Der französische Einfluß auf die arabische
Schriftsprache im Maghrib
Von Loeenz Keopfitsch, Germersheim
Der Anstoß zur vorUegenden Arbeit ging von Herrn Professor Hans
Wehe aus, der mich im Rahmen meiner Mitarbeit an der Neuauflage
seines Dietionary of Modern Written Arabic zur Untersuchung der
maghribinischen Schriftsprache anregte. Mit dieser Untersuchung
wird insofern Neuland betreten, als zum ersten Mal die Schriftsprache
im Maghrib einer näheren Analyse unterzogen wird. Während die
Beschäftigung mit den maghribinischen Dialekten bereits auf eine
lange Tradition* zurückblicken kann, liegen m.W. für die Schriftsprache
dieses Gebietes keinerlei vergleichbare Arbeiten vor, was vor allem
darauf zurückzuführen sein dürfte, daß die Entwicklung einer voll
funktionsfähigen neuhocharab. Schriftsprache, die auch allen Anfor¬
derungen eines modernen Staates entspricht, im Maghrib erst nach
Erlangung der Unabhängigkeit, also in den fünfziger bzw. sechziger
Jahren unseres Jahrhunderts einsetzen konnte.
Nimmt man als Kenner des östlichen Schriftarabisch eine maghri¬
binische Zeitung zur Hand, so stößt man schon bei flüchtigem Hinsehen
auf augenfällige Eigenheiten. Bei eingehenderer Prüfung dieser Fälle
zeigt sich, daß es sich dabei vor allem um Unterschiede auf dem Gebiete
des Wortschatzes handelt. Diese sind in verschiedenen Teilbereichen so
tiefgreifend, daß man die von arabischer Seite oft beschworene und von
der Arabistik nicht selten als Dogma hingestellte Einheitlichkeit der
arab. Sprache — d.h. des Hocharabischen oder Schriftarabischen —
anzuzweifeln beginnt^. In der Tat fallen die Eigenheiten der Schrift¬
sprache im Maghrib auch dem Araber aus dem Osten sofort auf und
rufen in nicht seltenen Fällen sein Befremden über gewisse Ausdrücke
oder Formulierungen hervor. Wie groß die Unterschiede nun wirklich
sind und auf welchen Gebieten sie vornehmlich zu Tage treten, wird
im folgenden darzulegen sein. ,
I
* Vgl. T.B.Ibving: North Afriean Arabic studies. In: Arabic dialeet
studies. Ed. by H.Sobelman. Washington 1962, S. 58ff. Auoh die Einflüsse
des Franz. auf die arab. Dialekte sind untersucht worden, vgl. etwa
L. Brunot: Emprunts dialectaux arabes ä la langue franfaise dans les citAs
marocaines depuis 1912. In: Hesperis 36 (1949), S. 347—430.
2 Vgl. auoh W.DiBM: Hoclisprache und Dialekt im Arabischen, Wiesbaden
1974, wo auf S. 2 auf die eigentlich nicht existente Einheitlichkeit des Hoch- arabischen hingewiesen wird.
40 Lobenz Kbopi-itsch
Zunächst soll der geographische Rahmen der Untersuchung abge¬
steckt werden. Die Abgrenzung des Begriffes „Maghrib" — vor allem
nach dem Osten hin — ist in der Literatur nicht einheitlich^, jedoch
wird heute unter Maghrib meist das Gebiet vom Atlantik bis zur
ägyptischen Grenze* verstanden, d.h. also das Territorium der Länder
Marokko, Algerien, Tunesien und Libyen. Die vorliegende Unter¬
suchung erstreckt sich aber lediglich auf die Schriftsprache Marokkos,
Algeriens und Tunesiens. Die libysche Schriftsprache wird aus Gründon,
aufdie am Ende des Aufsatzes näher eingegangen wird, ausgeklammert.
Obwohl auch die arab. Schriftsprache im Nahen Osten von Land zu
Land gewisse Differenzen zeigt, kann man sie doch als einheitlich be¬
zeichnen. Dieser relativ einheitlichen Sprache — die dem Arabisten,
der sich mit dem modernen Arabisch beschäftigt, in der Regel allein
vertraut ist — wird im folgenden die Schriftsprache der drei genannten
nordwestafrikanischen Länder gegenübergestellt. Die Sprache dieser
drei Länder kann auf Grund verschiedener gemeinsamer Charakter¬
züge in sich als eine Einheit begriffen werden, die sich im gesamten
gesehen von der Schriftsprache im Nahen Osten beträchtlich unter¬
scheidet. Es soll im folgenden also von Maghrib und Maschriq* die
Rede sein, wenn auf die sprachlichen Unterschiede zwischen dem
Westen und dem Osten der arab. Welt hingewiesen wird.
Nach der räumlich-geographischen Eingrenzung des Themas nun
zur sachlich-inhaltlichen. Zunächst erhebt sich die Frage, welcher Art
die Besonderheiten der maghribinischen Schriftsprache sind. Eine ein¬
gehende Lektüre maghribinischer Texte zeigt, daß das westliche Hoch¬
arabisch in vielerlei Hinsicht eigene Wege gegangen ist, die zur Heraus¬
bildung von mannigfachen Eigenheiten führten, von denen in dieser
Untersuchung nur die auffallendste herausgegriffen werden soll, u.zw.
der franz. Einfluß in seinen verschiedenen Auswirkungen und Aspek¬
ten*.
»Vgl. EP, Bd. in, S. 116.
* Vgl. St. und N. Ronabt: Lexikon der arabischen Welt. Zürich 1972,
S. 672 und Tagwim al-magrib al-'arabi al-kablr. Mausü'a 'ilmiyya iqtisädiyya i^timä'iyya tagäfiyya 'an aqfär al-magrib al-kabir al-arba'a. Wad' wa-i'däd:
MüFDl Zakabiyyä. Tunis 1965—1966.
' Obwohl der Terminus ,,Maschriq" in der Fachliteratur nur sehr selten
auftaucht (vgl. etwa A.Hottinoeb: Die arabischen Staaten Nordafrikas.
Hannover 1971, S. 122ff.) und noch weniger scharf umrissen ist als ,, Maghrib"
— ein Wort, das sogar in die europäischen Sprachen Eingang gefunden hat —,
wird er hier durchgängig verwendet, u.zw. in der Bedeutung von al-masriq
al-'arabl, also der Gesamtlioit der arab. Länder außerhalb des Maghrib.
• Weitere Charakteristika, wie der Einfluß der lokalen Dialekte, der
spezielle, ohne ersichtliche Fremdeinwirkung zustandegekommene Wort¬
schatz usw. werden noch zu untersuchen sein.
Der französische Einfluß auf die arabische Schriftsprache im Maghrib 41
Bevor wir näher auf die Arten und den Umfang des franz. Einflusses
eingehen, ist noch die Frage zu beantworten, warum es zu einem
solchen überhaupt kommen konnte. Ein prüfender Blick auf die
Schriftsprache im Maschriq zeigt, daß auch diese in weitgehendem
Maße von lexikalischen und stilistischen Europäismen durchsetzt ist.
Das ist vor allem darauf zurückzuführen, daß neben der kulturellen,
wirtschaftlichen und politischen Stagnation in den arab. Ländern auch
eine Stagnation der Sprache einherging. Erst nach Erreichen der
Unabhängigkeit konnte man darangehen, die Sprache zu moderni¬
sieren und sie in ihren Ausdrucksfähigkeiten den modernen Gegeben¬
heiten und Errungenschaften anzupassen. Dabei dienten die Sprachen
der ehemaligen Mandats- und Protektoratsherren als Vorbild, denn mit
ihnen mußten sich die Gebildeten schon während der Kolonialzeit
intensiv auseinandersetzen. Daß es dabei zu einer stattlichen Anzahl
von Lehnübersetzungen und Fremd Wörterübernahmen kam, ist nur
natürlich. War es in Ägjrpten, im Irak und einigen anderen arab. Ländern
das Englische', das bei der Übersetzungstätigkeit vorwiegend als Vorbild
diente, so war es im Libanon und in Syrien das Französische, denn
diese beiden Länder waren ja bis in die vierziger Jahre franz. Mandat.
Die gleichen Gründe waren auch im Maghrib maßgebend für die
Einflußnahme einer europäischen Sprache auf das Schriftarabische,
nur daß es hier keine Aufteilung in eine englische und eine franz. Ein¬
flußsphäre gab, das Franz. vielmehr allein die Rolle des sprachlichen
Vorbilds spielte. Obwohl auch Spanien (nördliches Marokko) und
Italien (Libyen) im Maghrib als Kolonialmächte aufgetreten waren,
ist spanischer bzw. italienischer Einfluß auf die arab. Schriftsprache
kaum, jedenfalls nicht in größerem Umfang nachzuweisen.
Nun ist aber — wie man an Hand von Textvergleichen alsbald fest¬
stellen kann — der franz. Einfluß im Maghrib wesentlich größer als
der englische und franz. im Maschriq*. Dies erklärt sich jedoch fast
' Hier ist jedoch eine Einschränkmig zu machen, u.zw. insofern als das
Enghsche erst etwa seit dem Ende des ersten Weltkrieges des Arab, in
größerem Ausmaße zu beeinflussen begann (vgl. H.Wehr: Die Besonder¬
heiten des heutigen Hochardbischen mit Berücksichtigung der Einwirkung der
europäischen Sprachen. Berlin 1934. S. 4). Bis dahin war vor allem in Ägypten
der franz. Einfluß, der mit der Expedition Napoleons begann, sehr stark und
ist es auch noch einige weitere Jahrzehnte geblieben. Erst nach dem zweiten Weltkrieg seheint das Englische die dominierende Rolle als Bildungssprache
imd somit als Vorbild für Neuprägungen eingenommen zu haben.
8 Eine dem Maghrib in etwa vergleichbare Situation liegt lediglich im
Libanon vor, wo das Franz. als Bildungssprache eine sehr bedeutende Rolle
spielt (vgl. W.DiEM: Hochsprache, S. 14, ferner S.Abou: Enquetes sur les
langues en usage au Liban. Beirut 1961 und ders.: Le bilinguisme arabe-
franoais au Liban. Paris 1962). Die Auswirkungen dieser Zweisprachigkeit aufdie arab. Schriftsprache sind dort aber wesenthch gerüiger als im Maghrib.
42 Lorenz Kbopfitsch
von selbst durch die Dauer der Fremdherrschaft, die im Maghrib
wesentlich länger währte, am längsten davon in Algerien, wo die franz.
Ära über 130 Jahre dauerte. Zudem war die Kulturpolitik der Franzosen
im Maghrib weitaus intensiver als die der Engländer oder auch als ihre
eigene im Nahen Osten, ja man hatte es teilweise sogar darauf ange¬
legt, bestimmte Gebiete (vor allem Algerien) vollständig zu französi-
sieren und dem Mutterland einzuverleiben.
Auf welches Material stützt sich die vorliegende Arbeit? In erster Linie
wurden für die Untersuchungen Zeitungen herangezogen, die die Vielfalt
der Sprache am besten widerspiegeln , da in ihnen alle möglichen Bereiche
sprachlicher Äußerung — von weltpolitischen bis zu lokalen Meldungen,
von Sportberichten bis hin zur schönen Literatur — anzutreffen sind.
Folgende Zeitungen wurden teilweise oder vollständig ausgewertet:
Marokko:
al-*Alam. Lisän hizb al-istiqläl. Ausgabe vom 27. 7. 1973
al-Anbä' vom 25. 7. und vom 3. 8. 1973
al-Falläh. Lisän al-ittihäd al-magribi li-l-filäha. Ausgabe vom 27.7.1973
al-Ittihäd al-watani vom 13. 7. 1973
Algerien:
as-Sa'b. Yaumiyya iljbäriyya wataniyya. Ausgaben vom 5. 7., 7. 7.
und 6. 8. 1973
an-Na^r. Yaumiyya wataniyya ihbäriyya. Ausgaben vom 26. 7. und
1. 10. 1973 Tunesien:
al-'Amal. Lisän al-hizb al-iätiräki ad-dustüri. Ausgaben vom 30. 6.,
1. 7., 3. 7. und 2. 8. 1973
as-Sabäh vom 17. 7. und 25. 7. 1973.
Daneben wurden drei Zeitschriften (al-Funün. Magalla sahriyya
tusdiruhä wizärat al-auqäf wa-s-su'ün al-islämiyya wa-t-taqäfiyya.
Jg. 1, Nr. 1, Rabat 1973, Äfäq 'arabiyya. Magalla 'arabiyya taaduru
fi Paris matla' kull Sahr, Jg. 5, Nr. 43/1973 und al-A§äla. Magalla
taqäfiyya tusdiruhä wizärat at-ta'llm al-asli wa-s-su'ün ad-diniyya,
Jg. 4, Nr. 17/18, Algier 1973/74) auszugsweise durchforscht, sowie
einige andere Publikationen {Ifriqiyä l-gadida. Tünis 1962 und Taqwlm
al-magrib) und darüber hinaus schriftliche Quellen verschiedenster Art,
wie z.B. Dokumente u.dgl.
Die verschiedenen Arten des französischen Einflusses
Gallizismen manifestieren sich auf denjenigen Gebieten, die er¬
fahrungsgemäß fremdsprachigem Einfluß besonders zugänglich sind
Der französische Einfluß auf die arabische Schriftsprache im Magirrib 43
(man vergleiche dazu etwa die Einflüsse des Arab, auf das Türkische
oder die Wirkungen des Englischen auf das moderne Deutsch), u.zw.
auf den Gebieten des Lexikons, der Phraseologie und — in geringerem
Maße — der Syntax. Keine Einflüsse sind hingegen in der Morphologie
feststellbar, was aber nicht überrascht, sind doch die morphologischen
Systeme des Franz. und des Arab, zu unterschiedlich, als daß hier eine
Interferenz möglich wäre.
'^cdAf-,
I. Lexikon ^
Im lexikalischen Bereich ist der Einfluß besonders auffallend, doch
ist gerade hier der Nachweis von Übernahmen aus naheliegenden
Gründen am leichtesten zu führen. Die Fülle der Übernahmen geht
vor allem darauf zurück, daß es der arab. Sprache an Fachtermini
auf allen möglichen Gebieten mangelte*. So wurden einerseits Fremd¬
wörter unverändert oder in abgewandelter Form übernommen, oder
aber man versuchte mit Lehnübersetzungen die terminologischen
Lücken zu schließen*".
a. Fremdwörter
Schon bei der Datumsangabe in tunesischen und algerischen
Zeitungen wird der bisher nur mit dem östlichen Arabisch Vertraute
eine überraschende Entdeckung machen, denn er findet nicht die im
Maschriq üblichen Monatsbezeichnungen, sondern die franz. Monats¬
namen wurden, den Möglichkeiten der arab. Phonetik angepaßt, ein¬
fach übernommen:** ;_jäJl>- *^ iän]%, ^^y^i fivri, Jj^I avril, ^^L. mäy,
' Dasselbe güt natürlich grundsätzlich auch für den Maschriq, doch konnte
hier das Ringen um die Schaffung der verschiedenen Terminologien vor allem
aus politischen rmd historisch-kulturellen Gründen schon viel früher ein¬
setzen. So wurde schon im Jahre 1919 in Damaskus die ,, Arabische Akademie der Wissensehaften" (al-Ma^ma' al-Hlmi al-'arabi) gegründet, der weitere
Akademiegründungen (in Kairo und Bagdad) folgten. Trotz ihrer zuweilen
recht theoretischen Vorschläge haben sie doch einiges zur Entwicklung der
neuhocharab. Schriftsprache beigetragen.
'° Eine wertvolle Arbeit, die die bei den verschiedenen Arten von Über¬
nahmen wirkenden Mechanismen und Vorgänge aufzeigt, ist die von M. Sa'id :
Lexical innovation through borrowing in modem Standard Arabic. Princeton
1967. Im Unterschied zur vorliegenden Untersuchung beschäftigt sich dieses
Werk jedoch nur mit dem östlichen Arabisch.
** Auch in der tun. Umgangssprache der Städte werden nach P.L.Ingle-
field/K.Ben-Hamza/T. Abida: Tunisian Arabic basic course. Bloomington
1970 sowie nach Auskunft von Herrn M.Tueki aus Tunesien diese Monats¬
namen gebraucht, sofern man sich auf das Sonnenjahr bezieht.
12 Die Endform des yä' (wenn dieses den Langvokal i oder den Halbvokal y
darstellt) wird im Maghrib — wie etwa in Syrien, Libanon und Irak (vgl.
44 Lobenz Kbopfitsch
ö\j>- zwän, '<^,yr zwilya, o>l ut.^^ Die übrigen Monatsnamen sind die¬
selben, die auch in Ägypten gebraucht werden: ^^jU, ju^, y.y^^,
J^ji , JW—>i .
Die in Marokko gebräuchlichen Monatsnamen zeigen hingegen teil¬
weise nichtfranzösischen romanischen Einfluß:** ^Ijii, ^jL., JjjjI,
jjL., jJ^_ oder -tJ^j, jy^y. yulyüz oder _>J>j, c-it jwi^, Sutambir oder
(selten) jwu-, oder (selten) nuwamhir, ju»-j duzambir
oder (selten) jw-jj.** Gelegentlich findet man auch in Marokko die in
Algerien und Tunesien gebräuehlichen Monatsnamen: Jj^I (al-'Alam
27. 7. 73 u.a.), Ol>>-i« (al-Anbä' 25. 7. 73 u.a.) und Ojl (al-Ittihäd 13. 7. 73 u.a.).
Bevor wir nun näher auf die weiteren Fälle sprachlicher Beein¬
flussung, der sogenannten Interferenz, eingehen, ist es nötig, auf ein
■wichtiges Problem aufmerksam zu machen. Bei der Interferenz ist
nämlich zwischen zwei Arten zu unterscheiden, u.zw. einerseits der
Interferenz in der Rede (parole) und andrerseits der Interferenz in der
Sprache (langue)*'. Die erstere liegt dann vor, wenn sich in einer kon¬
kreten sprachlichen Äußerung eines bestimmten Sprechers ein bestimm¬
ter fremdsprachiger Einfiuß manifestiert, der eindeutig auf dessen
Kenntnis der beeinflussenden Sprache zurückgeführt werden kann.
Von Interferenz in der Sprache kann hingegen gesprochen werden, wenn
ein bestimmter fremdsprachiger Einfluß sich in die eigene Sprache
auch A.A. Ambbos : Einführung in die modeme arabische Schriftsprache.
München 1969, S. 43) — meist mit zwei untergesetzten Punkten geschrieben.
Diesem Gebrauch wird hier Rechnimg getragen.
13 Die Aussprache der Monatsnamen habe ich teUweise Sendungen des alg.
Rundfunks, zum anderen Teil den beiden folgenden Publikationen entnom¬
men: Inolefield/Ben-Hamza/Abida: Basic course, S. 37 und H. Mebcieb:
Dictionnaire arabe-fraru;ais. Rabat 1951.
** Es liegt hier, wie T.B.Ibving vermutet, sicherlich eine sehr alte roma¬
nische bzw. lateinische Sprachschioht zugrunde. Vgl. dazu auch S. Biabnay:
Notes d'Ethnographie et de linguistique nord-africaines, publiees par L. Bbunot et E. Laoust. Paris 1924. Hier heißt es auf S. 114: ,,Les Romains, sans doute, introduisirent le ealendrier Julien; les divisions de l'annee en mois vinrent simplement se superposer aux reperes fournis par I'experience et servit (sie!) ä les fixer d'une maniere plus precise." — Anstelle der sicher aus dem Maschriq
übernommenen Monatsnamen yanäyir, fabräyir usw. werden in der mar.
(und auch in der alg.) Umgangsspraehe die ursprünglichen altromanischen
Monatsnamen verwendet (vgl. G. Kampffmeyeb: Marokkanisch-arabische
Gespräche im Dialekt von Casablanca. Berlin 1912, S. 43 und L'arabe parli
algirien par le son et par l'wna.ge. 3: Glossaire. Paris 1970).
1' Zu den mar. Monatsnamen vgl. auch L.Watin: Recueil de textes maro¬
cains. Paris 1954, S. 360 und H. Mebcieb: Dictionnaire.
1° Vgl. H. Mebcieb: Dictionnaire.
" Vgl. U. Weinbeich: Langvages in contact. The Hagne 1974, S. 11.
Der französische Einfluß auf die arabische Schriftsprache im Maghrib 45
bereits integriert Iiat, d.b. dem allgemeinen Sprachgebrauch angehört.
Wenn nun solche Fälle vorkommen, gehen sie nicht auf die Kenntnis
der anderen Sprache zurück, sondern darauf, daß man sie von der
eigenen Sprache her kennt bzw. sie in ihr kennengelernt hat.
Daß im Einzelfall die Unterscheidung zwischen diesen beiden Arten
der Interferenz aber äußerst schwierig ist und in einer Untersuchung
dieses Ausmaßes kaum durchgeführt werden kann, liegt auf der Hand.
Immerhin mag der Zusatz ,,u.a." —• der im folgenden immer dann
hinzugefügt wird, wenn ein Wort, eine Wendung usw. mehr als einmal
belegt sind — doch gewisse Hinweise auf häufigeren Gebrauch geben.
Bei der Übernahme von Fremdwörtern lassen sich verschiedene
Prinzipien beobachten. Einerseits werden die Fremdwörter so gut wie
unverändert übernommen, andrerseits kommt es aber zu mehr oder
weniger starken Eingriffen in die ursprüngliche morphologische Ge¬
stalt des Fremdwortes. Es lassen sich folgende Gruppen unterscheiden:
-'-'^K»
aa. Morphologisch unverändert übernommene Fremdwörter
Bei Wörtern dieser Kategorie wird die fremdsprachige morpholo¬
gische Struktur des Wortes nicht angetastet, doch werden franz.
Phoneme (wie auch bei den Wörtern der übrigen Kategorien) teilweise
durch den ihnen im Arab, ähnlichsten Laut substituiert. Dies ist be¬
sonders bei den Nasalen der Fall, die im allgemeinen nicht übernom¬
men werden. Andere Fremdphoneme, wie v, p oder ü (y) können vor¬
kommen.
Die folgende Liste enthält die Wörter dieser Kategorie (nur Sub¬
stantive) ül alphabetischer Reihenfolge.
jT är (franz. are) Ar, an-Nasr L 10. 73: alladi tabarra'a bi-hektär
wähid wa-15 äran u.a.**
^liiSil etiketäz (6tiquetage) Etikettierung, al-Falläh 27. 7. 73: masä'il
muta'alliqa bi-talwin al-hawämid wa-tab'ihä (etiketäz)''-'.
iLII und iLijl olambik Olympique (als Name von Sportvereinen),
al-Anbä* 25. 7. 73: Olambik Huribga tantazi'u ka's al-'arS u.a.
Die Aufzählvmg eines franz. Fremdwortes in dieser Untersuchvmg
schließt ein Vorkommen dieses Fremdwortes auch außerhalb des Maghrib
nicht aus, da Fremdwörter im Prinzip ja jederzeit und aus jeder Sprache
übemommen werden können. Die Liste der Fremdwörter soll vielmehr zeigen,
in welcher Fülle vmd Vielfalt diese im Maghrib gebraucht werden. Dasselbe
gilt mutatis mutandis auch für Lehnübersetzungen, Phraseologie und Syntax.
" Die Anführung eines Fremdwortes in Klammern (sei es in arab. oder
lateinischer Schrift) ist charakteristisch für Fälle, wo sieh das entspreehende arab. Wort noch nicht fest eingebürgert hat, wo also gleichsam zum besseren
Verständnis das Fremdwort hinzugefügt mrd. Siehe auch unter iSJ^.
46 Lorenz Kropfitsch
oLj^ bresät, pressät^'^ (presses) Pressen, al-'Amal 1. 7. 73: mi'sarat
hayy az-Zaitün . . . tatarakkabu min arba'at bresät u.a.
ljj_^lSÖ, tun. auch Lj^JlTLi bakalöriyä (baccalaureat) Abitur, al-Anbä'
3. 8. 73: wa-hasaltu 'alä Sahädat al-bakalöriyä wa-Uahaqtu bi-kulliyyat
al-huqüq u.a. (aueh alg.). Dieses Wort kommt zwar auch im Maschriq
vor, aber in der Bedeutung des engl, baccalaureate (als unterster
akademischer Grad).
Üjh blök (bloc moteur) Motorblock, al-'Amal 3. 7. 73: al-muharrikät
wa-muhtalif al-ajzä' allati tatarakkabu minhä {vilbrekän, blök, ...,
byal) .
JL) byäl (bielle du piston) Pleuelstange. Belegstelle wie oben.
olj rän de-viny (reine des vignes = Weinrebenart), al-'Amal
3. 7. 73: ka-mä sa-yaqa'u bai' säbat al-Hnab 'alä ru'üs aSgärihä 'adad 4
hektärät min an-nau' rän de-viny. Das Alif in ol j stellt einen Reflex der
Interferenz des Dialekts im maghribinischen Hocharabisch dar, da das
Phonem ä mit starker Imäla realisiert wird.
jÄL- sangin (sanguine) Blutorangen, al-Falläh 27. 7. 73: wa-läkin
fimä yahussu l-burtuqäl fa-qad känat al-'iyärät al-mutawassita aktar
min gairihä bi-stitnä' as-sangin u.a.
.slL- städ Stade (als Name von Sportvereinen), al-Anbä* 25. 7. 73: al-
mubäräh an-nihä'iyya baina Städ wa-Olambik Huribga u.a. Die maghri¬
binische Silbenstruktur, die Doppelkonsonanz im Wortanlaut kennt,
erleichtert die unveränderte Übernahme des franz. Wortes. Dasselbe
Wort (in der Bedeutung ,, Stadion") ist auch im östlichen Schriftara¬
bisch gebräuchlich, allerdings mit Hilfsvokal und ohne die für die
maghribinischen Dialekte charakteristische Emphatisierung: jI:>I.
jLiiL- santiyär (centiare) Zentiar (= 1/100 Ar = 1 Quadratmeter),
al-Anbä' 25. 7. 73: 241 hektäran wa-45 santiyär (!) u.a. (auch alg.).
santim pl.-ä< (centime) Centime (= 1/100 mar. Dirham), al-Falläh
27. 7. 73: 1,74 santim li-l-kllö l-wähid u.a.
ölS^Jj^* vilbrekän (vilebrequin) Kurbelwelle, al-'Amal 3. 7. 73: Beleg¬
stelle wie unter ilji>.
2" Die Aussprache der Fremdwörter liegt keinesfalls fest. Neben der dem
arab. phonetischen System angepaßten Aussprache wird man häufig eine
dem Franz. mehr oder weniger angenäherte Aussprache feststellen. Vgl.
Anm. 23.
21 Der Buchstabe J wird (in Tunesien) zm schriftlichen Darstellimg von
drei Phonemen verwendet, u.zw.
a) des har. q
b) des Fremdphonems 3, z.B. 1jlUil ingilterä, was einen Reflex der dialektischen
Aussprache des q als g darstellt. Ein fremdsprachiges g wird aber nicht in
Der französische Einfiiiß auf die arabische Schriftsprache im Maghrib 47
(^jlT käri (carie) Fäulnis, Brand, al-Falläh 27.7.73: mu'älagat al-
hubüb didda marad an-nahr [käri).
cj^ß karnavalät (carnaval) Karnevalsfeiern, dann allgemein Feiern,
a§-Sa'b 7. 7. 73: an tu'äliga matalan muskilat galä' al-muhür wa-
,,karnavalät al-a'räs".
oci]^^' klemantin (cl6mentine) Klementinen, al-Falläh 27.7.73: at-
tamyiz baina l-klemantin wa-l-klemantin bi-düni hubub u.a.
Jjl^üC-. mekanogräf (möcanograph) Maschinenbuchhalter, al-Sa'b
6. 8. 73: Sarika hämma li-d-damän al-i^timäH tuwa^^ifu mekanogräf{\)
muhäsib (!) müharrir (!).
bb. Mit arab. Suffixen versehene Fremdwörter
Die hier aufgeführten Fremdwörter stellen hybride Bildungen dar:
der Stamm ist jeweils fremdsprachig, das SufBx, das ein Adjektiv oder
ein Substantiv bezeichnet, ist arabisch.
Subst antive
iJlj^i und yb-*:» ßdiräliyya (federation) Verband, Bund, an-Nasr
1. 10. 73: al-fidiräliyya al-gazäHriyya (li-kurat al-qadam) u.a.
iJljJii' konfidiräliyya (confederation) Verband, Vereinigung, an-Nasr
26. 7. 73: al-konfidiräliyya ad-dlmuqrätiyya li-l-'amal.
lJ\y_xJüjS'^^ konfidiräliyya (confederation) Konföderation, al-'Amal
2. 8. 73: ra'is al-konfidiräliyya as-swlseriyya. Vgl. auch tJijXkS .
allen FäUen durch 3 dargestellt, sondern nur in ganz bestimmten Wörtern.
Bei meiner Lektüre bin ich auf folgende Beispiele gestoßen: IjiÜil, j^>Lcjl,
byS^_^s\, 3yi, und C-JLiil ij^k) (Gestaltpsychologie). Ansonsten
wird ^ verwendet: |»l_,c^Lr, öyuL-, i>.A.«j, L>-^Ixj, jij>_^\ usw. In kmsiver Schrift wird g häufig dureh » (das im Osten in Anlehnung an die persische Schrift den Laut v bezeichnet) dargestellt, vgl. al-'Amal 2.8.73, wo sich in der kursiven Überschrift iJlJ/ (Grombalia) findet, im Artikel selbst aber
iJLJy. Die Verwendimg des Zeichens t für den Lautwert g geht auf den
maghribinischen Duktus der arab. Sehrift zurück,
c) dos Fremdphonems v, wie z.B. im oben erwähnten ijl^^L». Gelegentlieh
findet man i mit dem Lautwert v auoh in fremdsprachigen Eigennamen,
z.B. "Sryj' cHb>l Lawrence Olivier, insgesamt gesehen ist diese Verwen¬
dung aber selten anzutreffen.
22 Das Schriftbild dieses Wortes zeigt die tun. Vorhebe für die Piene-
Schreibung, die aucb meist bei ^^'^j^.^ und i--.LyLj.5 (gegenüber den Haupt¬
formen (i-'.i^^-^ und ^-"l-yi;.^) vmd anderen Fremdwörtern anzutreffen ist.
48 Lobenz Kbopfitsch
Adjektive
i^jJU»-. metalirzi^' (metallurgique) Metall= (in Komposita), an-Nasr
1. 10. 73: al-ma'ämil al-metalirziyya.
^\J^y\^ mekanogräfi (mecanographique) auf die Maschinenbuch¬
haltung bezüglich, as-Sa'b 6.8.73: takwin 'alä l-älät al-mekano-
gräfiyya u.a. (auch mar.).
cc. In arab. Morphemtypen übernommene Fremdwörter
Bei Übernahmen dieser Art verlieren die franz. Wörter ihre ursprüng¬
liche morphologische und phonologische Gestalt und werden in beiderlei
Hinsicht der Struktur des Arab, angepaßt. Man kann daher auch von
Lehnwörtern sprechen.
Substantive
^Iji baräyis (presses) Pressen, al-'Amal 30.6.73: i'län bai' baräy is
li-'asr az-zait u.a. Vgl. dazu die Nebenform oLjjj unter aa.
jCj, auch jmLJ tambar (timbre) Stempel, Stempelmarke; Briefmarke,
al-'Amal 2. 8. 73: ba'da itmäm mü^ibät at-tambar; vgl. auch Wehk^*
und mutamhar.
damga^a (demagogic) Demagogie, as-Sabäh 17.7.73: inna mä
qämat bihi s-Sabäh käna min bäb ,,ad-damga^a" au al-mutägara bi-l-
mawädi' al-hassäsa. Die formale Arabisierung ist hier besonders interes¬
sant, weil das zugrunde liegende Fremdwort die gleiche lautliche
Struktur aufweist wie -pidagogie, das üblicherweise als L»- jpIaj über¬
nommen wird.
Partizip
jCsm mutamhar (von jp timbre, siehe oben) gestempelt; frankiert,
as-Sabäh 25. 7. 73: ^urüf mutamJbara 'alaihä 'unwän at-tälib. Vgl.
auch Wehe: Dietionary.
dd. Durch Dialektinterferenz verändert übernommene
Fremdwörter
Hier wird das in den Dialekten gültige Gesetz der Aphärese wirksam.
Vgl. auch mar. Dialektwörter wie tümühil, tübis usw.
2' Das in TVnm. 20 Gesagte gilt im besonderen für aus dem Franz. über¬
nommene Wörter, die den Laut ü (y) enthalten. Solcbe kann man (besonders
in Tunesien) auch mit dem franz. Phonem ü hören. Da es sieh um eine be¬
hebige Aussprachevariante handelt, wird sie hier und in den folgenden FäUen (vgl. Anm. 30) nicht eigens angeführt.
2* H.Wehb: A dietionary of modern Witten Arabic. Wiesbaden »1971.
Der französische Einfluß auf die arabische Schriftsprache im Maghrib 49
ö\^ji bartmän pl. -ät (appartement) Appartement, as-Sabäh 17. 7. 73:
Hmära sagira ... muhtawiya 'alä bartmän bihi arba'at (sie!) guraf u.a.
ee. In morphologischer Umdeutung übernommene Wörter
übj^ yutnän (lieutenant) Leutnant, al-Anbä' 3. 8. 73: wasala masä'
awwal amsi ilä l-gazä'ir al-yutnän Müsä Träwuri;
JlyJjT übjji yutnän kolonäl (lieutenant-colonel) Oberstleutnant, al-
'Amal 1.7.73: ittahamat hukümat al-yutnän kolonäl Mätyü Kerekü
(Mathieu K6rekou) talätat wuzarä' säbiqin. Hier wurde das anlautende
l des franz. Wortes lieutenant im Arab, als l des Artikels gedeutet und
daher falsch abgetreimt, so daß der eigentliche Wortkörper mm mit
yü- beginnt.
ff. Besonderer Fall
SJli. magäza pl. -ät (magasin) Geschäft, Laden; Kaufhaus^*, a§-Sabäh
25.7.73: fa-l-magäzät wa-l-mahallät tdbruzu li-l-wu^üd u.a.; magäza
'ämma Kaufhaus, Warenhaus, al-'Amal 3.7.73: /i l-magäza al-
'ämma : naqtarihu 'alaikum u.a. Das Wort magäza dürfte über türkische
Vermittlung ins Arab, eingedrungen sein^*. Daß es gerade in Tunesien
seinen Weg in die Schriftsprache gefunden hat, mag auf das neuerliche
Einwirken des franz. magasin zurückzuführen sein.
Bei Betrachtung der soeben aufgeführten Fremdwörter hat man auf
den ersten Blick den Eindruck, daß viele davon eigentlich unnötig
wären, da es arab. Wörter der gleichen Bedeutung gibt (vgl. dazu auch
weiter unten). Wie weit dieser Eindruck zutrifft oder ob in bestimmten
Fällen das Fremdwort bewußt verwendet wird, um eine Spezialisierung
auszudrücken oder eine Polysemie zu vermeiden (was etwa bei
denkbar wäre, da das entsprechende arab. Wort ^11 vieldeutig ist),
muß einer späteren Untersuchung vorbehalten bleiben.
Vielfach werden auch aus mehreren Wörtern bestehende franz.
Markenbezeichnungen ins Arab, übernommen, z.B. Jjj s^^'
(b noire; as-Sabäh 17. 7. 73) oder Jij-^ljd-*-^ (double fine;
al-Falläh 27. 7. 73).
25 Vgl. iNGLEriBLn/BBN-HAMZA/ Abida: Basic course, S. 58.
2* Vgl. A.Babtkiiilbmy: Dictionnaire arabe-francais. 5 fasc. Paris 1935—
1955 und J.T. Zbnkeb: Dictionnaire turc-arabe-persan. Tome 1—2. Leipzig
1866—1876. Für L.Bbtjnot: Emprunts, S. 364 u. 397 allerdings soheint das
Wort direkt aus dem Franz. — also ohne türkische Vermittlung —• über¬
nommen worden zu sein.
" jjy findet sich auch arabisiert als » in 'iglät be saudä'
(a?-Sabäh'i7.7.73).
4 ZDMG 128/1
60 Lobenz Kbopfitsch
Eine besondere Gruppe innerhalb des Kapitels der franz. Fremd¬
wörter stellen die Akronyme dar, arab. Abkürzungen der franz. Namen
nationaler bzw. verstaatlichter Unternehmungen. Solche Abkürzungen
sind besonders in Algerien, aber auch in Marokko häufig anzutreffen.
Einige Beispiele genügen, um diese Verfahrensweise zur Schaffung von
Abkürzungen^* zu veranschaulichen :
j jtlj^ = Societe Nationale pour les Travaux Routiferes, arab.
aS-Sarika al-wataniyya li-a§gäl at-turuq (ai-Sa'b 5. 7. 73),
^ = Societe Industrielle Marocaine, arab. aä-äarika as-sinäHyya
al-magribiyya (al-'Alam 27. 7. 73.),
Jljj^ = Cotusal (Compagnie Tunisienne des Salines), arab. as-sarika
al-'ämma li-l-mMllähät at-tünisiyya.
Obwohl für diese Gesellschaften auch arab. Bezeichnungen vorliegen
(die aber wahrscheinlich sekundär sind), hat man für die Abkürzungen
den jeweils ersten bzw. die ersten beiden Laute der franz. Nomina
herangezogen.
Was das Erkennen von Fremdwörtern in arab. Schrift betrifft, be¬
stehen häufig Schwierigkeiten. Das ist vor allem darauf zurückzu¬
führen, daß die europäischen Vokale entweder gar nicht oder aber mit
den für die Darstellung von Vokalphonemen der europäischen Sprachen
völlig untauglichen, weü zu wenig differenzierten Graphemen der arab.
Langvokale wiedergegeben werden müssen. So kann etwa das Alif für
folgende franz. Laute stehen: a, a:, a, a:, e, e:, a^*, e**. Im Wortanlaut
vertritt es — wie bei arab. Wörtern — alle Vokal qualitä ten (häufig
auch in Verbindung mit j, oder als T).
b. Übernahme von nichtfranz. Fremdwörtern und Eigen¬
namen in franz. Aussprache
Interessant ist nicht nur die Tatsache, daß viele Fremdwörter aus
dem Franz. übernommen werden, sondern daß in Fällen, wo sich für
einen bestimmten Begriff ein Fremdwort in der arab. Schriftsprache
des Ostens (in englischer, gelegentlich auch in italienischer Aus¬
sprache) fest eingebürgert hat, man das gleiche Fremdwort im Maghrib
zwar auch übernimmt, allerdings in franz. Aussprache. Dadurch er¬
geben sich etliche Doppelformen, deren franz. Variante jeweUs für
den Maghrib charakteristisch ist:
Von derselben Möglichkeit macht man auch in anderen arab. Ländern
Gebrauch, aUerdings nach meinen Beobachtungen nicht so häufig und zudem
mit Englisch als Ausgangssprache. Als Beispiel möge die ägyptische (= jl,üx^'>U Äjj-i^l iS^-iJI, Ägyptische Investmentgesellschaft) genügen.
2' Hier meist in Verbindung mit nün oder (selten) mim.
Der französische Einfluß auf die arabische Schriftsprache im Maghrib 51
|._,-uJI aliminyom^ (al-'Amal 2. 8.73) und (•j^ß alüminyom (Aluminium)
j-L»- zido^ (al-'Amal 1. 7. 73) und §üdö (Judo)
Jljbj dyäzäl (al-'Amal 2. 8. 73) und Jjj^ dizil (Diesel)
subar (al-Falläh 27. 7. 73), jU- sibär^^ (al-'Amal 2. 8. 73) und
jjj^ sübar (super)
j^j^iOl al-kambödz (al-Anbä' 3. 8. 73 u.a.) und kambödiyä (Kam¬
bodscha). Allerdings kommt auch im Maghrib die Form ^_ijS vor.
diJlSwi mekanik (al-'Amal 30. 6. 73 u.a., auch alg.) und ISÜISL. mika-
nikä (Mechanik). Während die erste Form die im Maghrib ausschlie߬
lich verwendete ist, stellt die zweite das allgemein gebräuchliche Wort
im Maschriq dar. Gelegentlich (vor allem in Syrien) kommt aber auch
die Form diSlSL. vor, wobei zu beachten ist, daß ja auch Syrien einst
franz. Mandatsgebiet war und somit für franz. Einflüsse offenstand.
Ergänzend sei hier noch angeführt, daß im Maschriq einige wenige
Doppelformen, die einerseits auf das Englische und andrerseits auf das
Franz. zurückgehen, nebeneinander existieren, z.B. jjXj> und
ir^jj-^^i (^^^J^SC-- und jlß.-^.
c. Lehnübersetzungen
In diesem Abschnitt werden nur die lexikalischen Lehnübersetzun¬
gen aufgeführt, nicht aber die phraseologischen, die im nächsten
Kapitel behandelt werden. Lexikalische Lehnübersetzungen sind
überaus häufig anzutreffen. Dies hat seinen Grund zunächst darin,
daß bei Neuschöpfungen von Wörtern auf das franz. Vorbild zurück¬
gegriffen wird, daß man aber auch bei Begriffen, für die im Arab, an
sich schon Wörter vorhanden sind, wie das Beispiel des Maschriq zeigt,
sich vom franz. Sprachgefühl leiten läßt und Wörter prägt, die klar
als vom Franz. inspiriert zu erkennen sind. Solche Fälle liegen vor bei
Wörtern wie etwa huqüq (Gebühren), al-wazir al-awwal (Premier¬
minister), Sarika hafiyat al-ism (Aktiengesellschaft) und takwin mihni
(Berufsausbildung), für die sich im Osten teilweise schon seit langem
folgende Termini eingebürgert haben: rusüm, ra'is al-wuzarä', Sarika
musähima und tadrib mihni.
Bei den Lehnübersetzungen sind grundsätzlich drei Gruppen zu
unterscheiden. Die erste umfaßt die morphologischen Neubildungen,
die zweite die Wortfügungen von terminologischem Wert und die
dritte die Bedeutungserweiterungen.
»» Vgl. Anm. 23.
62 LoBBKz Kropfitsch
aa. Neubildungen auf morphologischer Ebene
Im Rückgriff auf die Mittel und Möglichkeiten der arab. Wort¬
bildung wird versucht, franz. Begriffe im Arab, adäquat wiederzugeben.
Insgesamt gesehen sind die auf diese Weise zustande gekommenen
Neologismen aber nicht besonders häufig.
Substantive
tau'ama (jumelage) Schließung einer Städtepatnerschaft, al-Sa'b 5.7.73:
tau'amat madinatai Tilimsän wa-l-Qairawän u.a. Vgl. auch mutau'am.
widädiyya pl. -ät (amicale)^* Freundschaftsvereinigung, -organisation,
Verein (bes. der Studenten und Arbeiter im Ausland), al-Anbä' 25.7.73:
wa-dälika hi-maqarr widädiyyat al-'ummal bi-Marsiliyä u.a. (auch alg.,
tun.).
Adjektive und Partizipien
^ihawi (regional) Regional- (in Komposita), regional, as-Sabäh 17.7.73:
tuwa^gahu l-matälib bism al maktab al-^ihawi li-t-taSgil u.a. (auch mar.,
alg.).
mutau^am (jumeU) in Partnerschaft stehend (von Städten, Vereinen),
al-Anbä' 3.8.73: nädi ... al-belgiki al-mutau'am ma'a nädi l-asad
bi-madinat Fäs.
bb. Wortfügungen von terminologischem Wert
Kennzeichnend für diese Gruppe ist, daß die einzelnen Elemente der
mehrgliedrigen bzw. als Komposita vorliegenden franz. Termini wört¬
lich ins Arab, übersetzt werden. Neologismen solcher Art sind sehr
häufig anzutreffen.
Verbindungen von Substantiv und Adjektiv bzw. Partizip
a§l ti^äri (fonds de commerce) Geschäft, Firma (als Gesamtbegriff für
Geschäftslokal, Ausstattung, Waren, Kundschaft, Firmenname und
Standort), as-Sabäh 25. 7. 73: yaqa'u tabtit wa-bai' al-asl at-ti^äri
li-maktabat al-qalam u.a.
iqtisäd metri (6conometrie) Ökonometrie, a§-Sa'b 5. 7. 73: al-madrasa
at-taqniyya al-muta'addidat al-furü' bi-l-HaräS — far' „iqtisäd metri".
Das zweite Wort dieses Terminus dürfte wohl das Nisbe-Adjektiv zu
metr sein (vgl. die sonst übliche Form des Terminus: iqtisäd qiyäsi)
und nicht die direkte Übernahme des franz. -metrie.
taqrir adabi (rapport moral) Bericht über die nichtfinanziellen Aktivi¬
täten einer Gesellschaft oder eines Vereins, Tätigkeitsbericht, al-'Amal
31 Vgl. N.Tapiäro : Apprendre ä communiquer en arahe moderne avec
moyens atidio-visuels. Paris 1973. Fasc. A, S. 198, fasc. B, S. 227.
Der französische Einfluß auf die arabische Schriftsprache im Maghrib 53
1. 7. 73: wa-itra dälika tdlä l-kätib al-'ämm li-S-su'ba at-taqrir al-adabi
alladi tadammana nasät hädihl l-hMliya al-hizbiyya tawäla l-'ämain al-
mädiyain fi muhtalif magälät al-hayäh u.a. (aucli mar.).
taqrir mäli (rapport financier) Finanzbericht, Geschäftsbericht (einer
Gesellschaft, eines Vereins), al-Anbä* 3. 8. 73: qirä'ät at-taqrlrain al-
adabi wa-l-mMl u.a. (auch tun.).
sä'a nätiqa (horloge parlante) Zeitansage (beim Telefon), as-Sabäh
25. 7. 73: al-hätif — as-sä'a an-nätiqa u.a.
Sarika fmfiyat al-ism (society anonyme) Aktiengesellschaft, as-Sabäh
25.7.73: aS-Sarika at-tünisiyya li-s-sukkar — Sarika fiaflyat al-ism u.a.
Sarika maghulat al-ism (sociöte anonyme) Aktiengesellschaft, al-'Alam
27. 7. 73: masrif al-magrib — Sarika maghülat al-ism u.a.
Hyäda muta'addidat al-hidamät (polyclinique) Klinik, in der ver¬
schiedene Krankheiten behandelt werden (vgl. Grand Larousse ency-
clopidique en dix volumes. Paris 1960—1968: clinique oü l'on soigne
des maladies diverses; nicht Poliklinik!), as-Sa'b 7. 7. 73: wa-tausl'
mustaSfayain fl dä'iratai Mila (?) wa-'Ain al-Baidä' wa-binä' Hyäda
muta'addidat al-hidamät wa-25 markazan silihiyyan.
kafä'a mihniyya (aptitude professionnelle) beruf hebe Eignung;
Sahädat al-kafä'a (certificat d'aptitude) Befähigungsnachweis, Befähi¬
gungszeugnis, as-Sa'b 6. 8. 73: elektro-mekanlkl häHz 'alä Sahädat al-
kafä'a al-mihniyya n.a. (auch tun.).
madrasa taqniyya muta'addidat al-furü' {6cole polytechnique) Poly¬
technikum, as-Sa'b 5. 7. 73: al-madrasa at-taqniyya al-muta'addidcd
al-furü' bi-l-HaräS. Daneben ist aber auch das franz. Fremdwort ge¬
bräuchlich: ma'had al-boliteknlk (ai-Sa'b 5. 7. 73).
mawädd dasima (matiferes grasses) Fette, Fettstoffe, a§-Sa'b 6. 8. 73:
aS-Sarika al-wataniyya li-l-mawädd ad-dasima u.a.
Genitiv Verbindungen
bursal aS-Sugl (bourse du travail) Gewerkschaftshaus (Grand Larousse
de la langue fran^ise en six volumes. Paris 1971—: 6difice municipal
mis k la disposition des syndicats ouvriöres et oü ils tiennent leurs
r6unions), al-'Amal 1.7.73: yuSrifu s-sayyid ... 'alä galsat 'amal
tadummu qubbäd al-barld bi-l-gumhüriyya wa-itärät idärat al-barid
wa-l-hätif wa-dälika bi-bursat aS-Sugl u.a.
daftar at-tahammulät und kunnäS at-tahammulät (cahier de charge)
Lastenheft, Verdingungsunterlagen (bei einer öffentlichen Ausschrei¬
bung), al-Anbä' 25.7.73: sa-tuqbalu l-'urüd bi-kitäbat ad-dabt haitu
yumkinu l-ittilä' 'alä Icunnäs at-tahammulät und al-'Alam 27. 7. 73:
yumkinu sahb dafätir at-taJiammulät u.a.
54 Lorenz Kropeitsch
sämi l-muwaddafin (vgl. hauts fonctionnah-es) hohe Beamte, al-'Amal
2. 8. 73: wa-kadälika 'adad min sämi muwa^^aji wizärat aS-Su'ün
al-härigiyya u.a.
qäbid al-barid pl. qubbäd al-barid (receveur des postes) Postmeister, Vor¬
stand eines Postamtes, al-'Amal 1. 7. 73: galsat 'amal tadummu qubbäd
al-barid bi-l-^umhüriyya wa-itärät idärat al-barid u.a.
muräqih al-adä'ät (controleur des contributions) Steueraufseher, al-'Amal
2. 8. 73: wa-an yuqaddimü li-muräqihi l-adä'ät ähir kull Sahr au ähir kull
'äm qawäHm sädiqa.
cc. Bedeutungserweiterungen
In dieser Gruppe erfolgen die Entlehnungen auf semantischer Ebene.
Der Vorgang der Bedeutungserweiterungen soll am Beispiel von huqüq
näher beschrieben werden. Das arab. Wort haqq bedeutet zunächst —
wie das franz. droit — Recht, Anspruch usw., es kommt beim zwei¬
sprachigen Individuum also zur Assoziation von haqq und droit, wenn an
den zugrunde liegenden Begriff gedacht wird. Über diese Grundbedeu¬
tung hinaus hat aber das franz. droit — vornehmhch im Plural gebraucht
— auch die Bedeutung von ,, Gebühren, Abgaben, Taxen". Beim Prozeß
der Übersetzung von einer Sprache in die andere wird nun unbewußt für
beide Wörter der gleiche Bedeutungsumfang angenommen, so daß es
bei arab. huqüq zur Bedeutungserweitenmg nach franz. droits kommt.
Substantive (einschließlich Verbalsubstantive)
i^rä'ät (m6sures, dispositions) auch: Verfügungen, Anordnungen, Be¬
stimmungen, a^-Sabäh 25.7.73: anna l-milaffät an-näqisa wa-gair al-
mutdbiqa li-l-i^rä'ät al-qänüniyya lä yaqa'u qabüluhä u.a. (auch alg.).
itärät, (gelegenthch, vor allem mar.) auch utur (cadres) auch : Kader (als
Personen = leitende Beamte, Funktionäre), a§-Sabäh 17. 7. 73: itärät
al-umma u.a. (auch alg.), al-Ittihäd 13.7.73: wa-^ä'a dikr al-aShäs
al-madküra ka-utur musä'ida li-l-hizh. Selten wird auch der Singular (der
eine Einzelperson bezeichnet) gebraucht: wa-qad waffarat al-huküma fi
muhattatihä l-häli kull at-taSgi'ät li-fialq itär tünisi kaf wa-dälika bi-
tau^ihihl li-l-ahd bi-t-taqniyyät (al-'Amal 1. 7. 73 u.a., auch mar., alg.).
tahdir (appret) auch: Appretur (von Stoffen), Taqwim al-magrib: at-
tabyid wa-s-sihg wa-t-tahdir mit franz . Übersetzung : blanchement, teinture, apprets.
taraSSuh pl. -ät (candidature) auch : Bewerbung (um eine Stelle), as-Sabäh 25. 7. 73: tuwaggahu t-taraSsuJiät ilä u.a.
Der französische Einfiuß auf die arabische Schriftsprache im Maghrib 55
tastir (tracement) auch: Entwerfen, Entwurf (eines Programms usw.),
as-Sabäh 17. 7. 73: yvsäriku bi-sifa fi'Uyya wa-mubäSira fi tastir barämig
as-sundüq. Vgl. auch sattara und musattar.
takwin (formation) auch: Büdung, Ausbüdung, Heranbüdung, al-Anbä'
3. 8. 73: takwin utur uhrä u.a. (auch alg., tun.); tafcwin mihni (formation
professionnelle) Berufsausbüdung, al-'Amal 3.7.73: markaz li-t-takwin
al-mihni; takwin mustamirr (formation permanente) = (ständige)
Weiterbüdung, al-'Amal 3.7.73: 19,30 — at-takwin ai-mustamirr :
al-ihsäHyyät.
huqüq (droits) auch: Gebühren, Abgaben, Taxen, as-Sa'b 7. 7. 73: ba'da
tasdid gami' al-huqüq wa-r-rusüm (al-gumrukiyya) u.a.
raf (enlevement) auch: Abholung (z.B. einer Ware), as-Sabäh 25. 7. 73:
ar-raf fauran u.a.; (vgl. relever) auch: Ablesen (des Zählerstandes),
al-'Amal 3. 7. 73: a^-Sarika at-tünisiyya li-l-kahrabä' wa-l-gäz — tawärih
raf arqäm 'addädät al-lcahrabä' wa-l-gäz u.a.
färis (chevaher) auch : Ordensritter, al-Anbä' 25. 7. 73: wisäm al-'arS min
dara^at färis u.a.
Adjektive und Partizipien
i^timä'i (soeial) auch: auf eine (Handels-)Gesellschaft bezüglich, Geseil¬
schafts- (in Komposita). Ra's al-mäl al-igtimä'i (capital social) Gesell¬
schaftskapital, al-'Alam 27. 7. 73: zädat fi ra's al-mäl al-i^timä'i 6000000 dirham li-rafihi min ... ilä; maqarr i^timä'i (sifege social) Gesellschafts¬
sitz, Sitz der (Handels-)GeseUschaft, a^-Sabäh 17. 7. 73: bi-l-maqarr al-
ißimä'i al-kä'in 5 Säri' Qartäg u.a. (auch mar., alg.).
musattar: ahdäf musattara (objectifs trac6s) vorgezeichnete, abgesteckte
Ziele, al-'Amal 30.6.73: li-bulüg al-dhdäf al-musattara. Vgl. auch
sattara und tastir.
Verben
rafa'a (enlfever) auch: abholen (z.B. eine Ware), as-Sabäh 25.7.73:
wa-turfa'u l-bidä'a fauran u.a.; (relever) auch: ablesen (Zählerstand),
siehe unter raf.
sattara (tracer) auch: entwerfen (Plan), vorzeichnen (Linien), stecken
(Ziel), as-Sabäh 17.7.73: tusattiru l-barämig bi-tafäsilihä; as-Sabäh
25. 7. 73; al-hatt alladi sattarahü S-Sa'b wa-l-Jiizb u.a. Vgl. auch tastir und musattar.
täli' (lire) auch: siehe (in Zeitungen bei Verweisen auf das Blattinnere), a^-Sabä^i 17. 7. 73: natä'i^ imtihän ... täli'uhä s 4.5.6 u.a. (auch alg.).
56 Lobenz Kbopfitsch
kaiowana (former) auch: bilden, ausbilden, heranbilden, al-Funün:
yahtammu l-markaz al-magribi li-l-abhät al-masrahiyya bi-kull mä yukaw-
winu s-sabäb u.a. (auch tun.). Vgl. auch takwin.
Die vorstehenden Listen erheben selbstverständlich keinerlei Anspruch
auf Vollständigkeit, zumal da die untersuchte Literatur im Umfang
relativ beschränkt ist und der Prozeß der Übernahme von Fremdwörtern
und der Schaffung von Lehnübersetzungen keineswegs abgeschlossen ist.
Zudem konnte hier nicht alles aufgenommen werden, was auf franz.
Einfluß zurückgeht, es mußte vielemehr eine Auswahl unter zwei Ge¬
sichtspunkten getroffen werden. Zum einen mußte alles ausgeschieden
werden, was auch auf das Englische zurückgehen könnte (trotz der
Unwahrscheinhehkeit einer solchen Interferenz im Maghrib), sowie all
das, was zwar auf franz. Einfluß beruht, was man aber auch im Maschriq
findet. Zum anderen mußte versucht werden, eine Auswahl der illustra¬
tivsten Beispiele zu geben.
Trotz der erwähnten Beschränkungen kann man sich auf Grund der
aufgeführten Beispiele ein gutes Bild von den Eigenheiten des maghribi¬
nischen Wortschatzes machen. So ist es vor allem interessant, die Ver¬
teüung der einzelnen Übernahmen auf die verschiedenen Wortklassen zu
beobachten. Die Substantive nehmen dabei eindeutig den größten Anteü
ein. Das gilt in verstärktem Maße für die Fremdwörter, wo bei der Über¬
nahme von Substantiven kein formaler Zwang besteht. Grundlegend
anders verhält es sich mit den Verben, die nur unter Berücksichtigung
der dem arab. Verb gegebenen formal-morphologischen Möglichkeiten
Übernommen werden können. Darüber hinaus hat die relative Häufigkeit
der Übernahme von Substantiven auch soziokulturelle Gründe, denn
der Kontakt mit einer fremden Kultur spielt sich in der Regel auf
der Grundlage konkreter oder abstrakter Begriffe ab und nur in sel¬
tenen Fällen auf der von verbal ausdrückbaren Handlungen oder Vor¬
gängen.
Nach diesem Überblick über die Wirkungen des Franz. auf die Ent¬
stehung des neuhocharab. Wortschatzes im Maghrib drängt sich die
Frage auf, warum man, um die lexikalischen Lücken zu schheßen, nicht
einfach Wörter bzw. Termini übernommen hat, welche sich im Maschriq
längst eingebürgert haben. Um hier ein klareres Büd über die Ursachen
zu gewinnen, muß man der sachlichen Gliederung des übernommenen
Wortschatzes auf den Grund gehen. Es springt ins Auge, daß sich die
Mehrzahl der aufgeführten Fremdwörter und Lehnübersetzungen auf
einige Schwerpunkt-Gebiete verteüt: Verwaltung, Wirtschaft, Technik,
Schul- und BUdungswesen. Es handelt sich dabei jeweüs um Fach¬
terminologien auf Gebieten, auf denen das Franz. bis zur Unabhängigkeit
die nahezu allein herrschende Sprache war und es teüweise sogar heute
Der französisohe Einfluß auf die arabische Scliriftsprache im Maghrib 57
noch ist32. Durch diese starke Stellung des Franz. als Bildungssprache im
Maghrib nimmt es nicht wunder, daß sich im Maschriq gebräuchliche
Wörter bzw. Termini, die offensichtlich Lehnübersetzungen aus dem
Englischen oder anderen Sprachen sind, kaiun durchsetzen können, da
sie dem Maghribiner dem Wesen nach fremd und für sein Sprachgefühl
unannehmbar sind. Er schreitet also in sehr vielen Fällen zu nochmahger
Neuschöpfung auf Grund des franz. Musters.
Etwas anders liegen die Dinge bei im Maschriq bereits bestehenden
arab. Termini, die auf neutraler Grundlage, d.h. ohne ersichthches fremd¬
sprachiges Vorbild geprägt wurden. Der Grund für die NichtÜbernahme
des betreffenden Wortes im Maghrib kann einerseits darin liegen, daß
die jeweilige Schöpfung im Westen erst gar nicht bekannt wird^^.
Andrerseits liegt aber auch die Vermutung nahe, daß die maghribinischen
Wortschöpfer bei ihrer Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten auf
Grund der franz. Vorlage derart festgelegt sind, daß ihnen eine wörthche
Übernahme aus dem Franz. als dem Geist der arab. Sprache widerspre¬
chend gar nicht erst bewußt wird, ja daß ihnen dieser Vorgang sogar ganz
natürlich erscheint, auch wenn das Ergebnis im Grunde völhg unarabisch
ist. Eine weitere mögliche Erklärung für dieses Phänomen wurde oben
unter Punkt Ia angedeutet.
Darüber hinaus existieren im Maschriq eine Anzahl von Wörtern bzw.
Termini, die im Maghrib schon deswegen auf keinen Fall übernommen
32 Das trifft vor aUem auf die Universitäten zu, aber auch auf andere
Bereiche, wie z.B. das Gerichts- und Verwaltungswesen, wo erst in aUer¬
neuester Zeit intensivere Anstrengungen zm Arabisierung unternommen
werden, deren Erfolg aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicbt beurteUt
werden kann. Vgl. dazu etwa den Artikel L'arabe remplace le Francis dans
les Tribunaux Algiriens. In: al-Lisän al-'arabi 9 /l(Januar 1972), S. XXX
oder A.Chabou/P.Fbickb: Wettlauf mit der Zeit. In: Afrika heute 13/14
(1972), wo es in bezug auf Algerien auf S. 266 u.a. heißt: ,, Hier ist es ein nicht
unerhebliches Stimulans, daß laut Regierungsverordnung kein Beamter
mehr angestellt oder befördert werden darf, der nicht über ausreichende
Arabisch-Kenntnisse verfügt." Einen guten Überblick über die Probleme
und den Stand der Arabisierung besonders in Algerien gibt die Sondemummer 17/18 der Zeitschrift al-A?äla.
33 Dies mag vielleicht verblüffen, wenn man daran denkt, daß das der Arab.
Liga unterstehende ,, Ständige Büro für die Koordirüerung der Arabisierung in den arab. Ländern" (al-Maktab ad-dä'im li-tanslq at-ta'rib fi-l-wa(an al-
'arabi) seinen Sitz in Rabat hat und eine eigene Zeitschrift herausgibt (al-
Lisän al-'arabi. Magalla dauriyya li-l-abhät al-lugawiyya wa-naäät at-
targama wa-t-ta'rib). Ganz abgesehen von der teUweise theoretischen Natur
der von Institutionen dieser Art vorgeschlagenen Wörter liegt aber der
Hauptgrund für die unbefriedigende Effektivität der mit der Sprachregelung
befaßten Instanzen wohl darin, daß deren Vorschläge in der Praxis einfach
zu wenig Beachtung finden.
68 Lorenz Kbopfitsch
werden können, weil es die entsprechenden Institutionen im arab. Nord¬
westafrika gar nicht gibt. Umgekehrt sieht man sich im Maghrib ge¬
nötigt, Termini zu schaffen für kulturelle und administrative Einrich¬
tungen, die von der ehemahgen Kolonialmacht übernommen wurden und
die wiederum im Maschriq kein entsprechendes Gegenstück haben. Bei¬
spiele dafür sind etwa asl tigärt, sudäsi (Semester, alg.; Lehnschöpfung nach franz. semestre) und widädiyya.
2. Phraseologie
Auch hier handelt es sich um Lehnübersetzungen, doch werden nicht
nur lexikalische Einheiten — wie in Abschnitt lc dargelegt — aus dem
Franz. übersetzt, sondern ganze sjmtaktische Fügungen. Der Nachweis
der phraseologischen Lehnübersetzung ist allerdings nicht so leicht zu
führen wie auf dem rein lexikalischen Gebiet, da die (idiomatischen)
Wendungen einer Sprache nicht in demselben Maße greifbar sind wie
einzelne Wörter, nicht zuletzt auch deswegen, weil phraseologische
Wörterbücher weit wemger entwickelt sind als die allgemeinen, die bloße
Wörter und einige wenige wichtige Wendungen verzeichnen. Während
man sich also über das Vorliegen einer lexikalischen Lehnübersetzung in
den meisten Fällen relativ mühelos dadurch Gewißheit verschaffen kann,
daß man das nunmehr erweiterte Bedeutungsspektrum eines arab.
Wortes auf dieselbe semantische Ghederung des betreffenden franz.
Wortes zurückführen kann, ist dies auf phraseologischem Gebiet auf
Grund der häufig unzureichenden Hilfsmittel nicht immer möglich.
Eine gmndsätzliche Schwierigkeit liegt auch darin, daß die Wendungen
einer Sprache nicht so starr festliegen wie die lexikahschen Einheiten und
daß sie daher stärkerem Wandel ausgesetzt sind. Eng damit verknüpft
ist die allgemein zu beobachtende Tendenz, daß fremde Wendungen in
übersetzter Form oft sehr rasch in die eigene Sprache eindringen, was zu
einem zwischensprachlichen Ausgleich auf phraseologisch-stilistischer
Ebene führt^*. Es ist daher zwar meist ein leichtes, bestimmte Wendun¬
gen im Arab, als Europäismen zu erkennen, es wird aber in vielen Fällen
unmöglich sein, zu entscheiden, ob englischer oder franz. Einfluß vor¬
hegt, ganz einfach deshalb, weil beide Sprachen sehr häufig die gleichen
Wendungen gebrauchen. In der vorhegenden Untersuchung wurde also
nach Möghchkeit versucht, allein Wendungen zu bringen, die mit
Sicherheit auf franz. Einfluß zurückgehen. Zweifelsfälle, wie z.B. yüda'u
su'äl ähar (al-A§äla, S. 146), die theoretisch sowohl franz. (poser une
So zeigt etwa ein phraseologischer Vergleich des Englischen, Franzö¬
sischen und Deutseben, daß in diesen Sprachen eine überraschend große
Anzahl von identischen Wendungen existiert.
Der französische Einfluß auf die arabische Schriftsprache im Maghrib 59
question) wie auch enghscher (to put a question) Herkunft sein können,
wiewohl im maghribinischen Kontext ja a priori franz. Einfiuß ange¬
nommen werden kann, wurden daher von vornherein ausgeschieden.
Trotz der genannten Schwierigkeiten und Aussonderungskriterien läßt
sich dennoch eine nicht geringe Anzahl von phraseologischen Lehnüber¬
setzungen aus dem Franz. herausarbeiten. Aus dem vorhegenden
Material seien folgende Beispiele herausgegriffen :
Sätze wie aharr wa-ahlas Hbärät at-tahäni (as-Sabäh 25. 7. 73), fä'iq
Hbärät at-taqdir (as-Sa'b 7. 7. 73), asmä Hbärät al-wudd wa-t-taqdir
(al-Anbä' 25.7.73) und wa-tafaddalü bi-qabül fäHq Hbärät at-taqdir
(as-Sa'b 7. 7. 73) gehen ganz zweifellos auf franz. Vorbüder wie etwa
,,veuülez agrier l'expression de ma haute consideration" zurück.
Ein Beispiel für die besonders auf dem Gebiet der Verwaltungssprache
nicht seltenen phraseologischen Lehnübersetzungen ist etwa 'aSarat
danänir au düna dälifca bi-'unwän al-adä'ät al-muwad^fa 'alä l-amlälc
al-'aqäriyya (al-'Amal 2. 8. 73), dem die franz. Wendung „ä titre de"
(als, unter dem Rechtstitel von) zugrunde hegt.
,,Les pays en voie de developpement" findet sich in einer tun. Zeitung
statt des allgemein üblichen al-buldän an-nämiya einmal wörthch über¬
setzt als al-buldän os-säHra fi tariq an-numüw.
,, Compter" in der Bedeutung „eüie bestimmte Anzahl zählen, d.h. aus
einer bestünmten Anzahl bestehen": magmü'a ta'uddu 27 Sabban (as-
Sabäh 25. 7. 73) u.a.
,, Connaitre" im Sinne von , .erfahren (z.B. eine Steigerung)": hawädit
as-sair bada'at ta'rifu zdiyädan munqati' an-na^ir (al-Anbä' 3. 8. 73)
u.a.
,, Mettre en usage" (in Gebrauch nehmen) : la-qad wudi'a fi-l-isti'mäl ...
taub häss yalbasuhü l-musäb (al-'Amal 2. 8. 73).
,,ä midi et demie" (um halb ein Uhr mittags) : amsi fi muntasaf an-nahär wa-n-nisf (al-'Amal 1. 7. 73) u.a.
3. Syntax
Fast ebenso schwierig wie der Nachweis von phraseologischen Ent¬
lehnungen ist jener der syntaktischen Einflüsse des Franz. Zwar ist die
Syntax weitaus straffer strukturiert als die Phraseologie, doch sind die
syntaktischen Strukturen des modernen Hocharabisch schon so stark
von Europäismen überlagert, daß es nicht leicht ist zu entscheiden, was
darüber hinaus noch speziell franz. Einfluß ist.
Erschwerend tritt bei syntaktischen Untersuchungen noch hinzu, daß
für das moderne Arabisch eine umfassende Darstellung der Syntax, wie
60 Lorenz Kbopfitsch
sie für die modernen europäischen Sprachen oder auch nur für die klassisch- arab. Sprache^^ vorhegt, noch nicht existiert^*.
Was die WortsteUung anlangt, konnte ich keine ganz eindeutig auf
das Franz. zurückzuführenden Abweichungen gegenüber der Wort¬
stellung im Maschriq beobachten. Nichtsdestoweniger bleibt aber die
Frage offen, ob durch den ständigen Kontakt mit dem Franz. bestimmte
Abweichungen von der Norm, die man zwar auch im Osten findet (z.B.
die Spitzenstellung des Substantivs außer in Überschriften), im Maghrib
vieUeicht häufiger sind. Eine solche Frage ist aber nur mit statistischen
Mitteln zu beantworten und muß einer eigenen Untersuchung vorbe¬
halten bleiben.
Im folgenden seien einige besonders offenkundige, wenngleich nur
Randgebiete der Syntax betreffende FäUe erwähnt :
a. Plural
Dieser wird im maghribinischen Hocharabisch in bestimmten auf
franz. VorbUd zurückgehenden FäUen gebraucht, in denen er im Maschriq
unüblich ist :
ai-taSakkurät (les remerciements) Danksagungen, Dank, al-'Alam
27. 7. 73: taSakkurätunä l-härra u.a. (auch tun.).
al-'utal (les vacances) Ferien, an-Nasr 1.10.73: fatarät at-tatawwu'
allati tagri hiläla l-'utal u.a. (auch tun.).
b. Gebrauch des Artikels
Der dem franz. VorbUd folgende Gebrauch des bestimmten Artikels
fällt besonders bei Ländernamen auf:
al-Berü (le Perou) Peru, as-Sa'b 6.8.73: anna l-Berü sa-yusärik u.a.
(auch mar.).
at-TSäd^'' (le Tchad) Tschad, Ifriqiyä: at-TSäd (auf Landkarten) u.a.
(auch mar., alg.). Nicht selten wird aber auch die im Maschriq übliche
Form ohne Artikel gebraucht: TSäd tansahibu 'an al-muna^^ma
(as-Sa'b 5. 7. 73).
ad-Dähümi (le Dahomey) Dahomey, al-'Amal 2. 8. 73: wazir härigiyyat
ad-Dähümi u.a.
'5 H. Reckendorf : Arabische Syntax. Heidelberg 1921 und Die syntak¬
tischen Verhältnisse des Arabischen. Leiden 1895.
38 Auch in neuester Zeit ersohienene Werke, wie V.Cantarino: Syntax of
modern Arabic prose. The simple sentence. Vol. one. Bloomington 1974, ver¬
mochten bisher diese Lücke nicht zu sohließen.
3' Zum Vergleich sei angeführt, daß dieser Ländername nicht nur im
Maschriq ohne Artikel gebrauoht wird, sondern auch im Dialekt der arabisoh¬
sprachigen Bewohner von Tsehad (siehe S.Abu Absi: Basic Chad Arabic.
The active phase. Bloomington 1968, S. 45).
Der französische Einfluß auf die arabische Schriftspraclie im Maghrib 61
a^-Sili (le Chili) Chile, aä-Sa'b 6.8.73: ni^m al-qam' wa-l-quiowa
fi-S-Süi u.a. (auch tun.).
al-Gäbün (le Gabon) Gabun, al-Anbä' 3. 8. 73: ra'is ^umhüriyyat al-
Öäbün u.a. (auch tun.).
al-Viyetnäm (le Vietnam), al-Anbä' 25. 7. 73: li-l-Viyetnäm aS-samäliyya
u.a. (auch alg.). Seltener kommt auch die artikellose Form vor: madbahat
Häy Läy (?) fi Viyetnäm (al-'Amal 2. 8. 73).
al-Läwus (le Laos) Laos, as-Sa'b 6. 8. 73: al-qasf al-amriki 'alä Kam¬
bödiyä iva-l-Läwits u.a. (auch tun.).
c. Genus
Bei einigen Ländernamen und Substantiven wird das Genus des Franz.
übernommen, obwohl dies in formalgrammatischer bzw. semantischer
Hinsicht mit der arab. Grammatik nicht vereinbar ist :
al-Berü (le P6rou) Peru, as-Sa'b 6. 8. 73: anna l-Berü sa-yviärik u.a.
al-gäket (la jaquette) Jacke, aä-Sa'b 6. 8. 73: an yalbasü l-gäket as-saudä'
u.a. Die Übernahme des franz. Genus erfolgt aber nicht durchgängig,
wie die Wendung hädä l-gäket al-gildi al-aswad im selben Artikel (!)
zeigt.
aS-Sili (le Chili) Chile, an-Na§r 1.10.73: nu'linu tadämunanä ma'a
s-Sill l-mukäfih. Auch hier wird häufig — dem Sprachgebrauch des
Maschriq folgend — das bei Ländernamen übliche Femininum ver¬
wendet: amma ä-Sili fa-yumattiluhä r-ra'is Salvador Allende (al-Anbä'
3. 8. 73).
al-Yähän (le Japon) Japan, al-'Amal 3. 7. 73: al-Yäbän yuwäfiqu 'alä
idhäl al-luga al-'arabiyya dimna gawäzät muwätinlhi u.a. Ebenso häufig
ist aber das Femininum: duhür al-Yähän ka-akbar säni' li-s-sujun, haitu
rtafa'a intäguhä (as-Sa'b 6. 8: 73).
Alle in dieser Untersuchung zitierten Belege entstammen also — und
darauf wurde bereits eingangs hingewiesen — den drei Ländern Marokko,
Algerien und Tunesien. Der franz. Einfluß ist auf die jeweihgen Schrift¬
sprachen dieser Länder in etwa gleich verteUt, wiewohl einige kleme
Unterschiede nicht zu übersehen sind (vgl. etwa die unterschiedlichen
Monatsnamen in Marokko und Algerien/Tunesien oder die abweichenden
Bezeichnungen für ,, Aktiengesellschaft" in Marokko und in Tunesien).
Vergleicht man nun mit dieser relativ einheithchen Variante des Hoch¬
arabischen die libysche Schriftsprache, so erkennt man mit Staunen, daß
in dieser der Fremdeinfiuß wesentlich geringer und zudem ganz anderer
Art ist. Zwar bestünde kein Grund für ein Vorhandensein eines bedeuten¬
deren franz. Einflusses, da die Franzosen Libyen — von einigen süd¬
hchen Wüstengebieten abgesehen — nie beherrschten, doch könnte man
62 Lorenz Kropfitsch
auf Grund der soeben festgestellten sprachlichen Verhältnisse in Marokko,
Algerien und Tunesien annehmen, daß sich die itahenische Kolonialzeit
ebenso auf die Entwicklung der arab. Schriftsprache in Libyen ausge¬
wirkt habe. Dies ist aber keineswegs der Fall, denn die libysche Schrift¬
sprache hat sich — wohl auf Grund der für eine sprachhche Durchdrin¬
gung größeren Ausmaßes zu kurzen Zeitspanne^* sowie wegen des hier
immer stark ausgeprägt gewesenen arab. Nationalismus und rehgiösen
Purismus^* — europäischen Eioflüssen nicht mehr und in nicht anderer
Weise geöffnet als die Schriftsprache im Maschriq. Dafür aber läßt sich
in gewisser Hinsicht eine Anlehung an das ägyptische Vorbild feststellen,
so etwa bei den Monatsnamen (die mit den in Ägypten gebräuchlichen
identisch sind), bei der Wiedergabe des g der europäischen Sprachen
(z.B. oder oyr}^), auch bei der Verwendung von ägyptischen
Dialektwörtern usw. Dies mag auf den kulturellen Austausch, vor allem
in Form der Entsendung von ägyptischen Lehrern nach Libyen*",
zurückzuführen sein.
Zusammenfassend kann also gesagt werden, daß die arab. Schrift¬
sprache im Maghrib auf Grund verschiedener Faktoren, von denen die
bedeutendsten der franz. Einfluß und die Interferenz der maghribinischen
Dialekte** sind, vielfach ihre eigenen Wege gegangen ist. Die in dieser
Arbeit vorgenommene Untersuchung des franz. Einflusses hat dies ganz
deutlich auf dem Gebiete des Wortschatzes, in geringerem Maße auch in
Phraseologie und Syntax gezeigt. Dabei ist jedoch zu beachten, daß das
franz. Sprachdenken nicht in alle Bereiche literarischer bzw. sprachlicher
Äußerung gleichermaßen eindringen konnte. Während man in einigen
Bereichen (vor allem in Verwaltung, Wirtschaft, Technik sowie im Schul-
und BUdungswesen) auf Grund der Fülle der Gallizismen wohl von einer
Überfremdung besonders des schriftarab. Wortschatzes sprechen kann,
zeigen andere (z.B. Weltpolitik, Wissenschaft) verhältnismäßig geringe
Spuren franz. Einflusses*^. Auch in der schönen Literatur dürften die
Die italienische Herrschaft währte lediglich von 1911 bis 1942 rmd war
zudem in der Kulturpolitik nicht annähernd so auf Europäisierimg bedacht
wie die franz. in Marokko, Algerien und Tunesien.
3' Vgl. dazu H. Schiffers: Libyen und die Sahara. Bonn ^1962, S. 52ff.,
A.MuDDATHiR: Die arabische Presse in den Maghreb-Staaten. Hamburg 1966,
S. 102f. und besonders aueh die heutige politische Entwicklung in Libyen.
*o Vgl. H.Schiffers: Libyen und die Sahara, S. 61.
*i Ein Phänomen, das aUerdings — wie eingangs angedeutet — noch näher
zu untersuchen sein wird.
*^ Der Grund dafür dürfte im einen FaU der ausgleichende Einfluß der
arab. Nachrichtenagenturen sein, im anderen die Tatsache, daß heutzutage
die Mehrzahl der wissenschaftlichen Werke in Englisch publiziert werden, so
daß für den Maghribiner die einseitige Konfrontation mit der franz. Spracbe
Der französische Einfluß auf die arabische Schriftsprache im Maghrib 63
franz. Einwirkungen — soweit ich dies nach dem im FeuilletonteU der
Zeitungen vorhandenen Material beurteilen kann — kaum nennenswert
sein.
Die Tatsache, daß es keine auch noch so kleine Gruppe von Sprechern
des Hocharab. als Muttersprache gibt, ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, daß sich das Hocharab. nicht aus sich selbst heraus weiterentwik-
kelt, sondern im Grunde nur durch den ständigen Kontakt mit den wich¬
tigsten Fremdsprachen. Dies güt selbstverständlich für den arab. Osten
genauso wie für den Westen ; der Unterschied liegt allein in der Intensität des Kontakts und somit der Beeinflussung.
Der Grund für die relativ große — und teüweise unbewußte — Auf¬
nahmebereitschaft des Maghrib gegenüber franz. Einflüssen hegt vor
allem in der sehr lange dauernden und äußerst intensiven kulturellen
Verflechtung mit Frankreich. Dies hat nicht nur dazu geführt, daß im
Laufe der Jahrzehnte franz. Institutionen vor allem auf dem Büdungs-
und Verwaltungssektor übernommen bzw. imitiert wurden, sondern hat
noch wesenthch weitgehendere und selbst heute noch für die sprachhche
Entwicklung in höchstem Maße relevante Auswirkungen. Die heutige
geistige Elite der drei Maghrib-Länder ist fast durchweg in franz. Schulen
bzw. auf franz. Universitäten ausgebüdet worden**, was zu einer gewissen
Entfremdung von der arab. Denkungsart geführt hat. Heutzutage ist
zwar der Grundschulunterricht schon fast vollkommen arabisiert**,
doch werden in den höheren Schulen und besonders auf den Universitäten
die naturwissenschafthchen Fächer — nicht zuletzt wegen des Mangels
an qualifizierten arab. Lehrern — noch immer auf franz. gelehrt*^. So
in diesem Bereich wegfällt. Ein weiterer und ganz allgemeiner Grund für die
imterschiedliche Intensität der Beeinflussung auf den verschiedenen Gebieten
ist die Tatsache, daß je nach Gebiet verschieden starke Kontakte mit dem
arabischsprachigen Ausland gepflegt werden. Während etwa im Bereich der
Weltpolitik ein ständiger Informationsaustausch stattfindet, ist dies z.B. in
der Verwaltimg nicht der Fall, was die Ausbildung von sprachlichen Eigen¬
heiten sehr stark fördert. Diese FeststeUung gilt natürlich nicht nur für das
Arab.; analoge Verhältnisse finden sich vielmehr auch im deutschen Sprach¬
raum (vgl. die Unterschiede in der Verwaltungsspraehe zwischen der Bundes¬
republik Deutschland und Österreich).
*ä Vgl. M. Maamouri : The linguistic situation in independent Tunisia. In :
The American Journal of Arabic Studies 1 (1973), S. 50—65 und A.A.Ambros :
Die sprachlichen Verhältnisse im Maghrib. In: Bustan 11 (1970), S. 10—14.
Vgl. dazu die Berichte über den Stand der Arabisierung in aä-§a'b
5.7.73 und al-Lisän al-'arabi, Bd. 9/1, Januar 1972, S. 13ff. sowie in al-
Asäla, deren Sondernummer 17/18, 4. Jg., diesem Problem gewidmet ist.
*5 Diese sogenannte Zweisprachigkeit (izdiwä^iyya [lugaiviyya]), die man
als funktionelle bezeichnen könnte, ist im Maghrib Gegenstand ausgiebiger Diskussionen, wobei es an Stimmen nicht fehlt, die für deren Beibehaltung
64 Lokenz Kbopfitsch, Der französische Einfluß
kommt es, daß das Franz. in den Maghrib-Staaten nach wie vor eine
Büdungssprache mit starker Ausstrahlung ist, was eine weitere, wenn¬
gleich sich in Zukunft vermuthch doch abschwächende, franz. Einflu߬
nahme auf die Schriftsprache in Maroldjo, Algerien und Tunesien be¬
günstigt.
eintreten. Ganz abgesehen vom Für und Wider innerhalb einer solchen
Diskussion muß man jedoch davon ausgehen — imd das wird von arab.
Seite nur zu oft übersehen —, daß im Maghrib in Wirkhchkeit nicbt bloß
eine Zweisprachigkeit vorliegt, sondern eine Dreisprachigkeit: Dialekt —
Hocharabisch — Französisch.
The Art of a Moroccan Folk Poetess 7
By Norman A. Stillman and Yedida K. Stillman,
Binghamton, N.Y.
Since the rise of Islam, the Arabs have considered poetry to be their
greatest cultural heritage. In the century preceding the advent of
Muhammad, they developed a highly refined poetic art in a supra-
tribal literary language which we call Classical Arabic. To a certain
extent, Islam was part of the linguistic process by which the Arab
nation came into being.* Arab writers were fond of saying that "the
Chinese excel in arts and crafts, the Indians in wisdom and story¬
telling, the Persians in statecraft and moral maxims, the Children of
Israel in prophecy, the Greeks in philosophy and science, and the
Arabs in eloquence and poetry."^
Classical Arabic poetry is a highly conventional art form. Originally,
it consisted of three genres: hijä' (or satire) which was usually in
rhymed prose (Ar. saj'), and which could be devastating to the repu¬
tation of an individual or a tribe ;* marthiya (or elegy) often recited by
women; and qasida (or ode). The qasida is the most important and the
most versatile genre, consisting of an indeterminate number of lines
(as few as sixteen, and as many as one hundred), each divided into two
hemistiehs. The initial two hemistiehs rhyme, and this rhyme is main¬
tained throughout in the last hemistich of each line. There are sixteen
possible quantitative meters for the poet to choose from. As recently
shown, these meters are to some extant qualitative as well.* This highly
conservative art has been maintained up to the present day, and only
1 Cf. S.D. Goitein: The Four Faces of Islam. In his: Studies in Islamic
History and Institutions. Leiden 1966, pp. 6f. For a more specific treatment
of this process, cf. G.E. von Gbunebaitm: Orowth and Structure of Arabic
Poetry, A.D. 500 — 1000. In: The Arab Heritage. Ed. Nabih Amin Fabis.
Princeton 1944, pp. 121—141.
2 Goitein: Studies, p. 6, here paraphrasing Abü Hayyän al-TawhIdi:
Kitäb al-Imtä' wa'l-Mu'änasa, I. Ed. Ahmad Amin and Ahmad al-Zayn.
Cairo 1939; reprinted Beirut, n.d., pp. 71—74. We are grateful to Professor Goitein for bringing the original source to our attention.
3 Cf., for example, the anecdote reported by Abu 'l-Faraj al-Isbahäni:
Kitdb al-Aghäni. VII. Bulaq 1284, p. 49.
* For a pertinent treatment of Arabic prosody, cf. Gotthold Weil:
Arüd. In: EI^ I, pp. 667—677.
5 ZDMG 128/1