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Wir sind alle ein Team!

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Academic year: 2022

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„Wir sind alle ein Team!“

Tobias Rottmann schnappt sich seine Motorsäge. Er braucht sie an diesem nasskalten Vormittag in der abschüssigen Grünanlage eines großen Münsteraner Speditionsunternehmens. Um ihn herum sprießen üppige Feuerdornbüsche, manche Bäume sind bereits zugewuchert. „Feuerdorn wächst schnell, man muss ihn regelmäßig verjüngen und auf den Stock setzen“, sagt Rottmann.

Dann wirft er die Motorsäge an und schneidet die Pflanzen bis auf den Stamm zurück. Der 36-Jährige rückt dem Feuerdorn aber nicht allein zu Leibe. Thomas Kramer und Frank Blümer sägen mit, Frederik Mauel schiebt die dornigen Äste in den Häcksler.

Die Motorsägen und der Häcksler, der das Häckselholz zurück in die Büsche ausspuckt, dröhnen um die Wette. Mit sogenannten Earbags an ihren Helmen schützen sich die Männer gegen den Krach.

Tobias Rottmann ist der Vorarbeiter. In seinem Gartenbau-Trupp arbeiten Menschen mit Behinderungen, angestellt sind sie bei der Gemeinnützigen Umweltwerkstatt GmbH, kurz GUW. Der Garten- und Landschaftsbaubetrieb aus Münster kümmert sich um die Pflege öffentlicher und privater Garten- und Außenanlagen. Das Inklusionsunternehmen hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich seine Marktanteile ausgebaut.

Über Bedenken hinweg

Diese Erfolgsgeschichte hängt ganz maßgeblich mit einem Mann zusammen: Thomas Pahls. 2015 verkaufte er sein florierendes Gartenbau-Unternehmen und übernahm die bis dato zur Caritas Münster gehörende GUW. Er übernahm auch die sechs GUW- Mitarbeiter, nutzte seine vielen beruflichen Kontakte, krempelte die Ärmel hoch und setzte sich über viele Bedenken in seinem Umfeld hinweg. „Weißt du, was du da tust?“, fragte ihn seine Frau anfangs.

Er wusste es. Und vor allem: Er wollte etwas vollkommen Neues,

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etwas Mutiges machen. Pahls sprach mit der Handwerkskammer Münster, mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) und mit vielen anderen: „Ich musste erst einmal lernen, was ein Inklusionsunternehmen überhaupt ist.“ Er investierte außerdem in einen modernen Maschinenpark und schaffte Bagger, Radlader, Häcksler an. „Das ist die Grundvoraussetzung, um überhaupt entsprechende Aufträge zu bekommen“, erklärt er.

Frühere Verbindungen

Und die Aufträge kamen tatsächlich. „Da haben mir meine früheren Verbindungen sicherlich geholfen“, sagt Thomas Pahls.

I n d e n e r s t e n z w e i J a h r e n v e r d r e i f a c h t e e r d e n Personalbestand. Heute arbeiten 35 Menschen bei der GUW, 45 Prozent davon sind Menschen mit Behinderungen.

Alle sind stolz darauf, dass die Kunden des Betriebs so gut wie immer sehr zufrieden sind und es kaum Reklamationen gibt.

Was Thomas Pahls besonders freut: „Unsere Leute werden kaum noch krank, der Krankenstand ist extrem gesunken.“ Für ihn ein Beweis dafür, dass das Betriebsklima gut ist.

Dazu tragen auch eingespielte Arbeitsabläufe bei. Es gibt ein Vorladeteam, das ab 6:30 Uhr alle elf Fahrzeuge nebst Anhänger belädt, es folgt eine Morgenbesprechung mit klaren Ansagen und transparenten Teamstrukturen. „Wir haben die Teams so aufgestellt, dass sie menschlich gut zusammenpassen“, erklärt Pahls. Das Ergebnis: Die Mannschaften sind gut eingespielt, alle Arbeitsabläufe klappen reibungslos.

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Thomas Pahls (links) und Christian Rüschoff leiten die GUW. Die beiden Gartenbau-Profis haben das Unternehmen sowohl menschlich als auch wirtschaftlich nach vorne gebracht. Foto: LWL/Kopfkunst

Der Münstersche Garten- und Landschaftbaubetrieb kümmert sich um die Pflege öffentlicher und privater Garten- und

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Außenanlagen. Foto: LWL/Kopfkunst

Rüschoff steigt ein

2 0 1 8 h o l t e P a h l s C h r i s t i a n R ü s c h o f f a l s n e u e n C o - Geschäftsführer zur GUW. Rüschoff führte bis dato einen gut gehenden Gartenbaubetrieb mit sechs Mitarbeitern, den er sich über elf Jahre hinweg aufgebaut hatte. Pahls warb beharrlich um ihn und bot ihm den Geschäftsführer-Posten bei der expandierenden GUW an. Rüschoff sagte schließlich zu und stieg bei der GUW ein. „Ich habe es nicht bereut“, sagt er rückblickend. Klar, zunächst musste er ein Gespür dafür entwickeln, wie er die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Behinderung optimal ins Team integrieren konnte, „aber da bin ich schnell reingewachsen. Es macht Spaß, mit diesem Team zu arbeiten.“ Auch GUW-Chef Thomas Pahls ist überzeugt von seinem neuen Partner: „Christian wird die Zukunft der GUW gut gestalten!“

Das wird unter anderem mit Menschen wie Tobias Rottmann möglich, der sich vom Praktikanten zum Vorarbeiter hochgearbeitet hat. Vor gut drei Jahren kam er zur GUW. Wegen einer Luftröhrenverengung bekam er immer schlechter Luft, konnte in seinem vorherigen Beruf als Schweißer nicht weiterarbeiten und wurde arbeitslos. Er hat heute einen anerkannten Grad der Behinderung von 50. Weil er als Praktikant von Anfang an engagiert mit anpackte, bot GUW-Chef Thomas Pahls ihm eine feste Stelle an. „Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen, das hat mir sicher geholfen“, sagt Rottmann. Schnell machte er sich unentbehrlich. „Vor drei Jahren kam Thomas Pahls zu mir und meinte, ich hätte Führungsqualitäten. Er fragte mich, ob ich nicht Vorarbeiter werden wollte“, erinnert sich Rottmann. Seitdem führt er ein vierköpfiges Team, „und das ganz souverän“, wie Thomas Pahls findet. Tobias Rottmann selbst ist froh, bei der GUW angefangen zu haben: „Vom Praktikanten zum Vorarbeiter – das ist doch toll!“

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Auf Augenhöhe

Dass Mitarbeiter wie Tobias Rottmann bei der GUW ihre Chancen so gut entfalten können, liegt auch am Führungsstil von Thomas Pahls und Christian Rüschoff. „Wir sind alle ein Team und begegnen unseren Leuten auf Augenhöhe“, sagt Pahls. Morgens begrüßt er jeden einzelnen Mitarbeiter per Handschlag. Und:

„Hier duzt jeder jeden.“ Die beiden Chefs packen selbst mit an, und wenn etwas nicht klappt, wird das sofort besprochen.

Denn die Motivation der Mitarbeiter ist für Pahls und Rüschoff das A und O eines erfolgreichen Unternehmens.

Zurück in der Grünanlage des Speditionsunternehmens: Vom Feuerdorn-Wildwuchs sind nur noch Häckselspäne übriggeblieben.

Tobias Rottmann blickt zufrieden auf den Rückschnitt. Morgen wird er mit seinem Team zur nächsten Baustelle fahren. Er freut sich schon darauf.

Inklusion auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt

V E R S C H O B E N : D i e L W L - M e s s e d e r Inklusionsunternehmen 2020

Über 160 Inklusionsunternehmen und -abteilungen behaupten sich in Westfalen-Lippe am Markt – darunter auch die Grünbau GmbH.

Sie und andere Betriebe dieser Art tragen besonders viel zur Inklusion bei, weil sie mindestens 30 Prozent Menschen mit Schwerbehinderung auf festen Arbeitsplätzen beschäftigen. Wie jedes andere Unternehmen müssen all diese Firmen dennoch erfolgs- und wettbewerbsorientiert arbeiten.

Das LWL-Inklusionsamt Arbeit widmet diesen vorbildlichen Unternehmen und dem Thema Arbeit und Inklusion eine eigene Veranstaltung: Die LWL-Messe der Inklusionsunternehmen, die in diesem Jahr eigentlich am 18. März 2020 in der Messe Dortmund

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stattfinden sollte. Wegen der zunehmenden Verbreitung des neuartigen Coronavirus‘ muss die Veranstaltung nun um ein Jahr verschoben werden: Der neue Termin ist voraussichtlich der 17.

März 2021.

Mehr Informationen und eine Telefonnummer für Rückfragen f i n d e t i h r i n d e r o f f i z i e l l e n P r e s s e m e l d u n g d e s Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL).

Fit für die Zukunft

Die vier Reihen Menschen auf dem Foto wirken wie eine Wand.

Alle tragen ein in grün eingesticktes »Lüttmann « auf ihrer schwarzen Dienstkleidung. Es ist das offizielle Bild der

»Lüttmann Garten- und Landschaftsgestaltung« in Recke zum 25- jährigen Bestehen im Jahr 2013. Die meisten darauf lächeln, schauen nach vorne, wirken selbstsicher und stolz. Auf dem Foto spiegelt sich der Geist des Unternehmens, das Werner Lüttmann 1988 gegründet hat. Beschäftigt sind hier derzeit 55 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Alle hat Lüttmann selbst eingestellt. „Wir brauchen Leute, die zu uns passen“, sagt er und zeigt auf das Foto, das groß gerahmt im Besprechungsraum hängt.

Mergim Noshajs Stärke ist das Pflastern, für das er hier den

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Untergrund vorbereitet. Stift, Block und SMS gleichen im Arbeitsalltag aus, dass er nur schlecht hören und sprechen kann.

Einer dieser Leute ist Mergim Noshaj. Er hat seine Ausbildung bei Lüttmann gemacht. Noshaj hat eine Schwerhörigkeit geerbt, erzählt Werner Lüttmann, deshalb könne er sich kaum verbal ausdrücken. Seine besonderen Fähigkeiten liegen im Pflasterbereich, sagt sein Chef über ihn. Wo Hände und Füße nicht mehr reichen, ersetzen das gesprochene Wort unter Kollegen Zettel und Stift, manchmal sogar die SMS auf dem Handy. Er sei einer, der mit anpackt, sagt Lüttmann, der das Unternehmen mit seiner Frau Ruth aufgebaut hat. Er hat deshalb auch überhaupt nicht den Eindruck, dass „der Mergim“ in den Arbeitsteams nicht mithalten kann.

Viele positive Erfahrungen

Der Unternehmer ist gelernter Blumen- und Zierpflanzengärtner und hat einen Doppelmeister im Garten- und Landschafts- sowie Straßenbau. Lüttmann hat einen früheren Kreisbauhof zur Zentrale seines Unternehmens gemacht. Die Firma läuft: „Die Auftragslage ist gut“, sagt er. Neun Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Schwerbehinderung arbeiten im Unternehmen und bilden die Integrationsabteilung, die Werner Lüttmann im Jahr 2008 gründete. Er wendet sich zum Foto und fragt ganz direkt:

„Können Sie auf dem Foto unterscheiden, wer eine Behinderung hat und wer nicht? Das ist ein Team hier.“ Er habe so viele

„positive Erfahrungen“ mit den Kollegen und Kolleginnen gemacht, dass er die Entscheidung in keiner Weise anzweifele.

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Gerade beim richtigen Setzen der Steine kann viel schief gehen; Mergim Noshaj weiß aber, wie das richtige Muster gelegt wird.

Lüttmann und sein Techniker und Meister Guido Ostendorf wissen, wer welches Handicap hat. Aber das ist längst nicht allen anderen in der Firma bekannt. „Jeder muss selbst entscheiden, ob er es den Kollegen und Kolleginnen erzählen will“, sagt Lüttmann. Ostendorf ist für die Logistik in der Firma zuständig und hat sich vom LWL für die psychosoziale Betreuung schulen lassen. Und wenn er morgens die Teams zusammenstellt, achtet er auf Ausgewogenheit: Wo Handicaps die Arbeit einschränken, setzt er Kolleginnen und Kollegen unterstützend ein.

Fachkräfte werden rar

Der Weg in die Firma führt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Behinderungen über ein Praktikum. Wer dieses erfolgreich absolviert, bekommt ein Job-Angebot. „Teamfähig müssen alle unsere Leute sein, das ist wichtig.“ Für Werner Lüttmann ist der Einsatz von Menschen mit Behinderungen eine wirtschaftliche Entscheidung, die sich langfristig trage. Weil sie seltener den Arbeitsplatz wechselten und sich sehr für ihre Arbeit engagierten und die Branche lange Erfahrung mit der Beschäftigung von älteren Menschen und Menschen mit Behinderung habe.

Gartenbau-Unternehmer Werner Lüttmann setzt auf die Stärken seiner Mitarbeiter.

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Als dritten Grund führt der Firmenchef den sich anbahnenden Fachkräftemangel an. Zwar bildet Lüttmann regelmäßig junge Menschen aus. Ob sich aber auch in Zukunft genügend Fachleute finden werden, ist nicht sicher.

Dass eine mögliche Behinderung für jeden Beschäftigten aktuell werden kann, hat Vorarbeiter Martin Smits am eigenen Leib erfahren. Der 48-Jährige schlägt sich seit kurzem mit einer dauerhaften körperlichen Einschränkung am Bein herum. Deswegen brauche Smits wohl bald einen angepassten Arbeitsplatz, so Lüttmann. Die enge Zusammenarbeit mit dem LWL-Inklusionsamt Arbeit helfe dem Unternehmen dabei, den Kollegen weiter beschäftigen zu können. Zum Beispiel mit Zuschüssen, um speziell auf die Behinderung zugeschnittene Geräte anschaffen zu können, oder mit dem Ausgleich für Minderleistung. „Wichtig ist, dass der sozialversicherungspflichtige Arbeitsplatz erhalten bleibt.“

Inklusion nach außen tragen

Das LWL-Inklusionsamt Arbeit hilft den Unternehmen dabei, die Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung individuell anzupassen. So kann auch Martin Smits in seinem Beruf weiter arbeiten.

Werner Lüttmann trägt sein unternehmerisches Engagement für Menschen mit Behinderungen, wie er sagt, „bewusst nach außen“.

Der 58-Jährige setzt sich in der Unternehmerschaft des Tecklenburger Landes dafür ein, dass sich das Wissen über Inklusion am Arbeitsplatz weiter verbreitet. Der Unternehmer nutzt jede Chance, damit die Gesellschaft toleranter im Umgang

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mit Menschen mit Behinderungen wird. Wie zum Beispiel beim Fest zum 25-jährigen Bestehen seines Betriebs, bei dem auch ein Mitarbeiter des LVR-Inklusionsamtes über die Erfolge der Integrationsunternehmen sprach.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geben ihrem Chef Werner Lüttmann viel zurück. Manchmal auch durch Engagement, das er so nicht erwartet hat. „Mergim Noshaj zum Beispiel hat mit Hilfe der Gehörlosenschule in Essen einen Kettensägen- Schein gemacht“, sagt Werner Lüttmann. „Vor so einer Leistung habe ich großen Respekt.“

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