Aushändigung“ des Versicherungsscheines zur Zahlung der Prämie verpflichtet.

Dieser Ausdruck wurde nun durch „Übermittlung“ ersetzt. Das VersVG geht jedoch – auch in seiner durch den MinE ansonsten vorgesehenen Fassung – von einem Gegensatz zwischen

„Aushändigen“ und „Übermittlung“ aus und meint mit „Aushändigen“ offenbar die körperliche Übergabe einer Urkunde, mit „Übermitteln“ die „unkörperliche“ Übergabe durch elektronische Kommunikation (vgl §§ 3 Abs 1, 3 Abs 3 2 Satz, 5 Abs 2, 5b Abs 3, 6 Abs 3 und öfter). ME sollte man es bei der Dualität dieser beiden Begriffe belassen und „Übermitteln“

nicht als Oberbegriff verwenden. In § 35 sollte es daher besser heißen „gegen Aushändigung oder Übermittlung“. Dasselbe gilt für §§ 43 und 75 Abs 1 VersVG.

9. Aus den oben erwähnten Gründen halte ich es nicht für richtig, wenn in § 165a Abs 2a nur den Verbraucher schützt. Sowohl § 165a selbst als auch § 9 Abs 1 Z 6 VAG schützen den VN schlechthin. Außerdem enthält auch § 5b eine allgemein wirksame Regel darüber, dass der Fristenlauf für den Rücktritt erst beginnt, wenn der VN über sein Rücktrittsrecht belehrt worden ist. Auch 165a Abs 2a sollte daher den VN allgemein schützen.

10. In seiner derzeitigen Fassung kann gemäß § 178 Abs 1 für die Kündigung eines Lebensversicherungsvertrages gemäß § 165 die Schriftform ausbedungen werden. Der MinE ersetzt die Schriftform durch die „geschriebene Form“. Es ist daher unzutreffend, wenn die EB meinen, dass für die Kündigung einer Lebensversicherung künftig „auch“ die geschriebene Form vereinbart werden können soll. Es kann vielmehr nur diese Form vereinbart werden, wenn es bei der derzeitigen Formulierung bleibt.

Ich bitte Sie, sehr geehrter Herr Dr. Barth, die Kürze meiner Ausführungen zu entschuldigen.

Ich hoffe, nichts übersehen oder missverstanden zu haben. Für Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

(6)

o.Univ.-Prof.Dr. Attila Fenyves

Vorstand Institut für Zivilrecht Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien

Schottenbastei 10-16 A-1010 Wien

E-Mail: attila.fenyves@univie.ac.at

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