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Hermann Grami

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Academic year: 2022

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Maurice Dupont, Etienne Taïllemi- te, Les guerres navales françaises du Moyen Age à la guerre du Golfe, Paris: S.P.M. 1995, 392 S.

[ISBN 2-901952-21-6]

Die Herausgeber dieses Nachschlage- werks bedauern in ihrem Vorwort die mangelnde Berücksichtigung des See- krieges im Geschichtsverständnis der meisten Franzosen, aber auch in der wissenschaftlichen Historiographie ih- res Landes. Um dem gegenzusteuern (wenn man im Zusammenhang mit See- kriegsgeschichte diesen Ausdruck be- nutzen darf), haben sie die »campa- gnes«, also die verschiedenen Opera- tionen der französischen Marinege- schichte seit dem Hundertjährigen Krieg, zusammengetragen und nach einheitlichem Schema handbuchartig aufbereitet.

Jeder Eintrag besteht aus den Teilen

»Situation«, »Opérations« und »Résul- tats«, einige noch ergänzt um Aspekte wie »Composition des forces«, »Missi- on« oder »Etat des Forces«. Saubere Prinzipskizzen erleichtern das Zu- rechtfinden. Neben den Kampagnen, die zu den großen Seeschlachten von Abukir oder Trafalgar führen, finden auch die kleineren Gefechte bis hin zu jenen Erwähnimg, bei denen sich im Ar- melkanal britische und französische Se- gelschiffe beschießen, ohne der jeweili- gen Gegenseite ernstliche Verluste zuzufügen. Es ist verständlich, daß der Schwerpunkt bei der Darstellung von Kämpfen bis etwa 1815 liegt; danach wurden französische Seestreitkräfte of- fenbar nur noch sporadisch in Kämpfe verwickelt. Gleichwohl finden natur- gemäß auch der Erste und Zweite Welt- krieg (Dakar, Invasion 1944) Erwäh- nung. Der Band erfaßt zuletzt die Kämpfe der Nachkriegszeit rund um die französischen Besitzungen in Afri- ka, den maritimen Teil des französi-

schen Indochinakrieges sowie zuletzt den Einsatz der französischen Marine im Rahmen des Golfkrieges 1990/91 (Opérations »Boucher du Désert« und

»Tempête du Désert«). Da sich das Buch auf Kampfhandlungen beschränkt und bewußt auf eine analytische Gesamt- darstellung verzichtet, wird der fran- zösische Beitrag zur seegestützten Ab- schreckung im Kalten Krieg nicht er- wähnt.

Die Bewertungen sind nüchtern und kompromißlos. »L'échec de la campa- gne de l'Angleterre est total« läßt keine Zweifel aufkommen: hier wird nichts aus nationalem Stolz beschönigt, wenn der Band auch nach Auswahl und Dar- stellung charakteristisch französisch bleibt. Was hier vorliegt, ist ein gelun- genes, informatives Nachschlagewerk, das den fachkundigen Historikern vie- lerlei Information und Hilfe bietet. Ob es in seinem enzyklopädischen Ansatz geeignet ist, dem Anspruch seiner Her- ausgeber entsprechend ein breiteres Pu- blikum für die französische Marinege- schichte zu begeistern, darf allerdings füglich bezweifelt werden.

Winfried Heinemann

Gerd Fesser, Von der Napoleon- zeit zum Bismarckreich. Streif- lichter zur deutschen Geschich- te im 19. Jahrhundert, Bremen:

Donat 2001,215 S., € 18,41 [ISBN 3-934836-16-X]

Gerd Fesser ist bekannt für solide hi- storische Forschung. Der Historiker hat sich durch eine Vielzahl biographischer, struktureller und zusammenfassender Darstellungen ausgewiesen, so daß man mit Spannung nach den »Streiflichtern zur deutschen Geschichte« greift. Sie leuchten einen großen Zeitraum aus, der mit Jena und Auerstedt seinen An-

Militärgeschichtliche Zeitschrift 60 (2001), S. 587-609 © Militärgeschichtliches Forschungsamt, Potsdam

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fang nimmt und die Höhen und Tiefen deutscher Geschichte im 19. Jahrhun- dert an ausgewählten Beispielen analy- siert und erzählt. Viele Bücher infor- mieren über die Stein / Hardenberg - sehen Reformen, über die Völkerschlacht bei Leipzig, über den Weberaufstand, die Revolutionen von 1848, über König- grätz und Folgen.

Doch was diese Studie besonders auszeichnet, ist die Erfüllung des An- spruchs, den sich Fesser im Vorwort selbst setzt: Geschichte zu analysieren und zu erzählen. Einfache, eindringli- che Sätze, keine komplexen und bis- weilen nicht mehr zu überschauenden Verknüpfungen. Fesser möchte keine erschöpfende, aber doch eine gültige deutsche Geschichte des 19. Jahrhun- derts präsentieren, und das gelingt ihm durchaus. Ein weiteres Kennzeichen ist die Kombination zahlreicher biogra- phischer Porträts - von Königin Luise von Preußen, Ernst II. von Sachsen-Co- burg und Gotha, Kaiser Friedrich III., Friedrich Naumann u.a. - mit einer In- terpretation der deutschen Geschichte, die durch Napoleon ihre Prägung er- hielt und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts u.a. mit »Blut und Ei- sen« geformt wurde. Ein zusätzlicher Vorzug des Buches ist der unprätentiö- se Ton, in dem Fesser Fakten nicht nur addiert, sondern zu Deutungskonzep- ten zusammenführt. Gleichwohl läßt er Raum zum Widerspruch, etwa im letz- ten Kapitel - »Große Tage haben wir erlebt...« - Bismarcks Besuch in Jena 1892 - , in dem Bismarck ein »starkes Parlament als Brennpunkt des nationa- len Einheitsgefühls« (S. 181) fordert. Der Leser stutzt. Aber Fesser verbindet auch hier Zeitdiagnose mit Zeitkritik und steht dem Zitat nicht sprachlos gegen- über. Anmerkungen und Literatur in- formieren zuverlässig über den aktuel- len Stand der Forschung. Sie sind nicht überfrachtet und ermöglichen Orien- tierung und Auswahl. Ohne Zweifel ist

dem Donat Verlag mit diesem Buch ein guter Wurf gelungen.

Michael Fröhlich

Rivalität und Partnerschaft. Studi- en zu den deutsch-britischen Be- ziehungen im 19. und 20. Jahr- hundert. Festschrift für Anthony J. Nicholls. Hrsg. von Gerhard A.

Ritter und Peter Wende, Pader- born, München, Wien, Zürich:

Schöningh 1999,375 S'. (= Veröf- fentlichungen des Deutschen Hi- storischen Instituts London, 46),

€ 43,20 [ISBN 3-506-72044-9]

Die vorliegende Schrift behandelt das deutsch-britische Verhältnis im 19. und 20. Jahrhundert im weitesten Sinne, wo- bei gegenseitige Wahrnehmungen, das Aufeinandereinwirken gesellschaftli- cher Systeme und politischer Kulturen sowie das Wollen und Handeln einzel- ner Persönlichkeiten im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen. Dieses breite Themenfeld versinnbildlicht die Hand- schrift jener im Band vertretenen For- scherpersönlichkeiten, die mit Anthony James Nicholls eng zusammengearbei- tet haben, dem das Buch zum 65. Ge- burtstag gewidmet ist. Nicholls selbst hat eine Reihe interessanter Publikatio- nen zur deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert vorgelegt, insbesonde- re zur Weimarer Republik und zur Ge- schichte der Bundesrepublik, sowie zum deutsch-britischen Verhältnis. Dar- über hinaus erwarb er sich große Ver- dienste bei der Förderung der Zusam- menarbeit von deutschen und briti- schen Historikern und vermittelte einer ganzen Generation deutscher Histori- ker viele Anregungen sowie Hilfestel- lungen.'

Die einzelnen Beiträge der Fest- schrift sind in ungefährer chronologi- scher Reihung unter Zugrundelegung

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ihrer thematischen Vielfalt abgedruckt.

Sie werden durch einen Aufsatz Peter Wertetes eingeleitet, der die gegenseitige Wahrnehmung und die Transfers deut- scher und britischer Historiker im 19. Jahrhundert zum Gegenstand hat.

Wende konstatiert einen beinahe dok- trinären Führungsanspruch der deut- schen historischen Schulen in metho- dologischen Fragen gegenüber den bri- tischen Kollégen, die ihrerseits jedoch die größeren Auflagen erzielten. Mit dem beispielgebenden Wirken wichti- ger politischer Akteure in Großbritan- nien in bezug auf Deutschland setzen sich Adolf M. Birke und Günther Grün- thal auseinander. Hans Mommsen und Horst Möller thematisieren das publizi- stische Schaffen Sebastian Haffners im Londoner Exil nach 1938, indessen Carl- Christoph Schweitzer als Kontrast dazu das britische Deutschlandbild während des Zweiten Weltkrieges anhand eige- ner Erfahrungen konturiert. Historische Figuren stehen auch im Mittelpunkt der Beiträge von Peter Alter und Gregor Schöllgen. Während Alter den Beitrag von Hermann Muthesius für die kultu- rellen Beziehungen akzentuiert, greift Schöllgen am Beispiel Max Webers des- sen Vorstellungen für eine Reform der Reichsverfassung auf. Auch die Beiträ- ge Marie-Luise Reckers zur begrenzten Vorbildfunktion des britischen Regie- rungssystems für den Deutschen Bun- destag, Gerhard A. Ritters zu den Bezie- hungen zwischen der deutschen und der britischen Arbeiterbewegung von der Gründung der Labour Party zu Be- ginn des vorigen Jahrhunderts bis zur Bildung einer neuen »Sozialistischen Arbeiterinternationale« im Mai 1923, Hartmut Pogge von Strandmanns zum Namenswechsel des englischen Kö- nigshauses von Sachsen-Coburg-Gotha zu Windsor im Juli 1917, Clemens A.

Wurms über die deutsche und britische Stahlindustrie während der Zwi- schenkriegszeit, Gustav Schmidts über

die Rolle der USA bei der Gestaltung des deutsch-britischen Verhältnisses zwischen 1950 und 1966 und endlich Lothar Kettenackers zur Geschichte des Morgenthau-Planes verdeutlichen ein- mal mehr die große thematische Spann- breite der veröffentlichten Beiträge, die eine stärkere inhaltliche Fokussierung ausschließt. Vergleichende Aspekte des Verhältnisses von Militär und Politik werden im Beitrag Klaus-Jürgen Müllers angesprochen, während Reiner Pomme- rin die Zerstörung Dresdens in die bri- tische Luftkriegsstrategie des Zweiten Weltkrieges einordnet. Ralf Dahrendorf schließlich hebt in seinem den Band ab- schließenden Beitrag die Unterschied- lichkeit der politischen Systeme und Kulturen in Deutschland und Großbri- tannien als beispielgebend für die eu- ropäische Zukunft hervor.

Ein Autorenverzeichnis sowie eine Aufstellung der Veröffentlichungen und Herausgeberschaften des Jubilars be- schließen den Band, der sich vorrangig an Fachkollegen wendet.

Jürgen Angelow

Gneisenau. Briefe August Neid- hardts von Gneisenau. Eine Aus- wahl, Berlin: Koehler & Arne- lang 2000,125 S., € 14,40 [ISBN 3-7338-0236-5]

Im Vorwort des Verlages zu dem vor- liegenden Band heißt es, daß diese Aus- wahl der von Karl Griewank herausge- gebenen Sammlung »Gneisenau. Ein Leben in Briefen«, die 1939 in erster Auflage im Verlag Koehler & Amelang (Leipzig) veröffentlicht wurde, ent- nommen sei. Formal ist diese Angabe insofern korrekt, als der Neuerschei- nung in der Tat die alte Griewanksche Ausgabe zugrunde liegt. In Wirklich- keit handelt es sich allerdings nicht um eine neue Auswahl aus dem Gnei-

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senauschen Briefkorpus, sondern viel- mehr um den bis in die Formulierun- gen des Vorworts hinein identischen Nachdruck einer Ausgabe, die 1963 in der DDR unter dem Titel »1813. Briefe August Neidhardts von Gneisenau«

von Koehler & Amelang in Leipzig her- ausgebracht wurde. Aus dem Erschei- nungsdatum (und nur daraus) erklärt sich auch das Kriterium für die seiner- zeit getroffene Auswahl der Briefe;

denn die Publikation erfolgte anläßlich des 150jährigen Jubiläums der Völker- schlacht bei Leipzig und im Zusam- menhang mit der damit einhergehen- den Aneignung der sogenannten »fort- schrittlichen« Elemente des preußischen Militärs. Mit welcher politischen Ziel- setzung dies im einzelnen geschah, formulierte der DDR-Historiker Hel- mut Bock in seiner 1966 veröffentlich- ten Skizze »Zwischen Thron und Va- terland«, in der er Gneisenaus Verhal- ten im preußisch-französischen Krieg von 1806/07 untersuchte, mit Blick auf dessen spätere Reformtätigkeit folgen- dermaßen: »Uber die Trümmer der al- ten Monarchie aber ragt er als fortwir- kende Gestalt: Er wird die bürgerliche Revolution in Preußen beginnen, er wird die nationale Unabhängigkeit Deutschlands gewinnen helfen.« (S. 10) Zieht man diesen Hintergrund mit in Betracht, so machte es damals durch- aus Sinn, die persönlichen Zeugnisse Gneisenaus, der zunächst als zweiter Generalquartiermeister und nach dem Tode Scharnhorsts als Chef des Gene- ralstabs der unter Blücher neu gebilde- ten »schlesischen Armee« am Sieg der alliierten Streitkräfte im Jahre 1813 großen Anteil hatte, gesondert zu pu- blizieren. Warum der Verlag diese Aus- wahl im Jahr 2000 erneut herausgege- ben hat, ist dagegen beim besten Wil- len nicht nachvollziehbar.

Wenn es schon darum ging, einen Nachdruck der Gneisenauschen Briefe zu veranstalten, dann wäre der Verlag

gut beraten gewesen, anstelle dieser auf ein (wenn auch wichtiges) Jahr be- schränkten Auswahl die gesamte Edi- tion Griewanks, die nach wie vor wis- senschaftlichen Ansprüchen genügt, zu publizieren - sinnvollerweise mit er- gänzenden Hinweisen auf die neueren Forschungsergebnisse.

Heinz Stiibig

Claus Uhlrich, Carl Rudolph Brommy. Der Admiral der ersten deutschen Flotte, Berlin: Semi- kolon 2000,108 S., € 15,24 [ISBN 3-934955-02-9]

Als der Leipziger Diplom-Germanist Klaus Uhlrich Anfang 1980 während der Recherchen zu seinem Buch »Ver- schwunden - Schicksale Leipziger Denkmale, Gedenksteine und Plasti- ken« auf einen verwitterten Gedenk- stein stieß, der eine Dampfkorvette zeigte und an einen Admiral Bromme erinnerte, konnte er nicht ahnen, daß das Schicksal dieses Mannes ihn noch über viele Jahre beschäftigen würde.

Bromme oder Brommy, wie er sich nach seinen Amerikafahrten nannte, war der erste Admiral der ersten deutschen Reichs- oder Bundesmarine, die von 1848 bis 1853 existierte.

Brommys Dienstzeit in dieser durch die Frankfurter Nationalversammlung initiierten deutschen Hotte währte nur kurze Zeit. Mit seiner großen Liebe zur See steht er in der Reihe vieler seiner sächsischen Landsleute, die es ebenfalls ans Meer zog. Erinnert sei nur an den Grafen Luckner, den Dichter Hans Böt- ticher alias Joachim Ringelnatz, den U- Boot Kommandanten Günther Prien, den Kapitän der »Bremen«, Günter Rös- sing, und den 1. Inspekteur der deut- schen Bundesmarine von 1957 bis 1961, Vizeadmiral Friedrich Ruge.

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Uhlrich zeichnet in seinem Buch das tragische Schicksal eines Mannes nach, der sich als Seeoffizier für die Unab- hängigkeit Griechenlands vom Osma- nischen Reich einsetzte, ein Philhelle- ne, der wie so mancher europäische Griechenlandfreund seiner Zeit dem Irr- tum zum Opfer fiel, er würde für die

»Nachkommen der klassischen Grie- chen« kämpfen, und nicht begriff, daß für die Griechen des 19. Jahrhunderts die »Megali Idea«, d.h. die Wiederer- oberung Konstantinopels, das Ziel ih- rer Bemühungen darstellte. So verließ er seine sichere Stellung als griechischer Fregattenkapitän, stellte sich der provi- sorischen Regierung unter Erzherzog Johann zur Verfügung und schuf so die erste deutsche Hotte. Für einige wenige Jahre war er eine der prominentesten Personen in Deutschland. Mit großer Initiative, Erfahrung, Organisationsta- lent und Umsicht baute er diese Flotte aus und hielt sie bis zum Schluß, auch als die Auflösung unausweichlich war, in einem hervorragenden Zustand.

Uhlrich erweist sich bei seiner Dar- stellung Brommys als Sachkenner. Man sollte es ihm hoch anrechnen, daß er sich weniger mit den technischen Di- mensionen dieser Flotte abgibt, wie das in Marinekreisen oft und gern der Fall ist. Der Autor versteht es, uns den Men- schen Brommy zu präsentieren, der sei- ne Kraft'und sein Herz in diese Flotte steckt und am Ende doch an den Wi- derständen der langsam wieder Boden gewinnenden reaktionären Regierun- gen der deutschen Staaten, hier beson- ders an den beiden deutschen Groß- mächten Österreich und Preußen schei- tern muß.

Auf 108 Seiten also wird Brommys Leben dargestellt, wobei seine Zeit beim Aufbau der deutschen Hotte den größ- ten Raum einnimmt. Zu kurz kommt seine Zeit bei der griechischen Marine, in der er 20 Jahre diente.

Gar nicht erwähnt wird in der vor- liegenden Darstellung die Zeit, die Brommy unter Cochrane in der chile- nischen und brasilianischen Marine diente. Allerdings sind Brommys Tätig- keiten in diesen Marinen quellenmäßig nicht gesichert. Vieles ist nur durch Hörensagen und eine Art oral history von Zeitgenossen überliefert.

Auslöser für die schnelle Aufstel- lung einer deutschen Hotte in der Nord- see war der erste deutsch-dänische Krieg, der Dreijahreskrieg, wie ihn die Dänen nennen. Die Dänen blockierten dabei die norddeutschen Flußmün- dungen von Weser und Elbe und damit die norddeutschen Hafenstädte. Dieses Schicksal traf auch die Ostküste Schles- wig-Holsteins, die von einer schleswig- holsteinischen Marine verteidigt wur- de. Dabei kämpften die deutsche Hot- te und die schleswig-holsteinische Hot- tille gemeinsam unter der Flagge schwarz-rot-gold, mit dem Doppelad- ler in der Obergösch. Dies war sicher gar nicht nach dem Geschmack der sich langsam wieder erholenden reak- tionären Regierungen der deutschen Staaten.

Nicht zuletzt stand auch der Han- del hinter dem Wunsch zur Abwehr der dänischen Blockade. In der Frankfurter Nationalversammlung waren es insbe- sondere die Delegierten aus den Nord- see-Anrainer-Staaten Bremen, Ham- burg, Oldenburg und Hannover, die den sofortigen Aufbau einer deutsche Kriegsflotte forderten.

Der Handelsminister in der provi- sorischen Regierung war der Bremer Großkaufmann Arnold Duckwitz, der auch die technische Marinekommissi- on initiierte. Für die technische Seite brauchte man einen Fachmann, den man in Brommy fand.

Man kann im nachhinein nur be- wundern, meint Uhlrich, was Brommy mit nie ermüdender Energie und großartigem Organisationstalent geléi-

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stet hat. Die Pläne zum Umfang der Flotte konnten bei den beschränkten Möglichkeiten und vor allem bei dem ständigen Geldmangel und dem Un- willen der einzelnen Staaten, die Ma- trikularbeiträge zu entrichten, nicht annähernd realisiert werden. Das be- scheidene Ergebnis bestand aus je 6 Fre- gatten und Korvetten und 27 Ruderka- nonenbooten mit beschränktem Kampf- wert.

Am 4. Juni 1849 kam es zum Gefecht mit der dänischen Nordsee-Eskadre un- ter Sten Bille vor Helgoland, das damals noch englisch war. Dieses Gefecht muß- te aus strategischen und politischen Gründen - die Engländer behaupteten, die deutschen Schiffe seien in die Drei- meilenzone vorgedrungen - nach einem Warnschuß der Engländer abgebrochen werden. Zu einem weiteren Auslaufen der Flotte kam es nicht mehr. Preußen, das gegen Dänemark mehr als halb- herzig gekämpft hatte, schloß mit die- sem Land Frieden. Die Schiffe der er- sten deutschen Flotte wurden bis 1853 in Brake und Bremerhaven durch den

»Henker der deutschen Flotte« Lorenz Hannibal Fischer versteigert. Die Mari- ne wurde aufgelöst, ihre Offiziere, Be- amte und Mannschaften entlassen.

Auch Brommy erhielt unter dem Da- tum vom 30. Juni 1854 seine Entlas- sungsurkunde, verbunden mit einer einmaligen Abfindung von 2500 Talern.

Erst nach vielen Gesuchen bewilligte der restituierte Bundestag in Frankfurt eine Pension von monatlich 125 Talern.

Was blieb vom Ruhme Brommys? In Deutschland war er bald vergessen.

Kurze Zeit diente er noch als Chef der technischen Kommission der Admira- litätssektion der österreichischen Mari- ne in Mailand, deren Leiter der Bruder des österreichischen Kaisers Franz Jo- sef, der Erzherzog Ferdinand Maximi- lian (der spätere Kaiser von Mexiko) war. Diese Stelle gab er aber bald auf und verbrachte die letzte Zeit seines Le-

bens in Lesum (Bremen). Er starb am 9. Januar 1860.

Die schwarz-rot-goldene erste deut- sche Hotte mit ihrem ja von einem Trop- fen demokratischen Öls gesalbten Ad- miral konnte für die spätere kaiserliche Marine kein Traditionsgeber sein. Man berief sich bei dieser Marine auf den Vorläufer der preußischen Marine und somit, und das arbeitet Uhlrich gut her- aus, trat schon bald nach 1870/71 eine

»Borussifizierung der deutschen Ge- schichte« ein, die die Tradition der an- deren deutschen Staaten zurückdräng- te und bald ganz überlagerte. Auch das am 22. September 1897 in Kichham- melwarden-Brake eingeweihte Brom- mydenkmal kann man nicht als den Be- ginn einer Brommyrenaissance be- trachten. In seiner Vaterstadt Leipzig war er ganz vergessen, sein Geburts- haus wurde 1929 abgerissen.

Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges hielt es die damalige Marineführung für angebracht, einen Gedenkstein zu ent- hüllen, vielleicht um zu zeigen, daß nach der gescheiterten ersten deutschen Hotte durch die neue nationalsoziali- stische Regierung eine Seemacht von

»lOOOjährigem« Bestand folgen sollte.

Dennoch war für die Kriegsmarine des »Dritten Reiches« mit ihrem Flot- tenprogramm und dem Wunsch, dem

»Landkrieger Hitler« die Bedeutung der Marine beizubringen, Brommy wenig geeignet. So wurde in der Kriegsmari- ne nur ein unbedeutendes Minenbe- gleitboot nach Brommy benannt. Die Bundesmarine hielt die Benennung ei- ner 1943 in England gebauten Schul- fregatte nach Brommy für angemessen.

Auch eine Kaserne in Brake an der We- ser trug den Namen Brommys.

Uhlrichs Meinung, daß die Volks- marine zu Brommy keine besondere Be- ziehung hatte und sich auf die Traditi- onspflege der roten Matrosen am Ende des Ersten Weltkrieges reduzierte, möchte der Rezensent widersprechen.

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Immerhin existiert ein beachtenswerter Aufsatz von Horst Diere im Marineka- lender der DDR von 1988.

Im letzten Kapitel »Brommy heute, eine Spurensuche« gelingt Uhlrich et- was Bemerkenswertes. Er betreibt die- se Spurensuche in Kiel, Flensburg-Mür- wik, Bremerhaven, Brake, Lesum- Bremen und Leipzig. Hierin geht er am Ende seiner Darstellung auf die wech- selvolle Geschichte von Ehrung, Dis- kriminierung, Vergessen und Verdrän- gung ein. Dabei zeigt sich für ihn wie- der einmal, daß historische Unkenntnis und Gléichgültigkeit oft kennzeichnend für offizielle Kulturverantwortliche sind. So schildert Uhlrich, wie er als Au- tor darum ringen mußte, um Profundes zum Ansehen seiner Heimatstadt Leip- zig und zu einem beachtenswerten Er- eignis deutscher Geschichte veröffent- lichen zu können. Auch nach der Wen- de sei Brommy in Leipzig weitgehend unbekannt geblieben, erst zum 150jähri- gen Jubiläum der deutschen Revoluti- on 1848/49 wurde im Leipziger Alten Rathaus durch eine kleine Ausstel- lungsvitrine an Brommy erinnert.

Hoffnung setzt Uhlrich nunmehr auf die 1994 gegründete Marinekame- radschaft Leipzig, die dafür sorgen wird, daß die Erinnerung an »Carl Ru- dolph Brommy, der ersten deutschen Flotte erster Admiral« nicht schwindet.

Das vorliegende Buch leistet dazu ei- nen wichtigen Beitrag.

Günter Dechange

Untertan in Uniform. Militär und Militarismus im Kaiserreich 1871 -1914. Quellen und Doku- mente. Hrsg. von Bernd Ulrich, Jakob Vogel und Benjamin Zie- mann, Frankfurt a.M.: Fischer Taschenbuch 2001,236 S., € 13,90 [ISBN 3-596-14903-7]

Der Topos des »Untertan in Uniform«

prägt bis heute das Bild des Kaiser- reichs. Uniformengläubigkeit und Un-

" tertanenmentalität gelten gemeinhin als Signum der Epoche. Nach Meinung der Herausgeber der vorliegenden Quel- lensammlung trägt dieses weit verbrei- tete Stereotyp jedoch eher dazu bei, den Zugang zur historischen Wirklichkeit zu verstellen als zu fördern. Ihr Ziel ist es deshalb, durch die von ihnen ausge- wählten und kommentierten Doku- mente »zu einer Nuancierung und Dif- ferenzierung des Bildes vom Militär im Deutschen Kaiserreich 1871 -1914 bei- zutragen« (S. 27). Angesichts dieser Zielsetzung ist der Titel des Bandes al- lerdings schlicht irreführend, denn er kolportiert genau jenes populäre Kli- schee, das die Herausgeber erklärter- maßen überwinden wollen.

Die in sechs thematischen Blöcken angeordneten Quellen behandeln schwerpunktmäßig das innere soziale Gefüge der Armee sowie das Alltagsle- ben in Kaserne und Kasino. Darüber hinaus enthält der Band Dokumente zum Kriegervereinswesen, zur öffent- lichen Inszenierung der Armee im Rah- men der Sedan- und Kaiserparaden so- wie zur politischen Diskussion um die allgemeine Wehrpflicht und die Rolle des Militärs in Politik und Gesellschaft.

Bei der Lektüre der Dokumente erfährt der Leser somit einiges zur Alltagsge- schichte der Armee, aber nur wenig über die Verbreitung militaristischer Deutungsmuster und Mentalitäten in- nerhalb der reichsdeutschen Gesell- schaft. Das Ausmaß und die Ursachen

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dieses gesellschaftlichen Militarismus bleiben unklar. Hinzu kommt, daß - wie die Herausgeber in der Einleitung selbst konzedieren - der gesamte Komplex der wilhelminischen Flottenrüstung un- berücksichtigt bleibt. Diese editorische Entscheidung ist insofern unverständ- lich, als gerade das Beispiel der Flot- tenpropaganda geeignet gewesen wä- re, die fortschreitende Militarisierung auch und besonders innerhalb bürger- licher Schichten aufzuzeigen. In jedem Fall hatte eine Berücksichtigung der Flottenbegeisterung der Intention der Herausgeber entsprochen, »einen mög- lichst facettenreichen und differenzier- ten Einblick in das Militär und die Mi- litarisierungen der deutschen Gesell- schaft in den Jahren 1871 - 1914 zu ge- ben« (S. 24). So kann der Band das etablierte Bild des preußisch-deutschen Militarismus zwar um einige Nuancen erweitern, zu widerlegen vermag er es jedoch nicht.

Peter Walkenhorst

Die deutsche Südsee 1884 - 1914.

Ein Handbuch, hrsg. von Her- mann Joseph Hiery, Paderborn, München, Wien, Zürich: Schö- ningh 2001, XXXIV, 880 S.,

€ 104,20 [ISBN 3-506-73912-3]

Zweifellos zählt die Geschichte der deutschen Kolonien zu den besonders vernachlässigten Sachgebieten der hi- storischen Forschung. Dieser Tatbe- stand trifft auch auf jene ehemals deutschen Kolonien in der Südsee (»Kaiser-Wilhelmsland« mit »Bismarck- Archipel«, nördliche Salomonen, Mar- shall-Inseln, Marianen, Karolinen, Palau und westliches Samoa) zu, die nunmehr eine erste umfassende Darstellung ge- funden haben. Als Herausgeber dieses Handbuches im besten Sinne des Wor- tes kann sich der Bayreuther Historiker

Hermann Joseph Hiery auf 37 Einzel- beiträge stützen, die aus der Feder von 29 nationalen und ausländischen Sach- kennern der deutschen Kolonialge- schichte des Pazifik stammen. Es han- délt sich um leicht verständliche, überwiegend an den Fakten orientierte Beschreibungen, die zwar auf wissen- schaftliche Problematisierungen weit- gehend verzichten, sich aber dennoch in der Mehrzahl auf der Höhe der For- schung befinden.

Chronologisch spannt sich der Bo- gen von der Inbesitznahme der betref- fenden Gebiete in den 1880er Jahren bis zum Ende des deutschen Einflusses in der Südsee in Folge des Ersten Welt- krieges. Angesprochen sind sämtliche deutsche Besitzungen des tropisch-süd- pazifischen Inselraumes, die sich aus- nahmslos zwischen dem nördlichen und dem südlichen Wendekreis befan- den. Angesichts der disparaten Pro- blemlage des Gegenstandes wird die thematische Vielfalt des Bandes kaum überraschen: Beschrieben werden die Aktivitäten der Kolonialherreh aber auch die Reaktionen der einheimischen Bevölkerung auf das Agieren der Kolo- nialmacht. Daneben sind beinahe alle Aspekte des kolonialen Lebens aufge- führt: Naturraum und Tierwelt, Welt- bilder und Verhältnisse der Eingebore- nen (bis hin zum Kannibalismus), Ex- peditionen und Forschungsvorhaben, Herrschafts-, Verwaltungs- und Rechts- verhältnisse, daneben Konfessionen und Missionstätigkeit, Verkehrs- und Nachrichtenwesen, Gesundheitsfür- sorge, Schulbildung und Sprachver- hältnisse.

Eine solche Themenvielfalt ist nur in Spezialstudien zu bewältigen. Un- terschiedliche Handschriften und Sicht- weisen sind daher unausbleiblich.

Durchgängig aber wird das Bemühen des Herausgebers erkennbar, ordnend einzugreifen, um ein geschlossen wir- kendes Gesamtwerk zu erhalten, ohne

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subjektive Perspektiven und Mei- nungsunterschiede einzuebnen. Bereits im Einführungskapitel werden Deside- rata der Forschung und Darstellung an- gesprochen: So konnten für einige Be- reiche der Flora, der Kolonialarchitektur und Bautätigeit sowie des Finanz- und Polizeiwesens keine Bearbeiter gefun- den werden.

Nach der Darlegung der historisch- politischen Voraussetzungen des deut- schen Engagements in der Südsee und einer Reihe allgemein-übergreifender Sachverhalte folgt die Gliederung geo- graphischen Gesichtspunkten und hier- bei der traditionellen Einteilung in Me- lanesien, Mikronesien und Polynesien.

Alle Einzelkapitel orientieren sich an vergleichenden Kriterien und werden ausnahmslos durch Literatur- und Quellenverweise sowie Kommentare der Verfasser zum Forschungsstand be- schlossen. Abschließend erfolgt ein Sei- tenblick auf die Nachbarn und Kon- kurrenten der deutschen Südseekolo- nien (Australien, Neuseeland, USA, Frankreich und Niederländisch-Ostin- dien) und schließlich eine kurze Be- trachtung des Endes der deutschen Südseekolonien in Folge der Kampf- handlungen des Ersten Weltkrieges und des Versailler Friedensvertrages.

Die einzelnen Beiträge sind von et- wa gleichbleibender Qualität, obwohl einige von ihnen zuweilen durch Ein- zelheiten überfrachtet wirken. Durch- weg werden sie durch instruktive, gesonderte Verzeichnisse der Quellen und der Literatur ergänzt, oft sogar un- ter Hinzufügung der aktuellen For- schungsvorhaben. Das vorliegende Handbuch ist reich ausgestattet und von großer Anschaulichkeit. Es gelan- gen sogar bisher unveröffentlichte zeit- genössische Fotografien zum Abdruck, die zum Teil aus disparaten Privat- sammlungen stammen. Zahlreiche Kar- ten, Tabellen, Pläne und Skizzen ver- vollständigen den Illustrationsteil. Da-

neben vermitteln Auszüge zeitgenössi- scher Quellentexte ein authentisches Bild von den Zuständen in den ehema- ligen deutschen Südseekolonien. Die vorliegende Darstellung wendet sich nicht nur an Spezialisten, sondern an einen breiten Leserkreis, der sich für die Geschichte und Kultur der Südsee in- teressiert. Sie wird durch ein aussage- fähiges Autorenverzeichnis und ein umfangreiches kombiniertes Orts- und Namenregister abgerundet.

Jürgen Angelow

Mit S.M.S. Zenta in China. »Mich hatte auch diesmal der Tod nicht gewollt...« Aus dem Tagebuch ei- nes k.u.k. Matrosen während des Boxeraufstandes, hrsg. von Clau- dia Ham und Christian Ortner, Wien: Verl. Österreich 2000,159 S.,

€ 34,74 [ISBN 3-7046-1586-2]

Sturm über China. Österreich-Un- garns Einsatz im Boxeraufstand 1900, hrsg. von Peter Jung, Wien:

Stöhr 2000,141 S. (= Österreichi- sche Militärgeschichte, Sonder- band 1/2000), € 28,12 [ISBN 3- 901208-32-1]

Über 100 Jahre ist es nun her, daß Trup- pen aus acht westlichen Staaten in Chi- na einfielen und mit großer Brutalität die fremdenfeindliche Boxerbewegung niederschlugen. Dabei beanspruchte Deutschland eine Führungsrolle, um den Tod seines Gesandten Clemens Freiherr von Ketteier zu rächen. Für das Reich der Mitte war die Invasion eine der größten Demütigungen in seiner Geschichte. Zu den Invasionsmächten zählte auch Österreich-Ungarn, das bei einer möglichen Teilung Chinas nicht leer ausgehen wollte. Deshalb hatte es seit 1898 immer wieder Kriegsschiffe

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nach Ostasien entsandt, um »Flagge zu zeigen« und seine Ansprüche anzu- melden. Bei Ausbruch des sogenartnten Boxeraufstandes im Mai 1900 befand sich gerade der kurz zuvor fertigge- stellte Torpedokreuzer S. M. S. Zen ta in chinesischen Gewässern. Als sich die ersten »Boxer«, die sich selbst als »Mi- lizen für Gerechtigkeit und Eintracht«

(Yihetuan) bezeichneten, in Peking zeig- ten, setzten acht Nationen Anfang Juni gegen den Willen der chinesischen Re- gierung Gesandtschaftswachen zum Schutz der dort lebenden Diplomaten in Marsch. Österreich-Ungarn beteilig- te sich mit 32 Mann der Zenta, die während der 55 Tage dauernden Bela- gerung der Gesandtschaften in heftige Kämpfe verwickelt wurden. Ein zweites Landungsdetachement der Zenta, ins- gesamt 26 Mann, nahm ab dem 10. Ju- ni an der gescheiterten Entsatzexpedi- tion unter dem britischen Admiral Ed- ward Seymour teil. Weitere österreichi- sche Matrosen erstürmten mit den Soldaten der anderen Nationen die Mi- litärschule in Tientsin und die Taku- Forts. Aufgrund der heftigen Kämpfe entsandte Österreich-Ungarn schon bald drei weitere Kriegsschiffe nach China, die am 7. August beziehungs- weise am 7. September vor Taku ein- trafen - zu spät, um noch an der pre- stigeträchtigen Eroberung Pekings teil- nehmen zu können. Die Marineemhei- ten mußten sich mit der Durchführung mehrerer »Strafexpeditionen« gegen vermeintliche »Boxerdörfer« im Hin- terland von Peking begnügen. Erst im Juni 1901 erhielten die Schiffe den Be- fehl zur Rückkehr.

Mit dem Einsatz der österreichi- schen Einheiten während des Boxer- aufstandes befaßt sich nun ein Quel- lenband, der von Peter Jung, Mitarbeiter im Österreichischen Staatsarchiv Ab- teilung Kriegsarchiv in Wien, heraus- gegeben wurde. Bei den Quellen han- delt es sich zumeist um Gefechts-

berichte von Offizieren, die alle im Staatsarchiv aufbewahrt werden. Der Herausgeber hat sie aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht chronologisch, sondern nach Kriegsschauplätzen ge- ordnet. So befaßt sich ein Kapitel mit der Belagerung des Diplomatenviertels in Peking, ein anderes mit den Kämp- fen um die Stadt Tientsin, ein drittes mit dem Entsatzvorstoß Admiral Seymours und der Erstürmung der Taku-Forts so- wie das letzte mit den ab August 1900 unternommenen »Strafexpeditionen«.

Leider werden die zahlreichen Doku- mente nur sehr spärlich von dem Her- ausgeber kommentiert, eine Einord- nung in den Gesamtzusammenhang fehlt fast völlig. Für die Ursachen des Boxeraufstandes hat Jung gerade ein- mal 16 Zeilen übrig, trotz der Kürze nicht fehlerfrei. Denn nicht nur »euro- päische Großmächte« waren an China interessiert, wie es in den Vorbemer- kungen heißt (S. 4), auch Japan und die USA mischten dort mit. Außerdem übernimmt der Herausgeber hin und wieder unkritisch die Terminologie der Invasionsmächte, die die Boxer damals pauschal als »Räuber« und »Verbre- cher« bezeichneten, und schreibt u. a.

von »Bandenkämpfen« (S. 93). Illustriert wird das Buch mit vielen interessanten, bisher unveröffentlichten Fotos, doch hätte man sich in einigen Fällen einen sensibleren Umgang mit den Bildun- terschriften gewünscht. Die Erläuterung

»Nach dem ersten Sturm über China kam die Harmonie zurück« beispiels- weise unter einem Gruppenfoto von österreichischen Matrosen mit meist skeptisch in die Kamera blickenden chi- nesischen Kindern wirkt doch ziemlich befremdlich (S. 132).

Weitaus besser gelungen ist dage- gen das von Claudia Ham und Christi- an Ortner, beide Mitarbeiter des Hee- resgeschichtlichen Museums in Wien, herausgegebene Tagebuch des 1879 ge- borenen österreichischen Matrosen An-

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ton Vierheilig. Vierheilig gehörte zur Be- satzung der S. M. S. Zenta und nahm im Juni 1900 an der Seymour-Expediti- on teil, die nur knapp der Vernichtung entging. In den 15 Tagen bis zur Rück- kehr nach Tientsin fielen von den 2129 Soldaten aus acht Nationen 62, darun- ter auch mehrere Österreicher, 228 er- litten zum Teil schwerste Verwundun- gen. In seinem Tagebuch beschreibt Vierheilig minutiös den Verlauf der Ex- pedition: die zunehmenden Schwierig- keiten beim Vormarsch in Richtung Pe- king, die immer heftiger werdenden Kämpfe mit Boxern und regulärem chi- nesischem Militär sowie die zahlreichen Greueltaten auf beiden Seiten. Beson- ders eindrucksvoll sind die Schilde- rüngen seiner Empfindungen während der Gefechte: seine Todesangst während einer Beschießung durch Artillerie, sei- ne ganze Hilflosigkeit, als ein Kamerad, der einen Schuß in die linke Hals- schlagader erhalten hatte, vor seinen Augen qualvoll verblutete. Der Bericht Vierheiligs wird von den Herausgebern ausführlich kommentiert, ergänzt und, wo nötig, korrigiert. Dem Tagebuch vorangestellt sind Kapitel über die Ent- stehung der Boxerbewegung, über die Ambitionen Österreich-Ungarns in Chi- na sowie über die Geschichte des Kreu- zers Zenta. Ergänzt wird der anspre- chend gestaltete Band durch den Ab- druck zahlreicher Zeichnungen, Karten und Fotos.

Thomas Morlang

Hans Krech, Die Kampfhandlun- gen in den ehemaligen deut- schen Kolonien in Afrika während des 1. Weltkrieges (1914 -1918), Berlin: Köster 1999, 88 S. (= Wissenschaftliche Schrif- tenreihe Geschichte, 8), € 22,80 [ISBN 3-89574-356-9]

Die Wiedervereinigung 1989/90 löste die Publikation einer Reihe von Beiträ- gen zur deutschen Kolonialgeschichte aus. Grund dafür war der Umstand, daß mit den Akten des ehemaligen Reichskolonialamtes des früheren Reichsarchivs, die im DDR-Zentralar- chiv verwahrt worden waren, wichtige Primärquellen aus jener Zeit westlichen Historikern erst nach dem Ende der DDR wieder zugänglich wurden. Im vorliegenden Band wird der Versuch unternommen, die Ereignisse geneig- ten Lesern in zwölf Kapiteln kompri- miert nahezubringen.

Nach einer einführenden Darstel- lung der Bedeutung der afrikanischen Kolonien für Deutschland in militär- strategischer, politischer und wirt- schaftlicher Hinsicht leitet Krech kennt- nisreich über zu den Kriegszielen der kriegführenden Mächte, die einmal mehr auf die frühzeitigen Pläne der En- tente zur Einbeziehung der Kolonien in das Kriegsgeschehen hinweisen - und zwar, wie Krech nicht hervorzuheben vergißt, entgegen den vertraglichen Be- stimmungen der sogenannten Kongo- Akte. Wenig bekannt und daher um so interessanter ist insbesondere das ziel- gerichtete Bestreben der damaligen Südafrikanischen Union unter den Ge- nerälen Smuts und Botha nach einer Er- werbung Deutsch-Südwestafrikas.

Viel Raum nimmt die Darstellung der Kampfhandlungen in den einzel- nen Schutzgebieten ein, wobei der Ver- fasser nicht versäumt, selbst auf das Ge- schehen keinen Einfluß nehmende Un- ternehmungen wie die mißlungene

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Fahrt eines deutschen Zeppelins vom Balkan aus nach Ostafrika zu erwäh- nen. Im Schatten der Ereignisse von Deutsch-Südwest- und Deutsch-Ost- afrika stehen hier freilich wie so oft die Kampfhandlungen im Kamerun, die für die deutsche Schutztruppe unter be- sonders ungünstigen materiellen und klimatischen Bedingungen stattfanden.

Immerhin hielten sich die deutschen Kräfte bis zum 18. Februar 1916.

Der Schwerpunkt in der Darstellung der Kampfhandlungen liegt auf dem ostafrikanischen Kriegsschauplatz und damit bei der Kriegführung des Gene- rals von Lettow-Vorbeck, dessen stra- tegische Absichten und Pläne weit über den engen Bezug Deutsch-Ostafrikas hinausgingen - und damit gewisser- maßen auch über den geistigen Hori- zont mancher Kolonialbeamter vor Ort wie auch im Berliner Reichskolonial- amt, wovon die Auseinandersetzungen nicht zuletzt mit dem Gouverneur Heinrich Schnee zeugen. Lettow-Vor- becks Strategie und deren operative Umsetzung lassen ihn darum zu Recht in der Militär- und Kolonialgeschichte einen heute in Vergessenheit geratenen herausragenden Stellenwert einneh- men. Daher wäre es durchaus wün- schenswert geweisen, vom Verfasser näheres über die Auseinandersetzung zwischen besagtem Gouverneur Schnee wie auch dem Kapitän des Kreuzers

»Königsberg« einerseits und dem Kom- mandeur der Schutztruppe andererseits zu erfahren.

Hier unterlaufen dem Verfasser zwei Unzulänglichkeiten. Zum einen ist der Kommandant des Kreuzers der Ka- pitän zur See Max Looff - und nicht Coof - gewesen und zum anderen be- inhalteten die Planungen Lettow-Vor- becks eine strategische Bindung des Gegners, die mit dfe Umsetzung des Looffschen Planes bezüglich der Befe- stigung und Verschanzung in der Ma- conde-Hochebene nicht zu erreichen ge-

wesen wäre. Den von Krech angespro- chenen Kern eines Stellungssystems, die Boma, kann man sich als eine Art Wild- West-Fort mit Stroh-Lehm-Mauerwerk vorstellen - geeignet zwar zum Schutz gegen Pfeile und Speere aufständischer Eingeborener, aber völlig ungeeignet als Kern einer Befestigung, die der Truppe dauerhaft Schutz vor der modernen Waffenwirkung alliierter Artillerie und Bomben zu gewähren vermocht hätte.

Die Darstellung der alternativen Pla- nung Lettow-Vorbecks greift auch in- haltlich zu kurz, da sie seine Vorstel- lungen bezüglich Rhodesiens und des Marsches auf das Bihé-Plateau in Por- tugiesisch-Angola überhaupt nicht berücksichtigt. Ein Hinweis darauf, daß Lettow-Vorbeck sein diesbezügliches Kriegshandwerk praktisch während des Herero-Aufstandes in Deutsch-Südwest gelernt hatte, wäre in einer Darstellung der Kampfhandlungen aller afrikani- schen Kolonien zumindest erwähnens- wert gewesen.

Hervorzuheben ist die Einbezie- hung der Ereignisse auf dem nordafri- kanischen Kriegsschauplatz mit Liby- en, Marokko sowie Ägypten nebst dem Sinai, die in den meisten diesbezügli- chen Darstellungen gewissermaßen ein Schattendasein fristet, wenn sie nicht überhaupt der Vergessenheit anheim fallen.

Knapp, übersichtlich, sachlich und informativ lautet das kurze Urteil über ein Buch, das man uneingeschränkt empfehlen kann.

Jürgen Heuchling

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Harald Bendert, Die UB-Boote der Kaiserlichen Marine 1914-1918.

Einsätze, Erfolge, Schicksal, Hamburg, Berlin, Bonn: Mittler 2000, 214 S., € 39,90 [ISBN 3-8132-0713-7]

Der Seekrieg 1914 bis 1918 kann - ähn- lich wie der Krieg in den Schützengrä- ben - nur sehr mühsam vor dem Vergessen bewahrt werden. Der Krieg zur See und insbesondere die erste

»Schlacht im Atlantik«, die von beiden Seiten - den deutschen U-Booten und ihren Gegnern auf Seiten der Entente - nicht minder hart geführt wurde als die im Zweiten Weltkrieg, haben in der neueren historischen Forschung kaum Beachtung gefunden. So kann nicht wundernehmen, wenn der Kieler Hi- storiker Michael Salewski das Deside- rat einer Geschichte des Seekrieges 1914 bis 1918 als wissenschaftlichen Skandal bezeichnet hat - dem ist uneinge- schränkt zuzustimmen. Immerhin hat Joachim Schröder jetzt eine Arbeit zum U-Bootkrieg während des Ersten Welt- krieges unter strategisch-politischen Ge- sichtspunkten als Dissertation vorge- legt (Die U-Boote des Kaisers, Lauf a.d.

Pregnitz 2001).

Wie verbissen der Kampf gerade während der ersten Atlantikschlacht ge- führt wurde, mögen ein paar nüchterne Zahlen, die für sich selbst sprechen, be- legen: Während der vier Kriegsjahre 1914 bis 1918 versenkten 320 deutsche Front-U-Boote 12,3 Millionen Tonnen alliierten Schiffsraums (etwa 6000 Schif- fe) sowie 126 Kriegsschiffe; 178 U-Boo- te gingen mit 4744 Mann verloren. 1939 bis 1945 versenkten 863 U-Boote 14,4 Millionen Tonnen Schiffsraum (etw^

2900 Schiffe) sowie 148 Kriegsfahrzeu*

ge; 630 Boote und 27 296 U-Bootmän- ner kehrten nicht mehr in ihre Stütz- punkte zurück.

Die Literatur zum U-Bootkrieg 1914 bis 1918 ist trotz der offenbaren Trag-

weite der Ereignisse sehr dünn gesät;

ein Vergleich zur kaum noch über- schaubaren Überfülle an U-Boot- büchern zur zweiten »Schlacht im At- lantik« verbietet sich schon von selbst.

Neben dem offiziellen Admiralstabs- werk Der Krieg zur See 1914 -1918, das immerhin mit den von Konteradmiral a.D. Arno Spindler verfaßten fünf Bän- den zum Handelskrieg mit U-Booten auf- warten kann, sowie der eher apologe- tischen Memoirenliteratur der bekann- testen U-Boot-Asse wie Forstmann, Fürbringer, Heimburg, Rose oder Va- lentiner bzw. den Erinnerungen von Martin Niemöller (Vom U-Boot zur Kan- zel) ist kaum eine anspruchsvolle Dar- stellung zum Seekrieg erschienen; der am maritimen Geschehen Interessierte steht hier auf verlorenem Posten. Die Publikationen von Eberhard Rössler zur technischen Entwicklung der U-Boote in der Kaiserlichen Marine bieten in die- sem Zusammenhang nur bruchstück- hafte Informationen. Es ist Harald Ben- dert und dem Verlag E.S. Mittler somit hoch anzurechnen, daß ein Buch zu die- sem leider bereits exotisch zu nennen- den Thema erscheinen konnte.

Bendert bietet einen vornehmlich texttabellarisch geordneten chronologi- schen Überblick über die Einsätze der Boote des sogenannten Typs »UB«

(UB I, UB II, UB III), kleinere torpedo- tragende U-Boote, die während des Krieges unter Zeitdruck geplant und von denen 136 Einheiten in Dienst ge- stellt werden konnten. (Die Typvarian- te UB III bildete schließlich die kon- struktive Grundlage für den bekannte- sten U-Boottyp des Zweitens Welt- kriegs, den Typ VII.) Dabei wird anhand der Vielzahl von Beispielen überdeut- lich, daß der Handelskrieg mit U-Boo- ten bereits vor der Erklärung des unein- geschränkten U-Bootkrieges im Febru- ar 1917 an Härte und Verbissenheit nichts vermissen ließ.

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Die Quellengrundlage des Verfas- sers bilden neben dem amtlichen See- kriegswerk Der Krieg zur See die Kriegs- tagebücher einzelner UB-Boote sowie Lloyds War Losses, The First World War, die Liste der Navires Coulés, Saisis par Fait de Guerre 1914-1919 bzw. British Vessels lost at Sea 1914 -1919 sowie For- eign Vessels Sunk or Damaged by the Enemy 1914 -1919. Auf den ersten Blick dürfte die Auswertung dieser Quellen- grundlagen keine Wünsche an Infor- mation mehr offen lassen. Allerdings fällt auf, daß etwa das Schicksal vieler Boote weiterhin als ungeklärt bezeich- net wird - der Autor wäre gut beraten gewesen, sich in Expertenkreisen kun- dig zu machen, hier ist man mit Sicher- heit etwas weiter. Viele Photos sind im Druck recht flau, sie stammen zudem aus einer nicht näher bezeichneten Quelle (»International Submarine Doc- umentation Center«?).

Es bleibt dennoch ein Verdienst, daß dieses Buch zu den Einsätzen der UB- Boote im Ersten Weltkrieg erscheinen konnte. Es wird als Ausgangspunkt für weitere Forschungen herangezogen werden können.

Axel Grießmer

Andreas Peter, Das »Russenlager«

in Guben, Potsdam: Branden- burgische Landeszentrale für po- litische Bildung 1998, 148 S.

[ISBN 3-932502-11-6]

Andreas Peter beschreibt die Geschich- te des Kriegsgefangenenlagers Guben im Ersten Weltkrieg - ein in vielerlei Hinsicht typisches Lager. Im Septem- ber 1914 errichtet und vorwiegend mit Russen belegt, blieb es auch über das Kriegsende hinaus bestehen, weil die russischen Kriegsgefangenen - bedingt durch die Bestimmungen des Waffen- stillstands mit der Entente - erst ab

Herbst 1920 repatriiert wurden. Einige von ihnen verblieben - mitunter mit be- achtlichem beruflichen Erfolg - in Deutschland, was die UdSSR allerdings nicht daran hinderte, sie 1945 teilweise in die Sowjetunion »heimzuführen«.

Nach der Entlassung der letzten Kriegsgefangenen wurde das Lager ab Juli 1921 als Flüchtlingslager für Deut- sche aus dem Osten genutzt, im Zwei- ten Weltkrieg waren hier dann wieder polnische Kriegsgefangene unterge- bracht. Derartige »Karrieren« sind auch von anderen Lagerorten bekannt, so war Gronenfelde bei Frankfurt/Oder, das zentrale Heimkehrerlager für Kriegsgefangene aus der Sowjetunion riach dem Zweiten Weltkrieg, ebenfalls im Ersten Weltkrieg als Kriegsgefange- nenlager für Russen gegründet worden.

Ähnlich wie in vielen anderen Fäl- len auch, fanden die zuerst eintreffen- den Kriegsgefangenen kein Lager vor, sie mußten es selbst aufbauen. Später wurden sie zu Meliorationsarbeiten, mit der Zunahme des Arbeitskräftemangels ab 1915 in zahlreichen weiteren Wirt- schaftszweigen eingesetzt. Bereits 1916 konnte die Nachfrage nach Gefangenen nicht mehr gedeckt werden. Bei In- spektionen erhielt das Lager im allge- meinen gute Noten, Konflikte zwischen der Lagerleitung und den Gefangenen scheinen selten gewesen zu sein.

Besonders aufschlußreich sind die Ausführungen über das Dreiecksver- hältnis Kriegsgefangene - Lagerleitung - Zivilbevölkerung. Grundsätzlich wur- den die Gefangenen gemäß den Be- stimmungen der Haager Landkriegs- ordnung menschlich behandelt, Belei- digungen oder herabsetzende Bemer- kungen über die Kriegsgefangenen etwa seitens der Zivilbevölkerung oder in Presseorganen waren unerwünscht.

Im Laufe des Krieges wurden dann je- doch kritische Stimmen lauter, die Ge- fangenen würden besser versorgt als die Zivilbevölkerung. Außerdem sei eine

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schlechtere Behandlung als Vergeltung für die miserable Situation deutscher Kriegsgefangener in Rußland gerecht- fertigt. Nach Kriegsende wurde dann die der Mehrheit der Kriegsgefangenen unterstellte kommunistische Gesinnung als Gefahr für die politische Stabilität in Guben gesehen. Von diesen, in der Öf- fentlichkeit diskutierten Auffassungen zu unterscheiden ist das konkrete Ver- halten der Zivilbevölkerung. Zunächst waren es die Frauen, die vor allem Mit- leid mit den Gefangenen hatten und ih- nen mehr zusteckten als es der Obrig- keit angemessen erschien. In dem Maße, in dem die Gefangenen dann aus den Lagern zur Arbeitsleistung in zivile Be- schäftigungen abgestellt wurden, kam es aber auch zu Fraternisierungser- scheinungen bei den Arbeitgebern bis hin zur Heirat.

Soweit zeichnet Andreas Peter ein recht idyllisches Bild der Kriegsgefan- genschaft - ein Eindruck, der durch die relativ niedrige Todesrate bestätigt wird. Zur Abrundung geht er kurz auch auf die Verhältnisse in einigen anderen preußischen Lagern ein. Der Vergleich mit dem Lager Crossen, in dem ca. 10 Prozent der Gefangenen starben, zeigt dann, daß die Situation nicht überall so günstig war. Die Darstellung in den Ge- samtzusammenhang der deutschen Kriegsgefangenenpolitik zu stellen, ist jedoch leider nicht möglich - eine wis- senschaftliche Monographie hierzu liegt bisher nicht vor.

Insgesamt ist der Band, abgerundet durch zahlreiche Abbildungen und ei- nen Anhang mit wichtigen Dokumen- ten, auch für Leser geeignet, die sich nicht für Guben speziell, sondern für die Situation der Kriegsgefangenen im Ersten Weltkrieg generell interessieren.

Rüdiger Overmans

Claire Swedberg, In Enemy Hands: Personal Accounts of Those Taken Prisoner in World War II, Mechanicsburg, PA:

Stackpole Books 1997, XV, 286 S.,

$ 24.95 [ISBN 0-8117-0900-0]

Auf den ersten Blick beinhaltet der vor- liegende Band eine interessante Mi- schung. Eine amerikanische Autorin thematisiert nicht nur das Schicksal amerikanischer Staatsbürger, sondern spannt den Bogen ganz weit. Dargestellt werden die »Gefangenschaftskarrieren«

von fünf Zeitzeugen. Der erste ist ein amerikanischer Soldat, der in japani- sche Gefangenschaft gerät und an dem berüchtigten Bataan-Death-March teil- nimmt. Der zweite Zeitzeuge, ein zivi- ler britischer Dozent in Shanghai, wird ebenfalls von den Japanern interniert.

Als Dritter erzählt ein Amerikaner - im Zivilberuf Journalist - von seiner Ge- fangennahme während der Ardennen- schlacht und seiner Gefangenschaft in Deutschland. Der vierte Bericht stammt von einem bei Kriegsende 15jährigen Deutschen, der kurzzeitig in amerika- nischen Gewahrsam geriet. Den Ab- schluß bildet der Bericht einer jungen Deutschen, die im Oktober 1947 in der sowjetischen Besatzungszone unter Spionageverdacht von den Russen ver- haftet wurde.

Natürlich ist diese Mischung auf den amerikanischen Leser zugeschnit- ten, schließlich wird mit zwei von fünf Erzählungen dem japanischen Ge- wahrsam ein Stellenwert zugemessen, der sich nur aus der Psychologie der Amerikaner, nicht jedoch aus der Be- deutung dieser Gefangenengruppe im Zweiten Weltkrieg erklärt. Trotzdem ist die Auswahl ungewöhnlich breit, was ganz wesentlich damit zu tun hat, daß die Autorin den Begriff »Kriegsgefan- genschaft« weit definiert. Kann man den Fall des Briten in japanischer In- ternierung noch mit einiger Berechti-

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gung einbeziehen, weil sich das Schick- sal dieser Zivilisten nicht wesentlich von dem der Soldaten unterschied, so hat doch der Fall der 1947 unter Spio- nageverdacht verhafteten Deutschen sehr viel mit dem politischen System des Ostblocks, aber nicht mehr viel mit dem Zweiten Weltkrieg zu tun. Bedau- erlich ist, daß das Schicksal anderer, Millionen Soldaten umfassender Grup- pen, wie der Franzosen oder der Rus- sen in deutscher Gefangenschaft oder der Italiener im Gewahrsam vieler Staa- ten nicht berücksichtigt wurde. Zu er- klären ist die Auswahl letztlich mit dem Umstand, daß die Autorin ausschließ- lich solche Personen berücksichtigt hat, die sich letztlich in den USA angesie- delt haben.

Die einzelnen Berichte sind flüssig zu lesen, nicht zuletzt die umfangrei- chen Passagen in wörtlicher Rede ma- chen aber deutlich, was die einleiten- den Bemerkungen ankündigen. Es han- delt sich nicht um zeitnahe persönliche Aufzeichnungen, sondern um anläßlich der Veröffentlichung entstandene, mit Hilfe Dritter verfaßte Berichte, die ins- gesamt mehr den Charakter gestalteter Erzählungen als authentischer Berich- te besitzen.

Mit diesem einen Mangel geht ein zweiter einher. Die Autorin verzichtet auf jede Einbettung in den historischen Kontext. Weder gibt sie eine Einführung in die Geschichte der Kriegsgefangen- schaft im Zweiten Weltkrieg noch wer- den die Aussagen der Zeitzeugen in ir- gendeiner Weise kommentiert. Ledig- lich am Ende findet sich eine kurze Dar- stellung des weiteren Schicksals der Zeitzeugen. Dieses Manko hat zwei ne- gative Konsequenzen.

Zum einen mag bei einem fachlich nicht versierten Leser der Eindruck ent- stehen, die von den Zeitzeugen ge- schilderten Erlebnisse seien »typisch«, was sie nicht sind. Zwar sind die An- gaben zu generellen Fakten, wie Orts-

angaben und Großereignissen, korrekt, aber in den Beschreibungen der indivi- duellen Erlebnisse finden sich doch vie- le Aussagen, die auf keinen Fall verall- gemeinbar, wenn nicht sogar unzutref- fend sind. So gehört es eigentlich zu den interessanten Widersprüchen der NS- Politik, daß westalliierte jüdische Sol- daten in deutscher Kriegsgefangen- schaft unbehelligt blieben. Dies galt ge- rade für die am stärksten privilegierte Gruppe, die Amerikaner. Wenn dann der amerikanische Zeitzeuge beschreibt, amerikanisch-jüdische Kriegsgefange- ne seien aussortiert und - wie die So- wjets - in Untertage-Arbeitslager ver- bracht worden, dann handelte es sich entweder um einen exotischen Aus- nahmefall oder schlicht um einen Erin- nerungsirrtum.

Die zweite Konsequenz der fehlen- den Kommentierung durch die Her- ausgeberin ist die Nichtberücksichti- gung des Kontextes, in dem die Erzäh- lungen stehen. Besonders deutlich wird dieses Manko an der für Kriegsgefan- gene so wichtigen Ernährungsfrage. Ob ihre Situation als gut oder schlecht zu bezeichnen ist, ergibt sich nicht so sehr aus ihren eigenen Erwartungen, mit- unter nicht einmal so sehr aus den ab- strakten Normen des Kriegsvölker- rechts, sondern aus der Emährungslage der Gesellschaft, die sie versorgen muß.

Wenn Kriegsgefangene in den Wirren des deutschen Zusammenbruchs oder in einer zerstörten Sowjetunion hun- gern, dann ist das etwas anderes als die willentliche Unterversorgung von Kriegsgefangenen in einer funktionie- renden Umwelt.

Insgesamt handelt es sich um fünf individuelle Erlebnisberichte, flüssig zu lesen, da redaktionell gut bearbeitet, aber wissenschaftlich ohne Erkenntnis- wert.

Rüdiger Overmans

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Joseph M. Scalia, Germany's Last Mission to Japan. The Sinister Voyage of U-234, London:

Chatham Publishing 2000, XXIV, 250 S., £ 20 [ISBN 1-86176- 146-5]

Das deutsche U-Boot U-234, ursprüng- lich als Minenleger konzipiert, lief im März 1945 unter Kapitänleutnant Feh- ler aus einem norwegischen Hafen mit Ziel Japan aus. An Bord befanden sich eine geheimnisvolle Fracht und ein bunt zusammengewürfelter Personenkreis.

Seit Blockadebrecher kaum noch eine Chance hatten, die Seeüberwachung der Allüerten zu umgehen, waren Han- del und Personalaustausch per U-Boot der einzige noch verbliebene Weg. Un- ter der Ladung befanden sich ein in Tei- le zerlegtes Düsenflugzeug vom Typ Me 262,560 kg Uranoxyd, Radargeräte und anderes hochwertiges technisches Material sowie eine Fülle von Kon- struktionsplänen. Neben der eigentli- chen U-Bootsbesatzung reisten eine Rei- he von Technikern und Ingenieuren mit, um die Japaner in deutsche Waffen und Gerät einzuweisen.

Jahrzehntelang ist über diese Missi- on spekuliert worden. Nun versucht der Autor, einiges Licht in das Dunkel zu bringen. Dazu hat er hauptsächlich die von den Amerikanern dechiffrierten Funktelegramme Deutschlands und Ja- pans im Washingtoner Nationalarchiv sowie die Verhöre der in Gefangen- schaft geratenen Besatzungsmitglieder untersucht; er ist sich aber darüber klar, daß vermutlich noch viel Material unter Verschluß gehalten wird.

Scalia hält die an Bord befindlichen Personen für wichtiger als die Fracht.

Das liegt jedoch z.T. daran, daß er in sei- nem ansonsten sorgfältig erarbeiteten Werk den Nachkriegsaussagen der Be- teiligten allzu leichtfertig Glauben schenkt. So versuchte z.B. der Luftwaf- fengeneral Ulrich Kessler, der auf dem

Boot den Weg zu seinem neuen ge- planten Posten als Luftwaffenattaché in Tokyo antrat, sich in den Verhören durch die Amerikaner als Mitglied des Widerstandkreises um Goerdeler und damit als Mann des 20. Juli darzustel- len. Wäre dem so, würde er doch wohl auch in anderen Dokumenten auftau- chen. Kesslers wahre Mission dürfte vielmehr darin bestanden haben, die Japaner mit Methoden der Flugabwehr und deutschen Flugzeugen sowie tech- nischem Gerät vertraut zu machen.

Ebenso werden die Behauptungen von Kai Nieschling ungeprüft über- nommen. Er war als Marinerichter nach Tokyo beordert worden, um für die Dis- ziplin unter den 2000 Mann deutscher Marineangehöriger in Japan zu sorgen, behauptete aber nach dem Krieg, er ha- be auch die deutsche Botschaft vor Ort

»auf Vordermann bringen sollen«.

Außerdem brauchte Marineattaché Wenneker, dessen Kontakte auf die höchsten Marinedienstgrade beschränkt sein sollen, Nieschling als jungen Ma- rineoffizier im Gegensatz zu Scalias An- nahme nicht unbedingt, um seinen Wir- kungskreis zu erweitern, sondern ver- fügte bereits über eine große Anzahl Mitarbeiter mit entsprechendem Dienst- grad.

Auf hoher See erhielt Fehler Nach- richt von der deutschen Kapitulation und folgte dem Befehl, sich den Alli- ierten zu ergeben, die sehnsüchtig ge- rade nach seinem Boot gesucht hatten.

Zwei japanische Offiziere an Bord nah- men sich deshalb das Leben. Nach dem Einlaufen in den amerikanischen Ha- fen Portsmouth führten die begierig wartenden Amerikaner gründliche Un- tersuchungen über die an Bord befind- lichen Personen und die Ladung durch.

So manch einer der Belegschaft stellte seine Kenntnisse willig in den Dienst der USA. Die oft kolportierte Behaup- tung, das an Bord befindliche Uran ha- be erst den Bau der amerikanischen

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Atombomben ermöglicht, wird von dem Autor zurückgewiesen. Ihm ist auch zuzustimmen, daß die Ankunft der Ladung in Japan, das noch nicht den entsprechenden Forschungsstand der Nukleartechnik erreicht hatte, dem Krieg wohl keine Wende mehr gebracht hätte. Das Boot wurde schließlich 1947 als Ziel für Torpedoübungen der US- Marine versenkt.

Da der Autor offenbar über keiner- lei nennenswerte deutsche und japani- sche Sprachkenntnisse verfügt, sind ihm Quellen und Fachliteratur außer dem erwähnten Material im amerika- nischen Nationalarchiv nicht hinrei- chend vertraut. Sein Wissen über die ja- panisch-deutschen Beziehungen ist da- her beschränkt und nicht frei von Feh- lern. Botschafter Oshima z.B. wird an mehreren Stellen als Militârattaché be- zeichnet - diesen Posten füllt an ande- ren Stellen fälschlich Generalmajor Oka- moto aus, mitunter auch mit verball- horntem Namen. Außerdem ergab sich Oshima 1945 in der »Alpenfestung«, bei Scalia jedoch in Berlin. Dem Autor ist auch nicht bekannt, daß Deutschland schon 1943 Radargeräte mitsamt einem Ingenieur von Telefunken (Heinrich Forders) nach Japan entsandt hatte, um dem Verbündeten auf diesem Gebiet

»Entwicklunghilfe« zu leisten.

Gerhard Krebs

Georges Coudry, Les camps so- viétiques en France. Les >Russes<

livrés à Staline en 1945, Paris: Al- bin Michel 1997, 340 S., € 22,11 [ISBN 2-226-08936-5]

Vordergründig gesehen berichtet Geor- ges Coudry die Geschichte von Ivan Ko- lesnik, einem sowjetischen Soldaten, der 1941 in der UdSSR zur vorrückenden deutschen Wehrmacht überlief und als

»Hiwi« in der Wehrmacht überlebte.

1944, inzwischen in Frankreich einge- setzt, desertierte er dann von den Deut- schen zur französischen Résistance. Bei Kriegsende treffen wir ihn - inzwischen mit einer Französin verlobt - in einem französischen Sammellager für Displa- ced Persons (DPs) in der Nähe von Pa- ris. Von hier aus entwickelt Georges Coudry die Geschichte quasi rückwärts.

Wir erfahren, daß sich sowjetische Staatsbürger als »Hiwis«, als Soldaten in den Ostbataillonen, als Zwangsar- beiter beim Bau des Atlantikwalls oder als Kriegsgefangene in den elsässischen Stalags auf französischem Boden be- fanden.

Aus diesem Einsatz der Sowjets im besetzten Westeuropa ergab sich zwangsläufig, daß auch einige von ih- nen - bereits 1942 - in deutscher Uni- form in westalliierte Hände fielen.

Westallüerte Staatsbürger hingegen ge- rieten erst in der Endphase des Krieges in sowjetischen Gewahrsam. Darunter befanden sich Kriegsgefangene, die von ihnen befreit wurden, aber auch Zwangsarbeiter, die aus dem deutschen Machtbereicht in den Gewahrsam der vorrückenden sowjetischen Truppen ge- flüchtet waren. Die Behandlung dieser kriegsgefangenen Verbündeten durch die jeweilige alliierte Gewahrsams- macht war ein heikles Thema, herrsch- te hier hinsichtlich der Repatriierung doch strikte Reziprozität. In Sorge um ihre eigenen Staatsbürger waren die Angloamerikaner bereit, den Sowjets sehr weit entgegenzukommen. Anders die Franzosen - obwohl sie hinsichtlich der zur Wehrmacht eingezogenen El- sässer und Lothringer, die in sowjeti- sche Gefangenschaft geraten waren, in besonderem Maße erpreßbar waren, zeigten sie sich den sowjetischen For- derungen gegenüber widerspenstiger als die Angloamerikaner.

Was die konkrete Durchführung der Repatriierung betrifft, hatten die alli- ierten Armeen in der Endphase des

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Krieges noch unmittelbar die DPs, die Richtung Osten, bzw. Richtung Westen nach Hause wollten, ausgetauscht.

Nach Kriegsende wurden die DPs dann zunächst in Sammellagern zusammen- gefaßt und hinsichtlich ihrer Nationa- lität überprüft. Die sowjetische Regie- rung, die großen Wert auf eine mög- lichst vollständige Repatriierung legte, versuchte zunächst mit Großzügigkeit, später auch mit Druck ihr Ziel zu errei- chen. Die Franzosen wiederum waren zunächst froh, ihre sowjetischen »Gä- ste« loszuwerden, gab es doch neben sehr disziplinierten Gruppen auch ge- walttätige bewaffnete Horden, die am Schwarzhandel und an Überfällen be- teiligt waren.

Doch es wird noch ein zweites zen- trales Thema im Buch von Georges Coudry behandelt, das dem Autor noch wichtiger ist als die Geschichte der Re- patriierung - die Rolle der sowjetischen Staatsbürger als Waffenträger während des Krieges, sei es in den bewaffneten Einheiten der Wehrmacht, als Verbün- dete der Deutschen in Vlassovs Befrei- ungsarmee oder als Angehörige der Ré- sistance im Kampf gegen die Deut- schen. Ausführlich beschreibt Coudry die Entstehungsgeschichte dieser Ver- bände und ihre kurzen Einsätze, das Uberlaufen der Sowjets zur Résistance und die Rolle, die sie dort spielten.

Was hier in wenigen Sätzen zusam- menfassend referiert wird, findet sich in dieser Form allerdings nicht in dem vorliegenden Band. Coudry pflegt ei- nen assoziativen Stil, der die chronolo- gische Entwicklung ausgehend von den Repatriierungslagern nach Kriegsende quasi rückwärts aufspult - immer wie- der eingebettet und bezogen auf das Schicksal seines Hauptprotagonisten Ivan Kolesnik. Für einen Roman ist das sicherlich ein interessantes Konzept, für eine geschichtswissenschaftliche Arbeit weniger. Noch ein zweites Problem kommt hinzu - der Umgang mit der

Akten. Mitunter werden Vereinbarun- gen oder Erlasse ausführlich zitiert, aber keine Belegstellen angegeben. Oder aber das Dokument ist im Anhang ab- gedruckt, aber die wichtigen, in der Präambel enthaltenen Definitionen feh- len sowohl im Text wie im Anhang.

Nicht besonders gravierend, aber doch ein bißchen störend, ist auch daß deut- sche Namen und Organisationsbe- zeichnungen nicht immer korrekt sind.

Insgesamt jedoch handelt es sich um ein sorgfältig recherchiertes Buch, auch wenn immer wieder deutlich wird, daß der Autor kein Historiker ist. Eingangs erweckt es den irreführenden Eindruck, es hanäle sich um eine romanhafte Dar- stellung der Repatriierung der sowjeti- schen Staatsbürger aus Frankreich in die Sowjetunion. Tatsächlich aber geht es im wesentlichen um den militäri- schen Einsatz der Sowjets - sei es mit oder gegen die Deutschen - und vor al- lem um den in den Augen des Autors bisher nicht ausreichend gewürdigten Beitrag der »Russen« im Rahmen der Résistance zur Befreiung Frankreichs.

Rüdiger Overmans

Olav Riste, The Norwegian intel- ligence service 1945-1970, Lon- don, Portland, OR: Cass 1999, XVII, 315 S., £ 18.50 [ISBN 0- 7146-4455-2]

Der entscheidende Beitrag Norwegens zur gemeinsamen Verteidigung im Nord- atlantischen Bündnis ist zweifellos die Beschaffung hochinteressanter Auf- klärungsergebnisse über Stärke, Aus- rüstung und Stationierung sowjetischer Streitkräfte durch den norwegischen Geheimdienst. Dabei kam dem skandi- navischen Bündnispartner die geostra- tegische Lage und seine gemeinsame Grenze mit der Sowjetunion zugute, denn kein anderer NATO-Partner konn-

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te das Ohr so nah an den Feind bringen.

Die USA ließen sich gerne auf eine in- tensive nachrichtendienstliche Zusam- menarbeit ein und lieferten die not- wendige und kostenintensive techni- sche Ausstattung, um die Fernmelde- und Elektronische Aufklärung durch- führen oder akustische Abhöreinrich- tungen auf dem Meeresboden verlegen und betreiben zu können. Ab 1958 ka- men noch als Wetterstationen getarnte seismographische Meßeinrichtungen hinzu, die allein im zweiten Halbjahr jenen Jahres rund 70 Atomdetonationen auf in Reichweite liegendem sowjeti- schen Hoheitsgebiet registrierten. Die Sammlung und Auswertung teleme- triseli gewonnener Daten gab schließ- lich Auskunft über Raketenstarts so- wohl für Interkontinentalwaffen als.

auch für die Raumfahrt, und wurde ab 1964 durch Daten der elektronischen Sa- tellitenüberwachung ergänzt. Insgesamt entstand so entlang der Küste Norwe- gens ein Netz aus über zwanzig »Ver- teidigungsstationen«, die mit Masse in Nordnorwegen installiert wurden, um vor allem die Barentsee sowie den Raum um Murmansk und die Halbin- sel Kola überwachen zu können.

Oslo bestand dabei stets auf natio- nale Souveränität bei der personellen Besetzung und der Kontrolle der militärischen Einrichtungen. Jegliche Drohgebärde gegenüber dem mächti- gen Nachbarn sollte vermieden werden.

Vor allem eine ständige Truppenprä- senz der Amerikaner war daher in den ersten Jahren nach dem Zweiten Welt- krieg unerwünscht. Die Abschüsse ei- niger US-Aufklärungsflugzeuge, die vorher auch norwegische Flugplätze an- geflogen hatten, durch sowjetische Ab- fangjäger gaben denn auch immer wie- der Anlaß zu diplomatischen Verstim- mungen mit der Sowjetunion und zu innenpolitischen Diskussionen um die Rolle Norwegens als NATO-Mitglied und »Frontstaat« des Kalten Krieges.

Über die reine Organisationsgeschichte, die schwerpunktmäßig den personel- len Aufbau von einer kleinen Gruppe engagierter Experten im Jahre 1946 hin zu einem Geheimdienst von rund 1000 Mitarbeitern Ende der 60er Jahre be- trachtet, vergißt Riste nicht, die span- nenden Geschichten der Nachrichten- beschaffung durch Spionageaktionen, und der Vorbereitungen der geheimen

»Armee der Überrannten« (Operation Stay Behind) für den Fall einer sowjeti- schen Invasion zu erzählen.

Das mit Bild- und Kartenmaterial reich ausgestattete Buch gründet auf den Ergebnissen einer Kommissionsar- beit, nachdem in Norwegen Anfang der Neunziger Jahre zuerst eine parlamen- tarische Untersuchungskommission möglichen ungesetzlichen Aktivitäten des norwegischen Geheimdienstes nachgegangen war. Zwei Historiker- kommissionen erhielten danach eben- falls uneingeschränkten Aktenzugang, was einzigartige Einblicke in die sonst von keinen ablaufenden Sperrfristen be- drohte Geheimdienstarbeit.ermöglich- te. Über die veröffentlichten Ergebnisse der drei Kommissionen berichtete Michael F. Scholz in der MGZ 59 (2000) Heft 2 bereits ausführlich.

Olav Riste überarbeitete seinen in Zusammenarbeit mit Arnfinn Moland entstandenen Bericht aus dem Jahre 1997, um die Forschungsergebnisse über den militärischen Nachrichten- dienst Norwegens von 1945 bis 1970 ei- nem weiten Kreis interessierter Fach- kollegen präsentieren zu können. Für die »New Cold War History« ist das vorliegende Buch eine große Bereiche- rung, welches in anderen Ländern An- stoß sein sollte, lange Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges ebenfalls die Geheimdienstakten für die historische Forschung freizugeben. Dänemark und Schweden sind dem Vorbild ihres Nach- barn bereits in Ansätzen gefolgt.

Helmut R. Hammerich

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Oliver Zöllner, BFBS: >Freund in der Fremde <. British Forces Broadcasting Service (Germany) - der britische Militärrundfunk in Deutschland, Göttingen: Cu- villier 1996,370 S., € 29,65 [ISBN 3-89588-632-7]

Diese Bochumer Dissertation ist nur in ihrem ersten Teil eine historische Ar- beit. Sie zeigt viele Facetten des briti- schen Armeerundfunks in Deutschland auf, und seine Geschichte ist nur die er-

ste davon. Der Autor schildert in einem gelungenen Überblick, wie sowohl Bri- ten als auch Deutsche, Amerikaner und andere sehr früh die militärischen Mög- lichkeiten des Mediums Rundfunk ent- deckten - entstand es doch aus der zunächst fast ausschließlich militäri- schen Übertragung von Informationen per Funk im Ersten Weltkrieg. Der Zweite Weltkrieg brachte dann bei al- len beteiligten Parteien das Entstehen spezieller Programme für das militäri- sche Publikum im Kampfgebiet mit sich. (Die Propagandasender, die sich an die jeweils gegnerische Seite richte- ten, werde hier nur ansatzweise ge- streift.)

Auf britischer Seite begleitete der Militärrundfunk zunächst die vorrücken- de Front, residierte nach Kriegsende zunächst in Hamburg und führte dann zur Entstehung des Nordwestdeut- schen Rundfunks (des heutigen NDR und WDR). Zugleich blieb aber immer ein eigenständiges Programm für die britischen Streitkräfte in Deutschland erhalten. Zwar war 1950 fast eine Ein- stellung dieses Programms beabsich- tigt, weil die bis dahin genutzten Mit- telwellenfrequenzen anderweitig belegt wurden; das Personal wurde bereits auf gut dreißig Mitarbeiter reduziert. Als aber aus den Besatzern Alliierte und Stationierungstruppen wurden, die im Rahmen des Kalten Krieges noch auf unabsehbare Zeit in Deutschland ver-

bleiben sollten, da gewann auch eine Truppenbetreuung per Radio wieder an Bedeutung. Zugleich erfolgte der Wech- sel auf UKW-Frequenzen, was die Über- tragungsqualität verbesserte. Mit der Umbenennung in »BFBS« wurde das frühere »British Forces Network«

schließlich 1964 zu dem, was Genera- tionen auch deutscher Hörer im briti- schen Stationierungsgebiet als ihren Lieblingsunterhaltungssender kennen.

Nach dem historischen Teil von et- wa 70 Seiten folgen in dem vorliegen- den Band rechtliche und organisatori- sche Elemente, vor allem aber eine nach quantitativen medienwissenschaftli- chen Methoden gearbeitete Programm- und Höreranalyse. Dieser Teil - der die Masse der Arbeit ausmacht - wird für Militärhistoriker weniger interessant sein. Zöllner kommt zu dem Ergebnis, daß die Notwendigkeit einer medien- gestützten Motivation der im Ausland stationierten britischen Truppen sowie die mit dem Rundfunk verbundenen Möglichkeiten einer operativen Infor- mation selbst im Einsatzfall auch wei- terhin den Aufwand für ein gesonder- tes militärisches Rundfunkprogramm gerechtfertigt erscheinen lassen werden.

BFBS existiert noch immer, wenn auch inzwischen privatisiert, dafür aber auch mit einem (im vorliegenden Buch nicht erwähnten) Fernsehanteil - die briti- schen Soldaten, ihre Familien und vie- le junge Hörer in Deutschland wird's freuen.

Winfried Heinemann

Michael Ploetz, Wie die Sowjet- union den Kalten Krieg verlor.

Von der Nachrüstung zum Mau- erfall, Berlin: Propyläen 2000, 456 S., € 25,- [ISBN 3-549-05828-4]

Der Text auf der Rückseite des Schutz- umschlages verspricht dem Leser des

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