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SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES LANDESSOZIALGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

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SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES LANDESSOZIALGERICHT

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

In dem Rechtsstreit

____________________________________,

- Klägerin und Berufungsklägerin -

Prozessbevollmächtigte: ________________________________________

g e g e n

____________________________________________

- Beklagter und Berufungsbeklagter -

hat der 13. Senat des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz ohne mündliche Verhandlung am 13. Juni 2013 in Schleswig durch

den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht ________, den Richter am Landessozialgericht _______,

die Richterin am Sozialgericht _______ sowie die ehrenamtliche Richterin __________ und den ehrenamtlichen Richter ________

für Recht erkannt:

(2)

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 24. November 2010 sowie der Bescheid des Beklagten vom 4. Juli 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2008 aufgehoben.

Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 315,00 EUR für die Erstausstattung bei Geburt eines Kindes zu zahlen.

Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Instan- zen zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

T a t b e s t a n d

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Leistungen für die Erstausstattung bei Geburt eines Kindes hat.

Die Klägerin steht seit dem 1. Juni 2007 im Leistungsbezug bei dem Beklagten. Im Rahmen der erstmaligen Antragstellung am 15. Mai 2007 gab die Klägerin an, schwanger zu sein. Aus von ihr anschließend eingereichten Unterlagen ergab sich, dass sie am 24. Mai 2007 einen Betrag in Höhe von 400,00 EUR seitens des Pro Familia Landesverbandes aus der Stiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungebore- nen Lebens“ (Mutter-Kind-Stiftung) für die Erstausstattung eines Kindes erhalten hat- te.

Mit Schreiben vom 17. Juni 2007 stellte die Klägerin bei dem Beklagten einen Antrag auf Leistungen für Erstausstattung bei Geburt eines Kindes.

Mit Bescheid vom 4. Juli 2007 lehnte der Beklagte diesen Antrag ab. Im Hinblick auf die von der Klägerin geltend gemachten Pauschalbeträge und den Umstand, dass der Beklagte als Pauschalbetrag für einen Kinderwagen und auch für ein Kinderbett jeweils 80,00 EUR zugrunde lege, hätte die Klägerin zwar grundsätzlich einen An- spruch auf Erstausstattung bei Geburt eines Kindes in Höhe von 315,00 EUR. Dieser Bedarf sei jedoch bereits durch den Landesverband Pro Familia durch Zahlung eines

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Betrages in Höhe von 400,00 EUR gedeckt worden, sodass auf die Leistung für Erstausstattung kein Anspruch mehr bestehe. Der Antrag auf einen Pauschalbetrag nach der Geburt werde abgelehnt, da dieser im Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) nicht vorgesehen sei.

Mit ihrem hiergegen am 12. Juli 2007 eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass die Leistungen aus der Mutter-Kind-Stiftung nicht auf Sozialleistungen von dem Beklagten anrechenbar seien. Diesbezüglich verweise sie auf ein beigefüg- tes Informationsblatt des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Ju- gend. Der Beklagte habe ihr danach den grundsätzlich anerkannten Anspruch in vol- ler Höhe auszuzahlen. Der Antrag auf einen Pauschalbetrag nach der Geburt könne nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass ein solcher im SGB II nicht vorge- sehen sei. Dieser Pauschalbetrag nach der Geburt sei eine gängige Leistung nach

§ 23 Abs. 3 SGB II. Die Klägerin nahm insofern Bezug auf den Widerspruch beige- fügte fachliche Vorgaben zu § 23 SGB II der ARGE Hamburg.

______ 2007 wurde die Tochter J___ der Klägerin geboren.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25. März 2008 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass Leistungen nach § 37 SGB II nicht für Zeiten vor Antragstellung erbracht würden. Nach den ein- gereichten Kontoauszügen habe die Klägerin bereits am 24. Mai 2007 aus der Mut- ter-Kind-Stiftung einen Betrag in Höhe von 400,00 EUR erhalten. Der Antrag bei dem Beklagten sei erst mit Schreiben vom 17. Juni 2007 gestellt worden. Somit sei der Bedarf schon vor Antragstellung gedeckt gewesen, sodass bereits deshalb eine Hil- fegewährung nicht in Betracht komme. Es könne bestätigt werden, dass die Leistun- gen der Mutter-Kind-Stiftung nicht auf das Arbeitslosengeld II anzurechnen seien.

Vorliegend bestehe jedoch aufgrund der bereits gewährten Hilfe aus der Mutter-Kind- Stiftung der Bedarf der Erstausstattung nicht mehr. Die von dem Beklagten zu be- achtenden Vorgaben ermöglichten keine Auszahlungen einer Pauschale nach der Geburt. Nach der Geburt wäre die Gewährung einer Beihilfe für die Anschaffung ei- nes Kinderwagens grundsätzlich möglich. Der Betrag hierfür sei jedoch in dem grundsätzlich anerkannten Bedarf von 315,00 EUR enthalten und somit bereits auch durch die gewährte Leistung der Mutter-Kind-Stiftung gedeckt.

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Hiergegen hat die Klägerin am 28. April 2008 Klage beim Sozialgericht Lübeck erho- ben und zu deren Begründung im Wesentlichen vorgetragen, dass die Vorgehens- weise des Beklagten im Ergebnis einer Anrechnung von Leistungen aus der Mutter- Kind-Stiftung gleichkomme. Selbst wenn durch den Erhalt der 400,00 EUR der Be- darf gedeckt sein könnte, so sei gar nicht klar, welcher Bedarf damit gemeint sei. Aus dem Kontoauszug sei nicht ersichtlich, wofür konkret die Stiftung einen Zuschuss gewährt habe. Nur wenn der Zuschuss der Stiftung für denselben Zweck gewährt worden wäre, könnte dies für die Sichtweise der Beklagten sprechen. Nach § 5 Abs. 2 des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Mutter und Kind – Schutz des un- geborenen Lebens“ (MuKStiftG) seien Leistungen der Stiftung nicht als Einkommen auf SGB II-Leistungen anrechenbar. Zudem könne die Stiftung auch dann einen Zu- schuss gewähren, wenn die Leistungen nach dem SGB II nicht ausreichend seien.

Die Leistungen der Mutter-Kind-Stiftung dienten dazu, jungen Müttern Mut zu ma- chen. Diese Wirkung solle von dem Beklagten nicht untergraben werden. Das Verbot der Anrechnung beziehe sich nicht nur auf die Regelleistung, sondern auch auf ein- malige Leistungen. Auch die Hinweise der Bundesagentur für Arbeit zu § 11 SGB II sähen vor, dass die Leistungen aus der Mutter-Kind-Stiftung nicht als Einkommen zu berücksichtigen seien.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 4. Juli 2007 in der Gestalt des Wider- spruchsbescheides vom 25. März 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr einen Betrag in Höhe von 315,00 EUR für die Erstaus- stattung bei Geburt eines Kindes zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat er sich auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid bezo- gen.

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Mit Urteil vom 24. November 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen. Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentli- chen ausgeführt, Voraussetzung für einen Anspruch auf Leistungen für Erstausstat- tung bei Geburt sei, dass ein entsprechender Bedarf bei einer Erstausstattung bei Geburt bestehe, der nicht anderweitig gedeckt sei. Daran fehle es hier. Der Bedarf an Erstausstattung bei Geburt des Kindes in Höhe von 315,00 EUR sei bei Antrag- stellung zu diesem Zeitpunkt bereits durch die gezahlten Leistungen der Mutter-Kind- Stiftung in Höhe von 400,00 EUR gedeckt gewesen. Daher sei es nicht zu beanstan- den, dass der Beklagte den Antrag der Klägerin auf Leistungen für Erstausstattung bei Geburt wegen bereits vor Antragstellung gedeckten Bedarfes abgelehnt habe.

Dem stünden auch die gesetzlichen Bestimmungen des MuKStiftG nicht entgegen, aus denen sich ergebe, dass die Leistungen nach dem MuKStiftG nachrangig seien.

Im Falle von Personen, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende be- zögen, sei zunächst vorgesehen, dass diese sich an den Träger der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende wenden sollten, um dort Leistungen zur Siche- rung des Existenzminimums zu beantragen. So sehe auch das SGB II einen An- spruch auf Leistungen für Erstausstattung bei Geburt eines Kindes gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II vor. Würden solche vorrangigen Leistungen nach dem SGB II allerdings nicht rechtzeitig erbracht oder stelle sich heraus, dass die gemäß

§ 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II vom Grundsicherungsträger bewilligten Leistungen nicht ausreichten, dann könnten gemäß § 4 Abs. 2 MuKStiftG Leistungen aus Mitteln der Stiftung gewährt werden. In einem solchen Fall dürften diese Leistungen aus der Stiftung gemäß § 5 Abs. 2 MuKStiftG nicht als Einkommen im Rahmen der Grundsi- cherung für Arbeitsuchende angerechnet werden. Mit der Regelung des § 5 Abs. 2 MuKStiftG solle also sichergestellt werden, dass Leistungen aus Mitteln der Mutter- Kind-Stiftung nicht auf die dem Hilfebedürftigen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gewährten Leistungen gemäß der §§ 19 ff. SGB II (beispielsweise die Regelleistung und die Kosten für Unterkunft und Heizung) als Einkommen gemäß

§ 11 SGB II angerechnet würden. So liege der Fall hier allerdings nicht. Die Klägerin habe sich nicht zuerst an den Beklagten gewandt und dort einen Antrag auf Leistun- gen für Erstausstattung bei Geburt eines Kindes gestellt. Sie habe damit nicht zu- nächst abgewartet, ob der Beklagte rechtzeitig Leistungen erbringe und ob diese Leistungen für die Erstausstattung bei Geburt eines Kindes ausreichend seien. Viel- mehr habe sie sich zunächst an Pro Familia gewandt und dort auch Leistungen in

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Höhe von 400,00 EUR für die Erstausstattung des Kindes erhalten. Stehe der Kläge- rin ein solcher Geldbetrag in Höhe von 400,00 EUR zur Verfügung, der mangels rechtzeitiger Antragstellung bei dem Beklagten nicht als Ergänzung zu Leistungen nach dem SGB II bewilligt worden sei, sondern ungeachtet eines Antrags bei dem Beklagten, dann deckten diese Leistungen aus Mitteln der Mutter-Kind-Stiftung den grundsicherungsrechtlichen Bedarf an Erstausstattung bei Geburt gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II. § 5 Abs. 2 MuKStiftG wolle lediglich verhindern, dass Leistungen aus Mitteln der Stiftung als Einkommen bei den Leistungen zur Sicherung des Le- bensunterhalts wie der Regelleistung und den Kosten der Unterkunft und Heizung angerechnet würden. Im Falle der Klägerin handele es sich jedoch nicht um eine Einkommensanrechnung gemäß § 11 SGB II, sondern um die Deckung des Bedarfs gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II vor einer entsprechenden Antragstellung bei dem Beklagten.

Gegen dieses der Klägerin am 8. Januar 2011 zugestellte Urteil richtete sich ihre Nichtzulassungsbeschwerde, die am 12. Januar 2011 bei dem Schleswig-Holstei- nischen Landessozialgericht eingegangen ist. Mit Beschluss vom 8. März 2011 (L 11 AS 10/11 NZB) hat das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht die Beru- fung zugelassen.

Zur Begründung ihrer Berufung führt die Klägerin aus, dass auch nach der Bedarfs- deckung ein Anspruch auf Leistungen der Erstausstattung anlässlich der Geburt be- stehe, da diese als pauschalierte Geldleistung erbracht werde. Nach dem MuKStiftG dürfe eine Anrechnung auch bei einer Auszahlung der Stiftungsmittel vor der Gewäh- rung von Sozialleistungen nicht erfolgen. Die Stiftungsmittel sollten nicht Sozialleis- tungsträger entlasten, sondern den Müttern zusätzlich zu den nach dem SGB II an- zuerkennenden Bedarf zustehen.

Die Klägerin beantragt ausweislich ihres schriftlichen Vorbringens,

das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 24. November 2010 sowie den Bescheid des Beklagten vom 4. Juli 2007 in Gestalt des Widerspruchs- bescheides vom 25. März 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verur-

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teilen, ihr einen Betrag in Höhe von 315,00 EUR für die Erstausstattung bei Geburt eines Kindes zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Ver- handlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteilig- ten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Verwaltungsakten des Beklagten und der Akten L 11 AS 10/11 NZB des Schleswig-Holsteinischen Lan- dessozialgerichts. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der Be- ratung gewesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit Einverständnis der Beteiligten hat der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden.

Die Berufung ist zulässig, da sie durch Beschluss vom 8. März 2011 in dem Verfah- ren vor dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht L 11 AS 10/11 NZB zuge- lassen wurde. Der Einlegung der Berufung bedarf es danach gemäß § 145 Abs. 5 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht mehr.

Die Berufung ist auch begründet. Die Klägerin hat dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen für Erstausstattung bei Geburt eines Kindes in Höhe von 315,00 EUR gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 SGB II a. F. (jetzt § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Satz 2). Dass der Anspruch als Pauschalbetrag in dieser Höhe besteht, steht zwei- felsfrei fest und wird durch den Beklagten in den angefochtenen Bescheiden auch

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bestätigt. Einen höheren Betrag macht die Klägerin mit ihrem Klageantrag nicht gel- tend.

Zu Unrecht gehen der Beklagte und das Sozialgericht davon aus, dass der Bedarf an Erstausstattung bei Geburt eines Kindes in Höhe von 315,00 EUR bei Antragstellung durch die Klägerin bereits durch Leistungen der Mutter-Kind-Stiftung in Höhe von 400,00 EUR gedeckt gewesen sei. Denn die Klägerin hat vor der Zahlung durch die Mutter-Kind-Stiftung am 24. Mai 2007 den erstmaligen Antrag auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bereits am 15. Mai 2007 gestellt. In diesem An- trag hat die Klägerin unter „IV. Leistungen für besondere Mehrbedarfe“ angegeben, schwanger zu sein. Grundsätzlich ist ein Leistungsantrag so auszulegen, dass das Begehren des Antragstellers möglichst weitgehend zum Tragen kommt. Deshalb sind als beantragt alle Leistungen anzusehen, die nach Lage des Falls ernsthaft in Be- tracht kommen (Grundsatz der Meistbegünstigung; vgl. etwa LSG Berlin-Branden- burg, Beschluss vom 20. April 2012 – L 19 AS 1029/11 B PKH). Wird mit einem An- trag ein Hilfebedarf nach dem SGB II geltend gemacht, so sind damit alle Leistungen umfasst, die der Sicherung des Lebensunterhalts in Form des Arbeitslosengeldes II dienen, also regelmäßig alle im ersten und zweiten Unterabschnitt des zweiten Ab- schnitts des Dritten Kapitels SGB II genannten Leistungen. Dem steht nicht entge- gen, dass es sich bei den in § 23 Abs. 3 a. F. SGB II genannten Leistungen um ein- malige Sonderbedarfe handelt. So wird einerseits gewährleistet, dass ein Hilfebedürf- tiger alle ihm zustehenden Leistungen auch tatsächlich erhält, ohne dass er von vornherein alle denkbaren Möglichkeiten eingeplant haben muss. Andererseits erge- ben sich aber auch Vereinfachungseffekte bei dem Sozialleistungsträger, der bei Prüfung der Leistungen auf einen einheitlichen Zeitpunkt abstellen kann und bei zeit- lichen Verzögerungen der Streit ausgespart bleibt, ob gegebenenfalls eine notwendi- ge Beratung nicht oder nicht in dem notwendigen Umfang stattgefunden hat (Bun- dessozialgericht, Urteil vom 19. August 2010, B 14 AS 10/09 R, in juris Rn. 24).

Selbst wenn jedoch – wie vom Sozialgericht angenommen – der Antrag auf Leistun- gen für Erstausstattung bei Geburt eines Kindes erst durch das Schreiben der Kläge- rin vom 17. Juni 2007 erfolgt sein sollte, liegt keine Bedarfsdeckung durch die Leis- tungen der Mutter-Kind-Stiftung vor.

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Die aus Stiftungsmitteln gewährten Leistungen – auf die gemäß § 2 Abs. 2 MuKStiftG kein Rechtsanspruch besteht – sollen der werdenden Mutter zusätzlich, d. h. über den Rechtsanspruch auf Leistungen nach dem SGB II hinaus, zur Verfügung stehen.

In Abgrenzung zu anderen Sozialleistungen sind die Leistungen der Stiftung „ergän- zende Hilfen“ (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 MuKStiftG), die über diejenigen der bestehen- den Sozialgesetze hinausgehen und die der schwangeren Frau in einer Notlage die Fortsetzung der Schwangerschaft erleichtern sollen. Gemäß dieser Zweckbestim- mung sind Stiftungsleistungen nicht dafür gedacht, den Mindestbedarf nach dem SGB II zu decken, sondern der Empfängerin die Befriedigung von darüber hinausge- henden Wünschen zu ermöglichen (so bereits VG Braunschweig zum BSHG, Urteil vom 9. November 1989 – 4 A 4120/89, infoalso 1999, 94). Deshalb ist es auch uner- heblich, ob der werdenden Mutter vor Leistungen nach dem SGB II Gelder der Stif- tung zugeflossen sind oder ob dies im Nachhinein der Fall war. Eine Anrechnung darf auch bei der Auszahlung der Stiftungsmittel vor der Gewährung von Sozialleis- tungen gemäß § 5 Abs. 2 MuKStiftG nicht erfolgen. Da die Stiftungsmittel werdenden Müttern neben dem Rechtsanspruch nach dem SGB II zur Verfügung stehen sollen, ist es unerheblich, welche Leistung zuerst gewährt wurde. Der Zweck, dass beide Leistungen die werdenden Mütter erreichen sollen, würde unterlaufen, wenn die Rei- henfolge der Anträge oder auch der Leistungen zu für die Betroffenen unterschiedli- chen Ergebnissen führen würde.

Nach § 5 Abs. 2 MuKStiftG bleiben Leistungen der Stiftung für die Erstausstattung des Kindes als Einkommen unberücksichtigt, wenn bei Sozialleistungen aufgrund von Rechtsvorschriften die Gewährung oder die Höhe dieser Leistung von anderem Einkommen abhängig ist. Stiftungsleistungen dürfen also weder dem Grunde noch der Höhe nach angerechnet werden. Wollte man die Stiftungsleistungen als bedarfs- deckend für die Erstausstattung des Kindes ansehen, würde dies eine Anrechnung dem Grunde nach darstellen und es liefe zudem dem Stiftungszweck („ergänzende Hilfen“) zuwider. Aus § 5 Abs. 2 MuKStiftG „ergibt sich eindeutig, dass Leistungen aus der Stiftung nicht die Träger anderer Sozialleistungen entlasten sollen. Vielmehr sollen die aus der Stiftung gewährten Leistungen der werdenden Mutter zusätzlich, d. h. über den nach dem Zweiten (SGB II) oder dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) anzuerkennenden Bedarf hinaus zur Verfügung stehen. Die zweckbe-

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stimmten Leistungen aus der Stiftung sind auch nicht dafür gedacht, den Mindestbe- darf gemäß dem SGB II oder SGB XII zu decken“ (Stellungnahme der Bundesregie- rung, Bundestagsdrucksache 17, 3603). Aufgrund dieser ausdrücklichen gesetzli- chen Regelung werden Leistungen aus der Stiftung anders behandelt als beispiels- weise Zuwendungen von Freunden oder Verwandten (z. B. Schenkung eines Kin- derwagens), die einen Bedarf nach dem SGB II ausschließen können (vgl. Bundes- sozialgericht, ebenda; LSG Hamburg, Urteil vom 15. März 2012, L 4 AS 40/09, in ju- ris).

Im Ergebnis bedeutet das, dass bei der Prüfung der Leistungsvoraussetzungen für die Erstausstattung bei Geburt eines Kindes nach dem SGB II Zuwendungen der Mutter-Kind-Stiftung unabhängig vom Zeitpunkt der jeweiligen Anträge und unab- hängig vom Zufluss der jeweiligen Leistung außer Betracht bleiben.

Da der Anspruch der Klägerin auf Leistungen für Erstausstattung bei Geburt eines Kindes in Höhe von 315,00 EUR dem Grunde nach von dem Beklagten zutreffend bejaht wurde, hat die Berufung Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Der Senat lässt die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, weil jährlich etwa 145.000 Anträgen auf Leistungen nach dem MuKStiftG entsprochen wird und die Frage des Verhältnisses insbesonde- re zu Leistungen für Erstausstattung bei Schwangerschaft und Geburt nach dem SGB II – soweit für den Senat ersichtlich – bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist, zumal etwa die Hälfte der Leistungsempfängerinnen nach dem MuKStiftG auch Leis- tungen nach dem SGB II erhält.

Rechtsmittelbelehrung und Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe

I. Rechtsmittelbelehrung

Diese Entscheidung kann mit der Revision angefochten werden.

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Die Revision ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten in- nerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung schriftlich oder in elektronischer Form beim Bundessozialgericht einzulegen. Sie muss bis zum Ablauf der Monatsfrist beim Bundessozialgericht eingegangen sein und die angefochtene Entscheidung bezeichnen.

Die Revision in schriftlicher Form ist zu richten an das Bundessozialgericht, Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel bzw. das Bundessozialgericht, 34114 Kassel. (nur Brief und Postkarte)

Die elektronische Form wird nur durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßga- ben der "Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundessozialgericht" in das elekt- ronische Gerichtspostfach des Bundessozialgerichts zu übermitteln ist. Die hierfür erforderliche Soft- ware kann über das Internetportal des Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs (www.egvp.de) lizenzfrei heruntergeladen werden. Dort können auch weitere Informationen über die Rechtsgrundlagen, Bearbeitungsvoraussetzungen und das Verfahren des elektronischen Rechtsver- kehrs abgerufen werden.

Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen

1. Rechtsanwälte,

2. Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den

Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen,

3. selbstständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,

4. berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,

5. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse

mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

6. Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädi-

gungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichti- gung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder,

7. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nrn.

3 bis 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder ent- sprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevoll- mächtigten haftet.

Die Organisationen zu den Nrn. 3 bis 7 müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt han- deln.

Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunter- nehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäf- tigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammen- schlüsse vertreten lassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Nrn. 1 bis 7 zur Vertretung berech- tigt ist, kann sich selbst vertreten.

Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung von einem zugelas- senen Prozessbevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel ge- rügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben.

Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf der Verlet- zung einer Vorschrift des Bundesrechts oder einer sonstigen im Bezirk des Berufungsgerichts gelten-

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den Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus er- streckt.

II. Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe

Für die Revision vor dem Bundessozialgericht kann ein Beteiligter Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.

Der Antrag kann von dem Beteiligten persönlich gestellt werden; er ist beim Bundessozialgericht schriftlich oder in elektronischer Form (s.o.) einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.

Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhält- nisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen; hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen.

Der Vordruck ist kostenfrei bei allen Gerichten erhältlich. Er kann auch über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) heruntergeladen und ausgedruckt werden.

Im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs ist der Vordruck in Papierform auszufüllen, zu unter- zeichnen, einzuscannen, qualifiziert zu signieren und dann in das elektronische Gerichtspostfach des Bundessozialgerichts zu übermitteln (s.o.).

Wird Prozesskostenhilfe bereits für die Einlegung der Revision begehrt, so müssen der Antrag und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den Belegen innerhalb der Frist für die Einlegung der Revision beim Bundessozialgericht eingegangen sein.

Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.

III. Ergänzende Hinweise

Der Revisionsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden. Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um zwei weitere Abschriften. Dies gilt nicht im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs.

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