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Abschließend sollen nun noch einmal die wichtigsten Mittel der Darstellung von Trauer in den Nachkriegsgedichten Günter Eichs zusammengefasst werden: Nimmt man die untersuchten Texte in ihrer Gesamtheit in den Blick, wird deutlich, dass eine Thematisierung von Trauer i. e. S. nicht vorliegt. Zwar gibt es einzelne Textteile, in denen etwas über die Emotion Trauer gesagt wird (vgl.

zum Beispiel „Gladenbach“), doch wird in keinem der Gedichte Trauer in von der diegetischen Ebene abstrahierbarer Weise zum Thema des Gedichts gemacht. Nur in dem oben eingeführten unveröffentlichten „Versuch eines Requiems“ kann von einer Thematisierung von Trauer i. e. S.

gesprochen werden. Hier wird thematisiert, was Trauern bedeutet, welche Form von Trauer die falsche ist und welche die richtige. In den veröffentlichten Gedichten wird Trauer dagegen vor allem durch die Darstellung von Situationen der Einsamkeit und des Verlustes gestaltet. Durch formale Mittel wie Stellung und Gewichtung emotionaler Konzepte im Gedicht, implizite Bezugnahmen auf Emotionen und bildliche Mittel wird das Emotionspotenzial der Situationen im Text betont. Trauer wird so eher implizit dargestellt als explizit benannt, doch können auch dabei verschiedene Konzepte von Trauer unterschieden werden: Trauer entsteht in Momenten der Einsamkeit in aussichtsloser Lage, bei körperlichem Leiden, Verlust und Abwesenheit von

569 Vgl. auch Goodbody: Natursprache, S. 295.

nahestehenden Personen sowie Verlust der Kommunikation mit der Natur. Die Trauer (und andere Emotionen wie Angst) umgibt die Sprechinstanz und dringt von außen in sie ein, sie legt sich dumpf, schwer und kalt auf die Sprechinstanz, vernebelt ihr die Sinne oder behindert Aktivität.

Trauer ist dabei nicht Hauptthema der Gedichte, sondern tritt eher begleitend auf. Insgesamt kann man auch weniger von der Darstellung konkreter – wie in Kapitel 2.1 beschrieben auf den akuten Verlust bezogener – Trauer sprechen als von diffuseren, weniger auf ein bestimmtes Objekt gerichteten Formen der Traurigkeit oder Niedergeschlagenheit. Es gibt Fälle, in denen der niedergeschlagene, traurige Zustand der Sprechinstanz die Wahrnehmung und Ausdrucksweise prägt. In anderen Fällen liegt das Wirkungspotenzial der Texte eher darin, dass prototypische traurige Situationen gestaltet werden, die beim Rezipienten Trauer oder Mitleid auslösen könnten.

Doch kommt es dabei immer wieder zu Brüchen oder zu Unsicherheiten im Ton der Gedichte, in der Wahrnehmung der Sprechinstanz oder auch hinsichtlich der gestalteten Emotion. Ebenso selten wie sich konkrete Auslöser oder auch nur eindeutige Objekte der Traurigkeit identifizieren lassen, liegt in den untersuchten Gedichten deshalb Traurigkeit in

‚Reinform‘ vor. Vielmehr haben die Analysen gezeigt, dass ebenso Furcht oder eine allgemeine Verwirrung bis hin zu Wut oder Ekel eine begleitende, gleichwertige oder übergeordnete Rolle spielen können. Zusammenfassend kann man sagen, dass oft diffuse, auch von der Sprechinstanz selbst als solche wahrgenommene Zustände oder Erlebnisse geschildert werden, die sowohl die Sprechinstanz als auch den Rezipienten des Textes mit einer Mischung aus verschiedenen Gefühlen zurücklassen können. Die Gedichte legen sich also weder auf eine dargestellte Emotion noch auf eine bestimmte Wirkung fest. Das liegt jedoch weniger in den einzelnen gewählten Mitteln der Darstellung von Emotionen beziehungsweise Trauer begründet als in dem Nebeneinander verschiedenster Mittel.

In Bezug auf den „Versuch eines Requiems“, in dem sich, wie oben dargestellt, umfassendere Gedanken zur Funktion von Trauer finden, ist zunächst festzuhalten, dass die Erinnerung in den untersuchten Gedichten immer wieder eine Rolle spielt: Die Sprechinstanz erinnert sich an verlorene Gegenstände, an tote Kameraden, an die Mutter und Erlebnisse aus der Kindheit, an eine Geliebte und an einschneidende Erfahrungen. Viele dieser Erinnerungen sind, wie die Analysen gezeigt haben, mit Trauer verbunden, was der in Kapitel 2.1 genannten Rückwärtsgewandtheit dieser Emotion entspricht. Die Zukunft ist insgesamt weniger bedeutsam als die Vergangenheit. Der Blick zurück ist, neben der Gestaltung gegenwärtigen Leidens, also eine Form des Trauerns, die in diesen Gedichten immer wieder durchgespielt wird. Denn auch da, wo – wie zum Beispiel im Gedicht „Pfannkuchenrezept“ (EW I, 31f.) – etwas Schönes und Heiteres erinnert wird, dient die Erinnerung nicht selten der Konkretisierung des aktuellen Zustands, der Betonung des nicht mehr Vorhandenen, dessen, dem erinnernd nachgetrauert

werden kann. So gesehen findet sich ein Moment des Trauerns in vielen Gedichten, selbst wenn der emotionale Zustand nicht explizit benannt wird und auch, wenn andere Themen und Gestaltungsweisen dominieren. Das trauernde Erinnern dabei als ‚Melancholie‘, ‚Nostalgie‘ oder

‚Schwermut‘ zu bezeichnen, griffe zu kurz, wenn damit bestimmte kulturell geprägte Konzepte verbunden sind. Hier sollte daher eher von einer latenten Traurigkeit gesprochen werden, die die Wahrnehmung der Sprechinstanz, die Darstellung der Welt und damit die Gedichte immer wieder begleitet oder sogar prägt.

Dabei handelt es sich nicht um die in „Versuch eines Requiems“ kritisierte Form des Trauerns, die die Vergangenheit in Vergessenheit geraten lässt, sondern um ein den Schmerz im Gedicht zulassendes beziehungsweise aktualisierendes und damit erinnerndes Trauern. Würde man die Gedanken aus „Versuch eines Requiems“ verabsolutieren, müsste man das Wort

‚Trauer(n)‘ konsequent nur für die im Requiem kritisierte Form der vergessenden Trauer reservieren und hier stattdessen nur noch von einem ‚schmerzhaften Erinnern‘ oder Ähnlichem sprechen. Da das den geläufigen Gebrauch von ‚Trauer(n)‘ und damit auch die Komplexität der Analyseergebnisse stark einschränken würde und das Requiem zudem erst nach den untersuchten Gedichtbänden entstanden ist, ist eine derartige Verabsolutierung jedoch nicht zu empfehlen.570 Die in „Versuch eines Requiems“ ausgesprochene Warnung vor dem Vergessen als Vergessen von Schuld angesichts der unmittelbaren Vergangenheit findet sich im Gedichtkorpus in dieser Form nicht. Zwar wird zuweilen – zum Beispiel in den Gedichten „Betrachtet die Fingerspitzen“

(EW I, 73 und 100f.), „Im Sonnenlicht“ (EW I, 74f. und 99f.), „Wenn du die Klapper des Aussätzigen hörst“ (EW I, 75f.) und „Kleine Reparatur“ (EW I, 91) und damit vor allem in den beiden späteren Gedichtbänden – vor bestimmten bedrohlichen Entwicklungen und vor falschem Glück gewarnt.571 Doch fehlt hierbei der explizit thematisierte Schuldaspekt, der sich in

„Versuch eines Requiems“ auf die Vergangenheit der Weltkriege und auch auf die Schuld gegenüber den Opfern der Verfolgung bezieht. Vielmehr wird in einigen Gedichten wie „Der Große Lübbe-See“ (EW I, 84f.), „Angst“ (EW I, 72f.) und „Botschaften des Regens“ (EW I, 85f.) dargestellt, dass sich die jeweilige Sprechinstanz vor Erinnerungen, die sie mit ihrer Schuld konfrontieren könnten, fürchtet. Hier könnte im Kontext der Entstehungszeit der Gedichte allenfalls ein indirekter Bezug auf die deutsche Vergangenheit und damit verbundene Schuldgefühle ausgemacht werden.

570 Zum Verhältnis von Erinnern und Vergessen sei ergänzend auf den 1957 entstandenen Zyklus „Fortsetzung des Gesprächs“ aus dem Band Anlässe und Steingärten verwiesen, wo es einleitend heißt: „Ich bemerkte/ daß Erinnerung eine Form von Vergessen ist.“ (EW I, 154). Gleichzeitig dient der Zyklus jedoch explizit dem Totengedenken und wirkt damit gegen das Vergessen der angesprochenen Person. Vgl. zu dem Text auch Fetscher: „Spuren eines Spurlosen“, S. 222 und 226-229 und Buchheit: Formen und Funktionen, S. 213-222.

571 Das Lexem ‚Glück‘ findet sich mit Abstand am häufigsten in Botschaften des Regens, wird aber meist als falsches Glück dargestellt und dient somit der Warnung vor falschen Entwicklungen.

An diese Beobachtung knüpft die Frage an, ob sich in den Gedichten Günter Eichs ein zeitspezifisches Emotionalisierungspotenzial identifizieren lässt. Ein solches Zeitspezifikum könnte sich ebenso in der Verwendung bestimmter, zeitlich gebundener Emotionskodes wie in der Einbeziehung zeitspezifischer Themen ausdrücken. Bezüglich dieser Frage sind noch einmal die Camp-Gedichte in Erinnerung zu rufen, die in der Analyse immer wieder als Beispiele für die verschiedensten Verfahren der Emotionsgestaltung genannt worden sind, woran zunächst einmal deutlich wird, dass Emotionen in ihnen relevant sind. Zeitspezifisch sind diese Texte insofern, als hier explizit der Alltag im Kriegsgefangenenlager nach Ende des Zweiten Weltkrieges die Grundsituation bildet. Konkrete Ortsnamen dienen der Identifizierung des Lagers und der amerikanischen Militärregierung. Vor diesem Hintergrund wird die soziale und emotionale Lage der Sprechinstanz präsentiert, die Emotionen und Stimmungen hervorruft und bestimmt.572 Das Zeitspezifikum konkretisiert also die Situation der dargestellten Figuren und betrifft damit vor allem die inhaltliche Einordnung des Dargestellten.573 Auffällig ist hierbei jedoch, dass die Auseinandersetzung mit dem Zeitgeschehen über das subjektive Erleben im Kriegsgefangenenlager in diesen Texten nicht hinausgeht, dass also keinerlei Reflexion über die unmittelbare Vergangenheit, den Holocaust oder den Krieg präsentiert wird. Fetscher spricht davon, dass „die bedrängende Erlebenssituation des Augenblicks […] hier fast jede Reflexion [übertäube]“.574 Lampart geht ebenfalls auf die „Auslassungen“ ein, die er als „[s]ymptomatisch für diese in den unmittelbaren Nachkriegsjahren rhetorisch progressiv auftretende, tatsächlich aber nur partielle Aufarbeitung der Moderne bei Eich“ ansieht.575 In den späteren beiden Gedichtbänden, insbesondere in Botschaften des Regens finden sich zwar wie gesagt Gedichte, die als durchaus gesellschaftskritische Warnung vor bestimmten Entwicklungen verstanden werden können, doch kann ein Bezug zur deutschen Vergangenheit in diesen veröffentlichten Texten bis

572 Vgl. dazu auch Neumann: Rettung der Poesie, S. 51: „Die Erfahrung, die sich in [den Gefangenschaftsgedichten, A. F.] ausspricht, ist zwar eine von Millionen geteilte Erfahrung, besitzt aber doch zugleich einen individuellen Ausnahme-Charakter. Die Gedichte, in denen sie zur Sprache kommt, stehen deshalb auch im Kontinuum des Eichschen Schreibens als Ausnahmen, und sie vor allem waren es, die den Eindruck einer Diskontinuität beim Beginn der zweiten Schaffensperiode entstehen ließen. Dieser Eindruck ist richtig, aber zugleich auch falsch. Richtig ist, daß die Gefangenschaftserfahrung in ihrer Härte und Unabweisbarkeit kein Erfahrungsäquivalent in Eichs früherer Dichtung besitzt. Da es sich um eine individuell erlebte, zugleich aber kollektive Notsituation handelte, durften gerade diese Gedichte einer besonderen Resonanz sicher sein.“

573 Die Darstellung eines Einflusses der äußeren Welt in Form der Gesellschaft auf das Leben und die Innenwelt der dargestellten Figuren (in den meisten Fällen der autodiegetischen Sprechinstanz) beschränkt sich jedoch nicht auf die Camp-Gedichte. Vgl. hierzu Foot: Phenomenon of Speechlessness, S. 88f., der als Beispiele Gedichte wie „Gegenwart“

(EW I, 82f.) und „Augenblick im Juni“ (EW I, 102f.) anführt.

574 Fetscher: „Spuren eines Spurlosen“, S. 225.

575 „Der Krieg erscheint ausschließlich in den unmittelbaren, auf persönliches Erleben zurückgehenden Reflexen der Gefangenengedichte, die durch seine Gestaltung dann zu Recht eine mehrfache Repräsentativität gewinnen. Der Krieg selbst wird nicht behandelt, ebensowenig thematisiert Eich die Jahre der Diktatur; und wie für die meisten seiner Zeitgenossen ist der Holocaust für ihn eine große Leerstelle. Auch an Eich bestätigt sich, dass die deutsche Lyrik der Nachkriegszeit, trotz mancher Diskussionen über die Möglichkeit einer Lyrik nach Auschwitz, viel stärker vom kollektiven Klima und von den Ideen der späten 40er und der 50er Jahre bestimmt war.“ Lampart:

Nachkriegsmoderne, S. 143f.

Mitte der 1950er Jahre allenfalls indirekt hergestellt werden. Dennoch ist der von Eich geforderte Bezug zur Wirklichkeit in seinen Gedichten in der Wahl der Motive und der dargestellten Situationen und settings insbesondere ab dem Band Untergrundbahn offensichtlich.

Finden sich aber über inhaltliche Bezüge hinaus zeitspezifische Darstellungsmittel? Die verwendeten Emotionskodes sind insgesamt eher konventioneller Natur, wobei aber ganz unterschiedliche Traditionslinien identifiziert werden können: So finden sich Kodes des – auf verschiedene Emotionsaspekte zurückzuführenden – körperlichen Ausdrucks und Empfindens von Trauer, typisierte traurige Situationen und basale lexikalische Mittel des Emotionsausdrucks wie Interjektionen. Bei den Situationen, die Emotionen bei der Sprechinstanz hervorrufen und diegetisch präsentieren können, handelt es sich meist um typische Verlusterfahrungen. Zur Gestaltung emotional aufgeladener Stimmungen werden nicht selten romantische Topoi bemüht.

Anklänge an expressionistische Ausdrucksweisen finden sich zum Beispiel im assoziativen, teils synästhetischen Bilderreichtum mancher Texte oder in einer dissoziativen Wahrnehmung der Sprechinstanz. Doch verwendet Eich diese im Einzelnen auf mehr oder weniger etablierte (literarische) Traditionen zurückzuführenden Gestaltungsmittel von Emotionen selten unkritisch und in isolierter Form: Romantische Topoi dienen so beispielsweise der konkreten Präsentation der aktuellen, auf ihre Weise realistisch dargestellten (emotionalen) Situation ex negativo, Interjektionen werden ironisch verwendet, oder die totale Entfremdung tritt an die Stelle des harmonischen und sinnstiftenden Eingehens in die Natur. Die verschiedenen genannten Traditionslinien – und weitere Darstellungsweisen wie beispielsweise eine teils sachliche, zunehmend verknappte und darin sprachkritische Tendenz – werden häufig vermischt und auf diese Weise im Einzelnen modifiziert. So zeigt sich auch da, wo die Sprache nüchtern, klar und um eine realistisch-sachliche Darstellung der Wirklichkeit bemüht ist, dass das geschilderte Geschehen oder die präsentierte Situation Emotionalisierungspotenzial entfalten kann, wie am Beispiel des Gedichts „Inventur“ (EW I, 35f.) deutlich gemacht wurde.576

Festhalten lässt sich in Bezug auf das Spezifische der formalen Emotionsgestaltung in den Gedichten Eichs also, dass zwar größtenteils mit vorhandenen beziehungsweise nach 1945 bereits etablierten Mitteln gearbeitet wird, diese aber in vielen Fällen gebrochen und variiert

576 Auch im verknappten, zuweilen grotesken Spätwerk Eichs sehen z. B. Neumann und Buchheit noch vielfach einen Ausdruck von Trauer, allerdings einer vor allem anarchischen, Sinn und Kommunikation mit dem Leser zunehmend verweigernden Trauer. Beide legen jedoch Wert auf eine Entwicklung innerhalb des Gesamtwerkes:

„Aus einer Grunddisposition der Schwermut und der Trauer hat sich Eichs Werk unter dem Druck geschichtlicher und privater Erfahrungen mit großer Konsequenz entwickelt und radikalisiert. Eichs Schreiben dokumentiert die Kontinuität und Verschärfung seines anarchischen Denkens.“ Neumann: Rettung der Poesie, S. 16. Buchheit sieht Resignation und auch Trauer zum Spätwerk hin sogar zunehmen. Vgl. Buchheit: Formen und Funktionen, S. 82, 93, 97, 108 u. a. m. Sie stützt sich dabei vor allem auf die in den Texten dargestellte Kommunikationssituation. Ihr Urteil müsste noch genauer anhand der verschiedenen Textebenen geprüft werden, wie es hier für die Gedichte bis 1955 vorgeführt wurde. Dennoch bildet ihre Untersuchung für die Auseinandersetzung mit Trauer in Eichs Werk der 1960er Jahre eine wichtige Grundlage und damit eine erwähnenswerte Ergänzung zur vorliegenden Untersuchung der mittleren Schaffensperiode.

werden. Dabei ist zu bedenken, dass gerade Emotionen und vor allem diffusere Stimmungen wie Traurigkeit, die schwer zu begreifen und noch schwerer in Worte zu fassen sind, konventioneller Ausdrucksmittel bedürfen, nicht nur um dargestellt, sondern auch um verstanden und nachvollzogen werden zu können.

Abschließend ist in Erinnerung zu rufen, dass die Analyse des Textkorpus sich dezidiert mit der Darstellung von Trauer beschäftigt und entsprechend gezielt jene Texte genauer untersucht hat, in denen Trauer eine Rolle spielt. Andere Emotionen wie Angst und Schuldgefühle kommen nicht nur in den exemplarisch angeführten, sondern auch in den übrigen Texten noch hinzu. Doch auch wenn Trauer nur wenige Texte wirklich eindeutig dominiert, ist eine entsprechende, jedoch diffusere emotionale Stimmung einem großen Teil der untersuchten Texte inhärent. Hier wäre an die einleitend erwähnten Arbeiten zu Günter Eich anzuknüpfen, die ihn als einen Dichter der Trauer bezeichnen beziehungsweise die seinem Werk latent innewohnende Melancholie hervorheben. Genauso wenig wie die Bezeichnung ‚Kahlschlaglyriker‘ oder ‚Naturlyriker‘ trifft die Bezeichnung ‚Dichter der Trauer‘ auf das gesamte Werk Günter Eichs zu. Wie die ersten beiden ist es jedoch eine zutreffende Bezeichnung für einen Teil des Werkes, die mit dem Kahlschlag- und Naturlyriker, wie die vorangehenden textorientierten Analysen gezeigt haben, auch einhergehen kann. Aufgrund der einleitend erläuterten Repräsentativität des Dichters ist zudem davon auszugehen, dass die hier dargestellten Ergebnisse allgemeinere Aussagen über die Gestaltung von Trauer in der deutschen Nachkriegslyrik zulassen. Hierauf ist nach den nun folgenden Analysen der Gedichte von Marie Luise Kaschnitz und Nelly Sachs abschließend noch einmal zurückzukommen.

4 MARIE LUISE KASCHNITZ