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Medienkonsum und Sucht

Im Dokument Folgen der Covid-19-Pandemie (Seite 49-52)

6. Gesundheit von Erwachsenen

6.5 Medienkonsum und Sucht

Zusammenfassung

Durch die pandemiebedingten Lockdowns und Kontaktbeschränkungen haben sich verschie- dene Bereiche des alltäglichen Lebens ins Digitale verschoben. In diesem Zuge ist die Medi- ennutzung in der Allgemeinbevölkerung gestiegen. Da aktuelle Studien einen Zusammenhang zwischen einem steigenden Medienkonsum und der psychischen sowie physischen Gesund- heit darlegen können, sollte diese Entwicklung weiter im Blick behalten werden.

Neben der Mediennutzung ist ebenfalls der Konsum von Alkohol, Tabak und Cannabis im Durchschnitt gestiegen. Vor allem soziale Isolation durch Kontaktbeschränkungen sowie mit

neuen Herausforderungen des Alltags einhergehender Stress hatten eine Auswirkung auf den gestiegenen Konsum von Alkohol, Tabak und Cannabis. Von einem Konsumanstieg waren vor allem diejenigen betroffen, die bereits vor der Pandemie ein riskantes Konsummuster hatten oder aufgrund anderer Faktoren einer Risikopopulation zuzuordnen sind. Für diese Betroffe- nen bedarf es an zielgruppenspezifischer und indizierter Präventionsmaßnahmen, um die Mo- tivation der Betroffenen zur Konsumreduktion zu fördern.

Medienkonsum

So sehr die Pandemie als Chance zur Digitalisierung in vielen Bereichen beigetragen hat, sind gleichermaßen negative Auswirkungen auf das Mediennutzungsverhalten zu verzeichnen. Die TK-Studie zur Digitalkompetenz 2021 „Schalt mal ab, Deutschland!“ zeigt, dass in etwa 30%

der Menschen in Deutschland seit der Pandemie verstärkt digitale Kommunikationsmöglich- keiten zu privaten Zwecken nutzten (Techniker Krankenkasse, 2021). Durch die pandemiebe- dingten Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen waren zudem enorme steigende Nutzungs- zeiten im Bereich der Unterhaltungs- und Informationsmedien zu verzeichnen. So konsumier- ten zu Beginn des ersten Lockdowns 44% der Menschen in Deutschland häufiger lineares Fernsehen als zuvor. Der Anteil täglicher Nutzer und Nutzerinnen stieg zudem bei der Media- theknutzung um 55% und bei Konsolenspielen um 38% (Deloitte, 2021). Steigende Nutzungs- zeiten gingen bei den Befragten der TK-Studie mit einem schlechteren allgemeinen Gesund- heitszustand einher (Muskelverspannung, Müdigkeit, Erschöpfung, Konzentrationsstörung, Nervosität & Depression). Die Häufigkeit und Dauer der Mediennutzung kann demnach bei Erwachsenen zu größeren psychische und physischen Belastungen führen (Die Techniker Krankenkasse, 2021). Medienkompetenz und ein bewusster Umgang mit Medien ist somit auch ein Thema für Erwachsene. Auch wenn Kinder und Jugendliche in diesem Bereich eine besondere Risikogruppe darstellen (siehe Abschnitt 3.3), bedarf es zielgruppenspezifischer Maßnahmen auch für Erwachsene hinsichtlich verantwortungsvoller Mediennutzung.

Alkohol

Im ersten Lockdown konnte die Gesellschaft für Konsumforschung mit ihrem Consumer Panel FMCG März 2020 bereits feststellen, dass die Umsätze in Deutschland in den Kalenderwo- chen 9 bis 14 der Alkoholverkäufe an Privatpersonen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen sind. Koopmann et al. (2020) konnten in diesem Zusammenhang anhand einer Be- fragung aufzeigen, dass in etwa ein Drittel mehr oder deutlich mehr Alkohol seit Beginn des Lockdowns tranken. Die Konsumsteigerung betraf dabei vor allem Befragte mit niedrigerem Bildungsstatus oder jene, die aufgrund des Lockdowns von Erfahrungen mit starkem Stress berichtet haben.

Zudem steigerten vor allem diejenigen ihren Alkoholkonsum, die eher weniger mit den pande- miebedingten Restriktionen der Politik übereinstimmten oder bereits vor der Pandemie min- destens einmal pro Woche Alkohol konsumiert hatten (Koopmann et al., 2021). Erste Ergeb- nisse einer Online-Befragung des Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim konnte zeigen, dass in etwa 37,4% der Befragten während des ersten Lockdowns mehr tranken als zuvor (Georgiadou et al., 2020). Bakaloudi et al. (2021) haben hierzu internationale Ergebnisse zusammengetragen und konnten den ersten signifikanten pandemiebedingten Anstieg des Al- koholkonsums im Durchschnitt in der Allgemeinbevölkerung bestätigen. Manthey et al. (2021)

über die Pandemie hinweg (erster und zweiter Lockdown) relativ moderat war oder sich sogar mit denjenigen, die weniger Alkohol getrunken haben, ausglich. Vor allem „heavy dinkers“ (die oberen 5-10%) haben ihren Alkoholkonsum nochmals signifikant erhöht (Rossow et al., 2021).

Das bedeutet, dass vor allem für die Risikopopulation der „heavy drinkers“ gezielt Angebote zur Konsumverringerung implementiert werden müssen und ein niedrigschwelliger Zugang zum Suchthilfesystem ermöglicht werden muss. Da die Betroffenen allerdings pandemiebe- dingt häufig zu Hause in sozialer Isolation konsumiert haben, gilt es im Zuge dessen vorhan- dene Geh-Strukturen im Suchthilfesystem weiter auszubauen.

Tabak

Europaweit konnte in den ersten Wochen der Pandemie ein Anstieg des Tabakkonsums ver- zeichnet werden (Manthey et al., 2021). Der durchschnittliche Tabakkonsum hat sich im Zuge der Pandemie während des ersten Lockdowns in Deutschland um etwa 45% erhöht. Der An- stieg sei vor allem durch pandemiebedingten subjektiven Stress zu erklären (Koopmann et al., 2020; Koopmann et al., 2021). Zudem schien der Anstieg des Tabakkonsums vor allem mit jungem Alter, einer schlechteren Wohnsituation und einem geringeren Bildungsstatus im Zu- sammenhang zu stehen (Vanderbruggen et al., 2020). Der Anstieg des Tabakkonsums ist besonders bedenklich, da Betroffene einer Tabakabhängigkeit ein deutlich höheres Risiko für schwerwiegende Verläufe von Covid-19 haben (Dubey et al., 2020). Demnach gilt es, wie beim Anstieg des Alkoholkonsums, die Risikogruppe der „heavy smokers“ im Fokus zu behalten.

Cannabis

In ganz Europa war durch die Pandemie rund um SARS-CoV-2 vermehrt ein erhöhter Can- nabiskonsum zu beobachten (Manthey et al., 2021). Eine niederländische Studie von van Laar et al. (2020) konnte zeigen, dass mehr als 40% der Befragten ihren Cannabiskonsum in Fre- quenz und Menge erhöhten und sogar ein Drittel derjenigen, die zuvor nicht täglich konsumiert haben, im Lockdown täglich Cannabis konsumiert haben.

Auch im zweiten pandemiebedingten Lockdown konnte in Deutschland bei den Befragten einer Online-Kurzbefragung der Universität Frankfurt ein erhöhter Cannabiskonsum gefunden wer- den. Die vermehrte Freizeit und damit einhergehende Langeweile sowie erhöhter Stress hat- ten bei den Befragten nach eigenen Angaben zum tendenziell erhöhten Cannabiskonsum ge- führt – mehr als ein Viertel der Befragten sahen die Konsumsteigerung allerdings kritisch (Werse & Gerrit Kamphausen, 2021). Bartel et al. (2020) konnten hierzu in ihrer Studie zeigen, dass v.a. für junge Erwachsene die pandemiebedingte Selbstisolation und die Bewältigung einer depressiven Störung Hauptmotive zur Steigerung des Cannabiskonsums waren. So ha- ben zum Beispiel jene, die von Selbstisolation betroffen sind, etwa 20% mehr Cannabis kon- sumiert als diejenigen, die davon nicht betroffen sind. Die Auswirkungen der Pandemie auf den Schweregrad einer Cannabiskonsumstörung fiel dabei jedoch nach Cousijn et al. (2021) sehr individuell aus. Vor allem mit Blick derzeitiger politischer Bestrebungen auf eine mögliche Legalisierung bzw. Regulierung von Cannabis sind die pandemiebedingten Konsumsteigerun- gen weiter im Blick zu behalten. V.a. für junge Erwachsene braucht es zielgruppenspezifische Präventionsmaßnahmen, die neben dem Konsumverhalten Themen wie depressive Störun- gen und soziale Isolation in den Blick nehmen (Cousijn et al., 2021).

Impulse für den ÖGD

Sowohl die Mediennutzung als auch der Konsum von Alkohol, Tabak und Cannabis sind im Durchschnitt gestiegen. Von einem Konsumanstieg sind vor allem diejenigen betroffen, die bereits vor der Pandemie ein riskantes Konsummuster hatten oder aufgrund anderer Faktoren einer Risikopopulation zuzuordnen sind. Für diese Betroffenen bedarf es an zielgruppenspe- zifischer und indizierter Präventionsmaßnahmen, um die Motivation der Betroffenen zur Kon- sumreduktion zu fördern.

Eine enge Vernetzung aller Akteur_innen auf kommunaler Ebene im Bereich der Suchthilfe und Suchtprävention (KSB, KGKen) wäre hierfür wichtig. Durch die Bündelung verschiedener Ressourcen kann es ermöglicht werden, fließende Übergange zwischen Prävention und Be- handlung, als auch die Sichtbarmachung von Hilfsangebote zu schaffen, um hierdurch Lücken im Hilfesystem zu schließen. Da sich die negativen Auswirkungen vor allem auf Risikopopula- tionen bezieht, sind einerseits zielgruppenspezifische Maßnahmen sowie andererseits setting- basierte Präventionsprojekte auf kommunaler Ebene zu befürworten, und deren Verbreitung notwendig.

Im Dokument Folgen der Covid-19-Pandemie (Seite 49-52)