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Anzeigen.
Rudolf Kittel, Studien zur hebräischen Archäologie und
Religionsgeschichte., I. Der heilige Fels auf dem Moria
und seine Altäre. II. Der primitive Felsaltar und seine
Gottheit. III. Der Schlangenstein im Kidrontal bei Jeru-
s salem. IV. Die Kesselwagen des Salomonischen Tempels.
Mit 44 Abbildungen. (Beiträge zur Wissenschaft vom Alten
Testament, herausgegeben von Rudolf Kittel. Heft 1.)
Leipzig, Hinrichs, 1908. XII, 242 S. M. 6,50, geb. M. 7,50.
10 Kittel eröffnet in würdiger Weise die von ihm begründeten
und in der Form selbständiger, zwangloser Hefte erscheinenden
„Beiträge zur Wissenschaft vom Alten Testament' durch seine
„Studien zur hebräischen Archäologie und Religionsgeschichte'.
Letztere verdanken zumeist ihre Entstehung einer topographischen
15 Forschungsreise , die der Herausgeber mit seiner Gemahlin Ostern
1907 nach Palästina unternahm. K. macht als Erster den Versuch,
die modernen Ausgrabungen in Palästina und was er durch eigene
Beobachtungen gesammelt hat, für einige wichtige Kapitel der alt¬
testamentlichen Wissenschaft in extenso zu verwerten. Soweit seine
20 Arbeit sich auf das von andern und von ihm selbst herbeigeschaffte
Material stützt, kann eigentlich nur der ein Wort dazu sprechen,
wer selbst die Funde durch Autopsie kennt. Jeder andere muß
sich fast nur mit einem relata referre begnügen. Anders steht es
da , wo allgemeine religionswissenschaftliche Urteile abgegeben
25 werden. Hier darf sich auch der äußern, der nur die Fundberichte
und die ihnen beigegebenen Abbildungen kennt.
Ich will kurz über den Inhalt der vier Aufsätze berichten
und einige Bemerkungen an den zweiten , mir am wichtigsten
dünkenden , knüpfen , der m. E. auch am meisten die Kritik des
so „Buchmenschen' gestattet.
In der ersten Abhandlung zeichnet K. eine Geschichte des
heiligen Felsens von Jerusalem von der ältesten Zeit bis zur Gegen¬
wart. Grundlage der Darstellung ist eine Besichtigung des von
der heutigen Kubbet es-Sachra umfaßten Felsens.
S5 Die ganze Fläche des Haram scheint seit Herodes ziemlich
unverändert (S. 2). Die innere Terrasse des Haram stellt im Ganzen
Beer: Kittel, Studien z. hebr. Archäologie u. Beligionggeschichte. 399
den inneren Vorhof des Herodes noch heute dar (4). Nur sind
durch die Araher, was die Ausdehnung der inneren Terrasse nach
Westen hetrifft, noch gewisse Veränderungen Yorgesommen worden (8).
Herodes selbst hat, entsprechend der größeren Anlage seines Tempels
(10), die innere Terrasse besonders nach Norden (11) vergrößert, (9). 6
Bis zum eindringenden Isläm (32), ja zurück bis zu Titus und
Herodes (37), hat der heilige Fels dieselbe Gestalt wie noch heute.
Was von Löchern im Fels vorhanden ist., stamipt schon aus vor-
davidischer Zeit. So diente das fast kreisrunde Loch im Süden
wohl zur Aufnahme einer Massebe ; das Loch im Norden zu gleichen), lo
Zweck, oder vielleicht zur Aufnahme von Flüssigkeit: Wasser oder
Blut (43). Der freie Kaum im Norden war schon in prähistorischer
Zeit Schlachtstätte. Durch das hier gelegene Loch floß das Opfer¬
blut in die danmter befindliche Höhle, die als Wohnrauip für das
chthonische Numen zu deuten ist (44), David errichtete auf der is
Felsplatte einen Steinaltar, 2 Sam. 24, 18 flf., indem er, um ihn be¬
steigen zu können , die schiefe Ebene • an der Ostseite des Felsens
anlegte (45). Der Altar ist seitdem Feuerherd (46). Die früheren
Libationen treten gegenüber den Brandopfem zurück und leben nur
in dem Sprengen oder Streichen des Opferblutes an den Altar bezw.
an die Altarhörner weiter. Die unterirdische . Höhle dient jetzt
als Senkgrube (47). Salomo's Altar , 1 Kön. 9, 25, wohl an der
gleichen Stelle wie David's Altar, 2 Ohr. 3, 1 und ihn ersetzend er¬
richtet, war ein Steintisch mit, einem Bronzerost (59). Er mußte
weichen dem Altar des Ahas, 2 Kön. 16, 10 flf. Ezechiel's Zukunfts- »5
Altar, Ez, 47, 13 ff, ist ein Nachbild der babylonischen Etagentürme
(61). Die Nachricht über einen Altarerweiterungsbau Salomo's,
1 Kön. 8, 64, gehört erst einem deuteronomischen Bearbeiter des
Königsbuches an und ist unhistorisch. Ebenso die Angabe 2 Chr. 4,1
über die Größe des salomonischen Altars: 20 Ellen ins Quadrat (61). so
586 fiel Jerusalem. Der von den damals Zurückgebliebenen er¬
richtete Notaltar, Jer. 41, 5 ff., galt den aus dem Exil Heimgekehrten
als.anstößig und wurde durch einen Neubau auf den alten Funda¬
menten , Esr. 3,1 ff. , Hag. 2, 14 ersetzt (72). Dieser Altar blieb
auch der Brandopferaltar des Tempels Serubbabel's (73). Im Lauf ss
der Zeit wurde der Altar, besonders mit Rücksicht auf die wach¬
sende, an den Festen in Jerusalem sich sammelnde jüdische Diaspora,
mehrfach erweitert, so daß er schließlich den Umfang erhielt, den
2 Chr. 4, 1 nnd Josephus Ant. VIII, 3, 7 fölschlicherweise schon
dem salomonischen Altar zuschreiben (77/8). Den von Antiochus «
Epiphanes, 1 Mak. 5, 54/59, entweihten Altar ließ Judas Makkabäus
abtragen und durch einen neuen nach dem Muster dea. alten, ans
unbehauenen Steinen errichtet, ersetzen (79), 1 Mak. 4, 45 ff., bis
ihm i. J. 63 die Soldaten des Pompejus das gleiche Schicksal wie
reichlich 100 Jahre zuvor Antiochus, bereiteten, Ps. Sal. 2, 1. 2. a
Über den Altarbau des Herodes hat Middoth ,111, 1 gegenüber
Josephus bell. Jud. V, 5, 6, die relativ glaubwürdigeren Zahlen (80).
ZelUchrlft der D. M. G. Bd. LXIU. 26
3 0«
400 Anzeigen,
Die Kreuzfahrer haben den heiligen Fels, den inzwischen der Felsen¬
dom 'Abd el-Melik's umschloß , mit weißen Marmorfliesen bedeckt
und in der Mitte eine Miniaturkirche , ein Tempietto , d. h. einen
überdachten, auf Säulen ruhenden Altarbaldachin errichtet (96).
5 Einen noch kleineren Baldachin setzten sie über die sogenannte
Fußspur des Propheten, jetzt als Fußspur Christi umgedeutet und
einst heilige Löcher an der Südwest-Ecke des heiligen Felsens be¬
deutend. Nur geringfügige Stücke des Felsens wurden von den
Kreuzfahrern abgehauen (93). Keinesfalls aber wurden von den
10 Kreuzfahrern zur Herstellung ihres Altars Stufen in den heiligen
Fels gehauen, wie noch in der 6. Auflage von Baedekers Palästina
zu lesen ist.
Als das "Wertvolle der 1. Abhandlung möchte ich dreierlei
bezeichnen: 1. es wird zum ersten Male Ernst gemacht, die wirk-
15 liehen Größenverhältnisse und die äußere Beschaffenheit des heiligen Felsen für die Rekonstruktion der auf ihm einst befindlichen Altäre
und deren Zubehör zu benutzen. Wie dürftig sind in dieser Hin¬
sicht die diesbetreffenden Angaben in Benzinger's sonst schätzens¬
werter Hebr. Archäologie, 2. Aufl., 1907! 2. Es wird mit Recht
20 stark betont , daß 2 Chr. 4, 1 zur Bestimmung des Umfangs des
salomonischen Altars nicht verwendbar ist. 3. und das ist viel¬
leicht das Hauptverdienst, räumt K. mit der Behauptung auf, daß
die Kreuzfahrer den heiligen Fels stark beschädigt haben — denn
wenn dem so wäre, wäre jede genauere Geschichte der Altäre auf
25 dem heiligen Felsen unmöglich gemacht. K. prüft die vrichtigsten
arabischen Quellenzeugnisse, besonders das 'Jmäd ed-Dln's (f 1201).
August Fischer hat dem Herausgeber bei der Übersetzung der
arabischen Texte wesentliche Hilfe geleistet (86).
In dem 2. Abschnitt ,Über den primitiven Felsaltar und seine
80 Gottheit' geht Kittel von der Gideon-Geschichte, Rieht. 6, 11—24,
aus. Sie ist eine Kultlegende. Seit Gideon — ist der Sinn —
stellt man der Gottheit nicht mehr auf dem IIS, dem Eßtisch oder
der Schüssel Gaben hin , z. B. gesottnes Fleisch und Mazzen und
gießt die Brühe dazu aus, sondern man schlachtet der Gottheit das
36 Opfer am Altar und weiht es ihr in der Altarflamme. Die Opfer
werden also nicht mehr sinnlich zugeführt ("i'-Ä"), sondern ver¬
brannt. In dieser Gideongeschichte bekundet sich das Übergewicht
der israelitischen Gottesidee über die kanaanitische. Für den
Israeliten wohnt die Gottheit nicht mehr im Baum, im Stein oder
40 unter der Erde in der Höhle, sondern sie gehört in das himm¬
lische Luftreich (108). Denn eine Gottheit, der man „das Blut
auf die Erde oder auf einen Stein gegossen hat, ist als in der
Erde oder im Stein wohnend gedacht" (116). Mag darum auch
gelegentlich, wie das Beispiel Saul's, 1 Sam. 14, 34, zeigt, das Blut
46 als Opfer für Jahwe zur Erde gegossen und Jahwe selbst damit
in die Reihe der Erdgeister gerückt werden (116): im Ganzen ist
dieser Opferbrauch in Israel zur Zeit Saul's bereits obsolet. Immer-
Beer: Kittel, StvAien z. hebr. Archäologie u. Religionsgeschichte. 401
hin lehrt aber die auch spUter noch beim Opfer erhaltene Blut¬
manipulation, daß in dem Kult Israel's ein altes Stück an der Erde
haftenden Gottesglaubens fortlebt, mag er nun ursprünglicher
israelitischer Glaube, d. h. Glaube der Nomadenzeit, oder ein Ein¬
dringling Seit der Besiedlung des Kulturlandes, oder beides zu- 5
gleich sein.
Auf einen vergeistigten Gottesglauben, ähnlich den der Gideon¬
geschichte, führt auch die Manoah- und die Jakoblegende, Rieht. 13,
2—23 und Gen. 28 u. 35. Auch Rieht. 13 gipfelt in der Zurück¬
weisung des Tischopfers und in der Annahme des Brandopfers. 10
Für den jetzigen Genesiserzähler ist der Stein, auf dem vorher
Jakob die nächtliche Vision von der Himmelsleiter hat, keine
eigentliche Gottesbehausung, kein vrirkliches Bethel — obwohl er
ihn so nenntsondern ein Denkstein. Der Ölguß ist kein Trank¬
opfer mehr, sondern nur Weiheguß. Die naivere ältere Auffassung 15
blickt aber noch deutlich. Gen. 28, 22 u. besonders 35,7, durch.
Den vorisraelitischen Opfern in Kanaan entspricht der Fels,
der Baum, der Brunnen usw. als Opferstätte. Hier wohnt das
Numen und hier nimmt es die Gaben entgegen. Die heute noch
in Palästina an alten Opfertischen, Altären, Mazzeben u. dgl. be- 20
merkbaren sogenannten Napflöcher dienten einst kultischem Zweck.
Sie vermittelten die Blut-, öl- und Wasseropfer an die irdischen
oder unterirdischen Geister (118—146). Älteste Spuren von Feuer¬
opfern nnd dazu gehörenden Brandaltären sind jetzt durch die Aus¬
grabungen von Megiddo gegeben. Solche Spuren begegnen aber 25
erst in der jüngsten kanaanitischen Schicht von 1500 an abwärts.
Für K. stellt sich die Entwicklung des israelitischen Altars
so dar : Erd- oder Pelsentisch ^) — künstlicher Aufbau — auf den
Naturfels aufgestellter Stein und Erzaufsätze — Quaderbauten mit
Stufenaufgängen oder in den Fels gemeißelte Altäre. Der Erd- so
oder Felsentisch ist schon vorisraelitischer Brauch. Er wird von
den Israeliten übernommen, weicht aber früh den Aufbauten.
Einzelne Ausführungen K.'s in diesem, wie schon gesagt, wich¬
tigsten Abschnitt sind nicht neu. So habe ich z.. B. selbst nach
dem Vorgang von Volz, ZATW., 1901, S. 98, in meiner Abband- ss
lung „Der biblische Hades' (Theolog. Abhandlungen, Holtzmann-Fest-
schrift, 1902, S. 10) betont, daß beim Kult zur Erde gegoßnes
Blut ein Trankopfer an irdische oder unterirdische Gottheiten be¬
deute. Ebenda habe ich auch die Verwandtschaft Jahwe's mit
irdischen , aber auch mit überirdischen Geistern hervorgehoben. 40
Daß speziell durch Brandopfer ein Weilen der Gottheit im über¬
irdischen Luftraum vorausgesetzt werde, haben Smith (Religion
1) Nach Greßmann, Die Ausgrabungen in Palästina und das Alte
Testament (Religionsgesch. Volksbücher, III, 10) 1908, S, 27 hat sich „der Altar allmählich aus dem Untersatz oder dem Vorsatz fur die Masseben ent¬
wickelt'. Den heiligen Naturfelsen als eine primitive Vorstufe des Altars scheint er zu Ubersehen.
26*
402 Ameigen;
der Semiten^ 1899, S. 81) und Stade (Alt. Theol., 1905, S. 84.
159) erkannt. Daß die erkennbare älteste Stufe der semitischen
Religion der Glaube an irdische Dämonen ist, haben u. a. Smith
a. a. 0., S. 95 und Wellhausen (Reste arab. Heidentums^ 1897,
6 S. 212) ausgeisprochen. .
Sehe ich recht, so hat aber K. 1. das Verdienst, die Gideon-
und Manoabgeschichte des Richterbuches und ihre Bedeutung für
die Geschichte des israelitischen Opfers in das rechte Licht gestellt
zu haben. Beide Mal ist das Thema die Abweisung des Tischopfers
10 zu Gunsten des Brandopfers. Ri. 6 u. 13 sind kultische Tendenz¬
legenden wie Gen. 22, ein Kapitel, in dem bekanntlich das Menschen¬
opfer zu Gunsten des Tieropfers verworfen wird. 2. Eng damit
verbunden ist die Erkenntnis, daß das spezifisch isi^aelitische Opfer
das Brandopfer und dementsprechend der Brandopferaltar der
16 eigentlich israelitische' Altar ist. • Auch das ist neu und vor allem
überzeugend. Neu ist auch die Begründung. K. gibt sie doppelt.
Der genuin israelitische Gott oder der Jahwe des Mose ist ein
Gt)tt des Feuers, des'Gewitters und des himmlischeh Luftbereichs.
Zn einem solchen Wesen paßt nur das Brandopfer. Die wenigen
20 bisher durch die palästinensischen Ausgrabungen zu Tage getretenen
Andeutungen von Brandopfern und -Altären aus vorisraelitischer
Zeit sprechen eben dafür, daß das Brandopfer wesentlich israelitischer
Brauch wurde: ganz im Einklang mitRi. G u. 13. 3. K. stellt als
Erster den mykenischen oder altachäischen ^) Einfluß an einem be-
*5 stimmten wichtigen : Punkt in die Geschichte der israelitischen
Religion ein. Es betrifft eben das Brandopfer und die damit ver¬
knüpfte Gottesidee. Das Feueropfer kennt zwar schon der frühe
babylonische Kult, ebenso den Himmelsgott. Es mag sein , daß
schon in alter Zeit babylonischer Astralkult veredelnd und um¬
so gestaltend auf den kanaanitischen Kult der unterirdischen und
irdischen Lokalnumina gewirkt hat. Weit kräftiger hat dann aber
der mykenische Kult des himmlischen Zeus den kanaanitischen Kult
des Ba'al , des Gottes des Fruchtlandes , beeinflußt und so dem
Jahwismus Vorgearbeitet. Bindeglied ist Kreta, dessen Kulturein-
86 flüß auf Palastina, näch den Ausgrabungen in Palästina zu schließen,
etwa seit 1500 zu spüren ist. Die Funde in Kreta selbst zeigen nur
Brandaltäre, dem des salomonischen Tempels entsprechend. Die in
Kreta entdeckten, aber dort noch immer unerklärten ,Weihehörner*
auf den Altären sind die Vorbilder für die von der Zeit David's
40 bekannten israelitischen Altarhörner geworden (157) ^). Der mit
den Israeliten in Kanaan einwandernde Jahwismus erhält an dein
1) Greßmann, a. a. O., S. 6, scheidet seltsamerweise den mykenischen Ein- üufi auf die israelit. Religionsgeschichte aus.
2) Greßmann, S. 28, vertritt für die Deutung der braelitischen Altarhörner die Einschruinpfungstheorie ; die „Horner" sind ihm „die zum Ornament herab¬
gesunkenen, ursprünglich auf den Altar gestellten Hassehen'. Autorität fur diese Auffassung ist ihm der Kieler kircbengeschichtlicbe Professor Eichhorn.
Beer: Kittel, Studien z. hebr. Archäologie u. Religionsgeschichte. 403
von Kreta her importierten Brandopferdienst eine dem Wesen
Jahwe's entsprechende Stütze, die für den Fortschritt der israeli¬
tischen Religion bedeutungsvoll wurde. Das sind verheißungsvolle Anfange zu einer neuen Betrachtung der altisraelitischen Geschichte.
Sie gehören in das Kapitel : Indogermanen und Semiten ! Man redet 5
soviel von der Bedeutung des Semitentums für die europäische
Kulturwelt. Es läßt sich auch manches für das umgekehrte Ver¬
hältnis anführen! Das muß u. a. ein Blick auf die mykenische
Kultur lehren, die K. mit Recht für die altisraelitische Geschichte
herbeigezogen hat. lo
K. hält die Masseben für einen künstlichen Ersatz des Opfer¬
steines (129). Da der Opferstein eine Gottesbehausung, ein Bethel
ist, ist demnach die Massebe nichts anderes als ein Bethel. Ähnlich
urteilt Graf Baudissin i^). Aber hat die Gestalt der Masseben
gar keine Bedeutung? K. fährt dann fort: „Mit dem Aufkommen 15
des selbständigen Altars wird die Massebe mehr und mehr ... Symbol
der Gottheit selber'. Vielleicht ist aber dies das Ursprünglichere:
Massebe und Numen sind identisch. M. E. sollten die Masseben
einmal mit den Hermen und Obelisken zusammen untersucht werden.
Ich fürchte freilich, daß bei unseren klassischen Archäologen und unseren 20
Ägyptologen das Hermen- und Obeliskenproblem trotz reichlichem
Tinteguß auch noch nicht ganz gelöst ist! Die Napflöcher dienten
gewiß Libationszwecken. Daß aber auch die an der Seite einzelner
heiligen Steine befindlichen Napflöcher den gleichen Zweck hatten
(127), Ifeuchtet nicht ein. Nach mündlicher Aussprache scheint K. 25
jetzt mehr an eine symbolische Beziehung der seitlichen Napflöcher
zu denken. Sie sind der Gottheit zu Ehren gestiftet, ohne eigent¬
lich benutzt zu werden ^). Das läßt sich eher hören.
Der 3. Aufsatz ist ein Wiederabdruck eines von K. veröffentlichten
Leipziger Universitätsprogramms und dient dem Nachweis , daß 30
der beim sogenannten Hiobsbrunnen stehende Stein „mit hoher Wahr¬
scheinlichkeit' als der Schlangenstein, 1 Kön. 1, 9, zu gelten hat s).
Endlich der letzte Aufsatz beschäftigt sich mit den Kessel¬
wagen des salomonischen Tempels. Zum Verständnis des sie be¬
treffenden schwierigen Textes, 1 Kön. 7, 27—39, und zur Rekon- 35
struktion der fraglichen Geräte zieht K. herbei: 1. das Kunstwerk
des Glaukus (aus dem ausgehenden 7. Jahrh v. Chr.), 2. die Fund¬
stücke von Kreta (aus dem Anfang des 1. Jahrtausend, spätestens
aus dem 8. Jahrh. v. Chr.), 3. die cyprischen Kultusgeräte, nämlich
den Fahrstuhl von Larnaka und den Fahrstuhl von Enkomi (Sala- 40
mis), beides Bronze-Funde aus Gräbern der letzten Zeit der myke-
1) Realencyklop. f. prot. Theol. u. Kirche' XII, 136. Benzinger, Hebr.
Archäologie', 1907, S. 315 u. Orefimann, S. 26, deuten die Masseben als Miniaturberge. Anders letzterer ZATW. 29, 124.
2) Ahnlich läßt GreBmann, S. 25, manche Napflöcher einem GelUbde ihr Dasein verdanken.
3) Vgl. ZDMG., 62, S. 176.
404 Anzeigen.
nischen Kultur ünd bereits von Stade, ZATW., 1901, S. 152 ff., bei
einer erneuten Untersuchung des Textes, 1 Kön. 7, 27 ff., verwendet.
Das Besondere und Beachtenswerte an der Kittel'schen Nach-
prnftmg des Textes, IKön. 7, 27ff., scheint mir darin zu liegen,
6 daß ihm gelingt, die Gleichung riaow „wagrecbte Schlußleisten*
nnd D'^abio „senkrechte und schräge Zwischenstäbe' plausibel zu
machen. Zeuge für die „schrägen' Sprossen sind ihm die kretischen
Funde. Für das Ganze vergleiche man die von K. S. 237 im Bilde
gebotene Rekonstruktion der salomonischen Kesselwagen mit der
10 von Stade a. a. 0., S. 167. Nach K.'s eindringender Darstellung
wird niemand mehr zweifeln, daß die Fahrstühle beim salomonischen
Tempel kultische Symbole sind. Er wird auch Recht haben, wenn
er sie für Symbole der regenspendenden Gottheit hält (242). Der
ganze letzte Abschnitt war für den noch lebenden Stade berechnet.
15 St. vrärde sich gefreut haben über die .sachliche Vornehmheit der
Diskussion !
Möge die gediegene Leistung K.'s ein Vorbild für die weiteren
Beiträge zu der neuen alttestamentlichen Zeitschrift sein ^) ! G. Beer.
»0 Acta Ma rtyrum. Edidit [et] Interpretatus est Franciscus
Maria Esteves Pereira. I. {Corpus scriptorum christ.
Orient. — Scriptores aethiopici. Series altera — Tomus
XXVIII.) Parisiis: C. Poussielgue, Lipsiaei 0. Harrasso¬
witz. MDCCCCVIL 276 S. u. 251 S. Mk. 20,80.
»5 Enthält die Geschichte der antiochenischen Märtyrer unter
Diocletian. Den Wert dieser Literaturgattung zu beurteilen, bin
ich nicht in der Lage ; er scheint von A. Gu6rinot im Journ. asiat.
Sept. — Oct. 1908, S. 293 ff. ziemlich hoch veranschlagt zu werden,
nnd anf manches einschlägliche Buch weist ja auch Pereira hin.
so Und 80 mag es vielleicht auch der Mühe wert sein, einige wenige
Worte an die äthiopische Übersetzung dieser Märtyrergeschichten zu
knüpfen. Aus ihnen wird hervorgehen, daß wer Interesse an dieser
Literatnrgattnng nehmen sollte, dasselbe auch an der äthiopischen
Übersetzung noch reichlich betätigen kann.
85 Denn die Herstellung des äthiopischen Textes mit allen ver¬
fügbaren Mitteln zn unternehmen , hätte die Kräfte eines, noch
1) Druckfehler. S. 27, Anm. 1. Die 6. Auflage von Baedeker, Palästina, stammt nicht von 1896, sondern von 1904. S. 52, Z. 3 v. o. ergänze ,er' vor Jahwe. S. 104, Anm. sind die Worte (CibEttt nilD^b umzustellen. S. 106, Z. 4 T. n. lies Esr. 3, 3 statt 3, 2. S. 109, Anm. 1 lies Lev. 3, 2 statt 2, 3. Der Satz S. 153, Z. 9 v. o. wird mir nur verständlich, wenn.itatt „sehr wahr¬
scheinlich' „wenig wahrscheinlich' gelesen wird.
Praetorius: Pereira, Acta Martyrum. 405
dazu vielbeschäftigten Gelehrten , dem wir bereits sehr viel auf
äthiopischem Gebiet verdanken, wohl allzusehr in Anspruch ge¬
nommen. So ist das erste, bei weitem umfangreichste Stück, das
Martyrium des Basilides (Fäsiladas) nur nach einer von 7 bekannten
Handschriften herausgegeben. Auch der arabische Text, aus dem s
der äthiopische geflossen, ist nicht zu Rate gezogen. Also genug
Gelegenheit , sowohl den vorliegenden äthiopischen Text , wie die
lateinische Übersetzung nachzuprüfen und ersteren auf sein Ver¬
hältnis zur arabischen Vorlage zu untersuchen ! Wenn wir z. B.
auf S.6, ZI. 24 lesen: (D/.flP- l \^^CF> ; CiHXJ^i l HLAlh, >o
was Pereira übersetzt: ,et fecit eum praepositum pro se ipso", so
vermute ich, daß hier bereits eine inneräthiopische Verderbnis vor-
liegt für (DZ.tlP' : l«PÖ^ : : HLAlh; falls nicht
etwa schon der äthiopische Übersetzer sich seine unverstandene
arabische Vorlage anf diese Weise verständlich zu machen gesucht i5
hat. Denn ich nehme an, daß im arabischen Text gestanden hat:
«. V »J*>5 »löd er machte ihn zu seinem Thronfolger".
Wenn ferner S. 14, ZI. 19 (D'Oi '. OFiZ. übersetzt wird „et
erat orphanus", so ist das nach unserer bisherigen Kenntnis schwer-
lieb zulässig. Wie der Text herzustellen, weiß ich nicht; aber die so
Heranziehung weiterer äthiopischer Handschriften nnd der arabischen
Vorlage dürfte Aufschluß geben, wie dieses ÖflC (das in der
Parallelstelle S. 133, ZI. 34 fehlt) zu beurteilen ist. Unverständlich
im Zusammenhange der Erzählung sind mir auch die Worte S. 37,
ZI 29: (DjifiA' : hcno : {7C : AP-hß^h : rt- : 25
(^^Z, " »et is ter dicet (?) Justo: „Audi eins verba" *. Dies
könnte noch viel weiter ausgeführt werden. — Auch bei der Heraus¬
gabe des angehängten Gedichtes (Effigies Basilidis) ist von acht
bekannten Handschriften nur eine benutzt worden. Ob wohl noch
mehr Handschriften die Formen Str. 1 A„JBf^CI/^ „damit mich so
nicht besiege", Str. 8 ^^YlO» „ich gieße aus' bestätigen würden?
Und ob der 3. Vers von Str. 3 wirklich so in Ordnung ist, wie
Pereira ihn herausgegeben und übersetzt hat? Nur die Überein¬
stimmung mehrerer Handschriften und die Unmöglichkeit einer an¬
nehmbaren Konjektur (OrtlC^E für ^W??) könnte mich be- 35
stimmen, an der verrenkten Lesung dieser Handschrift festzuhalten
(4.iXAJ?fi : v"Oar : nc^ : au : hp^n : A'Ji
J\,/\. '. 't'.^A „Basilides; ave! nomen tuum omatum est sicut
406 Anzeigen.
corona deliciarum'). — Aber nicht bei allen Stücken dieser Samm¬
lung ist das noch vorhandene, benutzbare Material so zahlreich wie
hier; und von einigen Stücken ist bisher nur die eine, von Pereira
benutzte Handschrift bekannt.
5 Ich hebe noch aus dem dritten Stück, dem Martyrium des
Theodor Anatolius, ein paar Kleinigkeiten heraus. -Der Märtyrer
heißt hier fl 5"^^ A>jDfl, also noch mit dem koptischen Artikel,
während ihn die beiden früheren Stücke P^V^^^E bezw.
1*1^^^ nennen. Von den zwei bekannten Handschriften hat der
10 Herausgeber eine benutzt. Daß der äthiopische Text aus einem
arabischen geflossen, dürfte Herausgeber mit Recht behaupten. In¬
zwischen ist, wie ich der erwähnten Rezension A. Gu6rinot's ent¬
nehme, die koptische Übersetzung dieser Märtyrergeschichte er¬
schienen. Vielleicht wird es diese Übersetzung bestätigen, wenn
15 ich an Stelle des sehr bedenklichen (DUAtD'JD S. 125, 31 ,et
adstiterunt ei' ziemlich zuversichtlich vorschlage (DAfhQX*jD
,und sie betrauerten ihn'; ebenso lese ich für das unmögliche
J'A-llJDÖ^ S. 126, 27 ,et illi edocebant eos": J'A'Ohpö^
,und sie bekleideten sie'. Eigentümlich ist in diesem Stück S. 133,
«0 25 u. 138, 23 der Gebrauch von im Sinne von „Truppen' :
Ah-i ^n>i'n[' : b/, : •nn-'i : (Dcr^fiWn- : T^n-^
"l^A^l^^ »ich versammelte zahlreiche Truppen und kam, euch
zu bekämpfen'. 'hh(^ I AAP H.BI^'ÖC : ^'il^'T l
(D'il'fiZ. : H'h'inA.ih S. 140, 5 „quia non est qui con-
*5 stituat (?) regnum et honorem absque eo'. Dachte Übersetzer
etwa an H^EIUCÖ?
Etwa die größere Hälfte des Werkes habe ich durchgelesen
nnd könnte noch manche textkritische Bemerkung hinzufügen. Und
auf manche fernere mir nicht beantwortbare Frage würde ich in
so einem kritischen Apparat und einer kritischen Bearbeitung gern
Antwort suchen. vir. t>-o„Praetorius.+ «-;„o
4ü7
Kleine Mitteilungen.
Berichtigungen zu Bacher, Jüdisch-Persisches
aus Buchärä, ZDMG. 55, S. 256. — u^-^^J ist Schreibfehler für
^J^SJi Köcher. Zwei im Hebräischen bewanderte Tehemner Juden
übersetzten nnnb 1 Sam. 17, 7 mit „Flamme", was es ja eigentlich
bedeutet, und konnten nicht recht begreifen, was die Flamme einer 5
Lanze sein könnte. Ich denke, daß der jüdisch-persische Dichter
ebenso wie meine beiden Freunde hier das Wort nicht recht ver¬
stand und dafür Köcher setzte.
Ein von jUJ herkommendes Verb ^ys»Uj existiert nicht! Jenes
rinbN732 ist vielmehr als xÄi>!y aufzufassen, also als Partizip von lo
jy3-!jj , (Musik) spielen , (Trommel) schlagen , usw. Zwei Belege,
die ich gerade bei der Hand habe, sind: müsiq-i saläm newähteh
Sud, die Saläm-Musik (Hymne) wurde gespielt (Teheraner Zeitung
Iran, September 26, 1898); küs newähteh, Trommel geschlagen
(Oskar Mann's Ba'd Nädirljeb, S. 1, Z. 17—18). i5
nnbt<73: ninN'i ist aufzufassen als jjci-ljj Darljeh
ist populäre Aussprache von däjireh , ein Tamburin (1 Sam. 18,6).
^yi-*^ ist ,in dieser Weise", „so"; also hamln für
Sud = so geschah es.
In dem Satze „ßigirift Däüdrä murd'^ lese ich für 20
vJijÄi vJLäj, was wahrscheinlich für ^..^.aj „ohne Zweifel" steht;
der Satz würde dann sein: „er fing den David, und um über (seine)
Absicht ohne Zweifel (sicher) zu sein, warf er ihn gebunden unter
eine Olivenölpresse, wo er unter Marterqualen starb".
A. Houtum Schindler.