Von Eenst Hammebschmidt, Saarbrücken Gliederung:
I. BegrifiFsbestimmung :
1. ,, Nachexilisches Judentum"
2. „Königsideologie"
II. Stand der Forschung
III. Die Entwicklung der Königs- und Messiasvorstellung :
1. Der Umbruch im Exil
2. Die Linie der zwei Messiasse 3. Die Linie der einen Messiasgestalt IV. Zusammenfassung
Die Konzeption des Königtums im semitischen Orient hat die Forschung
der letzten Jahrzehnte und gerade auch der letzten Jahre heftig bewegt.
Es liegt dabei in der Sache begründet, daß sich die Aufmerksamkeit aucb
dem israelitischen Königtum intensiv zuwandte. Wenn im folgenden ver¬
sucht wird, den Weg dieser Idee im spätantiken, d.h. nachexihschen
J^udentum bis zum zweiten nachchristlichen Jahrhundert zu verfolgen,
so bleibt damit die Periode des alttestamenthchen Königtums — mit
Ausnahme einer notwendigen kurzen Rückschau — der alttestamentlichen
Wissenschaft überlassen. Zunächst ist aber zu klären, was unter den
beiden Begriffen des Themas zu verstehen ist.
I. Begriffsbestimmung
1. „Nachexilisches Judentum"
Der Ausdruck „nachexilisches Judentum" meint jene Gestalt der
alttestamentlichen Glaubensgemeinschaft, deren Grundlagen, sowohl in
religiöser wie in sozialer Hinsicht, in der sogenannten babylonischen
Gefangenschaft zwischen 597 und 539 v. Chr. gelegt wm-den'. Auf diesen
Grundlagen aufbauend erhielt sie während und vor allem nach der
Restauration^ jene Gestalt, die uns dann in den späten Schriften des
Alten Testamentes und umrißhaft im Neuen entgegentritt.
^ Allerdings waren höchstens zwanzig Prozent der Bevölkerung naeh
Babylon deportiert worden, aber die Zurückgebliebenen besaßen keine
geistigen Führer mehr; vgl. M. A. Beek, Geschichte Israels von Abraham bis
Bar Kochba (Stuttgart 1961) 102.
^ Das Ende der Exilszeit läßt sich schwer abgrenzen; vgl. E. Janssen,
Jtida in der Exilszeit = Forsohungen zm Religion und Literatm des Alten
und Neuen Testaments 69 (Göttingen 1956) 7.
494 Ernst Hammbrschmidt
2. „Königsideologie"
Eine besondere Wertung der Königsmacht findet sich zwar in vielen
Kulturen ; die Institution des sakralen Königtums stellt aber eine Sonder¬
entwicklung in der altorientalischen Welt dar. Doch sind auch in diesem
Raum wesentliche DifFerenzierungen festzustellen: So ist in Ägypten
eine Entwicklung anzutreffen, die schließlich zur Vergottung oder doch
wenigstens zur Gottessohnschaft des Herrschers führt^. Im babylonisch-
assjrrischen Raum hatte man den König zwar nicht mit der Gottheit
identifiziert, er wird aber von den Göttern zum Königtum auserwählt*.
Als deren Vertreter kämpft er im kultischen Drama gegen Tiämat und
die Mächte des Chaos; zudem wirkt er bei der alljährlichen Neuschöpfung mit. Die göttliche Verehrung des Königs ist durch die Auffassung bedingt,
daß er Repräsentant des Stammesgottes ist^. Schon Carl Beockelmann
hat darauf hingewiesen*, daß infolge dieser Verbindung der König in
Babylon in alter Zeit bei Krankheit den Tod erleiden mußte, da die
Gottheit nur in einem jugendfrischen Körper wohnen kann'.
Die gemeinorientalische Vorstellung vom Königtum^ hat höchstwahr¬
scheinlich über die Religion und Kultur Kanaans in Israel Eingang ge-
^ Vgl. dazu H. W. FAraMAN, The Kingship Rituals of Egypt = S. H. Hooke
(ed.), Myth, Ritual and Kingship (Oxford 1958) 74—104; weiter S. Morenz,
Ägyptische Religion = Religionen der Menschheit 8 (Stuttgart 1960) 35—43;
W. Wolf, Kulturgeschichte des alten Ägyptens (Stuttgart 1962) 119f.,
313—315, 327.
* Die Stellung des babylonischen Königs wird dureh die Zeremonien des
Neujahrsfestes deutlich: Der König tritt ,,vor den obersten Gott Marduk
und demütigt sich ihm zu Ehren: der Priester läßt ihn niederknien, nimmt
ihm die Zeichen der Herrschaft ab, schlägt ihn imd zieht ihn an den Ohren.
Der König seinerseits beteuert seine Unschuld, seine Fürsorge für die Stadt,
seine Beobachtung der Riten und die Liebe zu den Untertanen. Schließlich
nimmt er wieder die Zeichen der Herrschaft und bringt ein Opfer dar". =
S. Moscati, Die altsemitischen Kulturen (Stuttgart 1961) 47.
Vgl. Sidney Smith, The Practice of Kingship in Early Semitic Kingdoms
= Hooke (ed.), Myth, Ritual and Kingship, 22—73; dazu G. Widengren
üi: ZDMG III (1961) 181f.; E. O. James, The Sacred Kingship and the
Priesthood = The Sacral Kingship: Numen Suppl. IV (Leiden 1959) 66
(dieser Sammelband im folgenden zitiert als: Sacral Kingship).
* Wesenund Ursprung des Eponymats i7i Assyrien = ZA 16 (1902) 389—401.
' Vgl. A. Allwohn, Der religionspsychologische Aspekt des sakralen König¬
tums = Sacral Kingship 40 f. — Auch boi Homer tritt der König zurück,
wenn er alt und schwach wird. So flüchtet sich Laertes in sein Gärtchen,
Priamos beschränkt sich auf die Rolle des Beraters: F. Taeger, Charisma I
(Stuttgart 1957) 31. Dagegen fehlt bei Grieehen und Römern (der klassisehen Zeit) völlig die Auffassung, der König sei ein Gott.
* Die — wie schon erwähnt — in sich natürlieh wieder beträchtliche
Differenzierungen aufweist; vgl. W. v. Soden, Herrscher im Alten Orient
(Berlin-Göttingen-Heidelberg 1954) 2.
fanden*. Sie scheint aber sehr früh der Jhwh-^e\igion angepaßt worden
zu sein, wobei auch rein israelitische Anknüpfungspunkte, d.h. solche,
die schon vor der Einwanderung vorhanden waren, in Betracht gezogen
werden müssen'". Der israelitische Herrscher war der Gesalbte Jhwh's,
sein Adoptivsohn (Ps 2, 7), der mit der Gottheit in einer besonderen
Verbindung stand, wurde aber niemals in diesem Ausmaß das Zentrum
einer religiösen Organisation wie der ägjrptische Pharao oder der Bräu¬
tigam der Muttergöttin in Mesopotamien. Als „Sohn" Jhwh's ist er sein
Stellvertreter auf Erden. Damit ist die messianische Komponente dieser
Idee gegeben : Der König bleibt zwar ein irdischer König der Gegenwart,
als Stellvertreter Jhwh's bekommt er aber auch das Priestertum „für
ewige Zeiten nach der Weise des Malkisädäq" (Ps 110, 4) zugeteilt. Als
König ist er der von Jhwh ,, erzeugte" (Ps 2, 7) zukünftige Welt¬
herrscher".
Nun noch ein Wort zur Terminologie : Die Bezeichnung des israeliti¬
schen Königs ist "=1^^. Die Wurzel "[Vö {mlk) wird sowohl für den irdischen
König als auch für den himmlischen König Jhwh gebraucht. Allerdings
ist die Verwendung für Jhwh oder in Verbindung mit Jhwh beschränkt
(nur 38 Mal)'^. Da es eine Zeit gab, in der Israel noch keinen König
besaß, ist die Deutung von mäläk als ( Stammes-) Führer, die Maetin Bubee
^ Vgl. dazu vi.a. A. Weiser, Samuel und die Vorgeschichte des israelitischen
Königtums = ZTbK 57 (1960) 141—161; K. H. Rengstorf, Old and New
Testament Traces of a Formula of the Judaean Royal Ritual = Novum Tes¬
tamentum 5 (1962) 229-224.
e° Einige wiehtige Gesichtspunkte sind dabei : 1. Die alte, ,, demokratische"
Stellung des Stammesoberhauptes (in der Zeit der Wüstenwanderung) hat
auch im späteren Königtum ihre Spuren hinterlassen; 2. die Bezeichnung
,,Gott" {'Höah, pl. 'Höhlm) wird im alttestamentliohen Schrifttum aucb für
„übernatürliche" Wesen gebraucht; 3. nirgends im Alten Testament findet
sich eine ,, metaphysische" Einheit von Jhwh und König; 4. der König ist
nur dann der rechte Sohn Jhwh's, wenn er Gerechtigkeit im moralischen und
sozialen Sinne übt; vgl. S. Mowinckel, Oeneral Oriental and Specific Israelite Elements in the Israelite Conception of the Sacral Kingdom = Sacral Kingship 283—293.
Das Wissen, daß das Königtum in einer bestimmten historischen
Situation entstanden ist, läßt die menschliche Seite der Institution nioht in
Vergessenheit geraten. Von daher bedarf Taegers Sicht der Dinge {Charisma
I 63) einer Korrektur oder zumindest einer Einschränkung, wenn er sagt,
daß die Wesensvorschiedenheit von Gott und Mensch ,,eine der gro߬
artigsten Manifestationen des hellenischen Geistes sei", der — im Gegensatz
zu vielen und gerade den frömmsten Völkern des orientalisehen Kultur¬
kreises — aus der klaren Einsicht in die Grenzen des Menschentums den
letzten Schritt vermied.
^2 Vgl. K.-H. Bernhardt, Das Problem der altorientalischen Königs¬
ideologie im Alten Testament (Leiden 1961) 87, Anm. 3.
496 Ebnst Hammebschmidt
vorgenommen hat^^, höchst fraghch. In der Gestalt des israelitischen
Königs finden sich Züge, die aus der altorientalischen Königsideologie
herkommen, die aber nicht gut vom beduinischen Stammesführer her
erklärt werden können. Daneben kommt auch die Bezeichnung X""!?^
vor, die aber dann wohl schon den David redivivus meint, die wieder¬
kehrende und Israel wiederherstellende Davidsgestalt.
II. Stand der Forschung
Die Erforschung des Wesens alttestamentlichen Königtums beruht
weithin auf den Arbeiten der Uppsalenser Schule, die mit dem Namen
H. S. Nybebgs verbunden ist'*. Dazu tritt die sogenannte ,,Myth and
Ritual Sehool", die ihren Niederschlag in den beiden Bänden Myth and
Ritual (Oxford 1933) und Myth, Ritual and Kingship (Oxford 1958)1^
gefunden hat.
Eine zusammenfassende Darstellung der altorientalischen Königs¬
ideologie auf Grund der gegenwärtigen Forschung hat Geo Widengben
in den Franz-Delitzsch-Vorlesungen 1952 gegeben'*. Danach ist der
König zugleich der Leiter der Staatskulte und Tempelbauer. Als solcher
setzt er Priester ein (David den Sadoq und den Ebjatar) und entfernt sie
(Salomo den Ebjatar). Als Leiter des Staatskultes kann der König auch
Tempel bauen und sogar Änderungen im Kultus und in der Volksreligion
vornehmen (Saul: 1 Sm 28,3; Jerobeam: 3 Kg 12, 31 ff.). In dieser
Stellung ist der israelitisch-jüdische König auch Hoherpriester (2 Sm
6, 12—19: David tanzt und opfert), der das Opfer darbringt und das
Volk im Namen Jhwh's. segnet. Außerdem war der König der Besitzer
der gottgebenen Törä (d. h. des Gesetzes) und hat überhaupt göttliche
Weisheit erhalten. Der geistbegabte, Törä-besitzende König kann
schheßlich als Lehrer und Offenbarer auftreten, wie es dann z. B. Jes
61, 1 geschieht. Hier spricht der König eine der im alten Orient üblichen
Königshymnen, wie sie als sogenannte ,,Selbstrühmungshymnen" dem
Neuinthronisierten in den Mund gelegt wurden :
„Der Geist des Herrn Jhwh ist auf mir, weil Jhwh mich gesalbt hat.
Frohe Botschaft den Elenden zu verkünden, hat er mich gesandt,
zu verbinden die Herzzerbrochenen".
w Königtum Gottes (Heidelberg »1956) 621f., 82.
" Besonders S. Mowincbgel hat sich in seinen Psalmenstudien II — III
(Kristiania 1922—23) mit dieser Frage beschäftigt.
15 Vgl. dazu G. Widengben, in: ZDMG III (1961) 181—188.
1° Sakrales Königtum im Alten Testament und im Judentum (Stuttgart
1955). Vgl. jetzt auch H. Ringgben, Israelitische Religion = Religionen der Menschheit 26 (Stuttgart 1963) 201-218.
Widengren hat nachgewiesen, daß der Hohepriester in der Rolle des
höchsten sakralen Amtsträgers in nachexilischer Zeit auch die sakrale
Kleidung des Königs übernommen haf.
III. Die Entwicklung der Königs- und Messiasvorstellung
1. Der Umbruch im Exil
Mit dem Beginn des Exils ändert sich nun das Bild. Bereits Ez 45—46
und Dt 17, 14—20 lassen Spuren einer veränderten Betrachtungsweise
erkennen. Bei Ezechiel werden die ,, Fürsten Israels" [n^ife jisra'el) in
eine Gesetzgebung eingeordnet, die auch harte Worte ihnen gegenüber
nicht scheut (z.B. 45, 9). Auch das Deuteronomium enthält ernste Worte
an den König, die erkennen lassen, daß der Herrscher den größten Teil
seiner früheren Machtposition eingebüßt hat.
Den Statthaltern davidischer Abstammung des 6. Jh. ist es nur für
kurze Zeit gelungen, die politischen und religiösen Ansprüche des
israehtischen Volkes auf ihre Person zu konzentrieren. Uber die Person
des Sesbazzar, der unter Kyros II. (559—530) 538 die Führung bei der
Rückgabe der Tempelschätze und bei der Grundlegimg des neuen
Tempels übernalim, wissen wir nichts Näheres. Er wd aber Esra 1,8.11;
5, 14.16 als „Fürst (nasi') von Juda" bezeichnet. Beek'^ vermutet, daß
es sich um jenen Sohn Jojachins handelt, der 1 Chr 3, 18 unter dem
Namen Senazzar erwähnt wird. Der Name ist babylonisch und dürfte
ursprünglich SamaS-apla-usur (= Samas möge den Sohn beschützen)'*
bedeutet haben.
Es scheint, daß es zu Beginn der Regierung des Dareios I. (521—486)
eine (wenn auch nicht sehr große) Möglichkeit zur Rückkehr der davidi¬
schen Dynastie in Juda gegeben hat^". SerubbabeP', der Sohn Sealthiels,
übernahm die Führung einer Gruppe, die aus Babylon nach Juda zurück¬
kehrte. Zunächst erfüllte er seine Aufgabe als Kommissar, wurde aber
bald zum Statthalter des persischen Königs (mit dem Sitz in Jerusalem)
ernannt^^. Über sein späteres Schicksal ist in den Quellen nichts über-
1' A.a.O., 25ff. '^ Geschichte Israels, 106.
'" aplum = Erbsohn (v. Soden, GAG § 88g), nasäru = bewachen, be¬
schützen (vgl. dazu Widengren, Sakrales Königtum, 87, Anm. 1).
2» Der Grund ist wahrscheinlich in den Schwierigkeiten des Dareios I.
mit Gaumäta, der behauptete, ein Sohn des Kyros II. (559—529) und der
Bruder Smerdis des Kambyses II. (528—522) zu sein, zu suchen. Dareios be¬
richtet darüber in der Behistün-Inschrift.
21 Babyl. : zer-babili = Sproß von Babel. Doch bedeutet der babylonische
Name nicht, daß Serubbabel aueh babylonisoher Abstammimg gewesen ist.
22 Jerusalem gehörte zur fünften Satrapie, die das kleine Gebiet von
Bethel, bis Beth-zm umfaßte.
498 Ernst Hammebschmidt
liefert. Es ist nicht ausgeschlossen, daß er infolge eines Konfliktes mit
Dareios in Ungnade fiel und abgesetzt wurde. Mit oder ohne Absicht
hat er vielleicht eine nationalistische Bewegung, der eine messianische
Königsideologie zugrundelag, ausgelöst (Zacharja!), die mit den An¬
sprüchen des persischen Großkönigs, des ,, Königs der Könige" und
,, Königs der Länder" (wie sich Dareios I. auf Inschriften nennt), dem Ahuramazda, der größte der Götter, das Reich gegeben hat, unverträglich war^*.
2. Die Linie der zwei Messiasse
Zum Verständnis der inneren Umorientierung ist das Bueh des
Propheten Zacharja wichtig. Zacharja ist wohl durch Ezechiel und durch
seinen Zeitgenossen Haggai wesentlich beeinflußt, geht aber auch eigene
Wege. Am deutlichsten tritt seine Eigenständigkeit in der Änderung der
Messiasvorstellung hervor. Seine zunächst anonym gehaltene Erwartung
vom kommenden Repräsentanten der Heilszeit bezieht er bald auf
Serubbabel. Die entscheidende Wende ist aber, daß in der Konkreti¬
sierung die Messiaswürde auf einen weltlichen und einen geistlichen
Repräsentanten verteilt wird. Damit ergab sich nach dem Scheitern des
Serubbabel die Möglichkeit, alle Erwartungen auf den priesterlichen
Leiter der Gemeinde hinüberzuretten.
Zach 4, 14 erscheinen die ,, beiden Söhne des Öls" (S''ne b^ne-hajjishür) ,
„die vor dem Herren der ganzen Erde stehen"^*, d. h. die beiden Häupter
der Gemeinde, das weltliche und das geistliche^^. Der gleiche Gedanke
wird in 6, lOfF. wiederholt: Zacharja erhält den Auftrag, aus Silber und
Gold eine Krone anfertigen zu lassen, um damit Serubbabel zum König
2' Nach der Meinung des Aischylos wird der Perserkönig nicht nur als
gottgleioh, sondern als Gott angesehen: Die Perser 140ff. (vgl. Taeger,
Cliarisma I, 93). Ebenso bei Gorgias: Hip^iQ«; 6 tüv llepcüv Ze»!»? (Taegeb,
Charisma I, 133). Die iranische Königsideologie der damaligen Zeit kennt
aber die Vergottung des Herrsehers nieht, sondern begnügt sich mit dem
Schutzgedanken. Die Gewohnheit, das plurale ,, Götter" im Sinne von
,, Seine Majestät" vor den Königsnamen zu stellen, ist nun auf einer Urkunde
unter Dareios IL belegt: G. R. Driver, Aramaic Documents of the Fifth
Century B.C. (Oxford "1957) 13, 5.
"* Der in dor orientalisehen Literatur beliebte Vergleich eines Mannes mit
einem Baum (in Ez 31 Gleichsetzung von Weltkönig und Weltbaum) ist
hier auf den Ölbaum eingeengt, wobei das Öl das Tertium comparationis ist.
2' Die beiden Ölbäume werden in der Vision mit Josua und Serubbabel
identifiziert. 4, 11: Und ich hob an und sprach zu ihm : Was bedeuten diese
beiden Ölbäume, die zur Rechten und Linken des Leuchters sind . . .
4, 14: und er sprach: Das sind die beiden Söhne des Öls (i^ne b'ne hajjishär), die vor dem Herrn der ganzen Erde stehen.
der Heilszeit zu krönen^*. Zur Rechten des Königs wird dann ein Priester stehen, der ihn in seiner Regierung unterstützt^'.
Nicht imerwähnt darf aber bleiben, daß diese Stelle eine einschneidende
Überarbeitung erfahren haben dürfte: An Stelle des Serubbabel in
Vers 11 wurde der Hohepriester Josua eingesetzt, wahrscheinlich nach
der Enttäuschung durch Serubbabel. Es wird hier deutlich, daß der
Bearbeiter des Textes die Koordinierung des davidischen Fürsten und
des Hohenpriesters bestehen ließ, nun aber all das, was über die Stellung
des (welthchen) Herrschers gesagt wird, dem Hohenpriester zusprach.
In diesem Zusammenhang bedarf es der Heranziehung der samaritani¬
schen Litmgien, die in der religionsgeschichtlichen Arbeit bisher ziemlich
vernachlässigt worden sind. Ein Grund liegt wohl darin, daß man sie als
so spät betrachtet, daß sie für die ältere israelitisch-jüdische Rehgions¬
geschichte wenig aussagen. Dazu enthalten diese Texte viele philologische
Schwierigkeiten. Ein weiterer Grund dürfte auch darin zu sehen sein,
daß diese 1909 von A. E. Cowley unter dem Titel The Samaritan
Liturgy I — II (Oxford) publizierten Texte im Buchhandel vergriffen und
nur in wenigen Bibliotheken vorhanden sind. Ein Nachdruck dieser
beiden Bände wäre ein verdienstvolles Unternehmen; noch wichtiger
wären aber eine Übersetzimg der Texte und ein Kommentar.
Für unsere Zwecke sind hier einige Stellen aus diesen Texten bedeut¬
sam. Sie haben — wie Widengben gezeigt hat^ — verschiedene Umge¬
staltungen erfahren und enthalten ein religionspolitisches Programm,
das ganz zu den Ansichten von Ezechiel und Zacharja über die Stellung
des Herrschers paßt. In dem Wechselgesang zwischen König und dem
Priester am Ende des Sukköt-Festes^^ heißt es :
„Und der König (maläk) sagt: Friede über dich, o du, den dein
Herr auserwählt hat !
Friede über dich, der du dich niedergelassen hast an der Stätte I^"
Friede über dich, den der barmherzige Gott erwählt hat !
26 G, 11: Und nimm Silber und Gold und laß eine Krone machen und
setze sie 'J'liösu'a, dem Sohne J'hözädäqs, dem Hohenpriester (hakköhcn
haggädöl)^ ["ursprimglich: Z'rubbäbäl ?] aufs Haupt.
27 6, 13b: ... Und os wird ein Priester (köhen) an seinem Thron stehen
und friedliches Einvernehmen wird zwischen beiden bestehen.
2« Sakrales Königtum, 36.
2» Das Laubhüttenfest {sukköt = Hütten) war ursprünglich ein Erntefest
(vgl. Ex 23, 16); die Erinnerung an die Hütten der Wüstenzeit dürfte
sekundär sein. Vielleicht ist auch ein ursprüngliches Wasserschöpffest mit
Sukköt verschmolzen; vgl. S. Moscati, Die altsemitischen Kulturen (Stuttgart
1961) 139; E. L. Ehrlich, Die Kultsymbolik im Alten Testament und nach¬
biblischen Judentum = Symbolik der Religionen 3 (Stuttgart 1959) 53—58.
3o Der Terminus mäqöm = (Kult) Stätte ist aus Gn und Dt bekannt.
500 Ebnst Hammebschmidt
Friede über dich, den Priester (kohen) des rechten Gottes !
Friede über dich, gekleidet in Diadem und Krone l^'
An dieser Stelle antwortet ihm der Priester (köhen) :
Über dich Friede, o König (mäläk), den er designiert hat;
denn er hat mir geantwortet mit dem Regen, den du herabfließen läßt.
Und der König (maläk) wirft sich nieder und betet an,
und sein Herz freut sich und sein Sinn,
und er erkennt, daß Jhwh ihn erwählt
und seine Opfergaben entgegengenommen hat."^*
Wie der Text erkennen läßt, nimmt der König eine ausgesprochen
demütige Haltung vor seinem Hohenpriester ein — eine Haltung, die
nicht zu den im Nordreich vorhandenen Verhältnissen paßt, die sich aber
gut den Tendenzen fügt, die wir bis jetzt kennengelernt haben.
Die Davididen verschwinden bald darauf aus der Geschichte. Die
Aufzeichnungen des Nehemia sind die letzten biblischen Berichte über
das Schicksal des Tempelstaates Juda in der Perserzeit. Der letzte Hohe¬
priester, der erwähnt wird, ist Jaddua (Neh 12, 22). Die folgende Zeit
liegt im Dunkel.
Zunächst wollen wir die Linie weiterverfolgen, die zwei messianische
Führer Israels annimmt. Seit den Funden am Toten Meer wissen wir,
daß diese Vorstellung fortlebte, da sie hier ihre schriftliche Fixierung
> gefunden hat.
Über keinen Aspekt der in Qumrän gefundenen Literatur des Spät¬
judentums ist heftiger diskutiert worden als über die dort ausgesproche¬
nen messianischen Vorstellungen^^, die mit den Vorstellungen von der
künftigen Führung des Volkes Israel identisch sind.
Der Ausdruck n'B^D (Gesalbter) kommt in vielen Texten vor^*. Eine
Stelle im sogenannten ,, Handbuch der Unterweisung" spricht von den
Messiassen von Aaron und Israel (1 QS IX 11):
'1 Vgl. dazu Widengben, Sakrales Königtum, 50 f., bei der Behandlung
von Test. Levi VIII 2—10.
*2 Cowley, The Samaritan Liturgy II, 786, Zeile 9—12:
•Dipan psB a'rm ■■-\'7^ix>K-jnn ja nx •■j'? ubra -\b-art Tn"i [9]
f'sn wia"? -p a^m no' "js jns -^b ubm :oim bv. nnsT -\b nbw [lO]
•Tin oBin 'jjai njav i"?» ns nVnn yb-a '^nv^ pan nt» mini [ll]
:imnjn "japi mna nw jn v■^^^ -ns'i laV nnts'i nici -\bm\ [12]
^ Vgl. dazu A. S. VAN der Woude, Die messianischen Vorstellungen der
Gemeinde von Qumrän = Studia Semitica Neerlandica 3 (Assen-Neukirchen
Kr. Moers 1957).
Im Alten Testament wird der Ausdruck aueh fiu den Hohenpriester
gebraucht (z. B. Lv 4, 16.35). Zur Begriffliehkeit vgl. H. Gross, Der Messias
im Alten Testament = Trierer Theologische Zeitschrift 71 (1962) 154—170.
„... bis daß ein Prophet und die Gesalbten Aarons imd Israels (m^sihe 'ah^^rön w'jisra'el) kommen. "^^
Schon die von früher bekaimte „Damaskusschrift" (CD) nennt dreimaP*
einen Messias von oder für Aaron und Israel. Millab Buerows hat die
Vermutung geäußert^', daß hier cin später Schreiber den Plural der CD
durch den Singular ersetzt hat, da ihm die Idee von den zwei Messiassen
nicht geläufig war^. Yadest meint, daß der Zwei-Messias-Glaube der
Grund war, warum die angebliche Sekte in Opposition zur Dynastie der
Hasmonäer, auf die wir noch zu sprechen kommen werden, stand. Nach
Schoeps ist diese] ,, messianische Schizophrenie" (!) mit dem Ende der
Dynastie zusammengebrochen^*. Wenn wir aber bedenken, daß der
Gedanke an zwei Gesalbte seit Zacharja vorhanden war, ist es schwerlich
berechtigt, in dieser Auffassung eine ephemere, durch bloße Opposition
bedingte Erscheinung zu sehen. Aus diesem Grund erscheint mir auch
die Meinung von K. Schubebt*" nicht annehmbar*^, die Verdoppelung
der Messiasgestalt habe ihren Grund in der scharfen Trennung von
Priestern und Laien in der Sekte von Qumrän*^.
Die sogenannte „Gemeinderegel" (1 QSa = 1 Q 28a) bestätigt, daß
man zwei Messiasse erwartete ; der Messias in Israel tritt gesondert auf
(II 17—22):
„Und [wenn] sie sich zusammenfinden zum gemeinsamen [Tisch]
[oder den Most trinken], und der gemeinsame Tisch ist gerüstet und
^5 Vgl. zm Stelle das Material bei J. Maier, Die Texte vom Toten Meer II
(München-Basel 1960) 32f.
^° XII 23— XIII 1: ,, Darin sollen sie wandeln in der Endzeit der Ruch¬
losigkeit bis zum Auftreten ('amöd) des (der ?) Gesalbten aus Aaron und
Israel [m^süah 'ah'^rön w'jisrä'el)." XIX 10 f.: ,,Aber die Übrigbleibenden
Werden dom Schwert ausgeliefert werden beim Kommen des (der ?) Gesalbten
aus Aaron und Israel." XX 1: ,,... bis zum Auftreten des (der ?) Gesalbten aus Aaron und Israel."
^' Die Schriftrollen vom Toten Meer (Münehen 1957) 217; dsi.. Mehr
Klarheit über die Schriftrollen (Münehen 1958) 258.
^ H. H. Rowley hat aber gezeigt, daß sich auch die ,, Damaskusschrift"
auf zwei messianische Gestalten bezieht: The Zadokite Fragments and the
Dead Sea Scrolls (Oxford 1955) 41. Vielleicht steht in dor eigenartigen
Orthographie von CD mB?3 für ■'mon ; vgl. L. Ginzberg, Eine unbekannte
indische Sekte (New York 1922) 353.
Angeführt bei M. Burrows, Mehr Klarheit über die Schriftrollen, 258.
*" Zwei Messiasse ates dem Regelbuch von Chirbet Qumran = Judaica 11
(1955) 228 und 234.
Von anderen Voraussetzungen ausgehend teilt auch S. Hurwitz diesen
Zweifel : Die Oestalt des sterbenden Messias = Studien aus dem C. G. Jung¬
institut Zürich VIII (Zürich-Stuttgart 1958) 201.
*2 Deren Existenz ohnehin durch K. H. Rengstorfs, Hirbet Qumrän und
die Bibliothek vom Toten Meer = Studia Delitzschiana 5 (Stuttgart 1960)
in Frage gestellt worden ist.
502 Ernst Hammerschmidt
der Most [gemischt] zum Trinken, so darf keiner seine Hand [aus¬
strecken] zum ersten Teil des Brotes und [des Mostes] vor dem
Priester (köhen), denn [er hat] den ersten Teil des Brotes und des
Mostes zu segnen, und [er soll] zuerst seine Hand [ausstrecken] nach
dem Brot, und danach soll der Messias Israels (m'siah jisra'el) seine
Hände ausstrecken nach dem Brot, ..
Obwohl manche Einzelheiten, vor allem textliche Ergänzungen der
in Frage stehenden Qumrän-Stellen, noch umstritten sind, steht doch fest,
daß hier zwei Gesalbte auftreten, von denen der Messias von Aaron der
priesterliche Messias ist, dem der Messias von Israel, der weltliche,
politische Führer, untergeordnet wird — ein Gedanke, der sehr an den
Machtverlust des Fürsten in Ez 40—48 erinnert*^.
Die Funde in Qumrän haben auch neues Licht auf die messianischen
Vorstellungen in den ,, Testamenten der Zwölf Patriarchen" geworfen
(die bisher nur griechisch, armenisch und slavisch überliefert waren)**.
In dieser Schrift tritt der Gedanke eines Messias aus dem Stamm Levi
neben die Hoffnung auf einen Messias aus dem Stamm Juda. So werden
im Testamentum Ruben (VI 7ff.) nebeneinander ein ßacnXeix; aitovioi;
aus dem Stamm Juda und ein ipyiepexic, yjuaTOC, aus dem Stamm Levi
genaimt. Im Testamentum Simeon heißt es (VII 2):
'AvacjTYjCTSi yap Küpio? sx tou Aeui ap^iepea
xal £x TOU 'loüSa ßaaiXea.
Es wird schwer sein, hier nicht zwei verschiedene Gesalbte zu sehen.
Bestreiten kann man diese offenkundige Tatsache nur, wenn man
wie Aptowitzeb — eine willkürliche Textkorrektur vorschlägt (,,Der
Herr wird aus Levi und Juda einen Hohenpriester und König erwecken")*^
Da die Testamente wegen der Frage der christlichen Interpolationen
einen schwierigen Text darstellen, will ich nur noch zwei SteUen heraus¬
greifen, die mit Sicherheit auf zwei verschiedene Personen deuten :
<aa Vgl. dazu das Material bei J. Maier, Die Texte vom Toten Meer II
(München-Basel 1960) 159 f.
" Vgl. auch K. Schubert, Der alttestamentliche Hintergrund der Vorstellun¬
gen von den beiden Messiassen im Schrijttum von Chirbet Qumran = Judaica
12 (1956) 25.
" Vgl. dazu A. Dupont-Sommer, Nouveaux aper^us sur les manuscrits de
la Mer Morte (Paris 1953) 63.
*5 Vgl. M. Burrows, Mehr Klarheit über die Schrijtrollen, 267; V. Apto-
wrrzER, Parteipolitik der Hasmonäerzeit im rabbinisclien und pseudepi¬
graphischen Schrijttum (Wien 1927) 91.
1. Testamentum Juda XXI 2, wo Juda spricht:
'Efjiol Y^P sSwxev 6 Kupio? tyiv ßaaiXefav, xaxetvw Tr)v EepaTSiav, xal UTtera^e tyjv ßaaiXstav tt] lepcoauvT].
2. Testamentum Issachar V 7:
... Kal 6 Küpio? sxXy)poS6T/)CTev auxo'jc, [andere Hss. : exX-/ipco(Tev ev auxoti;], xal TW [JLEV Asul eScOXE T7)V lEpaTetaV, TCO Se 'loüSa T7)v ßaaiXeiav.
Bei beiden Stellen ist allerdings zu fragen, ob sie sich nicht einfach auf
das geschichtliche König- und Priestertum im Alten Testament beziehen
und daher keine messianische Bedeutung haben. Von dem priesterlichen
Messias ist sehr ausführlich im Testamentum Levi XVIII die Rede.
Auch das „Buch der Jubiläen" enthält (31,4—20) eine Anspielung
auf zwei Gewaltenträger : Levi erhält das Versprechen, daß er und seine
Söhne Priester des Herrn sein sollen dmch alle Geschlechter, Juda die
Verheißung, daß er ein Fürst sein werde und alle Heiden vor ihm und
seinen Söhnen zittern werden.
Die beiden Messiasse sind eine ideale Größe geblieben, die im Laufe
der spätjüdischen Geschichte keine Verwirklichung gefunden hat.
Aber es ist notwendig, sich dieser durchlaufenden Entwicklungslinie
bewußt zu sein**.
Es soll hier nicht unerwähnt bleiben, daß eine Arbeit aus dem C. G.
Jung-Institut, die Siegmund Hubwitz zum Verfasser hat*', das Auf¬
treten von zwei Messiassen*^ als Spaltung des Archetypus vom Erlöser,
bzw. aus der jedem Archetypus inhärenten Gegensatznatur erklärt.
" Neben den beiden Messiassen steht der Prophet; zu dieser Trias vgl.
R. Meyer, Priester-König-Prophet. Ein Beitrag zur Endzeiterwartung im
nachexilischen Judentum = X. Intemationaler Kongreß für Religions¬
gesehichte (Marbmg 1961) 92 f. — Es gibt auch eine messianische Hohen¬
priestertradition in der synoptisohen Überliefenmg; vgl. G. Fbiedbich,
Beobachtungen zur messianischen Hohepriestererwartung in den Synoptikern =
ZTbK 63 (1956) 265—311.
" Die Oestalt des sterbenden Messias. Religionspsychologische Aspekte der
jüdischen Apokalyptik = Studien aus dem C. G. Jung-Institut Zürich VIII
(Zürich-Stuttgart 1958).
Des Messias ben David und des Messias ben Josef, der — entsprechend
der Aufteilung des Stammes Josef in die Halbstämme Manasse und Efraim —
auch Messias ben Efraim oder (seltener) Messias ben Manasse genannt wird.
83 ZDMG 113/3
504 Ernst Hammebschmidt
3. Die Linie der einen Messiasgestalt
Daneben ist nun eine andere Entwicklung festzustellen, die wohl auch
von der zweigliedrigen Führung des Volkes Israel, wie sie sich bei
Beginn des Exils findet, ihren Ausgang nimmt, bei der sich die politische
Machtfülle aber mehr und mehr in der Person des Hohenpriesters
konzentriert. Der Hohepriester wird damit in zunehmenden Maße ein
welthcher Herrscher, der neben seinen priesterlichen Gewändern auch
die königlichen Insignien trägt (Ex 28).
Esra und Nehemia war es gelungen, Juda wieder eine gewisse Auto¬
nomie zu verschaffen, die von den persischen Königen zwar kontrolliert,
aber auch wohlwollend toleriert wurde. Der kleine jüdische Staat, dessen
Mittelpunkt Jerusalem war, wurde vom jeweiligen Hohenpriester regiert.
Auch der Sieg Alexanders d. Gr. bei Issos (333 v.Chr.) bedeutete für
den jüdischen Tempelstaat keine gnmdlegende Änderung der Verhält¬
nisse, da nur die Oberherrschaft wechselte. Obwohl Alexander bei
seinem Zug in die Oase Siwa zum Sohn des Ammon** erklärt wurde, hatte
diese Aufnahme des Gottessohn-Gedankens für Jerusalem keine Folgen*".
Das gilt aber nicht mehr für die Seleukidenzeit, die mit der Eroberung
der Stadt durch Antiochos III. d. Gr. (223—187) im Jahre 200 begann.
Mit Antiochos IV. Epiphanes (175—164) setzten die Hellenisierungs-
tendenzen ein^^, in deren Gefolge Hohepriester ein- und abgesetzt wurden.
Da diese turbulenten Jahrzehnte für unser Thema nichts Wesentliches
beitragen, soll hier nicht näher auf sie eingegangen werden.
Wie bekannt wurde die Existenz eines Altares in Modeln*^ der Anlaß
zu einem Aufstand, der in die Geschichte als die Makkabäerbewegung
eingegangen ist. Als dem dritten Bruder des Judas Makkabäus, Simon,
die erbliche Würde des Hohenpriesters angeboten wurde^^, war die Ver-
" Der von den Griechen mit Zeus identifiziert wurde; vgl. F. Peister, Alexander der Große in den Offenbarungen der Griechen, Juden, Mohammedaner
und Christen = Schriften der Sektion f. Altertumswiss. d. Deutschen Ak. d.
Wiss. zu Berlm 3 (Berlm 1956) 10—12.
60 Vgl. Taeger, Charisma I, 191—208, bes. 202. Der Kult Alexanders
wmde zu seinen Lebzeiten von der Mehrzahl aller Grieehen und Makedonen
abgelehnt, erst nach seinem Tode wmde er zu einer geschichtlichen Wirklich¬
keit; vgl. F. Taeger, Alexanders Gottkönigsgedanke und die Bewußtseinslage
der Griechen und Makedonen = Sacral Kingship 394—406.
51 Antiochos IV. brachte überhaupt die entscheidende Wende im helle¬
nistischen Herrscherkult. Sein Beiname Epiphanes erscheint auf den Münzen
in verschiedenen Kombinationen neben ■ftsö? und wird gelegentlich sogar
ausdrücklich damit verbunden; vgl. Taeger, Charisma I, 318.
52 1 Makk 2, 15—28.
5' 1 Makk 14, 41: ^^al oti ol louSaioi xal ol iepeiq süSoxrjaav xoü clvat aÜTÖv St(xova 7]Y0<j[XEV0v xal äp/isp^ot zic, t6v alüva So)? toü ävaaT9ivai TtpocpriTTiv tticjtov . . . 47: xal hizMS,ccTo Sijjtojv xal eOSöxi^CTev äp^iEpaTsuEtv xal Elvai cTTpaTTjYÖ? xal i&vdtpxvjs TÜV Iou8a(cov xal Eep^tüv xal toü TrpaaTaTrjaat TcdivTtov.
einigung beider Ämter in einer Person erreicht. Nominell geschah dies
allerdings erst unter Aristobul I. (104—103). Die Machtposition der
Hasmonäer war unter Simon tmd dessen Sohn Johannes Hyrkan I. so
gestiegen, daß Aristobul 104 v.Chr. den Königstitel annehmen konnte^.
Viel stärker als in der vorexilischen Zeit waren nun königliche und
priesterliche Gewalt wieder miteinander verbunden. Der Umfang des
Reiches, der fast das Ausmaß des salomonischen erreichte, steigerte das
Ansehen der Hasmonäer und stärkte das nationale Bewußtsein Israels.
Auf der anderen Seite ließ die Machtpolitik der Makkabäer auch
Unzufriedenheit und Gegnerschaft aufkommen. Gegen Alexander
Jannäus (103—76) richtete sich vor allem die Abneigung der Pharisäer,
die durchaus nicht damit einverstanden waren, daß ein Feldherr zugleich
das Amt des Hohenpriesters innehatte. In dem verhängnisvollen Bruder¬
kampf zwischen Hyrkan II. und Aristobul II. fand die Dynastie ihr Ende.
Im Jahre 63 v. Chr. waren die von beiden zu Hilfe gerufenen Römer
Herren des Landes; Hyrkan II. fungierte weiterhin als Hoherpriester
und erhielt den Titel ,,Ethnarch".
Aus dem von den Römern eingesetzten Epitropos Antipatros (der
kein Jude, sondern Idumäer war) entstand die Dynastie des Herodes.
Die politischen Ereignisse interessieren in diesem Zusammenhang nur
insofern, als sie für das Thema von Belang sind.
Nachdem der römische Senat 40 v.Chr. Herodes die Königswürde zu¬
erkannt hatte (wodurch er in den Status eines ,,rex socius et amicus
populi Romani" kam^^), eroberte er 37 v. Chr. Jerusalem. Das Regierungs¬
system des Herodes ist wesentlich durch die Ausschaltung des Sanhedrin
gekennzeichnet. Zunächst waren 37 v.Chr. 45 hasmonäer-freundliche
Sanhedrinmitglieder dinch Parteigänger des Herodes (Pharisäer?)
ersetzt worden. Die politische Ausschaltimg des Sanhedrin zeigen die
Münzen des Herodes: Sie enthalten nur den Namen des Königs in
griechischen Buchstaben, und nicht mehr (wie die Hasmonäermiuizen)
daneben auch die jüdische Volksvertretung: D^ninTI 13n. Ein weiterer
Schritt des Herodes zur Festigimg seiner Herrschaft war die Ausschaltung
des Hohenpriesters als bedeutende politische Instanz. Da er selbst (in-
°* Vgl. dazu M. A. Beek, Hasidic Conceptions of Kingship in the Maecabaean
Period = Sacral Kingship 349—355. Nach E. L. Ehrlich hat sich Alexander
Jannäus (103—76) als erster Hasmonäerfürst die Königswürde beigelegt.
Ehrlich Ijoruft sich auf Münzen, die die hebräische Aufschrift ,, Jonathan der König" und die griechische ,,des Königs Alexander" tragen: Geschichte Israels von den Anfängen bis zur Zerstörung des Tempels (70 v. Chr.) (Berlin
1958) 119.
Außerdem war er berechtigt, die Titel „Rex", ,,Tetrarch" und ,, Dynast"
zu. führen. Die Mitglieder des Königshauses galten als ,, aequo foedero in
societatem Romanorum recepti"; vgl. Beek, Geschichte Israels, 150.
33»
506 Ernst Hammebschmidt
folge seiner Abkiuift) dieses Amt nicht bekleiden konnte, drückte er den
Hohenpriester auf die Stellung eines könighchen Beamten hinab: Er
hob die Erbhchkeit imd Lebenslänglichkeit des Amtes auf und übte die
Kontrolle über die hohenpriesterliehen Gewänder an den Tagen aus,
an denen sie nicht zum Gottesdienst gebraucht wm'den.
Das Entscheidende aber ist das Aufkommen eines messianischen
Bewußtseins bei Herodes selbst. Die Herausarbeitung seiner Ansprüche
verdanken wir dem vor kurzem erschienenen hebräischen Werk von
Abraham Schalit : ibSBI B*""«;! "p^in omin (König Herodes. Der Mann
und sein Werk)^^, das mit Recht als Höhepunkt der bisherigen Herodes-
forschimg bezeichnet wurde.
Das neue Bewußtsein des Herodes ist danach nur auf dem Hinter¬
grund der Oikumene des Imperium Romanum verständlich. Er verstand
Octavian als seinen eigenen Erlöser und Befreier, der mit dem Sieg
von Actium (31 v.Chr.) eine neue Weltperiode eingeleitet hatte. Im
Rahmen dieser neuen Epoche des Friedens und der humanitas sah
Herodes seinen eigenen Platz. Nach allem, was bisher gesagt wurde, ist
es verständhch wenn die verschiedenen Gruppen in Israel mit diesem
Selbstverständnis des Herodes nicht übereinstimmen konnten. Die
Pharisäer betrachteten nur ein Reich in Israel für legitim, das das er¬
wartete messianische Reich des kommenden Sohnes Davids war. Der
Widerstand dieser Kreise regte Herodes zu einer, in seinem Sinne ver¬
standenen messianischen Wirksamkeit an: Er begann den Neubau des
Tempels. Um den Einwänden der davidisch-messianisch ausgerichteten
Gruppe zu begegnen, versuchte er auch, seine Abstammung auf David
zurückzuführen. Tempelbau und Vergrößerung des Reiches (die beide
auch von der davidischen Seite als Kennzeichen der Wirksamkeit des
erwarteten Messias betrachtet wurden) bestärkten Herodes in der Mei¬
nung, daß er selbst ,, nichts anderes als die Verkörperung des Messias sei, über den die Propheten Israels geweissagt hatten"*'.
Durch diese Umdeutung wurde der Messiastitel aber seines alten In¬
haltes beraubt. Vom Judentum dem kommenden Sproß Davids vorbehal¬
ten, der Reich und Volk Israel unter Jhwh's Hoheit zur reUgiös-politischen
Weltherrschaft führen sollte, wurde er nämlich bei Herodes insofern zu
einem reinen PoUtikum, als er ihn zum Zweck der Stärkimg seiner Stel¬
lung im Imperium Romanum wie in seinem eigenen Reiche gewisser¬
maßen zur jüdischen Form der hellenistisch-orientalischen Herrscher¬
apotheose machte. Herodes' „Messianismus" gab ihm daher — vollends
5' Jerusalem 1960. Wichtigste Besprechungen: K. Schubert in: Biblische
Zeitschrift NF 5 (1961) 125-133; M. Stebn m: Journal of Jewish Studies
11 (1960) 49-58.
" Schaut, ■j'rnn omin, 234.
bei seiner Position bei Augustus — die Möglichkeit, sich und sein
Reich ohne jede Spannung in die Oikumene des Imperium Romanum
unter seinem Princeps Augustus einzuordnen. Allerdings wurde Herodes'
„Messianismus" so — wie Schalit sagt*« — ein ""KÖlTTlIDVa flS d.h.
„eüie reichsrömische Angelegenheit". In dieser „messianischen" Theorie des Herodes offenbart sich seine politische Genialität in imponierender
Weise. Läuft sie doch darauf hinaus, den Eindruck zu erwecken, daß
er und sein Volk letztlich in der Realität des Augustus die Erfüllung
ihrer messianischen Hoffnungen sehen.
Die neue These A. Schalits, Herodes sei (zumindest von einem
bestimmten Zeitpunkt an) von messianischen Ideen geleitet worden,
wird u.a. durch zwei Punkte unterstützt, zu denen sich im Laufe der
Zeit sicherlich noch mehr gesellen werden.
Der erste Beweispunkt ist ein Passus in dem ,, Arzneikasten" (Pa-
narion) des Epiphanius von Salamis (gest. 403). XX 1 spricht dieser von
den Herodianern, wobei er mitteilt, sie hätten Herodes als xpi^TO? be¬
trachtet*". Es ist bezeichnend, daß die Forschung bisher mit dieser Stelle
nichts Rechtes anzufangen wußte. So übersetzt Cölestin Wolfsgeubee
in der ersten Ausgabe der Kösel'schen Kirchenväterbibliothek«" : „Die
Herodianer waren solche Juden, welche den Herodes für Christus hielten
und ihm Christi Namen und Ehren beilegten". Seiner Interpretation ist
J osef Höemann in der zweiten Auflage*^ fast wörtlich gefolgt. Natürhch
ist diese Wiedergabe völlig mißverständlich. Herodes hat sich niemals als
Jesus Christus ausgegeben (was schon rein historisch unmöghch wäre).
Gefördert wurde dieses Mißverstehen des Textes durch zwei Lesarten
in den Codices Gcnuensis 4 und Urbinas 17/18, die für das zweite /pitTTÖv :
xijptov lesen, so daß xp'<^'^°^ xüptov dasteht, was bei Migne dazu
noch mit großen Anfangsbuchstaben 'gedruckt wurde. Das xp^Q^'^o? des
Epiphanius heißt eben nichts anderes als „Messias". Ein deutlicher
« L.c. 236.
^' GCS 25 (ed. K. Holl) 224, Z. 10—17 = Migne PG 41, 269, Z. 28—37:
'Hp^Syjv Sk oÖTOt YiyoüvTo Xptoxiv [PG add. : Kupiov], Xpioriv [PG om.] töv iv TTciaai? Ypacpat? v6(Xou te xal TtpoqjriTÜv 7TpoaSox(o|XEVov vofjilaavTSQ aüxöv elvat töv 'HpüSyjv [PGadd. : XpitJTÖv], xallTt'aÜTÜ dtTtaTcofiEvoi 4aE(i,vuvovTO tm 'HpüSn, 4x TOÜ p7)ToG cuvapTTacTÖ-^VTei; ((xetix toü xal e'iQ x^piv toü töte ßaciX^to? XEVoSo^rjuat*) TOÜ Etpv)(i.lvou "oüx ^xXeEiJ'EI (äcpx<öv iE, ToüSa oüte riyoiifisvoi; ex tSv (iTQpüv aÜTOü,
€oiq äv Sk^fi 5> äTTÖXEiTai" r; [PG: 'ft? Si] ^^st Ta äXXa ävTlYpa<pa "Sco? SX-St) § Ta äTTOXEtflEVa".
* KevöSo^oi ist ein Lieblingsausdruck des Epiphanius für die Häretiker.
Schalit bespricht (237) die Stelle unter Verweis auf Bickebmann in: Bevue
biblique 47 (1938) 184 ss. Kempten 1880, 246.
"1 Kempten und München 1919, 195. Beide übersetzen allerdings den
„Anakephalaiosis" genannten Auszug aus dem Panarion, der sich aber dem
Sirme nach mit dem Panarion deckt.
508 Ernst Hammerschmidt
Beweis dafür ist übrigens die Bemerkung des Epiphanius, die Herodianer
hätten die dunklen, aber immer wieder messianisch verstandenen Worte
von Gn49, 10 auf Herodes bezogen: nV'B^ i^3J~''3 1^ (Nicht wird weichen
das Szepter von Juda, noch der Herrscherstab von seinen Füßen), bis
der kommt, dem er [gebührt] (so die Auffassung des Textes bei
Epiphanius), oder : solange, als man nach Silö kommt, oder:
bis „Silö" kommt^^.
Die zweite Unterstützung der ScHALir'schen These verdanken wir
einem Hinweis von W. Wiegin*^. Wiegin machte auf herodianische
Bronzemünzen aufmerksam, die eine zeremonielle Kopfbedeckung zeigen,
die von einem nlkot; mit zwei Palmzweigen überhöht ist. Nun wissen
wir, daß die Piloi in späterer Zeit konstantes Attribut der Dioskuren
waren^; zumindest seit Ende des 4. Jh. sind sie die übliche Tracht der
Dioskuren.
Fig. 1 Fig. 2 Fig. 3
Fig. 1 und 2 zeigen piloi auf hellenistischen Mimzen, Fig. 3 die Rückseite der
Haupt-Bronzemünze des Herodes [nach W. Wirgin, On King Herod's
Messianism = Israel Exploration Journal 11 (1961) 153].
Die Bedeutung dieses Symbols hat W. W. Taen** im Zusammenhang
mit der Gestalt des Eukratides, der sich um etwa 175 v.Chr. zum
Die Stelle ist seit jeher eine crux interpretum; vgl. auch G. H. Dix,
The Messiah ben Joseph = JThSt 27 (1926). Es ist nicht ausgeschlossen,
daß Silo ein absichtlich konstruierter Messiasname ist, da die rivalisierenden
Rabbinenschulen den Messias mit Namen bezeichneten, die nach dem Namen
ihres Schuloberhauptes gebildet waren (so die Schule des Rabbi Haninä als
Haninä, die des Rabbi Jannai als Jinnon und die des Rabbi Selö als Sllö) ;
vgl. b. Sanhedrin 98b. Die umfangreiche Literatur bei A. Posnanski,
Schilo. Ein Beitrag zur Messiaslehre (Leipzig 1904).
°^ On King Herod's Messianism = Israel Exploration Jomnal 11 (1961)
153 s.
" Vgl. Bethe m: Pauly-Wissowa V 1108.
"5 The Greeks in Bactria and India (Cambridge 1951) 204.
Herrscher in Baktrien machte^", behandelt. Die Dioskuren, ein bekanntes
Seleukidensymbol, erscheinen bereits auf einer Bronzemünze Seleukos' I.
Bei Eukratides waren die Dioskuren in einem besonderen Sinn die Retter
(oto-nipsi;)®', wobei festgehalten werden muß, daß gerade der Ausdruck
(TCOTYip im ersten vor- und nachchristhchen Jahrhundert mit all den
Inhalten verbunden wird, die die Vergottimg des Herrschers ermöglichen^,
aber nicht voraussetzen. Dagegen paßt die Auffassung des Soter als
Retter und Erhalter, der ,,eine allgemeine, sozusagen eine Weltaufgabe
hat"^*, gut zu den messianischen Ansprüchen bei Herodes.
Wenn man Taens Beobachtung auf die Herodesmünzen anwendet,
erscheint es sehr naheliegend, daß Herodes die Heilsbedeutung dieses
Symbols übernahm, um seine messianischen Ansprüche auch sinnfällig
auszudrücken.
Dieses Symbol ist auch deshalb wichtig, weil damit deutlich wird, daß
bei Herodes zwei Ströme messianischen Verständnisses zusammen¬
fließen: die alte jüdische Messiaserwartung und die hellenistische Auf¬
fassung vom Soter'".
Der großartig-tragische Versuch des Herodes, die Messiasidee in
seiner Person zu verwirklichen, also nicht nur König und Priester, sondern
der messianische Fürst schlechthin zu sein, ging mit seiner Person unter.
Vgl. Willbich in: Pauly-Wissowa VI 1059; E. Waldschmidt, Geschichte
des indischen Altertums = E. Waldschmidt u.a., Geschichte Asiens (München
1950) 77 f. Eukratides nahm als erster Grieche auf Münzen den aus Persien
übernommenen, ins Indische übersetzten Titel eines ,, Oberkönigs der Könige"
(räjätiräja) an. 159 v.Chr. fiel er im Kampf gegen den Partherkönig Mithra¬
dates I.
Zu den Dioskmen als Retter vgl. W. Schadewaldt, Die Stemsagen der
Griechen (Frankfmt-Hamburg 1956) 50—54.
•8 Vgl. Taegee, Charisma I, 329. In der gesamten älteren Lyrik der
Griechen gibt es kein Zeugnis für die Vergottung des lebenden Menschen.
Erst im 5. Jb. wird König Archidamos nahe an den Kreis der alten Staats¬
götter gerückt und als awxTjp te TraTvjp ts (Ion von Chios 2, 1) gefeiert (vgl.
Taegee, Cliarisma I, 67, Anm. 11; 83). Nach H. Bengtson [Griechische
Oeschichte = HAW III 4 (München 1960) 252] ist Lysander (nach dem Fall
Athens im peloponnesischen Krieg) der erste Grieche, ,,den seine Zeit¬
genossen in die göttliche Sphäre erhoben haben, ein Vorläufer des helle¬
nistischen Gottmensehentums".
*° W. Schubaet, Das hellenistische Königsideal nach Inschriften und
Papyri = Archiv für Papyrusforsohung 12 (1937) 13.
Das Eindringen hellenistischen Gedankengutes in die Herrsoher-
vorstellung zeigt schon der Aristeasbrief, die legendenhaft ausgeschmückte
Geschichte von der Entstehung der Septuaginta. Die dort enthaltenen
„Tischgespräche", eine Anweisung zum guten Regieren (eine Art ,,Fürsten- spiegel"), stellen besonders das ^S-oi; xpii<Jt6v des Herrschers, das die ^TUEixeta und 9iXavS'pco7r(a umfaßt, heraus; vgl. Schubabt, Das hellenistisciie Königs¬
ideal, 4f.
610 Ernst Hammerschmidt
Keiner der jüdischen Herrscher nach Herodes hat mehr einen solchen
Versuch unternommen. Auch Simon bar Koäiba', Bar Kochba, der von
dem berühmten Rabbi Aqiba als ,, Stern aus Jakob" (nach der Ver¬
heißung von Nm 24, 17) begrüßt wurde'^, hat die Königsideologie nicht
für sich in Anspruch genommen. Obwohl der Hohepriester Eleazar ihm
als militärischen Führer untergeordnet erscheint, bezeichnet sich Bar
Kochba (der sicher auch kein Davidide war) auf den Münzen als „Fürst
Israels" {n'sV jUra'el), aber nicht als „König" {maläk)''^.
IV. Zusammenfassung
Wenn wir die vorstehenden Überlegungen zusammenfassen, ergibt
sich folgendes :
I. Wir können feststellen, daß mit Beginn des Exils die ideelle Macht¬
position des israelitisch-jüdischen Königs entscheidende Einbußen er¬
litten hat. Bei Zacharja sind der weltliche und der priesterliche Leiter
der Gemeinde weitgehend koordiniert. Auch die samaritanischen Litur¬
gien lassen die Tendenz erkennen, den Hohenpriester dem König zu¬
mindest gleichzustellen, wenn nicht sogar überzuordnen. Die Erinnerung
an die Zweiteilung der Gewalten blieb erhalten und fand schließlich ihren
Niederschlag in den am Toten Meer gefundenen Texten, wo die Messiasse
von Aaron und Israel erwartet werden.
II. Daneben läuft die Tendenz, die beiden Ämter wieder in einer Person
zu vereinigen. Nachdem in der persischen und frühen hellenistischen Zeit
die Hohenpriester zugleich auch die (allerdings beschränkte) weltliche
Herrschaft ausgeübt hatten, wird das Verhältnis unter den Hasmonäern
gerade umgekehrt: Die hasmonäischen Feldherrn und Führer nehmen
die Hohenpriesterwürde an und fungieren auch als solche.
III. Ein letzter Versuch der Vereinigung beider Ämter findet bei
Herodes statt. Aus edomitischer Familie stammend, kann er allerdings
nicht die Hohenpriesterwürde erlangen. Indem er in seinen sakralen In¬
tentionen über das priesterliche Amt aber weit hinausgeht, macht er
'1 M. Hengel [Die Zeloten = Arbeiten zur Geschichte des Spätjudentums
1 (Leiden-Köln 1961) 245] hat bemerkt, daß die Weissagung vom Stern, der
aus Jakob aufgeht (Nm 24, 17) und zunächst die Nachbarvölker Israels,
dann aber auch die Weltmächte unterwirft, im palästinischen Judentum
eine ganz besondere Rolle gespielt hat. Sie kommt auch mehrfach in dem in
Qumrän gefundenen Schrifttum vor.
Auf bei Beek, Geschichte Israels, Tafel 13, abgebildeten Mimzen [aus
S. A. BraNBAUM, The Hebrew Scripts (London 1954—57) entnommen]
erscheint die Aufschrift :
b n ' m s = Simon b(ar)
' bi k = koäiba'
'jän = näöP
messianische Ansprüche geltend, die allerdings nicht mehr den alten
jüdischen Vorstellimgen konform sind. Herodes erhebt seine messiani¬
schen Ansprüche nur in seiner Einordnung in die Oikumene des Imperium
Romanum. Wie die Münzen zeigen, wirkt bei ihm auch der Strom der
hellenistischen Soter-Vorstellung mit. Der in seiner Art großartige, aber
auf Grund der Verhältnisse zum Scheitern verurteilte Versuch des He¬
rodes ist, soweit wir sehen können, der letzte Rückgriff auf die Kon¬
zeption des sakralen Königtums im nachexilischen Judentum.
Die hebräische Inschrift des Goldplättchens
von Comiso
Von Uleich Schmoll, Heidelberg
Über das im Museo Archeologico Nazionale von Syrakus unter der
Inv.-Nr. 15 280 aufbewahrte Goldplättchen aus Comiso (Sizilien) er¬
schien der erste Bericht in einem Zeitungsartikel von 1876, worin die
Inschrift als griechisch bezeichnet wurde. Noch im gleichen Jahr
behauptete Lagumina, sie sei hebräisch. In der Folgezeit hielt man das
Plättchen für eine in magischen Zeichen geschriebene Defixion (Oesi,
Pace), bis Ribezzo in der Rivista indo-greco-itaUca 11 (1927), S. 288fif.
nachzuweisen suchte, daß das Dokument in einer Silbenschrift der vor¬
indogermanischen Bewohner Siziliens geschrieben, also ein ,,sikanisches"
Sprachdenkmal sei. Diese Meinung wird in den folgenden Jahren ziemlich
allgemein akzeptiert, so z. B. von Whatmoxtgh (1933), WiKigN (1937),
Paeeti (1947), Altheim (1951), Bovio Maeconi (1954). NurMEEcuEELLi
(1944) und Pugliese-Cakatelli (1953) hielten an der Auffassung fest,
daß es sich um magische Zeichen handle^. Eine Diskussion der Inschrift
findet sich auch in meinen Beiträgen zur sprachlichen Frühgeschichte
Siziliens, Heidelberg 1953, S. 40 ff., wo ich Ribezzo folgte und nur hin¬
sichthch der Herkunft der Schrift eine abweichende Meinung vertrat.
Diese Ausführungen sind auch in mein Buch Die vorgriechischen Sprachen
Siziliens (Wiesbaden 1958) übergegangen, da mir S. Caldeeones Aufsatz
über diese Inschrift entgangen war^.
Die Schriftzeichen sind so stark in das weiche Material eingedrückt,
daß sie auch auf der Rückseite im Negativ erscheinen. Dieses Negativ
hatte Ribezzo für die Vorderseite gehalten und war dadurch zu irrigen
Schlüssen geführt worden. Caldeeone erkannte diesen Irrtum und
kommt zu der Feststellung, daß es sich um hebräische Quadratschrift
aus dem 3. Jh. n. Chr. handelt. Seine Lesung und Deutung ergibt einen
Amulett-Text in späthebräischer, vom Aramäischen beeinflußter
Sprache. Der Leser, der die Einzelheiten dieses im Grundsätzlichen
zweifellos richtigen Ergebnisses nachprüfen will, ist auf das Faksimile
1 Genaue Literaturangaben für diese heute überholten Äußerungen er¬
übrigen sich. Sie finden sich in dem gleich zu nennenden Aufsatz von S.
Caldeeone und in meinem Sizilienbuch.
^ Per la storia delVelemento giudaico nella Sicilia imperiale, Atti Lincei 352 (1955), Ser. 8, Rendiconti cl. mor. stor. fil., Bd. 10, S. 489ff.