Research Collection
Doctoral Thesis
Oekologie der Felsflora kalkarmer Gesteine
Author(s):
Wetter, Ernst Publication Date:
1918
Permanent Link:
https://doi.org/10.3929/ethz-a-000090807
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OEKOLOOIE
DER
FELSFLORA KALKARMER GESTEINE
—o- —
VON DER
EIDGENÖSSISCHEN TECHNISCHEN
HOCHSCHULE IN ZÜRICH
ZUR ERLANGUNG DER
WÜRDE
EINES DOKTORS DER NATURWISSENSCHAFTENGENEHMIGTE
PROMOTIONSARBEIT
VORGELEGTVON
ERNST WETTER
DIPLOM. FACHLEHRER IN NATURWISSENSCHAFTEN AUS
ST. GALLEN
166
REFERENT: HERR PROF. DR. C.SCHRÖTER KORREFERENT: HERR PROF. DR.P.JACCARD
o
ST. GALLEN - DRUCK DER BUCHDRUCKEREI ZOLLIKOFER & CIE. - 1918
Abriss des Lebens und Bildungsganges.
Geboren den 30. Mai 1885 in Plawil
(Kanton
St.Gallen)
be¬suchte ich daselbst die Primär- und Sekundärschule. 1901 trat ich in das
Gymnasium
der KantonalenLehranstalt,
um nachabgelegter Maturitätsprüfung
1906 mit dem Fachstudiuman derEidgenössischen
Technischen Hochschulezubeginnen.
1909be¬stand ich die
Übergangsdiplomprüfung
inMathematik, Chemie, Physik, Mineralogie
undGeologie
und erhielt im Sommer1910,
nach der
Schlussdiplomprüfung
inBotanik, Zoologie
und Geo¬graphie,
dasDiplom
eines Fachlehrers derNaturwissenschaften.Ein Aufenthalt von 2 Semestern an der Universität Mont¬
pellier
diente der weiterenAusbildung hauptsächlich
inPflanzen¬geographie.
Die Zeit von 1910 bis 1916 war derDissertation
gewidmet
neben der
Lehrtätigkeit
an einer zürcherischen Sekundärschule und als Hilfslehrer am kantonalen LehrerseminarKüsnacht,
dem kantonalenGymnasium,
der kantonalen Handelsschule undan der
Handelsabteilung
der Höheren Töchterschule Zürich; im Winter 1916 wurde die Promotionsarbeitabgeschlossen.
o —
Separatalbdruck
aus dem Jahrbuch 1918 der St. Gallischen Naturwissenschaftlichen Gesellschaft.Inhaltsverzeichnis.
.Seite 1. Kapitel: Stand des Studiums der Felsflora und Zweck der vor¬
liegenden Arbeit .... .... 1
2
Kapitel:
Begriff und Einteilung der Felsflora . ... 43.
Kapitel:
Die Stand-, Keim- undWuchsorte bildenden Faktoren. 8 1.Unterkapitel:
DieallgemeinenFaktoren desUntersuchungs¬
gebietes
8§ 1. Wahl des Untersuchungsgebietes . 8
§ 2. Klima des
Untersuchungsgebietes
. 9§ 3 Geologieund
Pétrographie
desUntersuchungsgebietes
17§ 4 Die
Verwitterung
der Gesteine . . . . 25§ 5. Die Tätigkeit der Organismen . . 34 2,
Unterkapitel: Spezielle
FaktorendesUntersuchungsgebietes
(Faktoren der Wuchsorte und Unterschiede auf kleinstem
Räume) . . 46
§ 1. Die
Temperaturverhältnisse
. 46a)
Lufttemperatur
47b)
Bodentemperatur
. 57c) Schlüsse, welche die Temperaturmessungen ge¬
statten . . . . . 72
§ 2. Wasserverhältnisse . . 83
4. Kapitel: Besiedelung durch einige charakteristischePetrophyten 100
5. Kapitel: Allgemeine
Zusammensetzung
derFlora nachStandorten 142Literaturverzeichnis . . 171
Figurenverzeichnis ... 175
Verzeichnis der Photographien . . . 177
Oekologie
der Felsflora kalkarmer Gesteine.
Von Ernst Wetter.
Arbeit aus dem botanischen Museum der Eidg. Technischen Hochschule.
1. Kapitel.
Stand des Studiums der Felsflora und Zweck der vorliegenden Arbeit.
Das Studium der
Oekologie
derphanerogamen
Felsflorahat durch Oettli
(1904)
eineallgemein anerkannte, grund¬
legende Bearbeitung
erfahren. Er stütztsich aufBeobachtungen
an den Kalkfelswänden des Kurfirsten- und des
Säntisgebietes
undberücksichtigt
nur die höherenPflanzen,
weistjedoch
aufdie
Wichtigkeit
derKryptogamen
hin.Die
Frage
des Haushaltes derkryptogamen
Felsflora hat vorher und seither nach mehrerenRichtungen
hin eine Be¬arbeitung
erfahren. Zuerst hat Bachmann dieBeziehungen
der Kalkflechten zu ihrem Substrate studiert
(1890).
Im Jahre1907 erschien eine neue Arbeit des
gleichen
Verfassers über die Rhizoidenzonegranitbewohnender
Flechten. 1915folgte
die 3. Arbeit über kalklösende
Algen.
Auch Schade studiertein seiner Arbeit 1912 ausschließlich die
Kryptogamenflora.
Weitere Arbeiten lieferten Schorler 1914 und Diels 1914.
Ferner sei noch erwähntKraus:
„Boden
und Klima aufkleinstem 1Eaume. Versuch einer exakten
Behandlung
des Standortes auf demWellenkalke",
das in derEichtung
der exaktenFestlegung
der
Standortsbedingungen
einen wesentlichen Fortschritt be¬deutet. Kraus stützt sich
vorwiegend
aufBeobachtungen
anPhanerogamen.
Während Schade und Kraus in erster Linie das Lokal¬
klima
untersuchen,
deutet Di eis bereits die Successionen auf dem Fels an. Diese Successionen wurden namentlich auch vonamerikanischen,
dänischen undenglischen
Forschernverfolgt,
so von Ostenfeld:
"Botany
of the Färbers". Zu nennenist auch Smith in
Tansley's
Werk:"Types
of BritishVegetation".
Beim Studium der schottischenBerge
stellt erdie
Folge
auf:Chomophytes
of shelteredledges-arctic alpine
Grassland formation. Zahlreichepflanzengeographische
Mono¬graphien
berühren unserSpezialgebiet,
wie die vonGrisch, Brockmann, Eübel, Braun, Bär, Geilinger.
Eine
Bearbeitung
derGefäßpflanzen
des kalkarmen Silikat¬gesteines
fehlt indes bisjetzt
und ist als Parallele zur Arbeitvon Oettli eine
dringende Aufgabe.
Dieses Problem zu stu¬dieren unternahmich auf
Vorschlag
meines verehrtenLehrers,
Herrn Prof.
Schröter,
dem ich an dieserStelle meineninnigen
Dank
aussprechen
möchte für seine zahlreichenAnregungen
und seineZuvorkommenheitbei der
Benützung
vonLiteraturundden
Sammlungen
des botanischen Institutes dereidgenössischen
technischen Hochschule. Ebenfalls danke ich hier auch meinem
ehemaligen Lehrer,
Herrn Prof. Jaccard fürAnregung
undGestattung
derBenützung
despflanzenphysiologischen
Insti¬tutes.
Folgende
Herren hatten dieGüte,
kritisches Materialzubestimmen: HerrProf. Rikli
(Erigeron),
die Herren Dr. Brock¬mann
(Festuca),
Dr.Thellung (Epilobium),
Herr Zahn(Hieracium).
Auch ihnen meinen besten Dank wie auch den Herren Prof.
Schellenberg
und Dr. Maurer für ihreRatschläge
und HerrnProf.Grubenmannfür dieDurchsicht des
Kapitels
überGeologie
und
Pétrographie.
In der
Einleitung
zu seiner Arbeit betontOettli,
daßinfolge
der Isolation der Felsflora ein Kommensualismus zumgrößten
Teilausgeschlossen
sei. ImSinneWarmings
suchte er:1. Nach
jeder
neuenSpezies
einerFelswand,
welche sichmit dem Auftreten
gewisser ökologischer Bedingungen
einstellte.2. Nach den besondern
ökologischen Bedingungen,
welchegegeben
seinmüssen,
um eineSpezies
zuermöglichen.
Er
untersuchte,
ob sich nicht sämtliche Stellen einer Fels¬wand,
an denen eine ganz bestimmteSpezies vorkommt,
durchirgendwelche gemeinsamen
Merkmalevonandern,
sowohl nackten als auch besiedelten Teilen der Felswand auszeichnen. Solche meist nur von einer und derselben Art besiedelten Stellen der Felswand nannte er den Wurzelort der betreffendenSpezies.
Der Wurzelort einer bestimmten Art hat nicht nur alle
klimatologischen
undedaphischenFaktoren
mit dembetreffenden Standortegemein,
sondern er weist noch besondere sekundäre Faktoren(Jaccard)
auf. DiePflanze,
welche einen solchen Wurzelortbewohnt,
ist also nicht nur an alle Faktoren des Standortesangepaßt,
sondern sie bedarfgewisser
Sonderan¬passungen,welcheihr
erlauben,
die besondere Stelle des Felsenszu besiedeln.
An Stelle des Ausdruckes Wurzelort möchte ich den von
Heß
angewandten
Ausdruck Wuchsort vorziehen. Dieser hatallgemeine Bedeutung,
wasfür dieBezeichnung
Wurzelort nicht zutrifft. Nur bei denPhanerogamen
können wir vonWurzel¬orten
sprechen,
nicht aber bei denKryptogamen.
Diese sindes aber
gerade,
welche vielerorts dieBedingungen schaffen,
welche die Existenz der
Phanerogramen ermöglichen.
Scharf müssen wir noch unterscheiden zwischen Wuchsort und
Keimplatz.
DieBedingungen
für das Keimen einer be¬stimmten Artmüssennurwährend einer
verhältnismäßig
kurzenSpanne
Zeitgegeben
sein. Wenn sie nur solange andauern,
bis aus dem Samen die
junge
Pflanze sich entwickelthat, genügt
es. Ich erinnere nur an dasFeuchtigkeitsbedürfnis
des keimenden Samens. Dieses braucht nicht das
gleiche
zusein,
wie das der erstarkenden Pflanze. Erfüllt einKeimplatz zugleich
auch dieBedingungen
desWuchsortes,
oder vermag sich derKeimling
diese zuverschaffen,
dann wird die Pflanzezum dauernden Felsbewohner. Im andern Falle verschwindet sie wiederum von der betreffenden Stelle.
3
Die
Aufgaben,
die ich mirbei dieserArbeitgestellt habe,
sindfolgende:
1. Studium des Klimas des Standortes.
2. Studium der
Keimplätze
derFelsenpflanzen.
3. Studium derWuchsorte und des Lebenshaushaltes der Felsbewohner und ihre
Sonderanpassungen
an die sekundären Faktoren der Wuchsorte.4. StudiumdesEinflusses der
Felsenpflanzen
auf dieWuchs¬orte selbst.
Das Studium dieser
Fragen
soll uns Aufschlußgeben,
warum an einer ganz bestimmten Stelle
gerade
die betreffende Pflanze zu finden ist und keine andere.2. Kapitel.
Begriff und Einteilung der Felsflora.
Nicht
alles,
was auf den Felsen wächst undgedeiht,
kannzur Felsflora
gerechnet
werden. Aus derUmgebung dringen
manche Vertreter der benachbarten Gebiete ein. Wir dürfen auch nicht vergessen, daß Standorte sich ändernkönnen. Ge¬
wisse Standorte der Felsflora
gehen
dieser verloren. Auf ihnen entwickelt sich nach und nach eineausgesprochene
Wiesen¬flora. Ein Stück Felsen kann auch an die Schutt- oder an die Geröllflora
übergehen.
Mancher Same derbenachbarten Wiesenflorafandwährend einer Periode des
Regens günstige Verhältnisse,
um auf einemHäufchen Feinschutt in einer Felsnische zu keimen. Als aber die Bedürfnisse der keimenden Pflanze
größere wurden,
ge¬nügte
der zurVerfügung
stehende Raum an Boden und Luft der Pflanze nicht mehr. Die zunächstgünstigen
Verhältnisse änderten sich in dasGegenteil.
Als dieFeuchtigkeit
bei an¬dauerndem Sonnenschein zu sehr
abnahm,
verschwand derEindringling
wiedervomFelsen. Wir können uns auchdenken,
daßBesiedler benachbarter Gebietewohlgünstige Bedingungen
fänden für die erwachsenePflanze,
aber keinegünstigen
Keim¬plätze.
Aus diesem Grunde bleiben sie aus dem Felsen ausge¬schlossen.
Soll eine Art als
Felsenpflanze
bezeichnetwerden,
so mußsie sowohl
günstige Keimplätze
als auchgünstige
Wuchsorte finden. Sie muß im ständesein,
den Fels als erster Pionierzu besiedeln und darf nicht auf die VorarbeitandererGewächse
angewiesen
sein. Wir verstehen daher mit Oettli unter denFelsenpflanzen
oderPetrophyten
allediejenigen auf
Felsen undBlöcken wachsenden
Pflanzen,
welche imständesind,
als ersteihresgleichen
den Fels dauerndzu besiedeln und inVerbreitung
5
undBau eine mehr oder
weniger große Abhängigkeit
von demFelsen als
Unterlage
erkennen lassen.Nur
Algen
und Flechten können dievollständig
detritus-lose, kompakte
Oberfläche des Felsenbesiedeln,
während Moose undGefäßpflanzen
auf Detritusangewiesen
sind. Letzteresind also nur
möglich,
wennAlgen
undFlechtenvorangegangensind,
oder wenn die chemische undphysikalische Verwitterung
kleine Detritushäufchen auf dem Felsen
geschaffen
hat.DieBewohner derkahlen Felsen nennen wirnach
Schimper Lithophyten,
die an Detritusgebundenen Chomophyten.
a)
DieLithophyten (Algen
undFlechten),
die also nichtan das Vorhandensein von Detritus
gebunden sind,
zerfallenwieder in zwei
Gruppen.
Die erste
Gruppe
benützt den Fels nuralsUnterlage.
DieVertreter derselben
dringen
nicht aktiv in denselben ein. Wir bezeichnen sie nach meinemVorschlage
alsExolithophyten.
Es sind namentlich die
Steinalgen,
welche dem Felsen oft inzahlreicher
Menge anhaften,
ihm aber aller Wahrscheinlichkeit nach keineNahrung
entziehen. In denSüdtiroler Dolomitenfand D ie1shauptsächlich Schizophyceen
alsersteBesiedler,
darunterin erster Linie
Glœocapsa.
Wahrscheinlich haben diese keinen starken Einfluß auf diepetrographische Unterlage.
Die Ver¬witterung
wird durch sieallerdings gefördert.
Es sind diesdie
Epilithophyten
von Di eis(„Felshafter", Schröter).
Exolithophyten
sind ferner dieRhizolithophyten
oder Fels-wurzler,
sogenannt
nach demVorschlage
von Schröter. Zudiesen
gehören
dieFlechten,
welche sich mit ihren Rhizoiden in derRindenpartie
des verwitternden Felsens festklammern.Die zweite
Gruppe
derLithophyten dringt
aktiv in den Fels ein. Wir bezeichnen sie alsEndolithophyten.
Bachmann fand zwischen den Glimmerkristallen feuchter Granitwände Diatomeen
(1907).
Diesespielen
eine sehrgroße
Rolle in der
Lockerung
des Gesteins. Siebeschleunigen
denZerfall desselben. Ob sie aktiv in das Gestein
eindringen,
konnte der Verfasser in seinerersten Arbeit nicht nachweisen.
Die
gleiche Erscheinung
hatte derselbe Autor schon im Jahre 1890 auf dem Kalke beobachtet. Dielszeigte
in seiner Arbeit über die Dolomitriffe(1914),
daß sehr viele feineSpalten
unweit der Gesteinsoberfläche von
Algen
bewohnt sind. Er bezeichnet diese alsEndolithophyten.
Auch hier möchte ichden Ausdruck
Chasmolithophyten wählen,
um durch diese Be¬zeichnung klarzulegen,
daß sie dieSpalten bewohnen,
wie diehöheren Pflanzen. Meine
Chasmolithophyten
sind also identischmit Diels
Endolithophyten.
Di eis kam durch seine Unter¬suchungen
zumSchlüsse,
daß das Licht dieHauptrolle spiele,
die
Epilithophfjten
seienperiodische Xerophyten
mit derFähig¬
keit,
sehr intensives Licht zuertragen,
dieChasmolithophyten (also
seineEndolithophyten) dagegen Schattenpflanzen.
Es istnicht mit Sicherheit
festgestellt,
ob dieseChasmolithophyten
sich aktiv in das Gestein einfressen oder nicht.
Bachmann hat in einerneuen Arbeit
(1915) nachgewiesen,
daß
Algen
tatsächlich dieFähigkeit
habenkönnen,
den Kalk¬felsen zu lösen. Wir bezeichnen diese nach dem
Vorschlage
von Schröter als
Phagolitophyten
oder Felslöser. Bach¬mann nennt eine Reihe solcher
perforierender Algen.
MeineEndolithophyten
umfassen also dieChasmolithophyten
unddie
Phagolithophyten.
b)
DieChomophyten
oderDetrituspflanzen,
die an schonvorhandene
Verwitterungsprodukte
desFelsensgebunden sind,
zerfallen in 2
Gruppen
wie dieLithophyten.
Die einen sind anden Oberflächenhumus
gebunden,
die andern an denSpalten¬
humus. Erstere nenntman
Exochomophyten,
letztere Chasmo-chomophyten
oder kurz nach OettliChasmophyten.
7
Einteilung
der
Felsenpflanzen. Petrophyten Chomophyten Exolithophyten Endolithophyten
5.
Exochomophyten
6.
Chasmophyten
1.Epilitho-
2.
Rhizolitho-
3.Chasmolitho-
4.
Phagolitho- phyten phyten phyten phyten
3. Kapitel.
Die Stand-, Keim- und Wuchsorte bildenden Faktoren.
1.
Unterkapitel.
Die allgemeinen Faktoren des Untersuchungsgebietes.
(Bildung
derStandorte.)
§
1. Wahl desUntersuchungsgebietes.
Wir wählten das
Gotthardgebiet
ausfolgenden
Gründen:Die
bisherigen Untersuchungen (Oettli, Diels, Bachmann)
erstrecken sichbeinahe ausschließlichauf kalkreicheSedimente.Ein Studium der Verhältnisse in einem
kalkarmen, massigen
Gestein erschienzweckmäßig.
Es
liegen
ausdiesemGebietezahlreiche chemischeAnalysen
der Gesteine vor
(Grubenmann, Hezner, Waindziok).
Es ist reich an
typisch ausgeprägten
Felswänden.Daszentralschweizerische
Gebirgsmassiv
desGotthardsliegt
zwischen dem Aarmassiv und dem Tessinermassiv. Auf der Nordseite bildet die Urserenmulde die Grenze gegen das Aar¬
massiv. Auf der Südseite scheidet die Bedretto-Piora-Mulde
unser Massiv von dem Tessinennassiv. Die Sedimente dieser beiden Mulden wurden bei der
Alpenfaltung eingeklemmt
zwischen beiden Massiven. An den Rändern derselben bildeten sichinfolge
desungeheuren
DruckesSchiefergesteine,
die indie
Untersuchungen einbezogen wurden,
obwohl sie wahr¬scheinlich aus Sedimenten der Mulde entstanden sind.
Das
eigentliche
Gotthardmassiv reichte nicht aus für alleBeobachtungen
undUntersuchungen.
Sie wurden darum in9
den beiden
Quertälern
der Reuß und des Tessinfortgesetzt,
auf der Nordseite bis nach Wassen und gegen
Amsteg
undauf der Südseite bis nach Faido. Im Reußtal fiel in ersterLinie die
Schöllenen,
einTeil desAarmassives,
mit ihrengigantischen
Felswänden in Betracht. Zum
Vergleiche
wurden die Beobach¬tungen
auch in derUmgebung
von Locarno und im unternMaggiatale fortgesetzt.
DieseAusdehnung
unterÜberspringung
der beiden
genannten
Muldenermöglichte
ein intensiveres Studium namentlich des Einflusses der Meereshöhe und der damit inZusammenhang
stehenden Faktoren sowohl inunseremnordalpinen
Gebiete als auch auf derSüdabdachung
desHaupt- gebirgskammes
bis in das insubrische Gebiet. DieAusdehnung
in das insubrische Gebiet diente
hauptsächlich
dem Studiumder
Oekologie
vonSaxifraga Cotyledon
und Primula hirsula.Zum weiteren
Vergleiche
wurde auch dasHaupttal
verlassenund namentlich das Gebiet des
Wytenwassertales einbezogen,
das ein
paralleles
Seitental zur Gotthardreuß ist und von der Rotondohütte des S.A. C. leichtzugänglich
ist. Es sind dies die GebietederFibbia-Lucendro-Hühnerstockkette,
derValetta,
der
Winterhornkette,
derLeckihorn-Rottälihornkette. ImGegen¬
satz zu den mehroder
weniger
festen Gesteinen dergenannten
Gebiete wurde nach Ostenübergegriffen
in das Gebiet desPizzo Centrale.
Das
Untersuchungsgebiet
wurde zu verschiedenen Malen undzuverschiedenen Zeitenbesucht,
so: Sommer1910,
Sommer1911, Frühling
1913 inLocarno,
Sommer 1913 und Herbst1913,
Sommer 1914. DieHauptbeobachtungen
wurden in dem sehrnassen Sommer 1910 und im
Gegensatz
dazu in dem äußerst trockenen Sommer 1911gemacht.
§
2. Das Klima desUntersuchungsgebietes.
Wir sind unswohl
bewußt,
daß die hier zugebenden
Datennur die
allgemeine klimatologische Grundlage darstellen,
auf welche sichdann diespeziellen,
felsklimatischen Standorte auf¬bauen. Wie der
spezielle
Teilzeigen wird, spielen
die lokal¬klimatischenVerhältnisse
gerade
bei der Felsflora eine sogroße Rolle,
daß dasallgemeine
Klimadagegen
ganz zurücktritt.Wenn wir trotzdem etwas ausführlicher überdasselbe
berichten,
so
geschieht
dies namentlich desVergleiches
mit andern Ge¬bieten wegen. Die Daten stammen aus den schweizerischen
meteorologischen Beobachtungen
und demausgezeichneten
Werke von Maurer und Billwiller.a) Niederschläge.
DasGesamtgebietvon
WassenbisLocarnogehört, abgesehen
von
einigen Trockenoasen,
zumniederschlags-
undinsbesonderszum schneereichsten der Schweiz. Durch das ganze Gebiet hindurch wird der
allgemein gültige
Satzbestätigt,
daß dieNiederschlagsmenge
zunimmt mit der Meereshöhe. Wir haben deshalb dasMaximumderNiederschläge
aufdemGebirgskamme
zu
suchen,
also auf demHospiz.
Esfolgt
aber keingleich¬
mäßiges
Abnehmen nach Norden und nach Süden. Zwei Aus¬nahmen
springen
sofort in dieAugen:
dieNiederschläge
nehmenauf der Südseite gegen den Rand der
Tessineralpen plötzlich
wiederumzu undAndermattistausnahmsweisetrocken. Leider fehlen dort
Felsstandorte, dagegen zeigen
die Standorte ander
Oberalpstraße
deutlich den Einfluß diesesTrockengebietes (vorherrschend Sempervivum).
Von
größter Bedeutung
ist dieungleiche Verteilung
derNiederschläge
aufdie verschiedenen Jahreszeiten. Diegrößten Mengen
fallen währendderVegetationsperiode
und kommendenPflanzen direkt
zugute.
Das winterlicheAlpendruckmaximum verunmöglicht
eineBildung ausgiebiger Niederschläge
zurWinterszeit. Die
Mengen
kleinererNiederschläge
desWintershaben auf den höheren Stationen aber doch einen
großen
Ein¬fluß,
da sie in fester Formniedergehen
und imFrühling
zurSchneeschmelze bis in denSommerhinein ein Reservoir bilden.
Daß
Trockenperioden
auftretenkönnen, zeigt
der Sommer1911.Über
dieNiederschlagsverhältnisse geben
dienachfolgenden
Tabellen nähern Aufschluß:
Durchschnittliche
Niederschlagsmengen:
"*• I. H. III. IV. V. VI. VII. VIII. II X. XI. XII. Total
ü. M.
Altdorf. . . 452 53 64 79 98 103 135 166 154 105 118 88 85 1248 Göschenen . 1100 78 97 124 132 123 101 120 127 124 139 100 98 1363 Andermatt . 1446 97 108 88 81 87 88 108 120 139 142 78 74 1210 Hospiz . . 2100 14 50 50 200 102 228 194 166 268 215 55 95 1937 11
%
I. IL III. IV. V. VI. VU. VIII. IX. X. XI. XU. Tottiü.M.
Airolo . . . 1142 77 78 123 113 150 119 141 165 136 231 138 102 1573
Paido ... 759 - - --- --- — - 1388
Biasca ... 300 — — — — — — — — — — — — 1477
Locarno . . 249 72 68 131 161 217 182 187 234 217 243 145 83 1940
Lugano
. . 276 67 55 101 159 179 185 159 183 194 209 138 72 1701 NB. DieRegenmengen
desHospizes
stammenvomJahre1907,welcheamehesten der mittleren
Niederschlagsmenge entsprechen
könnten. Jahre¬lange Aufzeichnungen
fehlen von dieser Station; deshalb konnten die -Zahlen nicht dem Maurerschen Werke entnommen werden.Niederschlagsmenge
in derVegetationsperiode
1911:V. VI. VII. VIII. IX. X.
Altdorf 77 186 59 104 109 89
Gurtnellen 39 142 39 66 114 131
Gesehenen 65 165 34 78 154 200
Andermatt 78 153 17 90 135 177
Furka 29 101 10 47 46 89
Gletsch 64 124 16 54 107 195
Hospiz
111 277 10 151 215 280Airolo ... 79 218 4 200 112 343
Faido 79 150 2 68 110 261
Beilinzona 85 322 11 234 144 253
Locarno 110 282 5 254 179 311
Lugano 103 323 37 405 228 240
Einige
maximaleNiederschläge:
a) Regen:
1. Andermatt 150 mm 4. VIII. 1898
2. Gotthard-Hospiz ... 280 mm 27. IX. 1868
3. Airolo 218 mm 16. XII. 1886
4. Paido 223 mm 9. X. 1889
5. Locarno 178 mm 27. X. 1889
b)
Schnee:1. Gesehenen 75 cm 63,5 cm Schmelzwasser 9. IX. 1886
2. Airolo 110 cm 41 cm „ 19. XII. 1896
Größte gemessene Schneehöhen sind beim
Gotthardhospiz
^ m')'
1906 15. I. 314cm 1. VI. 140 cm
1907 1. II. 170 cm 15. III. 180 cm 1908 18. II. 175 cm 3. V. 240 cm 1909 26. III. 165 cm 28. V. 100 cm
1910 6. IV. 360 cm 13. V. 340 cm 1912 22. III. 270 cm 7. VI. 25 cm 1913 6. Vi! 380 cm 26. VI. 10 cm
Anhang:
SchneeschmelzeGotthardhospiz:
1911 Schneeschicht:20. V. 281 cm>
„„ „ „„ 55 cm geschmolzen in 7 Tagen
27. V. 226 cm' 5
. „
6
a vi ick
61 cm „ in 7 „
3. VI. 165 cm
,„ . „
! 40 cm ., in 5 „
8. VI. 125 cm! ' . „
! 25 cm , in 2 „
10. VI. 100 cm/„
20 cm ,, in o
15. VI. 80 cmJ— ,"
201 cm in 25
Tagen.
Dauernd schneefrei wurde das
Hospiz:
1905 31. V. 1909 15. VII. 1911 23. VI.
1906 25. V. (frei21.—25. V., 1912 20. VI.
1907 ? 1.-5.VI.,7.-9.VI. 1913 29. VI.
1908 8. VI. 1910 30. VI. 1914 23. VII.
Mittlere
Aperzeit
der letzten 10 Jahre: 22. VI. bis 25. VI,b)
RelativeFeuchtigkeit:
Die relative
Luftfeuchtigkeit
ist in unserem Gebiete amgrößten
imSommer,
also während derVegetationsperiode
undam kleinsten während der Ruhezeit der
pflanzlichen
Lebe¬wesen, also
gerade
dieentgegengesetzte Erscheinung
als inunseren
Niederungen.
Auch dieAbhängigkeit
der relativen"
Luftfeuchtigkeit
von derTemperatur
ist zurGenüge
bekannt.Dazu
einige
Daten vomHospiz:
Lufttemperatur VIII. 1906. Relative Luftfeuchtigkeit
morgens mittags abends morgens mittags abends
7h lh 9h 7h lh 9h
21. 5,010,89,6 387o 427« 557»
22. 10,816,211,6
387o 257o 587<,
23.
24.
25.
26.
27.
28.
29.
30. 10,0 14,6 10,4 557o 547o 800/0
c) Temperatur:
Aus der
nachfolgenden
Tabelle erkennt man deutlich dieallgemeine
Tatsache derTemperaturabnahme
mitzunehmender Meereshöhe.5,010,810,816,29,611,6
12,6 11,0 8,4
17,0 14,8 15,6
12,6 10,4 9,6 6,6
8,2
8,2 13,0
7,4 8,6
3,8 13,8 8,0
5,2 14,0 8,8
347o
387o
6570
237o 347o 407o
437»
587«
900/0 907o
5870
920/0 407o
957»
957»
947o 257o 927o
907o 307o 807o
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Es
gibt
aber auch hiergewisse
Abnormalitäten wie bei denNiederschlagsmengen.
Höhen-Olfferenz Temperatur-Oifferenz 452m,
Altdorf . .
Gurtnellen Wassen. .
Gesehenen Andermatt
Hospiz
. .Airolo . .
Faido . .
Biasca . .
Bellinzona
Temperatur-Differenz auf 100m
742m
850m
1110m
{
1442m 2100m
1142m 758m 298m
237m'
(
290m
j
108m1 260m
332m
J
658m}958m }384m J460m
61m
0,9"
0,8»
1,5"
3,3"
3,3»
6,5"
3,1"
2 3"
0,7"
0,31»
0,75"
0,58"
1,0"
0,5"
0,68"
0,81"
0,5°
1,16°
Die 1. Wärmeoase bildet das mittlere und untere Reußtal.
Der Föhn bewirkt hier eine
verhältnismäßig
hoheTemperatur.
Das erklärt den
Sprung
imTemperaturgange
an demOrte,
woder Föhn einsetzt. Wassen bei 850m Meereshöhe hat eine mittlere
Jahrestemperatur
von7,5°,
Göschenen mit 1100m einesolche von
6,0°.
In Andermatt bei 1442mbeträgt
diese nurnoch
2,7°.
Während dieTemperaturabnahme
auf 100m von Altdorf bis Gurtnellen nur0,31° beträgt, beträgt
diese zwischen Andermatt und Göschenen1,0°,
also rund dreimal mehr.Eine 2. Wärmeoase bildet der Kanton
Tessin;
dieserweistzum Teil höhere
Temperaturen
auf als die Poebene.Eine sehr
wichtige
Rolle für die Pflanzenweltspielen
dieextremen
Temperaturen,
die in denfolgenden
zwei Tabellenzusammengestellt
sind. Diese können sehr oftausschlaggebend
sein für das Vorhandensein der einen oder andern Pflanze.
Absolute Maxima und Minima.
Altdorf . 1864- -1900 33,9 18. VIII. 1892 —15,4 20. I. 1891 Gurtnellen 1883--1900 34,0 18. VIII. 1892 —18,6 18. I. 1891 Göschenen 1864--1900 32,2 17. VIII. 1892 —21,4 18. 1. 1991 Andermatt 1864--1900 28,7 28. VIII. 1865 -30,1 18. I. 1891
Hospiz
1864-1902- -1889 -1905
23,4 2. VII. 1905 —29,0
15
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