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Planung von Einrichtungen zur Kindertagesbetreuung

„Gebäude und Räume wirken. Sie wirken unterschiedlich auf Erwachsene und Kinder.“28:Teil A: 2.2

Der Raum mit seinen Materialien wird heute in der Kleinkindpädagogik oft als „dritter“ Erzieher be- zeichnet. Deshalb sollte am Anfang einer Bauplanung immer ein pädagogisches Konzept stehen, das in ein Raumkonzept und eine innenarchitektonische Gestaltung übersetzt werden muss. Im Orientie- rungsplan für baden-württembergische Kindergärten und weiteren Kindertageseinrichtungen wird auf Räume, Materialien, eine anregungsreiche Umgebung und deren Einbindung in das jeweilige pädagogische Konzept hingewiesen und deren Bedeutung für die Arbeit der pädagogischen Fachkräf- te mit Kindern hervorgehoben.28:Teil A: 2.2 Das Ziel der Kindertagesbetreuung ist die Begleitung und Förderung der frühkindlichen Entwicklung, die altersentsprechend auch durch die gegenständliche Umwelt unterstützt wird.

Die Entwicklung einer eigenen stimmigen Lösung kann nur im interdisziplinären Zusammenwir- ken zwischen pädagogischem Personal, Architekten, Träger, Handwerkern und – falls vorhanden – hauswirtschaftlichen Mitarbeitern erfolgen. Dies ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die von allen Betei- ligten viel Engagement und fachliches Wissen erfordert. Gemeinsam sind immer wieder einzelne Aspekte gegeneinander abzuwägen und zu bewerten (Entwicklungspsychologie, Pädagogik, Hygiene, Sicherheit, Architektur). Dabei ist ein weiterer Gesichtspunkt, die vorhandenen Ressourcen für die richtigen/wichtigen Dinge einzusetzen.

Wo Wissen Weitergeht:

allgemeine, einführende Literatur (meist ausgehend von einem pädagogischen Konzept und den entwicklungsbezogenen Bedürfnissen der betreuten Kinder):

Drei bedeutende Bücher von Angelika von der Beek:

1. Kinderräume bilden: Ein Werkstattbuch mit zusammenfassenden Planungshilfen und Checklisten zu den einzelnen Bereichen. Ein „Pionierbuch“ bei seinem ersten Erscheinen 2001.78

2. Bildungsräume für Kinder von Drei bis Sechs: Eher ein Arbeitsbuch mit vielen Beispielen, Tipps und Tricks aus der Praxis, mit Checklisten für die einzelnen Räume.76

3. Bildungsräume für Kinder von Null bis Drei: Ausgehend vom pädagogischen Konzept aufgebaut nach den Räumen, mit Zusammenfassung in der Rubrik Qualitätsmerkmale für Architektur, Mate- rialien und Gestaltung.77

Kariane Höhn: Gemeinsam Räume bilden:

Eine Planungshilfe für Einrichtungen mit Kindern unter Drei. Eher wie eine ausführliche Checkliste auf der Basis pädagogischer Erkenntnis und langer Erfahrung im Betrieb von Krippen (Bauliche Aspekte, Ausstattungshinweise mit einem Anhang zu Technik, Bauteilen und Sicherheit).337

K. Höhn und A. Kercher: Raumerkundungsbuch: Einfühlen in das Raumerleben von Kleinstkin- dern. Perspektivwechsel zur Unterstützung einer gelungenen Raumplanung.338

MIT INNENRÄUMEN DEN PÄDAGOGISCHEN ALLTAG GESTALTEN –ÜBERSICHTSARTIKEL SCHWERPKT.KINDER UNTER 3 JAHREN638

KONKRETE HINWEISE DER GESETZLICHEN UNFALLVERSICHERUNG ZUR BAULICHEN GESTALTUNG228

4.1.2 Rolle des Gesundheitsamtes bei Planung und Betrieb

Die Beteiligung des Gesundheitsamtes im Rahmen der Planung einer neuen Kindertagesbetreuungs- einrichtung bzw. bei Änderungsverfahren erfolgt mehrfach. Daraus ergeben sich ggf. auch gesund- heitsamtsintern besondere Herausforderungen an die Abstimmung:

1. Beteiligung im Bauantragsverfahren (§ 54 Abs. 2 und Abs. 3 LBO):

Anhörung des Gesundheitsamtes durch das örtliche Baurechtsamt 2. Beteiligung im Betriebserlaubnisverfahren (§ 45 SGB VIII):

Erlaubnisbehörde ist das Landesjugendamt im KVJS für ganz Baden-Württemberg 3. Infektionshygienische Überwachung im Betrieb (§ 36 Abs. 1 Nr. 1 IfSG):

Eigene Zuständigkeit des Gesundheitsamtes aus dem IfSG heraus

84 Hygieneleitfaden Kindertagesbetreuung 2019

4.1 Planung von Einrichtungen zur Kindertagesbetreuung Bauantragsverfahren (Baurechtsamt)

Voraussetzungen für die Tagesbetreuung von Kindern ist ein zweckmäßiges Gebäude.

Ein Bauantrag ist erforderlich für:

• Neubau/Erweiterungsbau

• Nutzungsänderung in einem bestehenden Gebäude

Das Baurechtsamt kann in eigenem Ermessen das Gesundheitsamt als Träger öffentlicher Belange beteiligen.

Sofern in der Betreuungseinrichtung auch der Betrieb einer Küche oder Speisenausgabe vorgese- hen ist, wird das Baurechtsamt auch die zuständige Lebensmittelüberwachungsbehörde beteiligen.

Um daher bei Neu- oder Umbauten Verzögerungen im Baugenehmigungsverfahren zu vermeiden, ist es sinnvoll, die zuständige Lebensmittelüberwachungsbehörde bereits in der Planungsphase einzube- ziehen.

Die Anfrage ist mit einer Fristsetzung versehen, da der Bauantragsteller gegenüber dem Bau- rechtsamt einen Anspruch auf einen Bescheid (mit gesetzlich festgelegter Frist) hat.

Betriebserlaubnisverfahren (Landesjugendamt)

Im Rahmen der Aufgabe der staatlichen Gefahrenabwehr wird in bestimmten gefährdeten Bereichen auch der Betrieb einer Einrichtung oder Anlage überwacht. Das gilt auch für die Kindertagesbetreu- ung, um das Wohl der betreuten Kinder zu gewährleisten.

Deshalb hat der Gesetzgeber einen Erlaubnisvorbehalt in § 45 SGB VIII formuliert (verwaltungs- rechtlich ist die Regelung in § 45 Abs. 1 SGB VIII ein sogenanntes präventives Verbot mit Erlaubnis- vorbehalt). D.h. der Gesetzgeber verbietet den Betrieb einer Einrichtung, solange nicht geprüft ist, ob der Träger der Einrichtung in der Lage ist, das Wohl der Kinder beim Betrieb der Einrichtung zu ge- währleisten. Dazu muss der Träger z. B. seine pädagogische Betreuungskonzeption darlegen, die räumlichen Voraussetzungen und die Eignung des Personals sowie eine personelle Mindestausstat- tung nachweisen. 25:S.8–17

Die Erteilung der Erlaubnis liegt nicht im Ermessen der Behörde; es handelt sich um eine „gebun- dene“ Erlaubnis, auf die ein Rechtsanspruch besteht, wenn keine Versagungsgründe vorliegen.

Der unbestimmte Rechtsbegriff des Kindeswohls ist im Rahmen der staatlichen Gefahrenabwehr nur negativ bestimmbar. Der Erlaubnisvorbehalt des § 45 SGB VIII dient der Abwehr von Gefahren für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Aufgabe des Staates ist es deshalb nicht, optimale Bedingungen der Betreuung oder Unterkunftsgewährung zu gewährleisten, sondern sicherzustellen, dass Mindestanforderungen eingehalten werden.284:S.23–24, 448, 628

Das Landesjugendamt beteiligt nach § 45 Abs. 5 SGB VIII andere Behörden, die nach anderen Rechtsvorschriften Aufsicht über eine erlaubnispflichtige Einrichtung führen. Für das Gesundheitsamt sind dies die Rechtsvorschriften § 36 IfSG Abs. 1 Nr. 1 und § 10 Abs. 1 ÖGDG-BW. Das Gesundheits- amt wird dann um eine fachliche Stellungnahme mit Fristsetzung gebeten.

Die Verfahrensschritte sind folgende:

• Aufforderung zur Stellungnahme (mit Frist) [KVJS]

• Fachliche Stellungnahme [Gesundheitsamt]

 Die Stellungnahme wird in eigener fachlicher Zuständigkeit des Gesundheitsamtes er- stellt.

 Fehlen für die Festlegung von Mindestanforderungen rechtlich bindende Detailregelun- gen, muss das Gesundheitsamt die unbestimmten Rechtsbegriffe auslegen und diese in Mindestanforderungen und ggf. ergänzende fachliche Hinweise/Empfehlungen umset- zen. Ausgelegt werden müssen in diesem Zusammenhang z. B. die räumlichen Vorausset- zungen für den Betrieb bzw. was für ein gesundheitsförderliches Lebensumfeld notwen- dig ist, um das Wohl des Kindes zu gewährleisten. Dies erfolgt unter Berücksichtigung des späteren eigenen Auftrags gemäß § 36 IfSG und §§ 7–11 ÖGDG-BW. Dabei kann sich das Gesundheitsamt zur Bildung seiner Fachmeinung auf fachliche Empfehlungen bzw. ande- re Standards beziehen.

 Mindestanforderungen sind von fachlichen Hinweisen/Empfehlungen sprachlich klar zu trennen.

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 Die fachliche Stellungnahme des Gesundheitsamtes ist kein eigenständiger Rechtsakt mit Außenwirkung; d.h. die Inhalte der Stellungnahme werden erst im Rahmen der Über- nahme in den Bescheid durch die Erlaubnisbehörde rechtlich wirksam.

• Umfassende, eigenständige Prüfpflicht der Voraussetzungen zur Erteilung der Betriebser- laubnis [KVJS]

 unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Gesundheitsamtes

• Erteilung der Betriebserlaubnis [KVJS]

Rechtsgrundlagen (Auszüge)

§ 45 SGB VIII „Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung“:

• Abs. 1: Der Träger einer Einrichtung, in der Kinder oder Jugendliche ganztägig oder für einen Teil des Tages betreut werden oder Unterkunft erhalten, bedarf für den Betrieb der Einrich- tung der Erlaubnis.

• Abs. 2: Die Erlaubnis ist zu erteilen, wenn das Wohl der Kinder und Jugendlichen in der Ein- richtung gewährleistet ist. Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn die dem Zweck und der Konzeption der Einrichtung entsprechenden räumlichen, fachlichen, wirtschaftlichen und personellen Voraussetzungen für den Betrieb erfüllt sind, die gesellschaftliche und sprachli- che Integration und ein gesundheitsförderliches Lebensumfeld in der Einrichtung unterstützt werden sowie die gesundheitliche Vorsorge und die medizinische Betreuung der Kinder und Jugendlichen nicht erschwert werden sowie …

• Abs. 4: Die Erlaubnis kann mit Nebenbestimmungen versehen werden. Zur Sicherung des Wohls der Kinder oder Jugendlichen können auch nachträglich Auflagen erteilt werden.

• Abs. 5: Besteht für eine erlaubnispflichtige Einrichtung eine Aufsicht nach anderen Rechts- vorschriften, so hat die zuständige Behörde ihr Tätigwerden zuvor mit der anderen Behörde abzustimmen. Sie hat den Träger der Einrichtung rechtzeitig auf weitergehende Anforderun- gen nach anderen Rechtsvorschriften hinzuweisen.

• Abs. 6: Sind in einer Einrichtung Mängel festgestellt worden, so soll die zuständige Behörde zunächst den Träger der Einrichtung über die Möglichkeiten zur Beseitigung der Mängel be- raten. … Werden festgestellte Mängel nicht behoben, so können dem Träger der Einrichtung Auflagen erteilt werden, die zur Beseitigung einer eingetretenen oder Abwendung einer dro- henden Beeinträchtigung oder Gefährdung des Wohls der Kinder oder Jugendlichen erforder- lich sind.

ÖGDG-BW

• § 7 „Gesundheitsförderung und Prävention in Lebenswelten“

• § 8 „Kinder- und Jugendgesundheit, Zahngesundheit“

• § 9 „Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten, Impfungen“

• § 10 „Hygienische Überwachung von Einrichtungen“

Infektionshygienische Überwachung im Betrieb

Erst im Betrieb der Kindertagesbetreuungseinrichtungen besitzt das Gesundheitsamt eine eigene Zuständigkeit zur infektionshygienischen Überwachung. Rechtlich ist diese unabhängig von der Be- triebserlaubnis bzw. der baurechtlichen Genehmigung zu sehen.

Rechtsgrundlagen

§ 36 IfSG „Infektionsschutz bei bestimmten Einrichtungen, Unternehmen und Personen; Verord- nungsermächtigung“

• Abs. 1: Folgende Einrichtungen und Unternehmen müssen in Hygieneplänen innerbetriebli- che Verfahrensweisen zur Infektionshygiene festlegen und unterliegen der infektionshygieni- schen Überwachung durch das Gesundheitsamt:

1. die in § 33 genannten Gemeinschaftseinrichtungen, …

§ 33 IfSG „Gemeinschaftseinrichtungen“:

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