• Keine Ergebnisse gefunden

(61+rr S.) Die vorliegende Arbeit, die das

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "(61+rr S.) Die vorliegende Arbeit, die das"

Copied!
41
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Bücherbesprechungen

Mollä Lutfi'l Maqtül: La Duplication de VAutel. (Piaton

et le Probleme de Delos.) Erschienen in ,, Etudes Orien¬

tales" des „Institut frangais d'Archeologie de Stamboul"

in Band VI. Herausgeber: Arabischer Text veröffentlicht

von Serefettin Yaltkaya aus Istanbul, französische

Übersetzung und Einführung von Abdülhak Adnan und

Henry Corbin. Verlag: E. de Broccard, Paris 1940.

(61+rr S.)

Die vorliegende Arbeit, die das ,, Sendschreiben über

die Verdopplung des Opferaltars" (Risäla tad^if al-madbah)

des Mollä Lutfi'l Maqtül zum Thema hat, gliedert sich in

einen französisch und einen arabisch abgefaßten Teil. Ersterer

bringt eine Einführung und die Übersetzung des arabischen

Textes. Die Einführung beginnt mit der Biographie des

Autors. Die biographischen Angaben entstammen folgenden

Quellen: 1. Tasköprüzädeh, Saqä'iq al-nu'maniya, in der

türkischen Übersetzung des Mehmed Mejdi (Istanbul 1269),

2. Monographie des Serefettin Yaltkaya über Lutfi'l Maqtül

(Istanbul 1938). Nach ihnen ist Mollä Lutfalläh al-Tüqäti in

der 1. Hälfte des XV. Jahrhunderts in Tokat in Kleinasien

geboren. Er war Schüler von Sinän Päsä, der als Verfasser

von Werken über Mathematik, Astronomie, Metaphysik

und Ethik bekannt ist. Ihm half L. M. bei der Herausgabe

des Sarh-i-Cagmini, eines Kommentars der Abhandlung zur

Astronomie des berühmten persischen Gelehrten Cagmini.

Bibliothekar des Sultans wurde L. M. auf Empfehlung von

'Ali Qüsji, der sich vorher als Mitarbeiter an neuen Stern¬

katalogen einen Namen gemacht hatte. Er besonders ver¬

anlaßte L. M. zur tieferen Beschäftigung mit Mathematik

und Astronomie. Als er durch Bayazid II. zum Lehrer an

(2)

Bücherbesprechungen 423

einer der aclit berüiimten Medresen ernannt worden war,

waren die Kollegen, die durch seine sarkastischen Bemerkungen

tödlich beleidigt worden waren, so gegen ihn erbittert, daß

sie eine Verschwörung veranstalteten und L. M. der Ketzerei

sowie der Gottlosigkeit beschuldigten. Es kam ein Fetwa

gegen ihn zustande, das der Sultan nach langen Zögern be¬

stätigte. So wurde L. M. im Jahre 1494 n. Chr. (900 Hg.) im

Hippodrom zu Instanbul enthauptet. Dadurch kam er zu dem

Beinamen Maqtül.

L. M. hat mehr als ein Dutzend Werke und Kommentare

meist philosophischen und mystischen Inhalts verfaßt, an

deren Spitze das Buch „Al-matälib al-ilähiya fi mawdu'ät

al-'ulüm" steht. Innerhalb seiner Schriften nimmt die vor¬

liegende über die Verdopplung des Opferaltars insofern eine

besondere Stellung ein, als der Verfasser in ihr nach seinen

eigenen Angaben ein Problem behandelt, das in arabischer

Sprache bis dahin nicht bearbeitet worden ist. Den Inhalt

der Risala gebe ich in folgendem, um erst darnach zu den

weiteren Aufsätzen der Verfasser Stellung zu nehmen. Die Ver¬

fasser benutzten die Handschrift Cod. Univ. Stanbul A Y 1458,

fol. 122 b—125 b; Format 36 x 21 (25,5 x 11,5), 29 Zeilen auf

der Seite; aus 1236 Hg. Bbockelmann (II 235) erwähnt nur

die Handschrift Leyden 1229.

Abhandlimg über die Verdopplung des Opferaltars

Die etwa 16 Seiten füllende Abhandlung zerfällt nach

einer kurzen religiösen Einleitungsfloskel in drei Hauptab¬

schnitte. Der erste stellt eine Einführung dar, die mit De¬

finitionen des Quadrats, der Proportionen und des Würfels

beginnt. Alsdann erläutert er die Multiplikation von Linien

mit Linien, indem er ein Rechteck bewegungsgeometrisch

dadurch zustande kommen läßt, daß er eine Rechteckseite

rechtwinklig zur anderen längs derselben gleiten läßt. Ent¬

sprechend läßt er den Würfel durch Bewegung einer quadra¬

tischen Seitenfläche rechtwinklig zur quadratischen Grund¬

fläche entstehen, wobei der Raum des Würfels kinematisch

durchlaufen wird. Er schließt daraus, daß das Ergebnis von

2 8*

(3)

424 Bücherbesprechungen

Fläche mal Fläche der Körper sei (!!). Dazu gibt er nicht recht

klare Erläuterungen (die leider in der Übersetzung infolge

Auslassung eines Wortes nicht besser werden). Sein kine¬

matisches Ergebnis faßt er noch einmal für den Würfel zu¬

sammen: Der Würfel wird durch Multiplikation der Qua¬

dratfläche mit sich selbst erzeugt. Hinterher lehrt er: Das

Volumen des Körpers ergibt sich durch Multiplikation der

Länge mit der Breite, dann durch Multiplikation der daraus

entstehenden Fläche mit der Höhe. (Hat er im vorhergehenden

Falle unter Multiplikation nur den kinematischen Vorgang

verstanden ?) Darnach behandelt L. M. die „Verdopplung".

Er scheidet die Verdopplung des J.««:. |,5" (quantite discrete),

d. h. der Zahl, die er genau im heutigen Sinne vollziehen

läßt, von der Verdopplung des ^ (quantity continue),

bei der er^loi., Größe undo.,, Dimension unterscheidet. Für

die dimensionierten Größen definiert nun L. M. die Verdopp¬

lung dahin, daß sie sich auf jede der vorhandenen Dimen¬

sionen erstrecken müsse. Vorher gibt er dazu 3 Beispiele aus

dem Leben, von denen hier nur das zweite besonderes Inter¬

esse beansprucht. Ein Eigentümer gibt einem Baumeister

den Auftrag, gegen ein Honorar von 800000 Dirhem sein

Haus zu verdoppeln. Sein Haus hatte Würfelform mit 10 Ellen

Kantenlänge. Der Baumeister vergrößert das Haus auf

10 Ellen Länge, läßt aber Breite und Höhe unverändert. Der

Eigentümer verweigert die Bezahlung der ganzen Summe und

geht zum Kadi. Dieser, wie L. M. hervorhebt, ein geometrisch

geschulter Richter, entscheidet: Da der Baumeister nur

des bestellten Raumes geliefert habe, kann er nur der ver¬

einbarten Summe beanspruchen.

Von der Flächen- und Körperberechnung aus geht L. M.

unvermittelt zu den Proportionen über, um nach Beschreibung

der einfachen mittleren Proportionalen (2:4 = 4:8) zur Erläu¬

terung der beiden mittleren Proportionalen (2:4 = 4:8 = 8:16,

i_j Je (jjlii c«. cXki) überzugcben. Deren Zusammenhang

mit der Würfelverdopplung bringt er erst im 2. Hauptabschnitt,

das die Überschrift trägt: ,,Über das Ziel (der Abhandlung),

nämlich die Deutung des Ausspruchs des göttlichen Piaton."

(4)

Bücherbesprechungen 425

Eine schreckliche Pest war in einem Tempel der Griechen

ausgebrochen, der vom Propheten David erbaut und mit einer

großen Orgel ausgestattet worden war. Ein Prophet Israels

wurde um ein Mittel gegen die Pest befragt und Gott ent¬

hüllte ihm, daß die Pest weichen würde, wenn die Griechen

den kubischen Opferaltar verdoppelten. Sie bauten einen

zweiten ebenso großen Altar und setzten ihn daneben. Die

Pest nahm trotzdem weiter zu. Als der Prophet von neuem

befragt wurde, enthüllte Gott ihnen, daß sie die Aufgabe

nicht richtig gelöst hätten. Darauf wandten sich die Griechen

an Piaton, der erklärte: Ihr habt euch von der dreigeghederten

Wissenschft (il* mit ,,trivium" übersetzt!) entfernt, den

3 Wissenschaften der Philosophie: Arithmetik, Geometrie

und der Wissenschaft der magischen Quadrate. Die Pest ist

die Strafe für eure Entfremdung von der Wissenschaft. So¬

bald ihr zu 2 gegebenen Strecken 2 mittlere Proportinale

einschalten könnt, wird euch die Verdopplung des Altars

gelingen. Weiterhin stellt 10000 Fächer auf, die 10000 Zahlen

in ihrer natürlichen Folge enthalten.

An diese Darlegung schließen sich neun Fragen (^-Ü**),

in denen L. M. den Ausspruch Piatons erläutert.

1. Frage: Die Begriffe haykal und madbah werden er¬

klärt, auf die vorangegangenen Erklärungen über den Wür¬

fel verwiesen, der Begriff „natürliche Zahlen" erläutert.

2. Frage: Die Pest wurde durch die Verwesung {^) der

Luft hervorgerufen, wie sie durch die Zersetzung angehäufter

Leichenteile entsteht. 3. Frage: Durch Anbau des 2. Altars

wurden die Stellen vermehrt, an denen Fäulnis und Ver¬

wesung einsetzen konnten. Eine nicht völlig hierhergehörende

Darlegung über das Auftreten des Quartanfiebers schließt sich

an. 4. Frage: Bezüglich des Anbaues des 2. Altars, ins¬

besondere, daß er nicht die geforderte Würfelverdopplung

darstellt, verweist L. M. auf seine Ausführungen in der Ein¬

führung. 5. Frage: Hinsichtlich der Beziehung der 3 er¬

wähnten Wissenschaften zur Altarverdopplung verweist er

auf die folgenden Fragen. 6. Frage: Erklärung der Aufgabe,

zwei mittlere Proportionalen zu konstruieren, und der Methode,

(5)

426 Bücherbesprechungen

dadurch zur Würfelverdopplung zu kommen. Sie beginnt

mit der (sachlich unrichtigen) Behauptung, daß durch Multi¬

plikation einer Quadratseite, die doppelt so lang ist wie die

ursprüngliche, mit sich selbst ein Quadrat doppelten Flächen¬

inhalts entstehe. Diese Fläche soll mit der doppelten Höhe

multipliziert werden. Dann folgt unvermutet der Hinweis,

daß man zur Konstruktion des gesuchten Würfels nur durch

Konstruktion der zwei mittleren Proportionalen kommen

kann, nebst einigen Zusätzen, die nicht immer verständlich

sind. Zum Schluß sagt er, daß Piaton das Verfahren nicht

angegeben habe, da er seiner Gewohnheit nach nur in Gleich¬

nissen und Rätseln gesprochen habe. 7. Frage: Die Ver¬

dopplung des Altars ließ die Pest aufhören, weil durch die

Vergrößerung des Altarraumes bessere hygienische Verhält¬

nisse entstanden. 8. Frage : Zusammenhang zwischen Altar¬

verdopplung und dem magischen Quadrat 100 X 100. Die

Weisen pflegten bei Errichtung von Gebetsstätten und anderen

Bauten in die Fundamente oder an anderen Stellen ein

magisches Quadrat (Wafq) einzulegen. L. M. verweist ohne

Nennung des Verfassers auf die Schrift ,,5ams al-afäq fi

ma'rifat al-awfäq". Nach dieser habe Abraham zuerst von

der Wissenschaft des Wafq gesprochen und ein Quadrat

100 X 100 in die Fundamente von Mekka, Thaies ein solches

in den Merkurtempel eingefügt. Andere Beispiele folgen.

Dann kommt er zu seiner Begründung der Einführung der

magischen Quadrate. Unter Berufung auf Ibn Sina's ent¬

sprechende Ausführungen in seinem Kanon legt er dar, daß

die Pest nicht nur irdische, physische Ursachen habe, sondern

auch himmlische, göttliche. Die Vergrößerung des Altars

läßt wohl die irdischen Ursachen aufhören, nicht jedoch die

himmlischen. Hier muß noch eine wirksame Sache hinzu¬

treten, die als analoge Operation zur mathematischen die

Pest endgültig verschwinden läßt. Sie besteht in der Nieder¬

legung eines magischen Quadrats, dessen Wirksamkeit eine

göttliche ist. Diese von Gott geschaffene Wissenschaft ist über

Propheten, Heilige und Weise weitergegeben worden. Das ma¬

gische Quadrat 100 x 100 entspricht der Würfelverdopplung,

(6)

Bücherbesprechungen 427

da die Zahl der Fächer, aus denen es besteht, durch die Multi¬

plikation 10 X 10 entsteht, darauf durch die Multiplikation des

Ergebnisses 100 mit sich selbst. Weiter gilt die doppelte mitt¬

lere Proportion 10:100 = 100:1000 = 1000:10000. So ent¬

spricht das magische Quadrat in seinem Wesen und seinen

besonderen Eigenschaften der Würfelverdopplung. 9. Frage:

Zur Darlegung, weshalb das magische Quadrat die Pest zum

Erlöschen bringt, beginnt er wieder mit der Geschichte des

magischen Quadrats und führt sie diesmal von Adam her

über Moses zu Pythagoras, dann weiter bis zu Archimedes

durch. Wer ein Wafq in seinem Hause besitzt, wird vor

Lepra, Gicht, Gesichtslähmung, Darmkohk und plötzlichem

Tod bewahrt bleiben. Weiter berichtet er vom Wafq auf

Kriegsfahnen, deren Besitzer von Sieg zu Sieg eilten, wie

Alexander imd Feridun. Auch Ali wird als Gewährsmann

genannt, der mit dem Wafq auf der muslimischen Fahne

einst den Sieg erstritt. Zuletzt folgt eine Zahlenspielerei mit

der Zahl 100 und der 99 als Anzahl der Namen Gottes.

Im 3. Hauptabschnitt gibt L. M. in der Hauptsache eine

Zusammenstellung von Gebeten, verbunden mit einer Zahlen¬

mystik zur Beseitigung der Pest und anderen Epidemien.

Den Schluß bildet eine medizinisch-hygienische Betrachtung

im Sinne der galenischen Auffassung ohne feste Beziehung

zum Hauptthema der Risala, weshalb sie auch von den Ver¬

fassern nicht übersetzt worden ist.

Das DeUsche Problem

Das Problem der Würfelverdopplung, das sogenannte

Delische Problem, führt in der Form, wie es durch L. M.

dargestellt wird, durch die Entscheidung, die Piaton fällt,

zu einer zweifachen Betrachtungsweise. Die beiden Verfasser

unterscheiden sie als technisches Problem und als thera¬

peutisch-geistige Belehrung. Ersteres ist im wesentlichen ein

mathematisches Problem, zu dem ich jetzt Stellung nehme.

Hierbei gehen Abdulhak Adnan und Corbin besonders

ausführlich auf die Proportionen ein, die sie aus den Quellen

der griechischen Mathematik geschichtlich belegen. Bezüglich

(7)

428 Bücherbesprechungen

der mathematischen Seite verweisen sie auf die treffhchen

und erschöpfenden Zusammenstellungen, die sich in der Real-

Encyclopädie von Pauly-Wissowa besonders im Artikel

Geometrie über das Problem und seine Lösungsversuche

vorfinden. Meines Erachtens hätte nach diesem Hinweis die

leider wenig übersichtliche Darlegung kürzer, prägnanter auf

das Thema gehalten werden können, was ich in der Wieder¬

gabe des Gedankengangs der Verfasser versuchen will.

Verlangt wird die Herstellung eines Würfels, der das dop¬

pelte Volumen hat wie ein gegebener Würfel mit der Kanten¬

länge a Längeneinheiten. Hat der gesuchte Würfel die Kanten¬

länge X Längeneinheiten , so muß x* = 2 a* sein , so daß

X = a j/2 als reelle Lösung inFrage kommt. Arithmetisch ist

somit die Lösung durch Multiplikation der gegebenen Kante a

3

mit der zu berechnenden Zahl j/ 2 erledigt. .Auf diese Lösung

verfällt kein Grieche. Die Verfasser erwähnen, daß Philon

aus Byzanz gegen 120 v. Chr. dieses Verfahren angewendet

haben soll. Die Griechen, insbesondere Piaton und seine

Schule, gebrauchen nur geometrische Methoden, Euklid sogar

bei Darlegung arithmetischer Probleme. Daß hierbei nur

Konstruktionen mit Zirkel und Lineal als Lösung anerkannt

gewesen sein sollen, wird heutzutage mit Recht bestritten.

Wohl aber verwerfen sie Näherungsverfahren mit technischen

Hilfsmitteln. Nach diesen Vorbemerkungen entwickelt sich

für die Griechen folgender Gedankengang: Ein Quadrat der

Seitenlänge a zu verdoppeln, entspricht der Aufgabe x* = 2 a*,

die nicht im Sinne x = a)/2 gelöst wird, sondern zu der Pro-

• Sl X

portion - = 2^ aufgelöst wird, so daß die unbekannnte Qua¬

dratseite als mittlere Proportionale zwischen der gegebenen

Seite a und ihrer doppelten Länge gefunden wird. Diese Auf¬

gabe ist schon von den Griechen und zwar mit Zirkel und

Lineal gelöst worden. Was war natürlicher, als daß die

Griechen ein analoges Verfahren auch für die Lösung des ent¬

sprechenden Würfelproblems suchten, das durch die Gleichung

x* = 2a* modern formuliert wird. Hieraus folgt — = — = S-;

X y «bd.

(8)

Bücherbesprechungen 429

diese Lösung durch zwei mittlere Proportionalen hat Piaton

nach L. M. vorgeschlagen, ohne aber irgendeine Angabe über

die Ausführung dieser Konstruktion zu machen, die übrigens

mit Zirkel und Lineal nicht möglich ist. Er hat eben nur

ein mathematisches Problem durch ein gleich schwieriges

ersetzt.

Die Herausschälung des Begriffes „Lösung einer Aufgabe"

ist zur Beurteilung des Problems wesentlich, da ihm nur bei

genauer Festlegung der hierfür anerkannten Hilfsmittel und

Bedingungen ein bestimmter Sinn zukommt. Bei dieser Ge¬

legenheit sei vermerkt, daß die von den Verfassern zitierte

arabisch-lateinische Ausgabe von Jungk, Raedkr, Thomson,

Pars III fasc. II (Kopenhagen 1932) keinen neuen Beitrag

zum Proportionalenproblem liefert, wie ich mich überzeugt

habe. Nach diesen Vorbemerkungen zur mathematischen

Seite des Problems möchte ich auf zwei Darlegungen in der

Risala eingehen, die die mathematische Begriffswelt des

L. M. scharf beleuchten.

1. In seiner Einführung bringt L. M. eine ganz modern

anmutende kinematische Erzeugung einer Quadratfläche und

analog die eines Würfels. Aber seine Schlußfolgerung, Qua¬

dratfläche mal Quadratfläche ergibt Würfel, müßte zu rechne¬

risch falschen Ergebnissen führen. Das geschieht allerdings

nicht, wie der nachfolgende Satz beweist, wo er die Berech¬

nung eines Parallelepipeds richtig beschreibt, leider ohne an¬

zugeben, wie er von der vorher dargelegten kinematischen

Auffassung und Formulierung zu der richtigen Berechnung

kommt.

2. Die Formulierung des Begriffs „verdoppeln" durch

L. M. führt zu Zweideutigkeiten, wie dies besonders die Ge¬

schichte mit dem zweiten Kadi zeigt. Ein Hausbesitzer ver¬

langt, daß ihm der Baumeister sein kubisches Haus von

10 Ellen Kantenlänge „verdopple" (.jIj ijü.* j\ Je). Der Bau¬

meister erbaut ein doppelt so großes Haus durch die Ver¬

längerung der Front um die frühere Länge. Der gesunde

Menschenverstand würde den Auftrag als erfüllt ansehen, da

ja tatsächlich ein doppelt so großes Haus erstellt worden ist.

Zeitacbrift d. DMQ Bd. 9S (Nene Folge Bd. 30) 29

(9)

430 Bücherbesprechungen

Anders sieht es L. M., der unter Verdoppeln die Verdopplung

nach jeder Richtung des Raumes versteht, wodurch nach

unserer gewöhnlichen Auffassung ein achtmal so großer Raum

entstehen muß. Gleichem Gedankengange gehört seine Be¬

hauptung an, daß bei Vorliegen eines gegebenen Quadrats

eine doppelt so lange Quadratseite mit sich selbst multipliziert

eine doppelt so große Quadratfläche ergebe (S. 5, Mitte).

Im anschließenden Aufsatz, ,, La Tradition" überschrieben,

behandeln die Verfasser im wesenthchen den nicht ins Mathe¬

matische fallenden Problemkomplex. Als Ausgangspunkt dient

der zweite Teil des Rates Piatos an die Griechen: Es kommt

den Göttern nicht auf den Altarbau an, sondern darauf, ihnen

zu beweisen, daß sie infolge ihrer Kriege die Wissenschaften,

insbesondere die Mathematik, vernachlässigt hätten. Die Ver¬

fasser sehen hierin den Ausgangspunkt für die Spekulation,

die schließlich bei L. M. statt der Arithmologie Piatons einen

Bastard aus neuplatonischen Lehren und magischen Gedanken¬

gängen in Gestalt der Lehre von den magischen Quadraten

als Hilfsmittel gegen die Pest entstehen läßt. Gleichzeitig

verweisen sie auf die ähnlichen Vorgänge, die bei der Ent¬

stehung der Alchemic hermetischer Richtung und in der

Astrologie eine Rolle gespielt haben. Den Werdegang dieser

Geschichts- und Gedankenklitterung im einzelnen zu verfolgen,

ist sehr schwer; im Falle des Delischen Problems bietet den Ver¬

fassern der Bericht des Qazwini einen gewissen Anhalt für

die Geschichte der Entstellungen seit der klassisch-griechischen

Epoche bis zu L. M., der in der arabischen Einleitung wieder¬

gegeben wird: Hier gibt es kein Delos mehr und kein Orakel

des Apollo. Ein Prophet Israels wird konsultiert. Bei L. M.

kommt noch der von David erbaute Tempel mit der Orgel

darin hinzu. Aus welchen Quellen L. M. das entnommen hat,

war bisher nicht festzustellen. Bezüglich der Argumentation

für die Anwendung des Wafq erweist er sich als gelehriger

Schüler des Avicenna.

Die französische Einführung schließt mit einem kurzen

Aufsatz, „Les Lacunes" betitelt, der die Lücken der Forschung

auf diesem Gebiete aufzeigen will. Hierbei werfen sie mit

(10)

Bücherbesprechungen 431

Recht die sehr wichtige Frage nach den byzantinischen Ein¬

flüssen auf, die bisher — und zwar nicht nur in diesem Falle

— gar nicht hinreichend untersucht worden sind und sicher¬

lich im XV. Jahrhundert, als die arabische Wissenschaft

schon stark versteinert war, eine große Rolle gespielt hat.

Da die Byzantiner die Wissenschaft ihrer Vorfahren mit

Hilfe des Studiums arabischer und persischer Quellen ge¬

wissermaßen neu entdeckt haben, halten die Verfasser es

für wichtig, z. B. die großen Arbeiten eines Näsir ad-din Tüsi

daraufhin näher zu studieren.

Die Übersetzung ist in sehr breiter Form angelegt. In

der Absicht, den Inhalt möglichst treffend wiederzugeben,

wird nicht immer wörtlich übersetzt, zuweilen leider auch

dort, wo nichts dagegen im Wege stand. Die Textvarianten

sind meist ohne besondere Kenntlichmachung in die Über¬

setzung hineingenommen. Auf einige Übersetzungen muß ich

näher eingehen:

1. jlai. wird (S. 39, Z. 11) mit etendue übersetzt, was

nicht angeht. Nach L. M. zerfällt Jv«l. pS^ quantite continue,

injiJi« unda« , d. h. in Größe und Dimension, jlji. übersetzt

das fidye&og in Euklids Elementen und bedeutet bei ihm nie

etwas anderes als Größe, magnitude.

2. S. 37, Z. 9 von unten haben die Verfasser in dem Satz¬

stück jJa_JI ^ das Wort ^ nicht mitübersetzt, wodurch

der an und für sich unklare Sinn des Satzes ein neue Ver¬

schiebung erfährt.

3. wird (S. 41) mit „infection" übersetzt; das ist irre¬

führend. J^ bedeutet verfaulen, verwesen. Die Übersetzung

mit „decomposition" ist schon passender, richtiger ist

,, putrefaction". Dasselbe Wort im gleichen Absatz einmal

mit „infection", dann mit ,, decomposition" zu übersetzen, ist

an und für sich schon bedenklich. Entscheidend aber ist, daß

wohl jeder Leser bei ,, infection" an den modernen medizi¬

nischen Begriff denken wird, der für jene Zeit als anachro¬

nistisch nicht in Frage kommt.

Bei der Übersetzung des 8. Matlab weisen die Verfasser

in einer Fußnote darauf hin, daß L. M. das Werk ,,Sams

29«

(11)

432 Bücherbesprechungen

al-äfäq . . " zitiere, während er eher auf al-Büni's „Sams al-

ma'ärif . . " hätte Bezug nehmen sollen. Die Lösung der

Schwierigkeit bringt ein Einblick in die Gothaer Handschrift

(Gotha 1256) der ersteren von al-Bistäml herrührenden Schrift.

Sie enthält nämlich einen Auszug aus al-Büni's Sams al-

ma'ärif.

Es ist zu begrüßen, daß sich die Verfasser zur Veröffent¬

lichung ihrer sehr interessanten Arbeit entschlossen haben,

obwohl sie infolge der Kriegsumstände nicht alle Quellen

heranziehen konnten, wie sie selbst wiederholt betonen ; denn

jede Handschrift wird gebraucht, um das Studium der Ge¬

schichte der Wissenschaften fördern zu können. Selbst wenn

sie nur mit kleinem Kommentar veröffentlicht und übersetzt

wird, ist es besser, als sich aus überängstlichen wissenschaft¬

bchen Bedenken einer Unterlassung schuldig zu machen, wie

die Verfasser mit Recht hervorheben.

Alfred Siqqbl, Berlin

Björn Collinder, Jukagirisch und Uralisch. Uppsala Uni¬

versitets Arsskrift 1940, 8°. 142 S.

Der um die finnisch-ugrische Sprachwissenschaft nament¬

lich durch seine lappischen Studien verdiente schwedische

Forscher, der das Wirken seines berühmten Landsmannes

K. B. Wiklund erfolgreich weiterführt, hat mit seinem neuesten

Werk den einwandfreien Nachweis erbracht, daß die Sprache

der im Nordosten Sibiriens lebenden Jukagiren zu den finnisch-

ugrisch-samojedischen gehört. Damit ist der Finno-Ugristik,

die nun schon auf eine fast dreihundertjährige Geschichte

zurückblicken kann, eine neue Sprache hinzugefügt und zu¬

gleich der vor allem von russischen Forschem aufgestellten

„paläoasiatischen Sprachfamilie" nach der schon erfolgten

Abtrennung des zum Indochinesischen gehörigen Jenisseischen

ein weiteres Ghed entzogen worden.

In der Einleitung wird ein Überblick über die früheren

Versuche, das Jukagirische sprachlich anzuschließen, gegeben.

(12)

Bücherbesprechungen 433

Dabei verdient die in den FUF 7 erschienene Arbeit des finni¬

schen Gelehrten H. Paasonen, dem die uralische Sprach¬

wissenschaft neben B. MunkAcsi die erfolgreichste Förderung

verdankt, besondere Beachtung. Nach einigen Angaben über

die Jukagiren und ihre Sprache sowie das zur Erforschung

des Jukagirischen in der Hauptsache in den Veröffentlichungen

W. Jochelson's vorliegende Material folgt der Hauptteil des

Werkes, in dem der Vergleich des Jukagirischen mit dem

Uralischen in grammatischer und lexikalischer Hinsicht durch¬

geführt wird. Vorangestellt sind mit Recht die grammatischen

Übereinstimmungen, denn sie sind das eigentlich Ent¬

scheidende, um eine sprachliche Verwandtschaft zu erweisen.

Für die ausführliche Behandlung der uralischen Bildungs¬

suffixe und ihrer Anwendung dabei können die Finnougristen

dem Verfasser, der seine eigenen lappischen Forschungen ver¬

wertet und die neuen samojedischen Untersuchungen G. N.

Prokof'evs herangezogen hat, dankbar sein. Es ergibt sich,

daß die Deklination, die dem Samojedischen auffallend nahe

steht, fast ganz aus dem Uralischen abgeleitet werden kann:

Lokativ (und Prolativ), Ablativ (und Komparativ), Soziativ,

Dativ und Genitiv stimmen in ihren Suffixen überein. Das

gesamte Pronominalsystem, sowohl Personalia als auch De¬

monstrativa, ist mit dem Uralischen völlig identisch. Sehr

beachtenswert sind auch die beiden in der Einleitung S. 11

aus den Texten angeführten Stellen, aus denen wieder in

Übereinstimmung mit dem Uralischen die Possessivsuffixe

der 1. und 2. Person erschlossen werden können; auf nähere

Einzelheiten, die der den Ungarischen Jahrbüchern zuge¬

sagten Anzeige vorbehalten sein sollen, möchte ich hier nicht

eingehen*). Auch in der Konjugation werden weitgehende

Übereinstimmungen, vor allem im Imperativ und bei der

Negation, festgestellt, so daß man wohl nicht irrt, solche

auch bei den denominalen und deverbalen Formantien und

den Ableitungselementen infiniter Bildungen zu erkennen,

obwohl sich der Verfasser da, namentlich bei den ersteren,

1) Vor allem muß noch untersucht werden, wohin die nichtura-

lische Schicht dieser Sprache gehört.

(13)

434 Bücherbesprechungen

eine berechtigte Zurückhaltung auferlegt. In seinen Schlu߬

bemerkungen äußert sich der Verfasser zusammenfassend

dahin, daß wir es in der Flexion ,, nicht lediglich mit einzelnen

Anklängen, sondern mit ganzen Systemen zu tun haben,

die . . . weder durch Entlehnung erklärt noch durch einen

allgemeinen Hinweis auf die Launen des Zufalls abgetan

werden können."

In der dem grammatischen Teil folgenden Betrachtung

des Wortschatzes werden 31, soviel ich sehe, durchaus über¬

zeugende Wortgleichungen dargeboten, die teilweise schon

anderen Forschern aufgefallen waren. Ihr Wert erhöht sich

beträchtlich dadurch, daß S. 105 an mehreren den Texten

entnommenen Beispielen, die übrigens beliebig vermehrt

werden können, geschickt gezeigt wird, wie leicht ganze

Sätze oder Satzteile ins Uralische umgesetzt werden können.

Diese Methode ist ja lehrreich: allen, die Wilhelm Schulze

kannten, wird in lebhafter Erinnerung sein, in welch neues

Licht plötzhch z. B. homerische Wendungen rückten, wenn

er sie in Altindisches übertrug. Zur weiteren Vergleichung

des jukagirischen Wortschatzes mit dem Uralischen wird

empfohlen, das gesamte, auch das noch nicht gedruckte

Material Jochelson's und die handschriftlichen samojedischen

Wörterbücher K. Donner's und T. Lehtisalo's heranzuziehen.

Damit sich der Leser selbst einen Eindruck vom Juka¬

girischen verschaffen kann, ist der umfangreiche Text Jochel¬

son's Nr. 28 abgedruckt, der mit der Übersetzung und dem

ausführlichen Kommentar anderthalb Bogen einnimmt. Einige

Nachträge und die Verzeichnisse der benutzten Literatur,

der Abkürzungen und des Inhalts bilden den Abschln_ß des

wertvollen Buches.

" Es ist allgemein bekannt, daß Wortgleichungen allein für

einen Beweis der Sprachverwandtschaft wenig besagen. Dessen

war man sich schon früh bewußt, wie, um von späteren

Forschern zu schweigen, schon Martint Fogel's Worte, Unga¬

rische Jahrbücher 17,169, zeigen, jedoch ist in der Sprachwis¬

senschaft, ehe es möglich war, in den Bau der Sprachen wirk¬

lich einzudringen, mit der Etymologie vor allem argumentiert

(14)

B ücherbesprechu ngen 435

worden. Der Rückschlag hat ja dann auch nicht lange auf

sich warten lassen. In seinen großen zusammenfassenden

Arbeiten über den uralaltaischen Sprachbau hat H. Winkler

ohne Zweifel im allgemeinen recht, aber auch da liegen die

Dinge bei weitem nicht so einfach, daß es durchaus stimmen

würde. Im Tungusischen, jener in Sibirien weit verbreiteten

Sprache, deren Zugehörigkeit zum Uralaltaischen niemand

bezweifelt, habe ich, um nur eins zu erwähnen, die weitest¬

gehende Kongruenz beobachtet, eine Erscheinung, die dem

Uralischen dem Typus nach völlig fremd ist. Daß die Ety¬

mologie, die gegenwärtig unterschätzt zu werden scheint,

aber an sich einen wirklichen Wert haben kann, zeigt nicht

nur die Veröffentlichung „Die fmnisch-ugrisch-samojedische

Schicht des Jukagirischen", Ungarische Jahrbücher 20, 71 ff.,

die aus besonderen Gründen dem Nachweis der etymologischen

Verwandtschaft gewidmet war und in der doch S. 92 der

Schluß enger Verwandtschaft gezogen werden konnte, wenn

auch — namentlich § 33 f. und 68 ff., vgl. noch die kurzen

Bemerkungen oben 91, 223 — auf grammatische Überein¬

stimmungen hingewiesen war, sondern auch die gesamte Arbeit

an der Anknüpfung des Jenisseischen ans Indochinesische, die

mit anderen Mitteln, ich meine mit Hilfe des inneren Sprach¬

baus, niemals gelungen wäre und wahrscheinlich auch nicht

gelingen kann. K. Bouda

Paul Luckey, Zur Entstehung der Kugeldreiecksrechnung.

Deutsche Mathematik 5, 1940, S. 405—446.

Verf. gibt im ersten Teil seines Aufsatzes eine sehr gründ¬

liche Übersicht über die Fortschritte, die von den Chwäriz-

miern im 10. und 11. Jahrhundert in der Trigonometrie er¬

zielt wurden. Er kennzeichnet die sphärischen Rechenmetho¬

den der Alten, die sich auf den „Transversalensatz" des

Menelaos (Regel der 6 Stücke) stützen, sehr richtig als

reine Beziehungen zwischen den Seiten sphärischer Gebilde.

Den entscheidenden Fortschritt bringt nicht etwa der durch

2 9

(15)

436 B ücherbesprechungen

die Inder vollzogene Übergang von der griechischen Sehnen¬

rechnung zur Halbsehnenrechnung, auch nicht die Aufstellung

der verkürzenden Ersatztheoreme (Verknüpfung von 4 statt

von 6 Seiten) durch die Chwärizmier, sondern erst die be¬

wußte Einführung des sphärischen Winkels, die sich erst¬

mals im sphärischen Sinussatz zeigt. Dieser Satz gehört un¬

zweifelhaft dem Abu'l-Wafä' (940—998). Leider ist dessen

Almagest nur in Auszügen und Übersichten bekannt (Carra

DK Vaux, J. asiat. (8) 19, 1892, S. 407—471 und einige spätere

Ergänzungen), aber gerade die näheren Einzelheiten über den

Sinussatz fehlen. Glücklicherweise ist aber die erste ausschlie߬

lich dem Sinussatz gewidmete Schrift erhalten, nämlich das

„Sendschreiben über die Bestimmung der sphärischen Bögen

nach einem Verfahren, das verschieden ist vom zusammenge¬

setzten Verhältnis" des Abü Nasr an seinen Schüler al-

Birüni (993—1048). Verf. benutzt für die Einzelheiten neben

der wohlbekannten Darstellung des at-Tüsi (1201—1274)

eine noch ungedruckte anonyme ,, Zusammenfassung der

Regeln der astronomischen Wissenschaft" aus dem Jahr 1235

(Seray 3342,1), die vielleicht schon aus dem 11. Jahrhundert

stammt und anscheinend ältere Quellen ziemlich unmittel¬

bar ausschreibt.

Im zweiten Teil gibt Verf. eine deutsche Übersetzung

des „Sendschreibens" nach einer Abschrift der einzigen uns

bekannten Handschrift heraus, die 1233/34 abgeschlossen

wurde und heute in Bangipore (Nr. 2519,2) aufbewahrt wird.

Der Text ist mit wertvollen kritischen Erläuterungen und

einer vorzüglichen mathematischen Erklärung versehen. Verf.

hebt insbesondere hervor, daß Abü Nasr, wenngleich noch

zögernd, die verkürzende Bezeichnung,, Sinus eines sphärischen

Winkels" einführt und damit zu einer brauchbaren Termino¬

logie fortschreitet, die freilich erst viel später im Abendland

wirksam wurde (Regiomontan). J. E. Hofmann

(16)

Bücherbesprechungen 437

Curt R. A. Georgi, Die Confessio Dosithei (Jerusalem 1672).

Geschichte, Inhalt und Bedeutung. München 1940. Ernst

Reinhardt. 110 S. br. 4.50.

Die vorliegende Arbeit (phil. Diss, von Marburg) behandelt

die Entstehungsgeschichte und die Stellung des in Jerusalem

auf der Synode 1672 festgestellten sog. Bekenntnisses des

Patriarchen Dositheos. In großen Zügen wird der Hintergrund

für diese Äußerung der Ostkirche gezeichnet und ihr be¬

sonderer Anlaß als Gegenwirkung gegen das Bekenntnis des

unter protestantischer Einwirkung stehenden Patriarchen Ky¬

rillos Lukaris beschrieben. Die Untersuchung beleuchtet in

umsichtiger Weise den Inhalt der Schrift, geht auf ihre

Stellungnahme zu den dogmatischen Lehren des Westens ein,

um schließlich auf ihre spätere Wirkung zu sprechen zu kom¬

men.

Der Verfasser hat die ihm erreichbare Literatur zu seinem

Gegenstand gut auszuwerten verstanden. Einige nicht ganz

unwichtige Arbeiten sind ihm freilich entgangen. Vor allem

ist zu bedauern, daß ihm das russische Schrifttum unzugäng¬

lich war. Hauptsächlich wären die Arbeiten von N. F. Kap-

TERBv zu beachten gewesen. Sein Werk ,,Die Beziehung des

Patriarchen Dositheos von Jerusalem zur russischen Regie¬

rung in den Jahren 1669—1707" hätte dem Verfasser einige

Verbindungslinien deutlicher aufzuzeigen geholfen. Danach

wären auch einige kleine Unrichtigkeiten auszugleichen. Zu

erwähnen wäre unter anderem, daß Dositheos selbst die

Brüder Lichudes nach Moskau entsandt hatte und daß seine

Schüler dort an der Veröffentlichung des Bekenntnisses von

Jerusalem interessiert waren. R. Stupperich

Dammann, Ernst, Dichtungen in der Lamu-Mundart des Sua¬

heli, gesammelt, herausgegeben und übersetzt. Hansische

Universität, Abhandlungen aus dem Gebiete der Aus¬

landskunde Bd. 51. Bd. 3 der Schriften des Kolonialin¬

stituts der Hansischen Universität. Hamburg 1940, Friede¬

richsen, de Gruyter & Co. X, 346 Seiten.

(17)

438 Bücherbesprechungen

Wer als Unbefangener, nicht mit ostafrikanischen Ver¬

hältnissen Vertrauter an dieses Buch herantritt in der Ab¬

sicht, Einblick in echt afrikanische Dichtungen zu gewinnen,

muß sofort stutzig werden, wenn er im Inhaltsverzeichnis

u. a. „Die Himmelfahrt des Muhammed", „Die hochgeborene

Escha", „Abdurahman" liest. Was ihm da entgegentritt, ist

nicht negerisch, sondern gehört in die Sphäre des Islam. Und

wenn er nach weiteren Suahelipoesien forscht, so wird er

immer wieder auf dieselbe Erscheinung stoßen. Nun gibt es

ja in Afrika außer den Suaheli noch eine beträchtliche Zahl

anderer islamisierter Eingeborenstämme, aber bei keinem von

ihnen fmden wir den Inhalt ihrer Dichtungen in einem solchen

Maße von der arabischen Welt beeinflußt wie bei den Suaheli

an der ostafrikanischen Küste, wo mit dem Islam die Araber

selbst zur Herrschaft gelangten, ohne daß dabei die Ver¬

bindung zum Orient abriß. Ihren Abkömmlingen aber wurde

das Suaheli zur zweiten Muttersprache, und diese bedienten

sich dann auch in ihren Dichtungen der Suahelisprache. Die

gesamte Suaheliliteratur zerfällt infolgedessen im großen ge¬

sehen in zwei Teile. Der eine ist echt afrikanische Volksdich¬

tung: Fabeln, Lieder, Rätsel usw. der andere gehört zum

Geistesgut jener suahelisierten Araber. Typisch für den zwei¬

ten Teil sind die epischen Gedichte von teils nur dreißig,

teils aber tausend und mehr meistens vierzeiligen, gereimten

Strophen, die das Leben Muhammeds und Gestalten aus

seiner Umgebung sowie historische Ereignisse zum Inhalt

haben. Aber auch Mahnungen zu einem gottgefähigen Leben

und Schilderungen von Höllenqualen im Nichtbefolgungs-

falle können den Inhalt eines ganzen Gedichts ausmachen

(„Die aufgereihte Perle" S. 328 ff.). Ein Bittgebet <kein kul¬

tisches Gebet) um Heilung von Wunden, um Befreiung von

Steuerlast, Segnung mit irdischen Gütern usw. findet sich

ebenfalls in der vorhegenden Sammlung (S. 355 fT.).

Wir haben es aber nicht nur mit allgemein islamischen

Motiven zutun, sondern der Stoff der Dichtungen ist vielfach

der arabischen Literatur direkt entlehnt. So liegt dem Ge¬

dicht „Die Decke" (S. 276 ff.) die arabische Erzählung von

(18)

Bücherbesprechungen 439

dem Mantel Muhammeds zugrunde. Ja, es kommt sogar vor,

daß Suahelidichtungen ledighch Bearbeitungen arabischer

Vorlagen sind, z. B. das Gedicht von Fatuma (S. 92 ff.). Auch

das große Suaheliepos Chuo cha Herkai „Das Buch von Herkai"

(Zeitschrift für Kolonialsprachen Bd. 2) ist ja nach einer ara¬

bischen Vorlage gearbeitet, die zur legendären MagäzI-Litera-

tur gehört (s. Abel, Die arabische Vorlage des Suaheli-Epos

Chuo cha Herkai, Beiheft 18 zur Zeitschrift für Eingeborenen-

Sprachen). Daß ab und zu auch persischer Einfluß wie z. B.

in den Dichtungen um den Fürsten Liongo (s. Meinhof, Das

Lied des Liongo, Zeitschrift für Eingeborenen-Sprachen

Bd 15) in der arabisch-ostafrikanischen Poesie auftritt, sei

hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt.

Für das Alter dieser Art von Dichtung lassen sich schwer¬

lich genaue Daten geben. Sicher aber ist, daß auch heute

noch auf diese Weise gedichtet wird, und daß auch neuzeit¬

liche, europäische Persönlichkeiten und Geschehnisse so in

die ostafrikanische Literatur eingehen. Der Verfasser des Ge¬

dichts von der „Decke", ein Araber aus Lamu, ist erst vor

einigen Jahren hochbetagt gestorben, und der Verfasser des

„Bittgebets" war 1936, als Dammann seine Sammlung in Ost¬

afrika durchführte, noch am Leben. Wir finden aber auch

Frauen als Dichterinnen. So ist ,, Abdurrahman" dem letzten

Vers zufolge, in welchem sich sehr häufig der Dichter zu er¬

kennen gibt, von einer Sklavin verfaßt. Sie soh in Siu auf

Pate gelebt haben. Und das Gedicht von den weiblichen

Pflichten, den Ratschlägen einer Mutter an ihre Tochter, ist

von Mwana Kupona verfaßt worden, die 1860 starb (s. die

Ausgabe von A. Werner und W. Hichens bei der Azania

Press, Medstead 1934.)

Die alten Suahelipoesien sind nicht nur in ihrem Ent¬

stehungsbereich Lamu, Pate und Mombasa, sondern auch

südlich in Deutsch-Ostafrika bekannt und werden bei feier¬

lichen Anlässen vorgetragen. Neben der mündlichen Über¬

lieferung steht die Aufzeichnung in arabischer Schrift, und

zwar sind von vielen Gedichten mehrere Manuskripte vor¬

banden. Die verschiedenen Fassungen weichen mehr oder

;! 9 «

(19)

440 Bücherbesprechungen

weniger stark voneinander ab. Zum Teil sind sie auch ver¬

stümmelt oder schlecht geschrieben, so daß verschiedene

Lesarten möglich sind. Dammann hat sich in Ostafrika be¬

sonders der Aufgabe gewidmet, neben bisher unbekannten

Gedichten in verschiedener Fassung auch weitere und bessere

Fassungen von hier bereits vorhandenen Mss. aufzuspüren.

Die vorliegende Sammlung hat er teilweise im MS., teil¬

weise als Pausen mitgebracht; sie werden in der Bibliothek

der Hansestadt Hamburg verwahrt. Von der „aufgereihten

Perle" sind nach phonographischen Aufnahmen auch Platten

hergestellt worden, die sich im Hamburger Phonetischen

Laboratorium befinden. Die in diesem Buch enthaltenen Ge¬

dichte hat D. transkribiert und in der gebräuchlichen Suaheli¬

orthographie — abgesehen von einigen Abweichungen zwecks

genauerer Lautwiedergabe — mit deutscher Übersetzung ge¬

bracht.

Wie der Titel des Buches besagt, sind die Gedichte im

Lamu-Dialekt des Suaheli geschrieben. Dieser und der Mom-

basa-Dialekt sind die Hauptvertreter der als vornehmer und

eleganter geltenden Sprache des Nordens. Dabei unterscheidet

sich die Lamu-Mundart noch mehi* von dem allgemein ge¬

bräuchlichen Zanzibar-Suaheli als die Mombasa-Mundart.

Wegen der abweichenden Lautverschiebung in den Norddia¬

lekten und im Zanzibar-Suaheli vergleiche man Meinhof's

„Grundriß einer Lautlehre der Bantusprachen" sowie Stigand,

„A Grammar of dialectic changes in the Kiswahih Language".

Im Lamu-Dialekt fällt häufig auch noch Urbantu y, l und v

aus, die im Zanzibar-Dialekt meist zu g, l und w geworden sind.

Erinnert sei ferner an die Wandlung des Pluralpräfix mi- > ny-

vor vokalisch anlautenden Stämmen durch Assimilation des

Nasals an den folgenden Halbvokal. Bei den Pronomina

finden wir zahlreiche Abweichungen, und für das Verb ist

vor allen Dingen die Erhaltung der alten Bantu-Perfektendung

-tie im Lamu-Dialekt zu erwähnen. Auch im Vokabular sind

Seltsamkeiten vorhanden, Wörter, die in der heutigen Um¬

gangssprache nicht mehr gebräuchlich sind. Daß daneben in

all diesen Poesien reichliches arabisches Sprachgut vorhanden

(20)

Bücherbesprechungen 441

ist, daß manche Zeile lediglich arabische Wörter und kein

Suaheli enthält, braucht nicht wunder zu nehmen.

Auf jeden Fall hefern diese alten und neueren Suaheh-

poesien Ausbeute nach den verschiedensten Richtungen. Der

Bantusprachforschung geben sie die Möglichkeit, durch Dia¬

lektvergleichung historisch zu arbeiten. Der Arabist kann

manche Wandlung des Arabischen in der fremden Umgebung

beobachten und die Literaturwissenschaft die Übernahme

und Verarbeitung der orientalischen Stoffe in eine afrikanische

Kultur studieren. Alle diese Bestrebungen erhalten durch die

sachkundigen und sorgfältigen Arbeiten von E. Dammann,

dessen Material mit diesem Buch noch keineswegs erschöpft

ist, die allerbeste Förderung. Emmi Meykr, Hamburg

Wilhelm König: Im verlorenen Paradies (Neun Jahre Irak).

Verlegt bei Rudolf M. Rohrer, Baden b. Wien 1940. 8°.

184 S. Rm. 8.40.

In diesem Buche gibt W. König, der neun Jahre lang im

Irak zuerst als Mitglied der Deutschen Warkaexpedition, so¬

dann als Direktor des Bagdader Irak-Museums gelebt hat,

ein anschauliches, von zahlreichen eigenen Aufnahmen unter¬

stütztes Bild des Irak. Klar, völlig unvoreingenommen und

mit viel Liebe zu Land und Leuten schildert er die Gefahren

und Mühsalen der Wüste, die Krankheiten des Landes und

ihre Ursachen, erzählt von Bagdad, von Ausflügen und

Reisen in seine Umgebung, von den Einheimischen und ihren

Sitten und erteilt dabei manch wertvollen Fingerzeig für

solche, die das Land bereisen wollen. Daß der Verf. nicht

nur Archäologe ist, sondern auch begeisterter Techniker, er¬

weist der Abschnitt „Uraltes und Neues in Handwerk und

Technik". Von besonderem Reiz sind seine Kapitel über die

Tierwelt, die er voller Lebendigkeit und mit ungemeiner

Liebe vor uns erstehen läßt. Im letzten Abschnitt lernen

wir das Grabungsgebiet kennen sowie des Verfassers Versuche

zur Erklärung der Geschichte vom babylonischen Turm und

(21)

442 Bucherbesprechungen

seine Entdeckung eines galvanischen Elementes unter den

bisher nicht gedeuteten Fundstücken. „Im verlorenen Para¬

dies" ist ein sehr lesenswertes Buch, das in denen, die den

Osten schon kennen, die Erinnerungen an eigene Erfahrungen

wachruft, und in denen, welchen er noch fremd ist, die Sehn¬

sucht nach dem Zweistromland weckt. K. F.

A. Ippel, Wirkungen griechischer Kunst in Asien. (Der Alte

Orient Bd. 39 Heft 1/2. 34 S. mit 43 Abb. auf 12 Tafeln.

Verlag J. C. Hinrichs. Leipzig 1940).

In dem vorliegenden Heft des Alten Orients gibt A. Ippel

einen Vortrag wieder, den er auf der Winkelmann-Sitzung

in der Archäologischen Gesellschaft 1939 gehalten hat. Aus¬

gangspunkt der Untersuchung, in der Ippel den Wirkungen

griechischer Kunst in Asien nachgeht, ist die glückliche

Deutung eines in Pompeji bei den dortigen Ausgrabungen auf¬

gefundenen Elfenbeinköpfchens als Porträt des aus der Alexan¬

dergeschichte bekannten indischen Königs Sophytes (vgl.

auch FF 1939, 326f.). An einer Reihe von Beispielen zeigt

dann der Verf. auf, wie fruchtbar auf die Kunst des Ostens

die auf griechischen Einfluß zurückzuführende Anwendung

von perspektivischen Elementen gewirkt und welchen Wandel

die Kunst in der Auseinandersetzung mit der neuen Art zu

sehen durchgemacht hat. Unmöglich kann die Perspektive

im Osten sozusagen noch ein zweites Mal unabhängig von der

griechischen Kunst erfunden sein. Ihre Entdeckung ist und

bleibt eine griechische Tat. Aber die östliche Kunst ist nicht im

äußeren Nachahmen steckengeblieben, sondern hat es ver¬

standen, in eigener Formensprache die Mittel weiter zu ent¬

wickeln, „die allein Raumzusammenhang und menschliche

Beziehungen im Bild darzustellen vermögen." F. K. Dörner

Louis Renou, La Durghatavrtti de Saranadeva. Vol. I Fasc. I:

Introduction. Paris 1940.

Der von ihm geplanten Ausgabe und Übersetzung der

Durghatavrtti des Saranadeva, eines grammatischen Traktats

■«t

(22)

Bücherbesprechungen 443

der panineischen Schule aus dem 12. nachchr. Jahrhundert,

schickt der Verf. die vorliegende Einleitung in 4 Kapiteln

vorauf. Das erste Kapitel will einen auf 44 kleine Seiten zu¬

sammengedrängten Überblick über die Geschichte der gram¬

matischen Literatur in Sanskrit geben. Man kann sagen, daß

Renou dieser schwere Versuch gelungen ist. Mit umfassendem

Überblick hat er die weit verstreute wissenschaftliche Literatur

gesammelt und gesichtet. Seiner nüchternen, abwägenden

Gelehrsamkeit danken wir es, endlich einmal eine klare, das

Wesentliche treffend formulierende und von Entgleisungen

freie Gesamtdarstellung zu besitzen. Nachdem das 2. Kapitel die

für die Ausgabe besonders wichtigen Fragen des Datums und

des Verfassers der Durghatavrtti und der in ihr verwerteten

Quellen diskutiert hat, folgt im 3. eine Studie über die ,, Inter¬

pretationsverfahren" der Sanskritgrammatiker, d. h. die ver¬

schiedenen von ihnen eingeschlagenen Wege scholastischer

Rechtfertigung Pänini's durch vorwiegend logische Kunst¬

griffe. Gerade der Kenner indischer grammatischer Texte mit

ihren uns oft so wenig ergiebig erscheinenden, durch ihren

Scharfsinn aber doch immer wieder in bewunderndes Erstau¬

nen versetzenden Diskussionen wird dies Kapitel mit großem

Nutzen durcharbeiten. Auch hier zeigen sich die längst be¬

kannten Vorzüge RENou'scher Arbeitsweise: Kürze und Klar¬

heit der Darstellung, gepaart mit gründlichster Sachkenntnis.

Rbnou's Werkchen, das mit einer kurzen Übersicht der

Quellen und Hilfsmittel des Herausgebers schließt, ist eine

„Einleitung", wie man sie leider nur selten fmdet: Sie läßt

die Ausgabe mit Spannung erwarten und hat doch schon auch

ohne diese ihren eigenen bleibenden Wert. P. Thiemb

Helmuth von Glasenapp, Buddhistische Mysterien. Die ge¬

heimen Lehren und Riten des Diamant-Fahrzeugs. Samm¬

lung Völkerglaube. Herausgeber Claus Schrempf. W. Spe-

mann Verlag. Stuttgart 1940. 201 S.

Professor von Glasenapp, dem wir schon eine ganze

Reihe von vorzüglichen Darstellungen auf dem Gebiete der

(23)

444 Bücherbesprechungen

indischen Rehgionsgeschichte verdanken, behandelt in seinem

neuen Buche die Entstehung und Lehren des Vajrayäna, der

letzten und seltsamsten Blüte auf dem Baume des Buddhis¬

mus. Im ersten Teile wird mit besonderem Glück Schritt für

Schritt gezeigt, wie auch die zunächst unverständlichsten Züge

dieses Religionsgebildes sich in lückenloser Folge aus den vor¬

hergehenden Stadien des Buddhismus entwickelt haben. Der

zweite Teil bringt dann einen vollständigen Überblick über

die geheimen Lehren und Praktiken des ,, reinen", sowie

der dritte Teil über die des shaktistischen Tantrismus. Be¬

sonders nachzurühmen ist dem Buche die knappe, treffende

und klare Formulierung vieler schwieriger Dinge — wo sonst

finden wir etwa eine so vorzügliche, kurze Charakterisierung

der metaphysischen Lehren Nägärjuna's, Asanga's etc.I —,

durch die es den weiteren Kreisen, für die es bestimmt ist,

von großem Werte sein wird. Helmut Hoffmann, Berlin

Gotthard Jäschke, Türkei. Bd. 8 der Sammlung „Kleine

Auslandskunde", herausgegeben von E. A. Six (Deutsches

Auslandwissenschaftliches Institut). Berlin 1941. 64 S.

RM 2.—.

Mit diesem Buch erscheint zum erstenmal wieder eine

knappe und übersichtliche Darstellung über die neue Türkei,

die zuverlässige Angaben über die geschichtliche Entwick¬

lung der neueren Zeit, über Verwaltung, kulturelles Leben,

über Wirtschaft, Heerwesen, Verkehr und vieles andere

Wissenswerte enthält. Die zahlreichen statistischen Tabellen

und Übersichten machen das Werkchen zu einem kleinen

Handbuch, das nicht nur dem, der sich erstmals unterrichten

will, sondern auch dem Fachgelehrten über wichtige Fragen

erschöpfende Auskunft geben wird. Das Buch muß auch

deshalb begrüßt werden, weil es mühelos jedem ermöglicht,

sich einmal schnell über die wirklichen Verhältnisse in der

modernen Türkei zu unterrichten, über die heute leider

immer vielfach noch Unklarheit besteht. Aus diesem Grunde

(24)

Bücherbesprechungen 445

ist ihm eine recht weite Verbreitung zu wünschen. Reiche

Hinweise zum einschlägigen Schrifttum erleichtern es über¬

dies jedem Leser, sich über besondere Fragen eingehendere

Kenntnis zu vermitteln. H. S.

Arthur Christensen, Essai sur la demonologie iranienne.

Det Kgl. Danske Videnskabernes Selskab, Hist.-fil. Med¬

delelser 27, 1. Verlag Ejnar Munksgaard, Kopenhagen 1941.

97 S. 8".

A. Christensen's neuer Beitrag zur Erhellung der irani¬

schen religiösen und folkloristischen Überlieferung teilt die

Vorzüge aller Arbeiten des Verfassers : vollständige und über¬

sichtliche Darbietung des Stoffes, behutsame Untersuchung

und klares Urteil. Den Anstoß hat die sog. Daiva-Inschrift

des Xerxes von Persepolis und die Frage gegeben, was daiva

in dieser Inschrift heißt. Die Beantwortung dieser Frage hat

eine Untersuchung erfordert, die von Zarathustra bis in isla¬

mische Zeit führt.

In den Gathas bedeutet, wie Chrxstensen mit unzweifel¬

haftem Recht feststellt, daeva nur die von Zarathustra ver¬

worfenen 'Götter' seiner Vorfahren und Landsleute, nichts

weiter. Das Wort hat also noch seinen ursprünglichen, aus

arischer und indogermanischer Zeit herrührenden Sinn, nur

mit verändertem Wertvorzeichen: die 'Götter' sind für

Zarathustra zu Götzen geworden. Wer das Wort schon in

den Gathas mit 'Teufel' oder 'Dämonen' übersetzt, begeht

den Fehler, von dem sich die Gathaerklärung bis heute nicht

freigemacht hat: die Eintragung späterer zoroastrischer Vor¬

stellungen in die Verkündigung Zarathustras.

In den YaSts bedeutet das Wort etwas anderes: nicht

mehr die mittlerweile mit der zarathustrischen Überlieferung

in Einklang gebrachten Götter, wie Mithra, Varathrayna,

Haoma usw., die jetzt vielmehr ihrerseits die Daevas be¬

kämpfen, sondern das große Heer der wider- und unter¬

göttlichen Dämonen, von denen in den Ya§ts nur selten

Zeitschrift d. DMG Bd. 9S (,Se\ie Folge Bd. 20) 30

(25)

446 Bücherbesprechungen

einzelne bei Namen genannt werden; ein sicberes Beispiel

ist Apaoäa in Yt. 8. Sie stammen offenbar aus dem Volks¬

glauben und sind den Raksas der indischen Überlieferung

zu vergleichen. Neben ihnen stehen in den Ya§ts für sich

die aus der epischen Überlieferung entlehnten Drachen und

Ungeheuer: Srvara, Gandarawa und SnäviBka, die von

Karasäspa erlegt werden, A2i Dahäka, den ©raetaona be¬

siegt. Der Verfasser geht nicht auf die Frage ein, auf die jetzt

alles ankommt: wie die in den Ya§ts auftretende Bedeutung

von daeva zustande gekommen ist. Die Antwort kann m. E.

nur lauten, daß der von Zarathustra umgewertete Begriff

von seinen Anhängern in späterer Zeit allgemein auf die bösen

Geister des Volksglaubens übertragen und eben darum von

den nachträglich wieder anerkannten alten Göttern losgelöst

wurde, die er ursprünglich und noch bei Zarathustra bezeich¬

nete. Wer das zugesteht — und ich sehe nicht, wie man die¬

sem Schluß ausweichen will —, der muß freilich auch ein¬

räumen, daß jede nachgathische Äußerung, im Awesta und

außerhalb seiner, in der von Daevas die Rede ist, in der

uns vorliegenden Form ausnahmslos von Zoroastriern her¬

rührt bzw. unter zoroastrischem Einfluß steht. Wenn also

der Verfasser etwa, nach dem Vorgang Bbnvenistk's, die von

den Daevas handelnde Strophe Yt. 19, 80 für 'alt', d. h. von

Hause aus nicht zoroastrisch, die folgende Strophe 81 für

zoroastrische Zutat erklärt (S. 11), so ist zu sagen, daß gerade

das Auftreten der Daevas die erstere Strophe als so gut

zoroastrisch erweist wie die vorangehende Strophe 79 und

die folgende Strophe 81.

Ein wesentlich anderes Bild als die YaSts ergibt nach

Christensbn das Vendidad, das ihm mit Recht als die

eigentliche Urkunde des Magiertums gilt. Wie schon der

Name des Buches (Videvdät 'das Gesetz wider die Deven')

zeigt, stehen die Deven und ihre Bekämpfung hier ganz im

Vordergrund. Der Verf. geht davon aus, daß unter den vielen

Namen von Deven, die im Vendidad vorkommen, auch einige

alte Götternamen stehen: Indra, Saurva, Niwhaiö-ya. Er

sieht in ihnen im Anschluß an H. S. Nyberg die in der Pole-

(26)

Bücherbesprechungen 447

mik der Magier fortlebenden Reste eines uralten medischen

Götterkreises. Zwischen dessen Verehrern und den Magiern

hätte es einen unaufhebbaren Gegensatz gegeben, der sich

auch noch fortsetzte, als die Magier den Zoroastrismus an¬

nahmen (S. 36). So gelangten jene alten Götter unter die

Deven des Vendidad. Der Verf. setzt dabei die von E. Ben¬

veniste und andern vertretene Ansicht voraus, daß die

Magier, die Priester der Meder- und Perserzeit, ursprüng¬

lich nicht Zoroastrier waren, sondern es erst zu einem nicht

genau bestimmbaren Zeitpunkt wurden, und zwar nach

Xerxes, aber noch in achämenidischer Zeit (S. 28 f.); das Ven¬

didad wäre gegen Ende dieser Periode oder in der Zwischen¬

zeit zwischen Achämeniden und Arsakiden entstanden. Ich

glaube nun, daß Christensen's gründliche und in die Tiefe

geführte Untersuchung unbeabsichtigterweise neue Gründe

für die Unhaltbarkeit dieser Ansicht hefert. Wenn die Magier,

wie allerseits zugestanden wird, die offizielle Priester¬

schaft unter den Medern waren, wenn sie aber zugleich zu

den aus arischer Zeit fortlebenden Göttern ihres Volkes in

scharfem Gegensatz standen und sie Daevas in negativem

Sinne nannten, so taten sie offensichtlich genau das gleiche

wie Zarathustra. Soll man nun wirkhch, wie es die Für¬

sprecher eines nichtzarathustrischen Mazdaismus in Westiran

tun und tun müssen, eine von Zarathustra unabhängige,

religiöse Umwälzung konstruieren, die der von ihm voll¬

zogenen genau gleichkommt? Ist es da nicht richtiger, zu

der früheren Ansicht zurückzukehren und die Daevafeind-

schaft der Magier darauf zurückzuführen, daß sie Zoro¬

astrier waren, nicht seit einem unbestimmbaren Zeitpunkt

in'achämenidischer Zeit, sondern seit jeher? Ist es wirklich

vorstellbar, daß sie, unter den ersten Achämeniden bereits

offiziell in ihrem Priestertum anerkannt, irgendwann nach

Xerxes nicht nur die Religion, sondern auch die Sprache

gewechselt hätten (S. 28)? Die Verschiedenheit zwischen

Ya§t und Vendidad ist mit der Verschiedenheit ihres Inhalts

und Zwecks gegeben. Davon, daß ihre religiöse Haltung eine

verschiedene wäre, kann keine Rede sein: beide vertreten

SU'

(27)

448 Bücherbesprechungen

die gleiche Niedergangsform des Zoroastrismus. Die Haupt¬

sache ist, daß daeva in Yast und Vendidad genau dasselbe be¬

deutet, in gemeinsamem Unterschied von den Gathas: die

Herrscher der widergöttlichen Dämonen. Dementsprechend

heißen in beiden Büchern die Vertreter von Glaubens- und

Kultformen, die vom offiziellen Zoroastrismus abweichen,

'Devenverehrer', daevayasna. Daß sie speziell die Verehrer

jener ehemaligen Götter wie Indra und Saurva gewesen seien

(S. 38), dafür gibt die Überlieferung keinen Anhalt.

Nun spricht Xerxes in der 1935 gefundenen Inschrift von

Persepolis nach der Aufzählung der ihm Untertanen Länder

von einem Aufstande, der sich in einem dieser Länder erhob

und niedergeworfen wurde. Weiter sagt er, es habe unter

diesen Ländern eins (oder: einen Ort) gegeben, wo zuvor die

Daivas verehrt wurden; er habe 'jenen Daivabehälter' (avam

daivadänam) zerstört, habe die Daivaverehrung verboten und

den Dienst Ahuramazdas an ihre Stelle gesetzt. Diese Daivas

sind seit der Veröffentlichung der Inschrift sehr verschieden

gedeutet worden : Hebzfeld bezog sie auf die von Zarathustra

verworfenen Götter wie Mithra, Varatbrayna, Anähita,

H. Hartmann, dessen Ansicht auch die meine war, und

H. S. Nyberg mit Bezugnahme auf Herodot 1, 183 auf die

Götter Babyloniens, I. Lävy auf die griechischen Götter —

der zerstörte 'Daivabehälter' wäre nach ihm die Akropolis

von Athen mit ihren Tempeln. Christensen lehnt alle diese

Deutungen mit der durch die vorangegangene Untersuchung

vorbereiteten Begründung ab, daß die Daevas in der irani¬

schen Überlieferung nirgendwo die Götter fremder, außer¬

iranischer Völker bedeuten. Ich halte diesen Grund für

durchschlagend. Daß Christensen recht hat, läßt sich noch

durch ein viel jüngeres, seither bekannt gewordenes Zeugnis

erhärten, nämlich durch die nach 276 n. Chr. anzusetzende

Inschrift des Karder von der Ka'ba-i Zarduät (mitgeteilt von

M. Sprenglino, AJSL 57, 1940, 197—228). Hier heißt es

in Z. 14: 'Und viele Leute, die ungläubig (wörtl. 'nicht be¬

kennend', anastuvän) waren, die wurden gläubig; und es waren

ihrer^viele, welche die Religion (keS) der Deven hielten, und

(28)

Bücherbesprechungen 449

infolge meines Wirkens gaben sie diese Religion der Deven

auf und nahmen die Religion (den) der Götter (yazdän) an'

(a. 0. 225f.). Der Zusammenhang zeigt auch hier deutlich,

daß eine inneriranische Reinigungsaktion gemeint ist, nicht

eine Unternehmung gegen auswärtige fremde Götter. Nimmt

man das gleiche für Xerxes an — und ich glaube, daß Chri¬

stensen's Darlegung dazu zwingt —, so schwindet freilich

die Möglichkeit, die Daivaverfolgung, von der Xerxes spricht,

mit seinen aus der griechischen Überlieferung bekannten

Unternehmungen gegen Babylonien, Ägypten und Griechen¬

land in Verbindung zu bringen: sie muß sich irgendwo in

Iran abgespielt haben — daß die westländische Überlieferung

von ihr nichts weiß, ist nicht zu verwundern.

Aber woher stammt das Wort daiva bei Xerxes? Chri¬

stenskn führt es mit vollem Recht auf den Sprachgebrauch

der Magier zurück und vergleicht seine Verwendung im Ven¬

didad, stellt aber in Abrede, daß es deswegen zoroastrisch sei.

Daß das nicht angeht, habe ich vorhin zu zeigen versucht;

dabei befinde ich mich in Übereinstimmung mit H. S. Ny¬

bero, der im übrigen, wie Benveniste und Christknsen, die

mir unhaltbar erscheinende Annahme eines nichtzoroastri-

schen Mazdaismus der älteren Achämeniden vertritt, aber in

dem Auftreten von daiva bei Xerxes die Wirkung des Zoro¬

astrismus anerkennt (Religionen 366). Dazu stimmt die Nen¬

nung des heiligen Zweigbündels brazman (aw. barsman) und

der Gebrauch von artävan in der Bedeutung 'selig (nach dem

Tode)': beides ist der späteren zoroastrischen Überlieferung

geläufig, und man kann schlechterdings nicht erkennen, warum

es bei Xerxes vorzoroastrisch sein sollte (S. 40f.). Die Be¬

deutungsverschiebung von artävan gegenüber gathisch aSavan,

das die Bekenner der Wahrheit ohne Rücksicht darauf be¬

zeichnet, ob sie leben oder gestorben sind, läßt sich nur inner¬

halb des Zoroastrismus erklären: als in der zoroastrischen

Theologie das bei Zarathustra kaum angedeutete Gericht

über die Einzelseele nach dem Tode in den Vordergrund trat,

mußte sich die Vorstellung ausbilden, daß der Mensch erst

dadurch 'wahrhaft', artävan wird, daß er vor dem Gericht

(29)

450 Bücherbesprechungen

besteht. So nennt auch der vorgenannte Karder die künftige

Sehgkeit ardäyeh (diese Ztschr. 95, 272 A. 1).

Es sei erlaubt, an dieser Stelle kurz zu formulieren, was

ich in letzter Zeit mehrfach angedeutet habe (OLZ 1940,

375—383; diese Ztschr. 94, 407f. 95, 268ff. bes. 271/4). Es

gibt in Altiran /ür uns erkennbar nicht vier oder noch mehr

Rehgionen, sondern eine einzige, nämlich die Religion, die

von Zarathustras Verkündigung ausgeht, von den Magiern

getragen wird und von ihnen in Westiran unter verschiedenen

Einflüssen um- und ausgebildet worden ist. Es gibt in der

auf uns gekommenen Überlieferung kein einziges Stück, das

eine selbständige, vom Zoroastrismus unberührte Religion zu

erfassen gestattete. Aus dem 10. Ya§t ist eine vorzoroastri-

sche Mithrareligion so wenig zurückzugewinnen wie aus Hero¬

dot und den Achämenideninschriften ein nichtzoroastrischer

Mazdaismus in Westiran. Insbesondere ist vor der Benutzung

des Yaät als Quelle für vor- und außerzoroastrische Religion

zu warnen. —

Die zweite Hälfte der Schrift handelt von den dämoni¬

schen Wesen der mittelpersischen Literatur, in der die alten

Deven immer mehr den neben ihnen stehenden Ungeheuern

angeglichen werden, von den Divs, Peris und Drachen des

neupersischen Epos, endlich von den arabischen Dämonen

des Dschinnentypus, die mit dem Islam in Iran eindringen

und hier zu Gnomen und Kobolden umgewandelt werden.

Überall tritt dabei die umfassende Sachkenntnis des Ver¬

fassers und sein sicherer Überblick über alles Iranische zu¬

tage. Wenn dieser Bericht sich wesentlich an den ersten

Teil seiner Arbeit hielt, so wird das durch die weittragende

Bedeutung seiner Beobachtungen und besonders durch seinen

ebenso wichtigen wie dankenswerten Beitrag zum Verständ¬

nis der Daiva-Inschrift des Xerxes gerechtfertigt sein.

Monumenta Linguarum Asiae Maioris ed. K. GrOnbboh.

Vol. IIL- Codices Sogdiani. Manuscrits de la Bibliotheque

Nationale ( Mission Pelliot), reproduits en facsimile. Avec

(30)

Bücherbesprechungen 451

une introduction par E. Benveniste. Verlag Ejnar Munks¬

gaard, Kopenhagen 1940. XIII S. und 215 Tafeln. 4».

Mission Pelliot en Asie Centrale, Serie in quarto. III: Textes

Sogdiens, edites, traduits et commentes par E. Benveniste.

Verlag Paul Geuthner, Paris 1940. IX -f 284 S. 4».

Der Kopenhagener Verleger Ejnar Munksgaard, der sich

bereits durch die Zugänglichmachung isländischer und irani¬

scher Handschriften verdient gemacht hat, erwirbt sich neuen

Dank durch die Herausgabe der rasch fortschreitenden Reihe

der 'Hochasiatischen Sprachdenkmäler', deren Betreuung

K. Grönbech übernommen hat. Diesem selber verdanken

wir die unschätzbare Ausgabe des Codex Cumanicus, die

aller Unsicherheit der Textherstellung — nachdem die Aus¬

gabe des Grafen Kuun als unzureichend erkannt worden

war — ein Ende gemacht und ein zuverlässig begründetes

Studium der gesamten 'komanischen' Sprachreste ermöglicht

hat. Es folgte die von H. W. Bailey besorgte Faksimileaus¬

gabe dreier chotansakischer Texte des Britischen Museums

(Codices Khotanenses, 1938), von denen der zweite mittler¬

weile bearbeitet worden ist: St. Konow, A Medical Text

in Khotanese, Oslo 1941. Damit ^vurde die neue Sammlung

zum ersten Male der vornehmsten Aufgabe dienstbar ge¬

macht, die sie zu erfüllen vermag: der Erschließung der

größeren und zusammenhängenden Handschriften aus Ost¬

turkestan, die durch die Expeditionen vor dem ersten Welt¬

krieg nach Europa gelangt sind und deren Bearbeitung noch

immer weit vom Abschluß entfernt ist. So verdient es allen

Dank, daß für den dritten Band der Reihe die gesamten

sogdischen Texte der Mission Pelliot, heute in der Biblio¬

theque Nationale, bereitgestellt worden sind. Von den 215 Ta¬

feln, auf denen sie — und einige Ergänzungsstücke aus dem

Britischen Museum — untergebracht sind, kommen mehr als

die Hälfte, 113 Tafeln, auf das 1912 von K. Gauthiot ver¬

öffentlichte sog. Vessantarajätaka. Das ist eine freudige

Überraschung: die von Gauthiot bearbeiteten Handschriften

galten seit seinem Tode 1916 für verschollen und wurden

3 0

(31)

452 Bücherbesprechungen

erst 1936 in der Bibliotheque Nationale wiedergefunden, wo

Gauthiot sie, wie sich nun herausstellte, als er 1914 ins Feld

ging, richtig abgeliefert hat. So erhalten wir auch eine Wie¬

dergabe des von ihm in MSL 17 veröffentlichten Dirghana-

khasütra. Der einzige Text, der in der neuen Sammlung

nicht nochmals erscheint, ist das bereits 1926/28 mit Faksimile

mitgeteilte Sutra der Ursachen und Wirkungen (SCE). Zwei

Londoner Texte, ein Regenzauberritual (bei H. Rkichelt,

Handschriftenreste 1, 61—65) und das höchst interessante

Rustam-Fragment (daselbst 2, 62f.), schließen sich mit

Pariser Bruchstücken zusammen. Die Pariser Texte belaufen

sich auf 27 Stücke (wenn man das Fragment 8 bis besonders

zählt), von denen nur das Vessantarajätaka und der bisher

unbekannte Text 2 mit 39 Tafeln — beide in Pothi-Form —

größeren Umfang haben; die übrigen, durchweg Stücke von

Rollen, sind von kleinem und kleinstem Ausmaß und zum

Teil erheblich zerstört. Die Einleitung von E. Benvenistk

enthält außer einer sogdischen Bibliographie eine kurze Be¬

schreibung und Inhaltsbestimmung der Texte.

Kurz darauf hat derselbe Forscher, der damit seine außer¬

ordentlichen und dauernden Verdienste um die Erschließung

des Sogdischen gekrönt hat, in einem nicht minder statt¬

lichen, dem Andenken R. Gauthiot's gewidmeten Bande die

Texte in Umschrift und Übersetzung mit kurzgefaßter

sprachlich-sachlicher Erläuterung und vollständigem Wörter¬

verzeichnis herausgebracht. (Der Druck des Buches wurde

am 15. April 1940 vollendet, das mir aus Paris zugesandte

Exemplar traf am 23. Februar 1941 ein.) Das Vessantarajätaka

ist hier nicht nochmals aufgenommen — was zu begreifen

und doch zu bedauern ist: wer sich mit dem an Umfang,

freilich auch an Wiederholungen reichen Text beschäftigen

will, muß sich ihn nach wie vor aus dem Journal asiatique

1912 abschreiben. Dafür sind S. 166/68 die Verbesserungen

zusammengestellt, die in Gauthiot's Umschrift einzutragen

sind: sie sind bemerkenswert gering an Zahl und betreffen

zum guten Teil die Verwechslung von n und z, die in dieser

Handschrift nicht unterschieden werden. Gleich in dem

(32)

Bücherbesprechungen 45a

ersten bisher unbekannten Text stößt man auf die Wen¬

dungen ZKZ Y ywty myrty inn zrwyh „was (von) selber stirbt,

wegen Alters" (2, 323/24) und frZY ywty mwrty U ZY §m

ZK mrtyni'k ptywstw ö^rt ,,denn es ist (von) selber gestorben

und der Mensch hat es nicht getötet" (2, 336/38): die sogdi¬

sche Entsprechung der von W. Schulze nachgewiesenen

gemeinindogermanischen Ausdrucksweise 'des eigenen Todes

sterben' im Sinne von 'eines natürlichen Todes sterben'.

Aber dies ist nicht der Ort, um Einzelheiten zu besprechen:

sie werden den beteiligten Iranisten auf Jahre hinaus zu tun

geben. Was Benveniste für das Verständnis der Texte ge¬

leistet hat, verdient höchste Bewunderung. Paris und Lon¬

don, wohl auch Petersburg, haben jetzt die Veröffentlichung

ihrer turkestanischen Funde in der Hauptsache abgeschlos¬

sen — hoffen wir, daß die Erschließung der Berliner irani¬

schen Turfantexte, die in den Jahren 1932/37 so schön in Gang

gekommen war, nicht wieder völlig einschläft !

A. Abeghian, Das armenische Volksepos. SA. aus den Mit¬

teilungen der Auslands-Hochschule an der Universität

Berhn, Jg. 42, 225—238. Berlin 1940.

Ein Hinweis auf Dr. Abeghian's verdienstvolle Abhand¬

lung ist an dieser Stelle am Platze, da sie Mitteilungen ent¬

hält, die weit über den Bereich der in Deutschland beklagens¬

wert vernachlässigten armenischen Philologie hinaus von

Interesse sind. In Vorbereitung der 1939 in Eriwan abgehal¬

tenen Tausendjahrfeier der Entstehung des armenischen

Volksepos Sasna crer^) 'Die Helden von Sasun' (im armeni¬

schen Taurus) erschien 1936 ebendaselbst der erste, über

1200 Seiten starke Band einer zusammenfassenden Ver¬

öffentlichung des Epos, das noch im Volk lebendig ist und

von Sängern und Rezitatoren vorgetragen wird. Er enthält

25 von 65 bisher aufgezeichneten Fassungen, besorgt von

1) Arm. cuf hat die Bedeutungsentwicklung von 'unvernünftig' zu 'Held' durchgemacht, wie osm. deli.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Wortschatz: Das Verhältnis von Arbeit und Freizeit der Deutschen, Arbeitszei- ten, Arbeitslosigkeit, Berufe im Mittelalter und heute!. Zusatzmaterialien: Statistiken,

In der Zeit von 9 bis 12 Uhr demonstrieren sie unter anderem, wie sie unter Wasser mit Hilfe eines Tauchertelefons mit den an der Oberfläche befindlichen Feuerwehrleuten sprechen

Mehr als ein halbes Jahr nach Ausbruch der Krise sind der Interbankenmarkt und viele Verbriefungsmärkte für strukturierte Finan- zierungen noch immer nicht wieder voll

Diese Ausnahmeregelung ist möglich, weil die Vorwirkung des neuen Gesetzes zeitlich be- grenzt ist, das neue Recht gegenüber dem geltenden Recht sich günstiger auswirkt und eine

Die in jüngste Vergangenheit verstärkt wissenschaftliche Erforschung der Arktis und der polaren Regionen im Allgemeinen spiegeln das groß Interesse an dieser gegenübe

gegen bahnt sich die Erkältung über zwei bis drei Tage an, wobei sich die Symptome nach und nach verstärken bevor sie nach etwa einer Woche wieder nachlassen. Die Erkältung sowie

nun so weit war, schützte Koch plötzlich Beden- ken gegen dieses Geschäft vor und forderte von dem Londoner Vertreter, Herrn H., die Abhe- bung und Aushändigung dieser ausländischen

Auch wenn der Generalbundesanwalt die Ermittlungen in dieser Angelegenheit bislang nicht an sich gezogen hat und lediglich wegen Beschaffungskriminalität durch die