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Der Nachlass von F. Vogelreuter.
Von Theodor Nöldeke.
ünsere üniversitäts- und Landeshibliothek hat in diesen Tagen
eine interessante Bereicherung durch den litterarischen Nachlass
des verstorbenen F. Vogelreuter erfahren, den dessen Bruder, Arzt
in Berlin , ihr gütigst zugewandt hat. F. Vogelreuter war vor
längeren Jahren hier Goldschmidt's, Hübschmann's und mein Schüler
imd bekleidete dann bis zu seinem vorzeitigen Tode im vergangenen
Sommer eine Stelle an der Hamburger Stadtbibliothek. Durch
Fleiss und Anlagen hatte er sich ein reiches Wissen erworben.
Leider ist er aber nicht dazu gekommen, irgend etwas zu publicieren,
theils wohl aus einer gewissen Aengstlichkeit, theils weil er seine
Pläne zu gross anlegte. Nicht einmal seine Doctordissertation ist
im Druck erschienen.
Das Manuscript dieser Dissertation ,über die nominalsuffixe
im altiranischen' bildet einen Theil der Schenkung. Nach Hübsch¬
mann's ürtbeil könnte diese Schrift, obwohl jetzt in einigen Stücken
antiquiert , doch für den , der dasselbe oder ein ähnliches Thema
behandelte, recht nützlich sein und ihm viele Arbeit ersparen.
Das Pehlevi ist vertreten durch eine Abschrift des Kämämak
(das ich übersetzt habe) und durch die eines kleineren Tractats;
beide aus Müncbener Handschriften.
Femer haben wir da eine üebersetzung des armenischen Textes-
von Pseudo-Kallisthenes , allerdings nicht ganz vollständig. Ich
denke fast, dass ich diese Arbeit noch selbst benutzen werde.
Der grösste Theil des Nachlasses bezieht sich auf Kalila wa
Dimna. Vogelreuter hat abgeschrieben : 1) Nasralläh, persische Be¬
arbeitung aus dem Berliner Codex 999 (Pertsch, Berliner pers-
Katalog S. 968 fi".); diesen hat er collationiert mit dem Gothaer
Codex 8.5 (Pertsch, Gothaer pers. Katalog S. III ff.). 2) Die
türkische (osmanische , nicht osttürkische) Bearbeitung davon aus
dem Münchner Codex 200 (Aumer, türk. Katalog S. 54). 3) Die
alte türkische Versification aus der Gothaer Handschrift 189 (Pertsch,
Gothaer türk. Katalog S. 168). 4) Die osttürkische Bearbeitung
nach der Dresdner Handschrift 136.
Nr. 1 hat er übersetzt; allerdings hat die üebersetzung einige
Lücken. Von Nr. 2,3,4 hat er je den Anfang übersetzt. —
Ausserdem hat er noch einige Vergleichungstabellen über die Reihen¬
folge der Erzählungen in den verschiedenen Versionen gemacht.
Bei der Liberalität unserer Bibliotheksverwaltung sind alle
diese Arbeiten des so früh Dahingeschiedenen jedem Pachmann
leicht zugänglich.
^g.
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Anzeigen.
Die Hebräische Verskunst nach dem metek sefätajim des
'Immänü'el Fransis und anderen Werken jüdischer Metriker
von Martin Hartmann. Berlin 1894. Calvary & Co.
100 S.
Der Verfasser der vorliegenden Schrift hat sich mit erfreulichem Erfolge in eine Wissenschaft eingearbeitet, der seit mehr als 60 Jahren
kein nichtjüdischer Gelehrter Aufmerksamkeit geschenkt hat. Was
Delitzsch über die Pormen der mittelalterlich jüdischen Dichtung
bemerkt hat, ist, wie Hartmann mit Becht ausführt, unzureichend;
was aber jüdische Gelehrte auf diesem Gebiete geleistet haben,
dürfte wenig über diesen engen Kreis hinausgekommen sein. Be¬
zeichnend dafür ist Hartmann's eigenes Zugeständniss (S. 13), dass
er die Ableitung der hebräischen Versmasse aus arabischen von
neuem entdecken musste, ohne von Sa'adjäh b. Dannän und Kämpf
etwas zu wissen. Haben ja selbst sehr hervorragende Gelehrte dem
nachbiblischen Hebräisch überhaupt jede Existenzberechtigung ab¬
gesprochen.
Da Hartmann über die Formen der hebr. Poesie, wie er am
Schlüsse des Buches anführt , bereits eine zweite Schrift aus¬
gearbeitet hat, die hofifentlich bald erscheinen wird, dürfte es ge¬
ratben sein, diesen Zeitpunkt abzuwarten, um über seine Leistungen
ein Gesammthild zu gevnnnen. Seine vorläufigen Andeutungen über
gefundene überraschende Besultate sind so vielversprechend, dass
man , nach dieser Vorarbeit zu scbliessen , auf das Erscheinen der
den Gegenstand „fortsetzenden und abschliessenden" Schrift wohl
gespannt sein darf. Die folgenden Bemerkungen werden sich daher
so eng als möglich an das Gegebene ansehliessen.
H. lehnt seine Arbeit zunächst an Frances' oben genannte Schrift
an , die durch H. Brody heransgegeben im Druck vorliegt und
insofem eine passende Unterlage für die Darstellung der hebräischen Verskunst giebt, als sie auch jüngere italienische Dichtungsformen
einschliesst. In H.'s Arbeit ist der die Metrik behandelnde Theil
in Uebei-setzung gegeben und mit Anmerkungen versehen. Dass
der im 17. Jahrhundert schreibende IPr. in allerlei mittelalterlichen
Anschauungen befangen ist, muss ihm nachgesehen werden. Der
arabische Urspmng der hebräischen Prosodie ist ihm , allerdings
nicht durch eigene Forschung , bekannt , wenn er den Besitz der-