• Keine Ergebnisse gefunden

OPUS 4 | Überzeugungen angehender Lehrkräfte zu sprachlich-kultureller Heterogenität in Schule und Unterricht : theoretische Struktur, empirische Operationalisierung und Untersuchung der Veränderbarkeit

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2021

Aktie "OPUS 4 | Überzeugungen angehender Lehrkräfte zu sprachlich-kultureller Heterogenität in Schule und Unterricht : theoretische Struktur, empirische Operationalisierung und Untersuchung der Veränderbarkeit"

Copied!
52
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Überzeugungen angehender Lehrkräfte zu sprachlich-kultureller

Heterogenität in Schule und Unterricht

Theoretische Struktur, empirische Operationalisierung und

Untersuchung der Veränderbarkeit

Von der Fakultät Bildung

der Leuphana Universität Lüneburg zur Erlangung des Grades

Doktorin der Philosophie - Dr. phil. -

genehmigte Dissertation von

Nele Fischer

geboren am 10. Mai 1990 in Kiel

(2)

Eingereicht am: 25.01.2019

Mündliche Verteidigung (Disputation) am 15.08.2019 Betreuer und Erstgutachter: Prof. Dr. Timo Ehmke Zweigutachter: Prof. Dr. Michael Besser Drittgutachterin: Prof. Dr. Julia Ricart Brede

Die einzelnen Beiträge des kumulativen Dissertationsvorhabens sind oder werden ggf. inkl. des Rahmenpapiers wie folgt veröffentlicht:

Fischer, N. (2018). Professionelle Überzeugungen von Lehrkräften – vom allgemeinen Kon-strukt zum speziellen Fall von sprachlich-kultureller Heterogenität in Schule und Un-terricht. Psychologie in Erziehung und Unterricht, 65(1), 35-51.

https://doi.org/10.2378/peu2018.art02d

Fischer, N. & Ehmke, T. (2019). Empirische Erfassung eines „messy constructs“: Überzeu-gungen angehender Lehrkräfte zu sprachlich-kultureller Heterogenität in Schule und Unterricht. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 22(2), 411-433.

https://doi.org/10.1007/s11618-018-0859-2

Fischer, N., & Lahmann, C. (2020). Pre-Service Teachers’ Beliefs about Multilingualism in School: An Evaluation of a Course Concept for Introducing Linguistically Responsive Teaching. Language Awareness. Online Vorveröffentlichung.

https://doi.org/10.1080/09658416.2020.1737706

Die im Rahmen des Dissertationsvorhabens entwickelten Skalen sind wie folgt veröffentlicht: Fischer, N. (2020). Skalendokumentation: Sprachlich-kulturelle Heterogenität in Schule und

Unterricht. In: Forschungsdatenzentrum Bildung, Frankfurt am Main: Deutsches Insti-tut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF).

https://doi.org/10.7477/395:246:1 Veröffentlichungsjahr: 2020

(3)

Danksagung

Für die umfangreiche Unterstützung und verlässliche Begleitung meines Promotionsprojektes sowie die Ermöglichung zahlreicher Tagungs- und Forschungsreisen möchte ich meinem Be-treuer und Erstgutachter Timo Ehmke danken. Ebenfalls möchte ich meinen GutachterInnen Michael Besser und Julia Ricart Brede danken, die mich seit Beginn der Promotionsphase begleitet und in meiner Arbeit fortwährend unterstützt haben.

An dieser Stelle sei auch meinen KollegInnen und Freunden von der Leuphana Universität Lüneburg gedankt. Aus dem Institut für Bildungswissenschaft sind hier vor allem Svenja Hammer, die mich zur Promotion ermutigt hat, Denise Depping, die immer ein offenes Ohr hatte, und Marcus Pietsch, der immer eine Antwort auf schwierige Fragen wusste, zu nennen. Auch den besonderen Menschen aus dem Zukunftszentrum Lehrerbildung gilt mein Dank - Bianka Troll, Robin Straub, Sonja Rosenthal und Alina Hase. Ein herzlicher Dank gilt Timo Beckmann und Milena Peperkorn, deren Freundschaft mich immer getragen und so manche Krise durch das gemeinsame Leiden und Lachen erträglich gemacht hat. Schön, dass ihr an meiner Seite seid!

Im Laufe der Promotionszeit wurde ich von verschiedenen Seiten gefördert und möchte an dieser Stelle besonderen Dank an das ProViae Mentoringprogramm für Nachwuchswissen-schaftlerinnen an der Leuphana Universität Lüneburg aussprechen. Das während der Pro-grammphase entstandene Erfolgsteam, bestehend aus Sybille Hüfner, Cathleen Strunz und Birte Manke, war und ist eine große Unterstützung für meine berufliche und persönliche Ent-wicklung.

Auch der Mercator Nachwuchsakademie für sprachliche Bildung und dem Nachwuchsförder-fond der Leuphana Graduate School möchte ich für die Förderung des wissenschaftlichen Austausches und die finanzielle Unterstützung danken.

Mein ganz persönlicher Dank gilt meinen Freundinnen Jennifer Plath und Nadine Wisotzki, ohne die meine Promotionszeit nicht dieselbe gewesen wäre. Ich freue mich auf die „promoti-onsfreien Jahre“ mit Euch! Außerdem danke ich meinen Eltern Heidrun und Armin Fischer, meiner Schwester Jule Fischer, und dem Rest meiner großartigen Familie für den Rückhalt, auf den ich mich jederzeit verlassen konnte. Meinem Partner Nis-Oke Andresen und seiner Familie danke ich ebenso für die liebevolle Unterstützung.

(4)

Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung und Summary………...……….. 1

1 Einleitung…..………...……… 2

2 Theoretischer Rahmen und Verortung der Dissertation………...…… 3

2.1 Sprachlich-kulturelle Heterogenität als Chance und Herausforderung für (ange-hende) Lehrkräfte………..…… 4

2.1.1 Begriffsabgrenzung: Sprachlich-kulturelle Heterogenität……...……...… 5

2.1.2 Konzepte für sprachlich-kulturelle Heterogenität in Schule und Unterricht 8 2.2 Professionelle Überzeugungen von Lehrkräften………..…. 11

2.2.1 Einführung: Überzeugungen als Bestandteil professioneller Kompetenz von Lehrkräften………...……….. 11

2.2.2 Überzeugungen im Überblick………...……...…………...….. 12

2.3 Überzeugungen im Spezifischen: Professionelle Überzeugungen von Lehrkräften zu sprachlich-kultureller Heterogenität……….………...…...…….. 18

3 Forschungsdesiderate zu den professionellen Überzeugungen von Lehrkräf-ten im Allgemeinen und im Spezifischen………..………… 20

4 Beiträge der Dissertation……….... 22

4.1 Artikel 1: Theoretisches Modell zu den professionellen Überzeugungen von Lehrkräften (Fischer, 2018)……….…….……… 24

4.2 Artikel 2: Instrument zur empirischen Erfassung von Überzeugungen hinsichtlich sprachlich-kultureller Heterogenität (Fischer & Ehmke, 2019)…...……..……...… 25

4.3 Artikel 3: Untersuchung der Veränderbarkeit von Überzeugungen hinsichtlich sprachlich-kultureller Heterogenität (Fischer & Lahmann, 2020)... 26

5 Zusammenfassung und Diskussion………...…….... 27

5.1 Diskussion der übergeordneten Forschungsfrage des Rahmenpapiers………...… 28

5.2 Wissenschaftlicher Beitrag der Arbeit………....………..….... 31

5.3 Grenzen der Dissertation………... 33

5.4 Empfehlungen für die Forschung………...………... 35

5.5 Empfehlungen für die Lehrkräftebildung………...……….…. 37

6 Literatur………...…. 39

7 Artikel 1……….………... 46

8 Artikel 2………....………... 47

(5)

Zusammenfassung

Überzeugungen gelten als eines der bedeutsamsten Konstrukte der empirischen Bildungsforschung (Fenstermacher, 1979) und als grundlegender Bestandteil der professionellen Kompetenz von Lehr-kräften (Baumert & Kunter, 2006). Professionelle Kompetenz wird derzeit vor allem vor dem Hinter-grund aktueller Herausforderungen der Lehrkräftebildung diskutiert, zu denen unter anderem der Um-gang mit sprachlich-kultureller Heterogenität zählt (Koch-Priewe & Krüger-Potratz, 2016). Die vor-liegende kumulative Dissertation untersucht die Überzeugungen angehender Lehrkräfte hinsichtlich sprachlich-kultureller Heterogenität in Schule und Unterricht anhand der folgenden Forschungsanlie-gen, die in jeweils einer Publikation umgesetzt wurden:

1. Ableitung eines theoretischen Modells zu den professionellen Überzeugungen von Lehrkräften hinsichtlich sprachlich-kultureller Heterogenität (Fischer, 2018)

2. Entwicklung eines Instruments zur empirischen Erfassung der professionellen Überzeugungen angehender Lehrkräfte zu sprachlich-kultureller Heterogenität (Fischer & Ehmke, 2019)

3. Untersuchung der Veränderbarkeit von professionellen Überzeugungen angehender Lehrkräfte zu sprachlich-kultureller Heterogenität (Fischer & Lahmann, 2020)

Das sich nun anschließende Rahmenpapier bettet die Publikationen in einen übergeordneten theoreti-schen Kontext ein und diskutiert übergreifend die Frage, welche Beiträge die theoretische Konzeptua-lisierung und empirische Erfassung des Konstrukts der Überzeugungen hinsichtlich sprachlich-kultureller Heterogenität für die Lehrkräftebildung leisten können. Das Rahmenpapier schließt mit Empfehlungen für Forschung und Lehrkräftebildung.

Summary

Beliefs are regarded as one of the most important constructs of empirical educational research (Fen-stermacher, 1979) and as a fundamental component of the teachers’ professional competence (Baumert & Kunter, 2006). Professional competence is currently being discussed primarily against the back-ground of ongoing challenges in teacher training, which include dealing with linguistic and cultural heterogeneity (Koch-Priewe & Krüger-Potratz, 2016). This cumulative dissertation examines the be-liefs of pre-service teachers about linguistic and cultural heterogeneity in school and teaching based on the following research concerns, which have each been realized in a publication:

1. Deduction of a theoretical model regarding teachers’ professional beliefs about linguistic-cultural heterogeneity (Fischer, 2018)

2. Development of an instrument to empirically assess pre-service teachers’ beliefs about linguis-tic-cultural heterogeneity (Fischer & Ehmke, 2019)

3. Investigation of changeability of pre-service teachers’ beliefs about linguistic-cultural hetero-geneity (Fischer & Lahmann, 2020)

The framework paper that now follows embeds the publications in an overarching theoretical context and discusses the overall question of what contributions the theoretical conceptualisation and empiri-cal measuring of the construct of beliefs about linguistic and cultural heterogeneity can make to teach-er training. The framework papteach-er concludes with recommendations for research and teachteach-er education.

(6)

1. Einleitung

„If the hesitancy of many researchers to study beliefs […] has been due to […] the concern that beliefs are ‘messy’ things, I suggest that the construct is less messy, far cleaner, and conceptually clearer than it may appear. When they are clearly conceptualized […] and when specific belief constructs are properly assessed and investigated, beliefs can be […] the single most important construct in educa-tional research.” (Pajares, 1992, S. 24)

Pajares (1992) fasst in einer der grundlegendsten Arbeiten zu den Überzeugungen von Lehr-kräften zusammen, was als Ausgangspunkt der vorliegenden Dissertation diente: Überzeu-gungen als „messy construct“ – durcheinander, unstrukturiert, unklar und dennoch das viel-leicht wichtigste Konstrukt der Bildungsforschung (s. a. Fenstermacher, 1979). Sie dienen als „Filter, Brillen oder Linsen“ (Trautwein, 2013, S. 4), um Handlungsentscheidungen zu er-leichtern (Sigel, 1985). Im Schulalltag, der von einer Vielzahl dieser Entscheidungen geprägt ist (Pajares, 1992; Trautwein, 2013), sind Überzeugungen für Lehrkräfte somit von zentraler Bedeutung. Umso relevanter scheint die theoretische Abbildung und die empirische Erfassung des Konstrukts, nicht nur um das Verhalten von Lehrkräften erklären zu können, sondern auch, da Überzeugungen als grundlegender Bestandteil professioneller Kompetenz angesehen werden (u. a. Baumert & Kunter, 2006). Doch wie Pajares (1992) hervorhebt, ist es essentiell, Überzeugungen klar zu konzeptualisieren und vor allem spezifische Konstrukte genau zu un-tersuchen. Beiden (Heraus-)Forderungen hat sich diese Arbeit angenommen; sie untersucht zum einen die Struktur der Überzeugungen von Lehrkräften im Allgemeinen und zum ande-ren das spezielle Konstrukt der Überzeugungen hinsichtlich sprachlich-kultureller Heterogeni-tät.

Kulturelle und sprachliche Heterogenität war und ist keine Ausnahme in Schule und Unter-richt, sondern der Regelfall (Stanat, Rauch & Segeritz, 2010; Gogolin, 1994). Die vorhandene Vielfalt ist Chance und Herausforderung zugleich und rückt daher zurzeit immer stärker in den Fokus der Bildungsforschung. Dennoch ist die Diskussion um Herausforderungen in die-sem Kontext häufig präsenter als jene, die sich mit den Chancen und Ressourcen befasst. An dieser Stelle ist die Lehrkräfteausbildung gefordert, Studierende aller Fächer auf das sprach-sensible Unterrichten vorzubereiten. In der Forschung wird nicht nur die Forderung nach der Vermittlung von Wissen zum sprachsensiblen Unterrichten laut (u. a. DaZKom Studie; Ehm-ke, Hammer, Köker, Ohm & Koch-Priewe, 2018), sondern auch der Bedarf nach der Reflexi-on vReflexi-on Überzeugungen, vor allem bereits in der ersten Phase der Lehrkräftebildung (u. a. Wischmeier, 2012; Fischer, Hammer & Ehmke, 2018; Ricart Brede, 2019a).

Inwiefern Überzeugungen stabil oder veränderlich sind, ist bisher nicht abschließend geklärt (Trautwein, 2013). Für die Lehrkräfteausbildung ist hierbei vor allem interessant, ob Über-zeugungen durch entsprechende Lerngelegenheiten beeinflusst werden können. Doch um

(7)

eventuelle Veränderungen messen zu können, muss die Untersuchung von Überzeugungen entsprechend der Aussage von Pajares (1992) zunächst klar konzeptualisiert werden. Auf die-ses Vorhaben konzentrierte sich die kumulative Dissertationsarbeit in einem ersten Schritt, aus dem ein theoretisches Modell zu den professionellen Überzeugungen von Lehrkräften hervorging (Fischer, 2018). Daraufhin wurden drei Skalen für die empirische Erfassung der Überzeugungen angehender Lehrkräfte zu sprachlich-kultureller Heterogenität entwickelt (Fischer & Ehmke, 2019). Außerdem wurde die Veränderbarkeit von Überzeugungen anhand einer Prä-Post-Messung untersucht (Fischer & Lahmann, 2020).

Das vorliegende Rahmenpapier soll einen theoretischen Rahmen für die Artikel der Disserta-tion schaffen. Vor dem Hintergrund einer übergeordneten Forschungsfrage werden der theore-tische Hintergrund, die methodische Vorgehensweise und die Ergebnisse der einzelnen Arti-kel diskutiert. Diese übergeordnete Forschungsfrage lautet:

Welche Beiträge können die theoretische Konzeptualisierung und die empirische Erfassung des Kon-strukts der Überzeugungen hinsichtlich sprachlich-kultureller Heterogenität für die Lehrkräfteausbil-dung leisten?

Zu diesem Zweck wird zuerst ein theoretischer Rahmen geschaffen, der die Dissertation in den Fachdiskurs einordnet (Kapitel 2). Das Kapitel schließt mit Forschungsdesideraten zu den professionellen Überzeugungen angehender Lehrkräfte im Allgemeinen und im Spezifischen und geht hierbei auch auf die Lehrkräfteausbildung ein. Ausgehend von den zuvor herausge-stellten Forschungslücken fasst das folgende Kapitel (3) die Beiträge der Dissertation zu die-sen zusammen. Die abschließende Zusammenfassung und Diskussion (Kapitel 4) bringt die Artikel noch einmal gezielt in einen Zusammenhang und diskutiert unter Bezugnahme auf den theoretischen Rahmen die übergeordnete Forschungsfrage. Das Rahmenpapier endet mit der Zusammenfassung des wissenschaftlichen Beitrags der Dissertation und gibt einen Ausblick für weitere Forschung sowie Empfehlungen für die Lehrkräftebildung.

2. Theoretischer Rahmen und Verortung der Dissertation

Die folgenden Ausführungen dienen dazu, der Dissertation zugrundeliegende Konzepte und Begrifflichkeiten theoretisch herzuleiten, um anhand dieser einen übergreifenden Forschungs-rahmen zu schaffen. Ein thematischer Einstieg zu sprachlich-kultureller Heterogenität eröffnet das Kapitel und leitet dann zu den professionellen Überzeugungen von Lehrkräften über. Aus dem aktuellen Forschungsstand werden dann Forschungsdesiderate abgeleitet, die im An-schluss die drei Artikel der kumulativen Dissertation verbinden.

(8)

2.1 Sprachlich-kulturelle Heterogenität als Chance und Herausforderung für (ange-hende) Lehrkräfte

Gogolin (1994) prägt bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten den Begriff des monolingualen Habitus‘ des deutschen Schulsystems. Sie fordert einen Perspektivwechsel, weg von dem, was sprachlich als ‚normal‘ angesehen wird, hin zu einer veränderten Sicht auf andere, ‚frem-de‘ Lebenspraktiken und Ausdrucksformen. Geschehe dies nicht, komme es zur Verschwen-dung wertvoller Ressourcen (Gogolin, 2001). Als monolingualen Habitus bezeichnet Gogolin (ebd.):

„die Überzeugung, dass Individuen und Staaten ‚normalerweise’ einsprachig seien. (…) Die hier zu Lande als legitim geltende Sprache ist das Deutsche, und ein Leben, das in der einen Sprache Deutsch geführt wird, gilt als das normale. Andere Sprachen, die auf deutschem Boden existieren, bekommen unter bestimmten Umständen und mit Einschränkungen Legitimität zuerkannt. (...) Aber persönliche Mehrsprachigkeit wird keineswegs unter allen Umständen gesellschaftlich anerkannt“ (S. 2).

Andere Sprachen bezeichnet Gogolin vor diesem Hintergrund als „illegitim“ und die Praxis, diese Sprachen im Alltag neben dem Deutschen und zusammen mit der deutschen Sprache zu gebrauchen, als „illegitimen Sprachgebrauch“ (S. 3). Ziel sollte es hingegen sein, vorhandene sprachliche Fähigkeiten aufzugreifen und anzuerkennen, diese zu fördern und somit sprachli-che Vielfalt als Reichtum anzusehen. Schließlich sind Sprasprachli-chen nicht nur identitätsstiftend für mehrsprachige Schülerinnen und Schüler, sondern auch eine Ressource, auf die bei jeglichem weiteren Sprachenlernen zurückgegriffen werden kann (vgl. Translanguaging-Ansatz, u. a. García & Wei, 2014).

Während Bender-Szymanski (2005) Gogolins Forderung unterstützt und die Zweisprachigkeit von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund als Bildungsressource erachtet, lassen sich in nahezu allen Schulleistungsstudien, in denen Lernende nicht deutscher Erst-sprache mit deutsch-muttersprachlichen Schülerinnen und Schülern verglichen werden, Leis-tungsdefizite erkennen (Lütke, 2011; OECD, 2018). Somit gibt es zwei Blickwinkel auf die sprachliche Vielfalt von Schülerinnen und Schülern – einen ressourcenorientierten und einen defizitorientierten.

Lange Zeit erhielt die Sprachbildung mehrsprachiger Lernender ausschließlich durch speziell ausgebildete Sprachförderlehrkräfte in größtenteils fachexternen Stunden zur Förderung der deutschen Sprache Beachtung (Koch-Priewe & Krüger-Potratz, 2016). Kritik an diesen For-maten bezog sich vor allem darauf, dass den Lernenden ihre sprachlichen Schwächen vor Au-gen geführt und ihre Zwei- oder Mehrsprachigkeit als Defizit vermittelt werden (Michalak, 2008). Von der Forschung wird derweilen gefordert, dass alle Lehrkräfte sprachsensibel un-terrichten sollen (u. a. Leisen, 2011), doch in der Praxis fühlen sich sowohl ausgebildete Lehrkräfte (Becker-Mrotzek, Hentschel, Hippmann & Linnemann, 2012; Lucas, Villegas &

(9)

Martin, 2015) als auch Lehramtsstudierende (Ricart Brede, 2019a) nicht ausreichend dafür qualifiziert. Die universitäre Vorbereitung von Lehramtsstudierenden auf den Umgang mit sprachlich-kultureller Heterogenität ist abhängig vom Bundesland und noch nicht an allen universitären Standorten verpflichtend. Eine Ressourcenorientierung in Hinblick auf sprachli-che Vielfalt ist allerdings praktisch nur dann möglich, wenn angehende Lehrkräfte angemes-sen auf das sprachangemes-sensible Unterrichten vorbereitet und bereits ausgebildete Lehrkräfte ent-sprechend fortgebildet werden. Ziel von Schule und Unterricht sowie der Aus- und Fortbil-dung von Lehrkräften sollte es sein, sprachliche Vielfalt als Bereicherung und nicht als Defi-zit zu vermitteln. Dies ist nicht nur in Hinblick auf Lernende mit Deutsch als Zweitsprache (DaZ) relevant, sondern auch für Schülerinnen und Schüler mit Deutsch als Erstsprache, die somit ebenfalls für sprachlich-kulturelle Heterogenität sensibilisiert werden und lernen, diese wertzuschätzen (Luchtenberg, 2009).

2.1.1 Begriffsabgrenzung: Sprachlich-kulturelle Heterogenität

Im aktuellen Fachdiskurs kommen verschiedene Begrifflichkeiten auf, die sich inhaltlich äh-neln, häufig synonym eingesetzt werden und somit einer Erklärung bedürfen, um das grund-sätzliche Verständnis für die vorliegende Arbeit festzuhalten. Die drei Begriffe, die hierbei am relevantesten erscheinen, sind (1) Deutsch als Zweitsprache1, (2) Mehrsprachigkeit und

(3) sprachlich-kulturelle Heterogenität und sollen im Folgenden für den schulischen Kontext zusammengefasst definiert und in Beziehung gesetzt werden.

Deutsch als Zweitsprache

In der Fachliteratur wird als Zweitsprache jene Sprache bezeichnet, die nach der Erstsprache erworben wird (Ahrenholz, 2008; Boysen, 2012). Deutsch ist also dann Zweitsprache (L2), wenn zuvor eine andere Sprache (Erstsprache, L1) erworben wurde. Dies ist allerdings nur der Fall, wenn ein Kind die deutsche Sprache nach dem dritten Lebensjahr erwirbt. Wenn die deutsche Sprache noch vor dem dritten Lebensjahr erworben wurde, handelt es sich um einen doppelten Erstspracherwerb oder auch um Bilingualismus (Ahrenholz, 2008). Zentral für den Erwerb von Deutsch als Zweitsprache ist, dass die Aneignungsprozesse in Lebenssituationen stattfinden, in denen die deutsche Sprache zentrales Kommunikationsmittel ist und der Er-werb im Wesentlichen durch die Kommunikation erfolgt (Klein, 1987). Die Lernenden einer Zweitsprache befinden sich also im Land der Zielsprache, in diesem Fall Deutschland, und erwerben die Sprache ungesteuert (Boysen, 2012). Eine Fremdsprache hingegen wird meist in Lehr- und Lernsituationen (z. B. im schulischen Englischunterricht) gesteuert erlernt (ebd.).

1 An dieser Stelle wird explizit der Begriff Deutsch als Zweitsprache und nicht Zweisprachigkeit im

(10)

Vor allem im schulischen Kontext gibt es jedoch auch Mischformen, in denen Schülerinnen und Schüler mit Deutsch als Zweitsprache ergänzend zum Erwerb im (Schul-) Alltag geziel-ten bzw. gesteuergeziel-ten „DaZ-Unterricht“ erhalgeziel-ten.

Der Sprachstand von Lernenden mit Deutsch als Zweitsprache hängt von vielen verschiede-nen Faktoren ab. Dazu gehören unter anderem die Häufigkeit und Art der Kommunikationssi-tuationen, die soziale Umgebung und der Hintergrund, die Unterstützung durch Institutionen und auch die Strukturen der Erstsprache. Schülerinnen und Schüler mit Deutsch als Zweit-sprache können also keineswegs als homogene Gruppe angesehen werden. Im schulischen Kontext ist als zentrale Herausforderung für Lernende mit Deutsch als Zweitsprache die Bil-dungs- bzw. Fachsprache zu nennen, die von der vertrauten Alltagssprache abweicht (u. a. Ahrenholz, 2010; Boysen, 2012).

Mehrsprachigkeit

Baker und Jones (1998) setzen das Hinzukommen einer dritten Sprache als entscheidendes Kriterium, um Mehrsprachigkeit von Bilingualität abzugrenzen. Ahrenholz (2008) präzisiert die Unterscheidung zwischen Mehrsprachigkeit und Bilingualismus anhand der Erwerbszeit-räume (vgl. auch das vorige Teilkapitel); unter letzterer fasst er „alle Formen multipler Sprachkompetenz“ (S. 5). Zunehmend finden sich Arbeiten, die sich gegen eine solch strenge Auffassung und Hierarchisierung von Sprachen aussprechen. Entsprechend wird Mehrspra-chigkeit und teils auch bereits der Gebrauch von mehr als einer Sprache als MehrspraMehrspra-chigkeit bezeichnet (Riehl, 2014). Busch (2013) betont, dass Sprachen weniger zählbar oder objektar-tig, sondern vielmehr dynamisch und prozesshaft sind. Die Autorin beschreibt den Wandel weg vom monolingualen Habitus (Gogolin, 1994), in dem „Zweisprachigkeit als Sonderfall von der als Normalfall betrachteten Einsprachigkeit abgegrenzt wurde“ (Busch, 2013, S. 8). Nach einem weiten Verständnis schließt Mehrsprachigkeit auch Varietäten wie Dialekte oder Soziolekte ein (ebd.). Auch Minderheiten- und Gebärdensprachen werden teilweise unter Mehrsprachigkeit gefasst (Riehl, 2014). Im schulischen Kontext kann Mehrsprachigkeit für die sprachliche Vielfalt in vielerlei Hinsicht stehen und schließt unter anderem die Sprachen-vielfalt im Klassenzimmer, aber auch die unterschiedlichen Sprachregister von Schule und Unterricht (Bildungs- und Fachsprache) ein. Die vorliegende Untersuchung schließt sich dem Verständnis der funktionalen Mehrsprachigkeit (vgl. u. a. Hu, 2016) an. Dieses betrifft die Kompetenz, Sprachen zur Erreichung der eigenen kommunikativen Ziele konstruktiv einzu-setzen (vgl. ebd.).

Neben weiterer existierender Formen von Mehrsprachigkeit (u. a. sozial, territorial und insti-tutionell; Riehl, 2014; Wandruszka, 1981) steht in der vorliegenden Arbeit die äußere,

(11)

indivi-duelle, migrationsbedingte Mehrsprachigkeit im Mittelpunkt. Äußere Mehrsprachigkeit be-zieht sich darauf, dass von der Beherrschung mehrerer Einzelsprachen ausgegangen wird und nicht wie im Falle innerer Mehrsprachigkeit von verschiedenen Varietäten einer Sprache (Maak, 2019). Individuelle Mehrsprachigkeit meint dabei, dass sich diese auf die individuel-len Sprecherinnen und Sprecher (Riehl, 2014) bezieht und beschreibt, dass diesen jeweils mehrere Sprachen zur Verfügung stehen (Haider, 2010). Das Pendant hierzu stellt gesell-schaftliche Mehrsprachigkeit dar, die sich u. a. in den vier schweizerischen Amtssprachen widerspiegelt (Maak, 2019). Gesellschaftliche Mehrsprachigkeit betrachtet also den Staat bzw. die Gesellschaft, während individuelle Mehrsprachigkeit auf das Individuum schaut. Migrationsbedingt ist die in dieser Arbeit fokussierte Mehrsprachigkeit deshalb, da von einem Entstehungskontext ausgegangen wird, in dem der Spracherwerb einer weiteren Sprache die Folge einer Migration ist (ebd.). In dieser Hinsicht besteht auch eine Gemeinsamkeit mit dem zuvor thematisierten Begriff „Deutsch als Zweitsprache“, der ebenfalls einen Migrationshin-tergrund impliziert.2 Während der Begriff „migrationsbedingte Mehrsprachigkeit“ den Migra-tionshintergrund an sich expliziert, trägt der im Folgenden thematisierte Begriff „sprachlich-kulturelle Heterogenität“ der Tatsache Rechnung, dass der Migrationsprozess nicht nur zu sprachlicher, sondern auch zu kultureller Heterogenität führt.

Sprachlich-kulturelle Heterogenität

Migrationsbedingte Mehrsprachigkeit von Schülerinnen und Schülern geht auch mit einer ‚Mehrkulturalität‘ einher, welche die Identität der Kinder maßgeblich prägt (Wolfgramm, Rau, Zander-Music, Neuhaus & Hannover, 2010). Blell und Doff (2014) beschreiben in Hin-blick auf das Sprachenlernen einen Wandel von einer standardbasierten Defizitorientierung hin zu einer individuellen Mehrsprachigkeit, die die Sprechenden als sprachlich und kulturell geprägte Individuen wahrnimmt. Vor allem migrationsbedingte Mehrsprachigkeit hat Einfluss darauf, wie Kulturen konstruiert werden und führt dazu, dass diese immer stärker vielschich-tig, überlappend und dynamisch sind (Blell & Doff, 2014). Lucas und Villegas (2011) kritisie-ren derweil, dass in der Ausbildung von Lehrkräften verstärkt der Aspekt kultureller Hetero-genität Aufmerksamkeit erhält und Sprachen oftmals nur peripher als ein Aspekt von Kultur behandelt werden. Während die Autorinnen zuerst einen Rahmen für die Ausbildung von cul-turally responsive teachers entwickelten (Villegas & Lucas, 2002), erweiterten sie diesen in einer jüngeren Publikationen um das Konzept des linguistically responsive teachers (Lucas & Villegas, 2011). Vor allem im anglo-amerikanischen Raum wird daher häufig von

linguisti-

2 Der Begriff „Mehrsprachigkeit“ geht jedoch insofern weiter, als er nicht nur auf die deutsche Zielsprache der

(12)

cally and culturally diverse students gesprochen, wenn es um migrationsbedingt mehrsprachi-ge Schülerinnen und Schüler mehrsprachi-geht (Koch-Priewe, 2018). Es ist also davon auszumehrsprachi-gehen, dass sprachliche Heterogenität kulturelle Aspekte einschließt, denn sprachlich-kulturelle Voraus-setzungen unterscheiden sich neben der reinen Sprachkompetenz auch durch Einflüsse habi-tueller Disponiertheiten (z. B. Vorstellungen darüber, was Schüler- bzw. Schülerinnensein bedeutet) oder kultureller Erfahrungen, die z. B. Lernwege beeinflussen (Gogolin & Schwarz, 2004). Häufige Verwendung findet in der Literatur auch der Begriff der migrationsbedingten Heterogenität. Dieser schließt kulturelle sowie sprachliche Heterogenitätsmerkmale ein und umfasst somit Kulturen, kulturelle Erfahrungen, Handlungsmuster und den Umgang mit die-sen Aspekten im schulischen Bereich (Wenning, 2007; Dubois, 2009). Gleichzeitig be-schränkt das Konzept die genannten Aspekte von Heterogenität auf Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund, obwohl sich diese auch unabhängig davon national bzw. regional (z. B. Regionalsprache Niederdeutsch oder regionale Dialekte) oder sozial (z. B. mangelnde sprachliche Anreize in der Familie) ergeben können. Um diesem Umstand gerecht zu werden, wird in der vorliegenden Arbeit auf eine migrationsspezifische Ausdrucksweise verzichtet, auch wenn große Teile der Untersuchungen sich auf mehrsprachige Lernende mit Deutsch als Zweitsprache beziehen.

Zusammenfassung

Im Vergleich der drei aufgeführten Begrifflichkeiten ist ein zentraler Unterschied, dass das Konzept „Deutsch als Zweitsprache“ den Erwerbskontext betrifft, während „Mehrsprachig-keit“ und „sprachlich-kulturelle Heterogenität“ das Interagieren mehrerer Sprachen bzw. Kul-turen fokussieren. Für diese Arbeit war der Begriff Deutsch als Zweitsprache nicht passend, da Schülerinnen und Schüler auch ohne einen Migrationshintergrund mehrsprachig sein kön-nen (z. B. durch das Erlerkön-nen von Fremdsprachen oder Bilingualismus). Während bei der an-fänglichen Konzeption des Projektes noch der Begriff Mehrsprachigkeit Verwendung fand, wurde nach langem Abwägen schlussendlich dem Begriff der sprachlich-kulturellen Hetero-genität der Vorrang gegeben. Auch wenn der Fokus in dieser Arbeit auf dem Aspekt der sprachlichen Kulturalität liegt, bietet der Begriff „sprachlich-kulturelle Heterogenität“ die Chance, die Studie zu einem späteren Zeitpunkt noch um Überzeugungen mit Blick auf kultu-relle Heterogenität zu erweitern. Dennoch sei an dieser Stelle angemerkt, dass diese Entschei-dung durchaus kritisch hinterfragt werden kann (s. Limitationen).

2.1.2 Konzepte für sprachlich-kulturelle Heterogenität in Schule und Unterricht

Versucht man, sprachlich-kulturelle Heterogenität in theoretischen Konzepten für die Lehr-kräftebildung zu rahmen, sind zwei zentrale Arbeiten bzw. Ansätze zu nennen. Zum einen ist

(13)

dies das Konzept des sprachsensiblen Fachunterrichts (u. a. Leisen, 2010), das im deutsch-sprachigen Raum das Konzept der durchgängigen Sprachbildung (u. a. Gogolin et al., 2011; Gogolin & Lange, 2011) umsetzt. Zum anderen ist das Framework for Preparing Linguisti-cally Responsive Teachers (LRT-Framework) von Lucas und Villegas (2011) aus dem US-amerikanischen Raum zu nennen, das einen konkreten Rahmen für die Lehrkräftebildung schafft.

Ausgangspunkt für den sprachsensiblen Fachunterricht ist die Annahme, dass Sprachförde-rung Aufgabe aller Fächer ist (Leisen, 2011; Thürmann & Vollmer, 2013). Ziel des sprach-sensiblen Fachunterrichtes ist es, fachliches Lernen nicht durch sprachliche Schwierigkeiten zu ‚verstellen‘ (Leisen, 2011). Die Lehrkräfte müssen daher ein Gespür für sprachliche Hür-den im Unterricht entwickeln. Dies beinhaltet schüler- bzw. schülerinnenorientierte Bedarfsa-nalysen, also die Diagnose sprachlicher Voraussetzungen, und das Anbieten sprachlicher Hil-festellungen sowie die Analyse von Texten, indem mögliche Schwierigkeiten identifiziert und Unterstützungen entwickelt werden (Michalak & Bachtsevanidis, 2012). Vor dem Hinter-grund, dass die Register der Alltagssprache, der Bildungssprache und der Fachsprache sowohl in Texten als auch der Unterrichtskommunikation ständig präsent sind (Ahrenholz, 2010), hat jedes Fach eine eigene ‚Sprachwelt‘, die den Schülerinnen und Schülern bewusst vermittelt werden muss (Leisen, 2011). Hierbei wird immer wieder hervorgehoben, dass Sprache im Fachunterricht auch Herausforderungen für monolingual-deutschsprachige Lernende bietet, vor allem wenn diese bildungsfernen Familien angehören (u. a. Meyer & Prediger, 2012). Der sprachsensible Fachunterricht soll die Balance zwischen einem defensiven Sprachförderan-satz, der auf Vereinfachung basiert und die Lernenden abhängig von der Lehrkraft macht, und einem offensiven Ansatz, der sprachliche Herausforderungen bietet und die Lernenden selbst-ständiger macht, schaffen. Hierbei geht es nicht darum, die sprachliche Vielfalt vom Unter-richt auszuschließen und ausschließlich die deutsche Sprache zuzulassen. Vielmehr sollen die Lernenden auch dazu angeregt werden, ihre Erstsprachen für das Lernen in der Zweitsprache einzusetzen. Beispielsweise können erste Ideen in Partner- oder Gruppenarbeit in der Erst-sprache formuliert werden, um diese dann gemeinsam in die UnterrichtsErst-sprache zu überführen (ebd.).

Als Vorreiterin des sprachsensiblen Fachunterrichts kann Oomen-Welke (1999, 2000) ange-sehen werden, die frühzeitig Konzepte für den Deutschunterricht entwickelte. Die sogenannte Kultur der Mehrsprachigkeit soll durch Wertschätzung der Sprachenvielfalt der Klasse und durch die Nutzung von Sprachvergleichen ein interkulturelles, mehrsprachiges Miteinander fördern. Ein weiteres Konzept, das eng mit dem sprachsensiblen Unterrichten sowie der

(14)

Kul-tur der Mehrsprachigkeit verbunden ist, ist das der Language Awareness (Gürsoy, 2010). Hierbei sollen die Schülerinnen und Schüler ebenfalls zur Sprachreflexion, unter anderem durch Sprachvergleiche, angeregt werden. Im Unterricht soll eine ‚sprachenfreundliche Atmo-sphäre‘ geschaffen werden, in der Mehrsprachigkeit geschätzt wird. Keines der genannten Konzepte verlangt, dass die Lehrkraft alle Sprachen des Klassenzimmers beherrscht. Viel-mehr geht es darum, diese nicht zu verbieten, sondern aktiv in den Unterricht einzubinden und somit eine Grundlage für effektive Sprachförderung zu schaffen (Oomen-Welke, 1999; Gürsoy, 2010).

Während der sprachsensible Fachunterricht, die Kultur der Mehrsprachigkeit und Language Awareness als allgemeine Konzepte für Sprachbildung anzusehen sind, schafft das LRT-Framework von Lucas und Villegas (2011) einen theoretischen Rahmen für die Ausbildung von Lehrkräften auf sprachlich-kulturelle Heterogenität. Die bisher rein theoretische Rah-menkonzeptualisierung gliedert sich in zwei Bereiche, die jeweils weiter ausdifferenziert wer-den: Überzeugungen (Orientations of Linguistically Responsive Teachers) und Wissen bzw. Fertigkeiten (Knowledge and Skills of Linguistically Responsive Teachers). Beide Bereiche sind auf English Language Learners (ELL) ausgerichtet, können aber auf den Kontext der Lernenden von Deutsch als Zweitsprache übertragen werden.

Zu den Überzeugungen gehört ein (1) soziolinguistisches Bewusstsein, welches ein Verständ-nis über den Zusammenhang von Sprache, Kultur und Identität sowie ein Bewusstsein über die soziopolitischen Dimensionen von Sprachgebrauch und Sprachbildung beinhaltet. Sensibi-lisierte Lehrkräfte nehmen die Ausdrucksweisen und den Sprachgebrauch von Lernenden als eine Reflexion von kulturellen Werten und Erwartungen wahr und verstehen, dass die Erfah-rungen und HerausfordeErfah-rungen der Lernenden als Sprechende untergeordneter Sprachen über kognitive Schwierigkeiten in Hinblick auf das Lernen einer Zweitsprache hinausgehen (vgl. ebd., S. 56ff.). (2) Wertschätzung von sprachlicher Vielfalt geht damit einher, Respekt für und Interesse an den vielfältigen Herkunftssprachen der Lernenden zu zeigen (vgl. Oliveira, 2014, S. 268). Lehrkräfte, die diese Wertschätzung teilen, sind sich dem möglichen Einfluss be-wusst, den ihre Überzeugungen gegenüber anderen Erstsprachen und Sprachdefiziten auf ihre Schülerinnen und Schüler haben kann. Sie erlauben den Lernenden, sich im Unterricht in ih-ren Erstsprachen auszutauschen und ermutigen diese dazu, die Kompetenzen in den Erstspra-chen auszubauen (vgl. Lucas & Villegas, 2011, S. 59f.). (3) Die Bereitschaft zum Einsatz für Zweitsprachenlernende schließt die aktive Arbeit an der Verbesserung der Bildungserfahrun-gen von Zweitsprachenlernenden ein. Hierzu gehören beispielsweise auch die Anpassung der Lehrmaterialien und Unterrichtspraktiken an die Bedürfnisse von Zweitsprachenlernenden,

(15)

aber auch das Hinterfragen von Richtlinien in Hinblick auf ihr Potential hinsichtlich Bil-dungsungerechtigkeit (vgl. Lucas & Villegas, 2011, S. 60f.).

Zu Wissen und Fertigkeiten zählen die Autorinnen Fähigkeiten zur Diagnose des Sprachstan-des der Lernenden und zur Analyse von sprachlichen Anforderungen im Unterricht. Einen großen Raum nimmt außerdem die Anwendung von grundlegenden Prinzipien des Zweit-spracherwerbs ein. Hierzu werden Grundannahmen angeführt, die die Lehrkräfte verinnerli-chen und in ihrem Unterricht berücksichtigen sollen (z. B. „Alltagssprache unterscheidet sich grundlegend von Bildungssprache.“ oder „Kenntnisse und Konzepte aus der Erstsprache wer-den in die Zweitsprache übertragen.“, vgl. ebd., S. 57). Als letztes Element von Wissen und Fertigkeiten wird die Methode des Scaffoldings genannt und für konkrete Bereiche ausdiffe-renziert. Scaffolding kann demnach durch ‚extra-linguistische‘ Unterstützung (z. B. Bilder), Ergänzung bzw. Anpassung von Texten (z. B. Glossare) und gesprochener Sprache (z. B. zu-sätzliche Beispiele) sowie der Formulierung klarer und expliziter Anweisungen (z. B. Wie-derholung des Arbeitsauftrags in eigenen Worten) erfolgen.

Während Lucas und Villegas (2011) einen konkreten Rahmen für die Aus- und Fortbildung von Lehrkräften schaffen und dabei auch die Überzeugungen der Lehrkräfte mit einbeziehen, stellt das Konzept des sprachsensiblen Fachunterrichts eine mögliche fachdidaktische Umset-zung der Überlegungen in der Praxis dar und unterstreicht die Relevanz von Sprachförderung im Fach. Bei der Umsetzung bestehender Konzepte in die Ausbildung von Lehrkräften sollten aber nicht nur Wissen, sondern auch bestehende Überzeugungen ausreichend berücksichtigt werden, da diese Bestandteile von professioneller Kompetenz sind und in dieser Funktion das zukünftige Handeln der angehenden Lehrkräfte beeinflussen (Pajares, 1992; Baumert & Kun-ter, 2006; Borg, 2001). Das nächste Kapitel schafft daher einen theoretischen Rahmen für die professionellen Überzeugungen hinsichtlich sprachlich-kultureller Heterogenität.

2.2 Professionelle Überzeugungen von Lehrkräften

2.2.1 Einführung: Überzeugungen als Bestandteil professioneller Kompetenz von Lehrkräften

Während frühere Arbeiten zur Professionalität von Lehrkräften vor allem das professionelle Wissen – Fachwissen, Fachdidaktik und pädagogisches Wissen – fokussieren (u. a. Shulman 1986, 1987), scheint heutzutage kein Zweifel mehr daran zu bestehen, dass Kompetenzen auch motivational-affektive Facetten einschließen. Lehrkräfte werden als Expertinnen und Experten gesehen, die sich neben Wissen und Können auch durch einen ‚Berufsethos‘ aus-zeichnen (Reusser, Pauli & Elmer, 2011). In aktuellen Studien (u. a. Hartwig, Schwabe, Ge-bauer & McElvany, 2017; Krüger, 2018) findet vor allem das Modell professioneller

(16)

Hand-lungskompetenz von Baumert und Kunter (2006) Verwendung. Auch wenn die Autoren Wis-sen als „Kern der Professionalität“ (ebd., S. 481) beschreiben und dieWis-sen Bereich relativ aus-führlich ausdifferenzieren, beschreiben sie Handlungskompetenz als ein Zusammenspiel mit weiteren Facetten, sodass neben Merkmalen der psychologischen Funktionsfähigkeit (selbst-regulative Fähigkeiten und motivationale Orientierungen) auch die Überzeugungen von Lehr-kräften einen grundlegenden Anteil an den professionellen Kompetenzen von LehrLehr-kräften aufweisen. Auch das Konzept von Kompetenz als Kontinuum (Blömeke, Gustafsson & Sha-velson, 2015) sieht Überzeugungen neben Wissen und Können, Fertigkeiten, Werten, Motiva-tion und MetakogniMotiva-tion als eine zentrale Ressource für professionelle Kompetenzen (s. a. Shulman, 1987). Blömeke et al. (2015) halten fest, dass jede Definition von Kompetenz be-rücksichtigen muss, dass diese nicht nur komplexe kognitive Fähigkeiten beinhaltet, sondern auch affektive und volitionale Dispositionen. Kompetenz wird in diesem Sinne als multidi-mensional beschrieben und die Autorinnen und Autoren kritisieren, dass häufig nur einzelne Aspekte von Kompetenz untersucht werden, die den Blick auf das große Ganze verzerren können.

Reusser et al. (2011) beschreiben berufsbezogene Überzeugungen als „Facetten der Hand-lungskompetenz von Lehrkräften, die über das deklarative und prozedurale pädagogisch-psychologische und disziplinär-fachliche Wissen hinausgehen“ (S. 478) und weisen ihnen dabei eine bedeutsame Qualität für das Berufshandeln zu – „beliefs matter“ (S. 489). Doch um die Bedeutung dieses Aspekts professioneller Kompetenz zu verstehen, ist es vor allem nötig, auch themenspezifische Arbeiten zu den Überzeugungen von Lehrkräften zu berück-sichtigen. In diesem Kapitel soll daher nach einer allgemeinen Definition von Überzeugungen auf die professionellen Überzeugungen von Lehrkräften eingegangen werden, um deren Be-deutung für professionelle Handlungskompetenz herauszustellen. Im Anschluss wird der spe-zifische Fall der Überzeugungen zu sprachlich-kultureller Heterogenität in den Blick genom-men.

2.2.2 Überzeugungen im Überblick

Während im englischsprachigen Raum weitestgehend der Begriff der beliefs verwendet wird (u. a. Pajares, 1992; Borg, 2001) und sich das Konzept von teachers‘ beliefs als Leitkonzept durchsetzen konnte (Reusser et al., 2011), kursieren im deutschsprachigen Diskurs verschie-dene Übersetzungen. Neben Einstellungen, Werten und Meinungen findet jedoch der Begriff der Überzeugungen vermehrt Verwendung (Pajares, 1992; Trautmann, 2005; Reusser et al., 2011) und wird daher in der vorliegenden Arbeit synonym mit beliefs verwendet. Gleichzeitig ist die Definition des Konstruktes umstritten. So schreibt Pajares (1992): „That beliefs are

(17)

studied in diverse fields has resulted in a variety of meanings, and the educational research community has been unable to adopt a specific working definition” (S. 313).

Die Definition von Überzeugungen ist im Kontext dieser Arbeit bereits an vielerlei Stellen erfolgt (Fischer, 2018; Fischer et al., 2018; Fischer & Ehmke, 2019). Ein Überblick über be-stehende theoretische Modelle findet sich im ersten Artikel dieser kumulativen Dissertation (Fischer, 2018), weiterführende Überlegungen zum theoretischen Konstrukt in Ricart-Brede (2019b). In diesem Rahmen werden vor allem die zentralen, teilweise kontrovers diskutierten, Charakteristika von Überzeugungen fokussiert: (a) Handlungsleitende Funktion, (b) Einfluss von Erfahrungen, (c) Bewusstheit, (d) Veränderbarkeit und (e) Zusammenhang mit Wissen. Außerdem wird ein Überblick über den Forschungsstand gegeben und speziell auf die Über-zeugungen angehender Lehrkräfte eingegangen.

(a) Handlungsleitende Funktion von Überzeugungen

Borg (2001) hält in einem Überblicksartikel fest, dass beliefs das menschliche Denken und Handeln anordnen bzw. leiten. Sie beeinflussen, wie Informationen wahrgenommen und be-wertet werden und lassen sich somit als generalisierende Konstrukte beschreiben, die in Form von Strategien Handlungsentscheidungen erleichtern (ebd.; Sigel, 1985). In der Literatur wird oftmals hervorgehoben, dass Überzeugungen trotz der hohen Individualität (s. Punkt 2) einen verallgemeinernden Charakter haben (u. a. Clark, 1988). Nisbett und Ross (1980) sehen in dem Konstrukt halbwegs eindeutige Thesen über Charaktereigenschaften von Objekten oder Objektklassen. Laut Dewey (1933) sind beliefs Handlungsrichtlinien, die zeitweise als richtig angesehen werden, in der Zukunft aber auch hinterfragt werden könnten. Fives und Buehl (2012) halten drei Funktionen von Überzeugungen fest – sie dienen als (1) Filter zur Interpre-tation, (2) Rahmen für die Definition von Problemen und (3) Anhaltspunkt bzw. Standard für Handlungen. Buehl und Beck (2015) beschreiben das Verhältnis zwischen Überzeugungen und Handlungen als eine komplexe, reziproke Beziehung, in der sich beide Konstrukte gegen-seitig beeinflussen. Überzeugungen geben dem „berufsbezogenen Denken und Handeln Struktur, Halt, Sicherheit und Orientierung“ (Reusser et al., 2011, S. 478). Dieses ‚Grundge-rüst‘ ist insbesondere im Lehrkräfteberuf von hoher Bedeutung, da dort häufig schnell und zuverlässig reagiert werden muss (Blömeke & Oser, 2012).

(b) Einfluss von Erfahrungen auf Überzeugungen

Die oft erwähnte Individualität von Überzeugungen hat den Ursprung, dass diese in einem engen Zusammenhang mit persönlichen Erfahrungen stehen, die im Kontext der Lehrprofes-sion insbesondere den eigenen Bildungsweg betreffen (Kagan, 1990; Kane, Sandretto & He-ath, 2002; Reusser et al., 2011; Trautwein, 2013), aber auch durch den familiären Hintergrund

(18)

bzw. die Sozialisation bedingt sind (Gay, 2015; Levin, 2015). Kagan (1990) bezeichnet teachers’ beliefs als „the highly personal ways in which a teacher understands classrooms, students, the nature of learning, the teacher’s role in the classroom, and the goals of educa-tion“ (S. 423). Sigel (1985) beschreibt beliefs als mentale Konstrukte aus Erfahrungen – häu-fig verdichtet und integriert in Schemata oder Konzepte. Seifried (2009) hebt hervor, dass aufgrund des Zusammenhangs mit den eigens in der Schulzeit individuell gesammelten Erfah-rungen objektiv identische Situationen bei unterschiedlichen Lehrkräften unterschiedliche Reaktionen hervorrufen können. Clark (1988) fasst zusammen:

„[Teachers’ beliefs] tend to be eclectic aggregations of cause-effect propositions from many sources, rules of thumb, generalizations drawn from personal experience, beliefs, values, biases, and prejudic-es.” (S. 5)

In diesem Zusammenhang erscheint auch die Kontextualität von Überzeugungen erwähnens-wert. So können Lehrkräfte in unterschiedlichen Kontexten auch unterschiedlich ausgeprägte Überzeugungen vertreten: „(…) [T]eachers hold both general and specific beliefs about a va-riety of topics. The beliefs that are activated or espoused may depend on the context” (Fives & Buehl, 2012, S. 476). Dieses Merkmal unterstreicht noch einmal, wie individuell Überzeu-gungen konstruiert sein können. So halten Fives und Buehl (2012) fest, dass beliefs komplex, vielschichtig und unterschiedlich sind.

(c) Bewusstheit von Überzeugungen

Die Bewusstheit von Überzeugungen wird kontrovers diskutiert. Viele Arbeiten thematisieren diese Eigenschaft gar nicht oder lassen eine Definition offen (Fives & Buehl, 2012). Fives und Buehl (2012) heben hervor, dass die Literatur überwiegend von impliziten gen ausgeht (u. a. Kagan, 1992). Diese Annahme würde aber voraussetzen, dass Überzeugun-gen zwar handlungsleitend seien und die Interpretation von ErfahrunÜberzeugun-gen beim Unterrichten filtern würden, jedoch ohne dass Lehrkräfte sich dessen bewusst seien. Implizite Überzeugun-gen könnten demnach nicht von Lehrkräften kontrolliert und somit auch nicht durch Reflexi-on beeinflusst werden (Fives & Buehl, 2012). Es gibt aber auch die Ansicht, dass nur einige beliefs unbewusst sind, während sich andere im Bewusstsein zeigen (Borg, 2001; Fives & Buehl, 2012). Dies wird vor allem darauf zurückgeführt, dass Überzeugungen hinterfragt werden müssen, um sie beizubehalten (Fives & Buehl, 2012). Reusser et al. (2011) legen dem expertenhaften Handeln von Lehrkräften automatisierte Wahrnehmungs- und Handlungsmus-ter zugrunde und schreiben einigen Überzeugungen somit zu, dass sie eingelagert in Hand-lungsroutinen impliziert wirken. Die Autorinnen und Autoren verweisen auf das verwandte Konzept der subjektiven Theorien, das zwischen handlungsnahen (hochwirksamen, aber schwer zugänglichen) und handlungsfernen (begrenzt wirksamen, aber bewusstseinsfähigen)

(19)

Überzeugungen unterscheidet. Fives und Buehl (2012) halten fest, dass dieses Merkmal von Überzeugungen eine „ongoing challenge“ (S. 473) bleibt und fassen zusammen:

„Teachers’ beliefs are implicit and explicit. The distinction here lies in the theoretical conceptualiza-tion of beliefs as understandings of which individuals are conscious (explicit) or unaware (implicit or tacit).” (S. 473)

Vor dem Hintergrund der Veränderbarkeit von Überzeugungen (s. nächster Punkt) ist davon auszugehen, dass es bewusste Anteile am Konstrukt der Überzeugungen gibt.

(d) Veränderbarkeit von Überzeugungen

Ebenfalls ist in der Literatur strittig, ob beliefs veränderbar oder stabil sind. Pajares (1992) berichtet von einer Vielzahl an Arbeiten, in denen Überzeugungen als stabil und nicht verän-derbar angesehen werden. Dies wird vor allem auf die persönlichen Erfahrungen zurückge-führt, die Überzeugungen konstituieren. Selbst wenn beliefs auf unvollständigem oder falschem Wissen beruhen und ein gegenteiliger Beweis präsentiert wird, würde dazu tendiert werden, sie beizubehalten. Der Autor hebt hervor, dass es zwar schwierig, aber nicht ausge-schlossen sei, Überzeugungen zu verändern. Der Erfolg hinge vor allem davon ab, wie tief die Überzeugungen verwurzelt sind („newly acquired beliefs are most vulnerable to change“, S. 325; s. a. Fives & Buehl, 2012). Auch Kane et al. (2002) berichten von der Annahme unter-schiedlicher ‚Stabilitätsgrade‘ von beliefs, die sich in ihrer Möglichkeit zur Veränderbarkeit unterscheiden (s. a. Ricart Brede, 2019b). Sie kommen zu dem Ergebnis, dass vor allem Überzeugungen von Lehrkräften, die noch während der eigenen Schulzeit ausgebildet wur-den, „robust and resistant to change“ (S. 180) seien. Generell halten die Autoren fest: „[T]eachers’ beliefs are resilient, but not impossible to change“ (S. 202). Angelehnt an Rokeach (1968) nehmen auch Furinghetti und Pehkonen (2002) an, dass es zentrale, kaum veränderbare sowie eher periphere und weniger stabile Überzeugungen gibt. Die Autoren er-wähnen zudem, dass neue Informationen in bestehende beliefs ‚eingreifen‘ können. Fives und Buehl (2012) unterstreichen noch einmal die Notwendigkeit von ‚formbaren‘ Überzeugungen, während aber auch anerkannt werden muss, dass es stabile beliefs zur Orientierung geben muss. Die Autorinnen bezeichnen diese Ansicht als ein „Kontinuum der Stabilität“ (S. 474). Die Annahme der Veränderbarkeit von Überzeugungen wird mittlerweile durch immer mehr Studien gefestigt, die dafür sprechen, dass der gezielte Einfluss von Wissen, der Zugewinn von Erfahrungen und die Reflexion bestehender Überzeugungen zu einer Veränderung dieser Überzeugungen führen können (u. a. Fives & Buehl, 2012; Hachfeld, Schroeder, Anders, Hahn & Kunter, 2012; Hartwig et al., 2017). In Hinblick auf angehende Lehrkräfte halten Fives und Buehl (2012) fest, dass Vorerfahrungen (z. B. im Unterrichten mehrsprachiger Ler-nender) eine Öffnung und mögliche Veränderung von Überzeugungssystemen begünstigen

(20)

(s. a. Lucas et al., 2015). Als wichtigste Bedingung für die Zugänglichkeit zu Überzeugungen wird das Bewusstmachen und die rationale Analyse durch Reflexion gesehen (Reusser et al., 2011).

(e) Zusammenhang von Wissen und Überzeugungen

Pajares (1992) kommt in seinem Übersichtsartikel zu dem Ergebnis, dass die Irritation bezüg-lich des Begriffs der beliefs von der Unterscheidung zwischen Überzeugungen und Wissen (= Knowledge) rührt. Der Unterschied zwischen den beiden Konstrukten wird am häufigsten über die Falsifizierbarkeit verdeutlicht, da Wissen objektivierbar als richtig oder falsch einge-schätzt werden kann, während Überzeugungen vom Individuum als subjektiv richtig wahrge-nommen werden (Pajares, 1992; Borg, 2001). Pajares (1992) schreibt hierzu: „Belief is based on evaluation and judgement; knowledge is based on objective fact” (S. 313). Im Gegensatz zu Wissen, werden Überzeugungen selbst bei gegenteiligen Beweisen nicht aufgegeben (Paja-res, 1992; Borg, 2001; Trautmann, 2005). Nespor (1987) hält fest, dass reines Wissen in se-mantischen Netzwerken gespeichert würde, während beliefs auf episodischem ‚Material‘ be-ruhen, das sich aus individuellen Erfahrungen oder kulturellen bzw. institutionellen Quellen zusammensetze. Wischmeier (2012) sieht eine Beziehung zwischen den beiden Konstrukten. So würden Überzeugungen den Wissenserwerb beeinflussen und umgekehrt der Wissenser-werb Überzeugungen beeinflussen bzw. verändern. Auch Hartinger, Kleickmann und Hawel-ke (2006) erklären die beiden Bereiche als untrennbar miteinander verbunden. BlömeHawel-ke, Kai-ser und Lehmann (2008) gehen davon aus, „dass sich in Überzeugungen affektiv-motivationale mit kognitiven Aspekten mischen“, während Wissen als „rein kognitives Kon-strukt“ (S. 220) operationalisiert wird. Die vorliegende Arbeit schließt sich diesem weiten Verständnis des beliefs Begriffs an und geht von einer Untrennbarkeit sowie wechselseitigen Beziehung von Wissen und Überzeugungen aus.

Forschung zu den Überzeugungen von Lehrkräften

Vor allem in der internationalen Literatur wird hervorgehoben, dass teachers‘ beliefs nur sel-ten explizit untersucht werden (Levin, 2015). Die Überzeugungen von Lehrkräfsel-ten finden jedoch in den letzten Jahren verstärkt Einzug in der Bildungsforschung. Reusser et al. (2011) teilen die Forschungsansätze hierbei in drei Gruppen ein: Untersuchungen mit deskriptiver Ausrichtung fokussieren die professionelle Kompetenz von Lehrkräften, vor allem die Zu-sammenhänge zwischen Wissen und Überzeugungen sowie verschiedener Überzeugungen untereinander. Eine zweite Gruppe von Studien untersucht den Zusammenhang zwischen Überzeugungen und dem Handeln von Lehrkräften und als drittes Forschungsfeld wird die Veränderung der Überzeugungen und deren Rolle bei der Aus- und Weiterbildung von

(21)

Lehr-kräften gesehen. Auffällig ist, dass im ohnehin eingeschränkten Forschungsstand zu Überzeu-gungen qualitative Untersuchungen dominieren (Reusser et al., 2011; Fives & Buehl, 2012), gleichwohl in jüngster Zeit verstärkt auch quantitative Methoden zur Erfassung von Überzeu-gungen eingesetzt werden. Ein Anstieg von Arbeiten zu ÜberzeuÜberzeu-gungen zeigt sich vor allem in Hinblick auf fachspezifische Überzeugungen zum Fach Mathematik (u. a. MT21, Blömeke et al., 2008; COACTIV Studie, Kunter et al., 2011; Levin, Meyer-Siever & Gläser, 2015; Spillane, Hopkins & Sweet, 2018) und dem Bereich der Überzeugungen zu Inklusion (u. a. Seifried & Heyl, 2016; Hodge, Haegele, Gutierres Filho & Rizzi Lopes, 2018). Auch Über-zeugungen im Zusammenhang mit pädagogischem Wissen rückten zuletzt immer stärker in den Fokus der Forschung (u. a. König, Kaiser & Felbrich, 2012; Merk, Schneider, Bohl, Kelava & Syring, 2017; Ferguson & Lunn Brownlee, 2018). Die zugrunde gelegten theoreti-schen Modelle und Definitionen des Überzeugungskonstrukts sind sehr heterogen und weit gefasst, was darauf zurückgeführt wird, dass bisher keine ausreichende Konzeptualisierung vorliegt (u. a. Läge & McCombie, 2015).

Überzeugungen angehender Lehrkräfte

In Hinblick auf angehende Lehrkräfte ist besonders hervorzuheben, dass deren Überzeugun-gen als eher schwankend oder durchmischt definiert werden (Fives & Buehl, 2012). Dies wird darauf zurückgeführt, dass sich Überzeugungssysteme erst mit der Zeit ausbilden und insbe-sondere in der Ausbildungsphase von Lerngelegenheiten und Lehrenden, aber auch ersten eigenen Lehrversuchen beeinflusst werden (ebd.). Hierbei ist nicht zu unterschätzen, wie komplex die Überzeugungen angehender Lehrkräfte ohnehin schon konstruiert sind. Schließ-lich sind diese bereits durch die Vorerfahrungen in der eigenen Schulzeit und durch die indi-viduelle Sozialisation beeinflusst und wirken somit auf die Entwicklung neuer Überzeugun-gen sowie die Verarbeitung neuen Wissens: „The beliefs of preservice teachers function as a filter for everything they learn” (Levin, 2015, S. 57). Diese Erkenntnis legt nahe, dass Lehr-amtsstudierende in dem Ausbildungsprozess ihrer Überzeugungssysteme unterstützt werden müssen, schließlich beeinflussen diese die zukünftige Praxis (ebd.). Hierbei wird allerdings auch hervorgehoben, dass vor allem angehende Lehrkräfte Wissen benötigten, um positive Überzeugungen in der Praxis umzusetzen (Ricart-Brede, 2019a; Buehl & Beck, 2015). Fives und Buehl (2012) fassen zusammen, dass angemessene Unterstützung und Anleitung sowie ausreichend Zeit zur Reflexion nötig sind, damit Überzeugungen umgesetzt werden können. Diese Ressourcen sollten nicht nur am Anfang des Berufs gefördert werden, sondern müssen auch während der andauernden Professionalisierung Berücksichtigung finden (Buehl & Beck, 2015). Reusser et al. (2011) empfehlen die Gestaltung von situierten, problem- und

(22)

hand-lungsorientierten Lerngelegenheiten, die über berufsbezogene (Selbst-)Reflexion und Wis-sensaneignung hinausgehen. Diese sollen den angehenden Lehrkräften Handlungsalternativen aufzeigen, um somit neue Handlungsroutinen einzustudieren.

2.3 Überzeugungen im Spezifischen: Professionelle Überzeugungen von Lehrkräften zu sprachlich-kultureller Heterogenität

Zwar lassen sich vermehrt Untersuchungen zu den Überzeugungen von Lehrkräften finden, geringer ist hingegen die Zahl der Arbeiten, die speziell sprachlich-kulturelle Heterogenität im schulischen Kontext in den Blick nehmen. Bestehende Studien untersuchen die Überzeu-gungen nur am Rande und meist ohne fundierte theoretische Basis (s. a. Fischer, 2018), häufig anhand verwandter Konstrukte von sprachlich-kultureller Heterogenität wie zum Beispiel Multikulturalität (Hachfeld et al., 2012), migrationsbedingte Heterogenität (Hallitzky & Schliessleder, 2008) oder kulturelle Heterogenität (Edelmann, 2006). Dabei sind sowohl qua-litative (u. a. Edelmann, 2006; Hallitzky & Schliessleder, 2008) als auch quantitative (u. a. Wischmeier, 2012; Hachfeld et al., 2012) Zugänge gewählt worden. Für diese Arbeit sind vor allem die Vorarbeiten von Maak, Ricart Brede und Born (2015), Hammer, Fischer und Koch-Priewe (2016) und Fischer et al. (2018) relevant, da diese das Konstrukt sprachlich-kultureller Heterogenität am ehesten erfassen und dies anhand von Fragebogenskalen umsetzen: Maak et al. (2015) untersuchten Einstellungen von Lehramtsstudierenden zu Mehrsprachigkeit (N = 741), Hammer et al. (2016) Überzeugungen von Lehramtsstudierenden zu Mehrsprachigkeit in der Schule (N = 427) und Fischer et al. (2018) Überzeugungen zu Sprache im Fachunter-richt (N = 627). Die Ergebnisse der Untersuchungen zeigen, dass die befragten Studierenden generell Überzeugungen vertreten, die sprachsensiblen Fachunterricht unterstützen (Fischer et al., 2018). Studierende mit Praxiserfahrungen zeigen positivere Überzeugungen als jene ohne Praxiserfahrung. Als ‚positiv‘ gelten in diesem Zusammenhang Überzeugungen, die sprach-sensiblen Fachunterricht befürworten sowie eine Zuständigkeit für Sprachförderung und Wertschätzung für Herkunftssprachen zeigen (Fischer et al., 2018; Hammer et al., 2016). Au-ßerdem konnte ein Zusammenhang zwischen Wissen und Überzeugungen nachgewiesen wer-den: Befragte mit ausgeprägtem Wissen zu Deutsch als Zweitsprachenförderung im Kontext des Unterrichtens vertreten positivere Überzeugungen als Studierende mit weniger Wissen (Hammer et al., 2016). Die angehenden Lehrkräfte scheinen durch ihre Überzeugungen für Mehrsprachigkeit sensibilisiert, im Zuge der Umsetzung von möglichen Fördermaßnahmen aber eher unsicher zu sein (ebd.; Fischer et al., 2018). Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Ausbildung von Lehrkräften einen stärkeren Fokus auf die Reflexion bestehender Über-zeugungen zu sprachlich-kultureller Heterogenität legen sollte.

(23)

Weitere Studien, die das Konstrukt in einem weiter gefassten Verständnis untersuchen, kom-men zu dem Ergebnis, dass Lehrkräfte generell eine positive Grundhaltung zur Aufgabe der Sprachbildung in allen Fächern vertreten (Riebling, 2013). Edelmann (2006) stellte heraus, dass das Interesse an Vielfalt im Allgemeinen einen Einfluss auf die kulturellen Überzeugun-gen von Lehrkräften hat und entsprechende Zusatzqualifikationen (wie beispielsweise ein DaZ-Zertifikat) eine Sprachorientierung im Fachunterricht begünstigen. Wischmeier (2012) konnte nachweisen, dass die befragten Grundschullehrkräfte geringere Leistungen von Schü-lerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund erwarten, diese Lernenden aber gleichzeitig nicht als eine Mehrbelastung im Unterricht sehen. Hallitzky und Schliessleder (2008) kom-men zu dem Schluss, dass die von ihnen befragten Studierenden weder fundiertes Wissen noch Überzeugungen für ein professionelles Handeln in Hinblick auf migrationsbedingte He-terogenität zeigen. Ein Großteil der Untersuchungen fordert, dass die Ausbildung von Lehr-kräften einen stärkeren Fokus auf die Reflexion bestehender Überzeugungen zu sprachlich-kultureller Heterogenität legen sollte (u. a. Hallitzky & Schliessleder, 2008; Wischmeier, 2012; Fischer et al., 2018).

Auch im US-amerikanischen Raum wurden sowohl qualitative Untersuchungen (u. a. Hert-zog, 2011; Tandon, Viesca, Hueston & Milbourn, 2017) als auch quantitative Studien (u. a. Ponterotto, Baluch, Greig & Rivera, 1998; Pettit, 2014) zu den Überzeugungen von Lehrkräf-ten hinsichtlich sprachlich-kultureller Heterogenität im weitesLehrkräf-ten Sinne durchgeführt. Vázqu-ez-Montilla, Just und Triscari (2014) bemerken, dass es einen Mangel an systematischen Ana-lysen der Überzeugungen von Lehrkräften zu sprachlich-kultureller Heterogenität in der Schule gibt. Lucas et al. (2015) halten in einem Überblick von Forschungsergebnissen fest, dass sich viele Lehrkräfte nicht ausreichend vorbereitet fühlen, English Language Learners (ELLs) zu unterrichten. Vor allem die Kommunikation mit den Lernenden sowie mit deren Familien, fehlende Zeit zur Sprachförderung, eine weite Spanne sprachlicher Fähigkeiten und fehlendes Unterrichtsmaterial werden als Gründe genannt. Gleichzeitig sieht eine große An-zahl von Lehrkräften keine Notwendigkeit darin, Fortbildungen zur Unterstützung zu besu-chen. Untersuchungen zeigen, dass defizitorientierte Überzeugungen zu den sprachlichen Fä-higkeiten von ELLs bei den Lehrkräften dominieren. Während die generelle Idee vom inklu-siven Unterricht, der sprachliche Vielfalt einschließt, begrüßt wird, sehen befragte Lehrkräfte die Verantwortung für diesen Unterricht nicht bei sich selbst.

(24)

3. Forschungsdesiderate zu den professionellen Überzeugungen von Lehrkräften im Allgemeinen und im Spezifischen

Der theoretische Hintergrund sowie der Forschungsstand zeigen, dass die professionellen Überzeugungen von Lehrkräften sowohl in deren Ausbildung als auch im Berufsalltag im Allgemeinen ein relevanter und entscheidender Faktor von professioneller Handlungskompe-tenz, im speziellen aber auch insbesondere bedeutsam für den Umgang mit sprachlich-kultureller Heterogenität sind. Vor allem Übersichtsarbeiten (Kane et al., 2002; Reusser et al., 2011; Fives & Buehl, 2012; Gay, 2015) identifizieren jedoch Forschungsdesiderate zu Über-zeugungen im Allgemeinen sowie insbesondere zu den ÜberÜber-zeugungen von Lehrkräften hin-sichtlich sprachlich-kultureller Heterogenität. Diese sollen nun überblicksartig zusammenge-fasst werden und werden daher im Folgenden in Kategorien dargestellt, die im Rahmen der theoretischen Ausführungen identifiziert werden konnten:

(1) Theoretische Operationalisierung von Überzeugungen im Allgemeinen und im Spezi-fischen

Diverse Arbeiten weisen darauf hin, dass es nötig ist, die jeweils untersuchten Überzeugungs-konstrukte klar zu definieren und zu strukturieren (u. a. Pajares, 1992; Reusser et al., 2011; Fives & Buehl, 2012). Reusser et al. (2011) kritisieren in Hinblick auf bestehende Forschung zu Überzeugungen insbesondere begriffliche Unschärfe. Die fehlende Definition und Abgren-zung des Konstrukts führt dazu, dass Studien individuelle Bezugsrahmen schaffen und somit wenig vergleichbar sind. Levin (2015) empfiehlt: „Define the studied beliefs in detail so that there is no misunderstanding regarding the use of terms” (S. 61). Fives und Buehl (2012) hal-ten fest, dass systematische theoretische und empirische Arbeit nötig ist, um die Funktionen und Mechanismen von Überzeugungssystemen, sowohl allgemeiner aber vor allem auch spe-zifischer Natur, zu fassen: „We cannot emphasize enough the need for clarity in characteri-zing the specific belief or belief system under investigation” (S. 487). Somit ist es nicht nur wichtig, das allgemeine Konstrukt der Überzeugungen zu modellieren, sondern auch spezifi-sche Konstrukte, wie beispielsweise das sprachlich-kultureller Heterogenität, klar zu definie-ren und theoretisch sowie empirisch fundiert zu operationalisiedefinie-ren.

(2) Einflussfaktoren auf Überzeugungen

Neben der Veränderung von Überzeugungen (s. Punkt 3) ist auch von Bedeutung, zu untersu-chen, welche Einflussfaktoren auf bestehende Überzeugungen gewirkt haben könnten. Hierbei sind vor allem der Einfluss von Erfahrungen aus der eigenen Schulzeit, sozialisationsbedingte

(25)

Einflüsse und kontextuale Bedingungen zu nennen (u. a. Kane et al., 2002; Seifried, 2009; Fives & Buehl, 2012). Fives und Buehl (2012) empfehlen:

„Consider the reciprocal nature of beliefs and experience in their work and devise methods for concep-tual understanding and empirical investigation. (…) Examine the larger context in which research activities are situated to consider the multiple influences on teachers’ belief enactment.” (S. 487) In Hinblick auf sprachlich-kulturelle Heterogenität wäre es beispielsweise denkbar, den Ein-fluss von demographischen Merkmalen oder Kontextvariablen auf Überzeugungen zu unter-suchen (Gay, 2015). Auch Wissen ist als Einflussfaktor einzustufen, spielt aber vor allem in Hinblick auf die Veränderung von Überzeugungen eine Rolle.

(3) Veränderbarkeit von Überzeugungen

Die Frage, ob und inwieweit Überzeugungen stabil oder veränderbar sind, wird in nahezu jeder Arbeit aufgeworfen (u. a. Kane et al., 2002). Dennoch gibt es einen Mangel an Studien, die die Entwicklung von Überzeugungen im Längsschnitt untersuchen (Fives & Buehl, 2012). Hierbei wird vor allem hervorgehoben, dass der Vergleich verschiedener beliefs-Systeme auf-schlussreich sein könnte (Levin, 2015; Gay, 2015). Buehl und Beck (2015) betonen, dass die ‚Beweglichkeit‘ von Überzeugungen nicht als Limitation des Potentials des Konstrukts ange-sehen werden darf, sondern es erlaubt, die Entwicklung von beliefs im Verhältnis zu Hand-lungen zu untersuchen. Hierbei scheint vor allem der Einfluss von Wissen auf Überzeugungen relevant. In diesem Zusammenhang wird insbesondere auf die Untersuchung der Überzeu-gungen angehender Lehrkräfte in Bezug auf universitäre Lerngelegenheiten verwiesen (Gay, 2015). Vor dem Hintergrund der Forderung, dass angehenden Lehrkräften aller Fächer Wis-sen zum sprachWis-sensiblen Unterrichten vermittelt werden soll (u. a. Ehmke et al., 2018), bietet sich die Untersuchung des Zusammenhangs von Wissen und Überzeugungen auch in diesem speziellen Fall an.

(4) Bewusstheit von Überzeugungen

Ob Überzeugungen bewusst oder unbewusst bzw. implizit oder explizit sind, wird in vielen Arbeiten zum Konstrukt nicht thematisiert (s. a. Fives & Buehl, 2012). Sowohl im Kontext der Definition als auch der empirischen Erfassung, findet diese Facette von Überzeugungen durchweg am wenigsten Beachtung. Aufschlussreich wäre in dieser Hinsicht sicherlich die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Überzeugungen und Handlungen (s. nächster Punkt), aber auch die Erforschung der Beziehung von Wissen und Überzeugungen könnte Einblicke in die Bewusstheit geben. Es ist nicht abzustreiten, dass dieses Forschungsdesiderat eine methodische Herausforderung darstellt.

(26)

(5) Zusammenhang von Überzeugungen und Handlungen

Bestehende Untersuchungen zeigen, dass es eine Verbindung zwischen Überzeugungen und Unterrichtspraxis bis hin zu den Lernergebnissen der Schülerinnen und Schüler gibt (Fives & Buehl, 2012). Dennoch wird hervorgehoben, dass diese Facette von Überzeugungen noch Forschungspotentiale birgt (Gay, 2015), zumal auch Ergebnisse zu finden sind, die für eine Inkongruenz von Überzeugungen und tatsächlicher Praxis sprechen (Buehl & Beck, 2015). Die Beziehung zwischen beliefs und Verhalten kann Lehrkräfte in der Praxis behindern oder unterstützen, daher ist in diesem Bereich weitere Forschung erforderlich (ebd.). In der Litera-tur wird hervorgehoben, dass es relevant sei, die Überzeugungen zu speziellen Gruppen von Schülerinnen und Schülern in den Blick zu nehmen (Gay, 2015). Hier bietet sich daher eine Untersuchung der Überzeugungen zu sprachlich-kulturell heterogenen Lerngruppen an.

(6) Empirische Erfassung

Vor dem Hintergrund, dass zu den Überzeugungen von Lehrkräften qualitative Untersuchun-gen mit meist geringer Stichprobengröße dominieren, sind vor allem auch quantitative Stu-dien nötig, um das komplexe und schwer messbare Konstrukt der Überzeugungen zu untersu-chen (Reusser et al., 2011; Gay, 2015). Gay (2015) hält fest, dass spekulative und theoretische Diskussionen und persönliche Anekdoten mehr verbreitet seien als Forschungsarbeiten. Fives und Buehl (2012) empfehlen: „Recognize and account for the strengths and limitations of different methodological paradigms” (S. 487). Levin (2015) spricht sich für Längsschnittstu-dien im mixed methods Design aus. Fives und Buehl (2012) fassen zusammen:

„We appreciate the case studies and qualitative approaches that have been conducted, but we are con-cerned by how few authors relate findings back to the empirical or theoretical literature or attempt to move the field forward in a meaningful way. (…) The field would undoubtedly benefit from larger, representative samples and less reliance on small samples of convenience, as well as more attention to reviewing the literature thoroughly for appropriate measures to be used or adapted before developing new ones.” (S. 489)

In Hinblick auf teachers‘ beliefs zu kultureller Heterogenität verweist Gay (2015) darauf, dass diese bisher vor allem aus der Perspektive angehender Lehrkräfte und weniger von bereits praktizierenden Lehrkräften untersucht wurden.

4. Beiträge der Dissertation

Ausgehend von den in Kapitel 3 abgeleiteten Forschungsdesideraten hat sich die vorliegende kumulative Dissertation vor allem der theoretischen Operationalisierung von Überzeugungen im Allgemeinen und im Spezifischen, der Veränderbarkeit von Überzeugungen sowie der em-pirischen Erfassung des Konstrukts angenommen.

Referenzen

Outline

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Hinsichtlich der zweiten Frage- stellung wird erwartet, dass beide Untersuchungsgruppen angesichts der spezifi- schen Struktur der Lerninhalte für den

2.3 Zusammenführung der Diskussion zu einem Modell epistemischer Überzeugungen Als Ergebnis der Diskussion lässt sich festhalten, dass epistemische Überzeugungen Vorstel- lungen zur

Wenn diese zu feige sind, um ihre Abwehr- mittel einzusetzen – oder sich gar zu Komplizen des Präsidenten machen –, wird sich letztlich auch eine noch so gut durchdachte Verfassung

Einer weiteren Gruppe von Codes wie „Vorgehen vormachen“, „Erinnern unterstützen“ und „Anker zum Weiterdenken“ ist gemeinsam, dass die Lehrkräfte

Um Lehrerfortbildungen gezielt weiterentwickeln zu können, sind insbe- sondere Erkenntnisse zum Einen über Zusammenhänge zwischen technolo- giebezogenen Überzeugungen und

Im Beitrag wird anhand einer Fortbildungsreihe des Deutschen Zentrums für Lehrerbildung Mathematik (DZLM), welche im Zuge der verbindlichen Einführung gra-

Wohl wissen sie vielleicht, dass während der Zeit von 1914/1918 über 300,000 Mann unserer Armee an der Grenze gestanden haben.. Aber die Begeisterung, mit der sich unsere Väter

Damit ist plausibel davon auszugehen, dass Lehramtsstudierende nicht „eine“ homogene Überzeugung über die Epistemologie pädagogischen Wissens aufweisen - vielmehr zeigen