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2 Innovative Aktivierungsformate zur Stärkung der Eigenvorsorge Eigenvorsorge

2.1 Wie kann zur Starkregen-Eigenvorsorge motiviert werden?

2 Innovative Aktivierungsformate zur Stärkung der

Im Projektteam wurden daraus in Anlehnung an das dreistufige Modell von ÖGUT 2005, S. 8 vier Stufen herausgearbeitet: Information, Konsultation, Mitbestimmung und Mitentscheidung (siehe Abbildung 2). Da einseitige Kommunikation, z. B. durch die oben beschriebenen

Informationsangebote, aus Sicht von Teilnehmenden häufig noch keine Form der Beteiligung darstellt, wird in diesem Bericht erst ab Konsultation aufwärts von Beteiligung gesprochen.

Hintergrund ist ein Verständnis von Beteiligung, dass nicht nur von einem „Beteiligt werden“

(Teilhabe), sondern auch von einem „Sich Beteiligen“ (Teilnahme) ausgeht.

Abbildung 2: Stufen der Partizipation

Quelle: e-fect

Bei den Beteiligungsformaten wird zwischen formellen und informellen Verfahren

unterschieden. Formelle Verfahren sind gesetzlich vorgeschrieben wie beispielsweise Formen der Auslegung von Unterlagen oder die Anhörung im Rahmen von Planungsverfahren.

Informelle Verfahren gehen über gesetzliche Vorgaben hinaus. In der Regel sind diese

informellen Verfahren gemeint, wenn von Bürgerbeteiligung die Rede ist. Da es noch keinerlei gesetzliche Vorschriften für die Aktivierung zur Starkregenvorsorge gibt, handelt es sich im Projekt Regen//Sicher immer um informelle Verfahren.

Bei den Beratungs- und Beteiligungsformaten gibt es die Besonderheit von aufsuchenden Verfahren. Dies bedeutet, dass die Personen, die Beratung oder Beteiligungsmöglichkeiten anbieten, die Zielgruppen direkt aufsuchen. Dies kann beispielsweise eine Befragung an der Haustür oder ein Angebot in den Räumlichkeiten der Zielgruppen (eigene Räumlichkeiten der Zielgruppen oder Orte, an denen sich die Zielgruppe trifft) sein.

Bei der Systematisierung von Aktivierungsformaten nach Information, Beratung und Beteiligung ist herauszustellen, dass die Formate nicht trennscharf sind und es auch Formate gibt, die zwei oder gar alle drei Typen umfassen. Daneben gilt es die Reichweite der Beteiligung zu betrachten.

Sollen mit dem Format Personen aus der gesamten Kommune, aus einem Stadtteil8 oder nur einzelne Haushalte und Personen erreicht und aktiviert werden? Im Projekt wird unterschieden zwischen personenbezogenen Ansätzen, nachbarschaftlichen und kommunalen Ansätzen (siehe Abbildung 3).

Abbildung 3: Systematisierung von Aktivierungsformaten

Quelle: eigene Darstellung

2.1.2 Möglichkeiten und Grenzen von Beteiligungsformaten

Grothmann (2017b) hat im Rahmen des Projektes Regen//Sicher die Möglichkeiten und Grenzen von Beteiligungsformaten zur Eigenvorsorge aufgrund der bestehenden Literatur analysiert. Ein zentrales Ergebnis der Literaturanalyse ist, dass Beteiligungsformate zwar als verhaltensfördernde nicht aber als verhaltenserzeugende Intervention betrachtet wird (Mosler und Tobias 2007, S. 42; siehe Abbildung 4). Diese Aussage wurde durch die Evaluation im Projekt bestätigt.

Des Weiteren stellt Grothmann fest:

„Zwar wird Beteiligungsprozessen von Mosler und Tobias (2007) ein Beitrag zu

Verhaltensveränderungen zugeschrieben, aber es gibt auch kritische umweltpsychologische Stimmen hinsichtlich der Verhaltenswirksamkeit von Beteiligungsprozessen. So argumentieren Kaiser et al. (2011), dass partizipative Interventionen grundsätzlich mit hohen Verhaltenskosten (v. a. Zeitaufwand der Teilnahme, z. T. auch finanzielle Kosten für Anreise) einhergehen und sich daher nur die bereits Motivierten dort versammeln, deren hohe Motivation durch die

Beteiligungsmethoden kaum noch weiter erhöht werden könne. Gering Motivierte würden nicht teilnehmen und daher könne ihre Motivation auch nicht durch die partizipative Intervention erhöht werden“. (Grothmann 2017b, S. 16f)

Grothmann kritisiert auch fehlende Wirksamkeitsanalysen für die Interventionen. Liegen keine Wirksamkeitsanalysen vor, so sei aufgrund der eingesetzten Instrumentenmixe eine eindeutige Zuschreibung von Wirkungen zu eingesetzten Instrumenten nicht möglich. Außerdem sei der Erfolg kontextabhängig beispielsweise von der Ausgestaltung und der konkreten Situation, so Grothmann weiter (Grothmann 2017b, S. 18).

Vor allem das Ergebnis der Literaturanalyse von Grothmann (2017b), dass Beteiligungsformate zwar als verhaltensfördernde nicht aber als verhaltenserzeugende Intervention betrachtet werden sollte, bestätigte eine These, die vom Projektteam im Angebot und im Projekt Kick-off Treffen formuliert wurde: Neben Beteiligungsprozessen könnten auch umweltpsychologische Interventionen und Social-Marketing Ansätze zur Aktivierung der Eigenvorsorge beitragen.

Dazu fokussierte das Projektteam bei den Social Marketing-Ansätzen auf das Community-Based

Abbildung 4: Klassifikation umweltpsychologischer Interventionsformen

Quelle: eigene Darstellung nach Mosler und Tobias 2007, S. 42

2.1.3 Ansatz des Community-Based Social Marketing

Community-Based Social Marketing versteht sich als Ansatz zur Förderung nachhaltiger Lebensstile durch Verhaltensveränderung. Dazu entwickelt McKenzie-Mohr (2011) in fünf Schritten eine Strategie zur Verhaltensveränderung. Schritt 1 ist die Auswahl des gewünschten Zielverhaltens. Schritt 2 umfasst die Identifizierung von Hürden und Nutzen. Im Schritt 3 werden die Strategien auf Basis sozialpsychologischer Erkenntnisse entwickelt und in Schritt 4 pilothaft mit einer kleinen Gruppe getestet. Im Schritt 5 finden die Implementierung und die begleitende Evaluation statt (McKenzie-Mohr 2011, S. 8ff). Dieses Vorgehen haben wir auf die Erarbeitung von Aktivierungsformaten übertragen. In der Analyse haben wir das Zielverhalten festgelegt und die psychologischen Hürden und den Nutzen identifiziert. Abgestimmt auf die Zielgruppen und den kommunenspezifischen Rahmen wurden Ideen für Maßnahmen entwickelt und mit einer Stakeholdergruppe (Akteursworkshop) reflektiert und angepasst bevor wir diese umgesetzt und evaluiert haben.

Während Mosler und Tobias (2007) lediglich die unterschiedlichen umweltpsychologischen Interventionsformen kategorisieren, aber kaum Aussagen darüber machen, in welchen

Kontexten welche Interventionen zu wählen sind, gibt der Ansatz des Community-Based Social Marketing hierzu konkrete Hinweise. Wesley-Schultz (2014) hat dazu einige der

umweltpsychologischen Interventionsformen, die in Abbildung 4 dargestellt sind, auf ihre Wirksamkeit untersucht Mit Hilfe des Modells des Community-Based Social Marketing und einer Meta-Analyse von Osbaldiston und Schott (2012) bewertete er die Wirkungen von

Interventionen bei geringen und großen Hemmnissen und Nutzen. Abbildung 5 zeigt wie Wesley-Schultz die besonders wirksamen Interventionen zusammenfasst.

Community-Based Social Marketing als Ansatz ist deshalb interessant, weil es die Instrumente und Methoden der Verhaltensforschung nutzt und sich auf eine Personengruppe mit

Gemeinsamkeiten (z. B. Nachbarschaften, Netzwerke, Arbeitsplatz) fokussiert (Wesley-Schutz 2014, S. 109).

Abbildung 5: When various behavior change tools work best

Die Wirksamkeit von Interventionen sind nach Wesley-Schultz abhängig von den identifizierten Hürden und den Nutzen, Eigenvorsorgemaßnahmen umzusetzen (Community-Based Social Marketing Schritt 2 nach McKenzie-Mohr 2011). Das Projektteam schätzt die Hürden für die Eigenvorsorge als relativ hoch ein. Der Nutzen für die Akteurinnen und Akteure wird von diesen je nach Risikobewertung9 unterschiedlich ausfallen. Daher berücksichtigen die Vorschläge des Projektteams für die Kommunen auch Wettbewerbe oder Selbstverpflichtungen als

Aktivierungsformate. Der Zielgruppe Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen, ist ein Versuch, es den Zielpersonen einfach zu machen. Für Personen, die schon für das Thema sensibilisiert sind (geringere Barrieren), werden in die Formate auch soziale Normen und Vorbilder als

unterstützende Faktoren eingebaut.

2.1.4 Psychologische Einflussfaktoren zur Gestaltung von Aktivierungsprozessen Grothmann (2017b) hat in seiner Studie auf Basis bestehender Studien die Einflussfaktoren für die Aktivierung der Bevölkerung systematisch ermittelt. Grundlage bildete ein von ihm

entwickeltes psychologisches Rahmenmodell zu Einflussfaktoren und -instrumenten des Vorsorgehandelns (siehe Abbildung 6). Darauf aufbauend untersuchte er, wie welche psychologischen Einflussfaktoren auf Vorsorgehandeln wirken, um dann zu schauen, wie Beteiligung auf diese handlungs-, risiko- und identitätsbezogenen Einflussfaktoren wirken (Grothmann 2017b, S. 22ff). Für die Entwicklung von Aktivierungsformaten und die spätere Umsetzung der Beteiligungsformate in den Fallkommunen wurden folgende zentralen Einflussfaktoren ermittelt:

Schadenserfahrungen und Emotionen zu vermitteln,

persönliche Risikowahrnehmung zu stärken,

Selbstwirksamkeitsüberzeugungen zum persönlichen Vorsorgehandeln

(wahrgenommene Möglichkeit und Wirksamkeit des eigenen Handelns) zu erhöhen,

Wahrnehmungen gemeinsamer Vorsorgeverantwortung von Staat und Bevölkerung aufzubauen,

kollektive Wirksamkeitsüberzeugungen zum Vorsorgehandeln10 zu fördern und

lokale Identität und soziale Eingebundenheit auszubauen.

Eine aktuelle Metaanalyse von van Valkengoed und Steg (2019) stützt diese Auswahl. In der Metaanalyse wurden 140 Studien einbezogen und der Zusammenhang zwischen

psychologischen Einflussfaktoren und der Handlungsintention bzw. dem Handeln (z. B. zur Vorsorge gegenüber Überschwemmungen) untersucht. Selbstwirksamkeitsüberzeugungen, (negative) Emotionen und wahrgenommene soziale Normen zeigten dabei die höchsten

9 Risikobewertung wird in der Versicherungsmathematik als ein Produkt aus Eintrittswahrscheinlichkeit und möglichen

Schadensumfang errechnet. Auch in der Risikowahrnehmung der Akteurinnen und Akteure werden diese beiden Faktoren bewertet bspw. in Abhängigkeit davon, ob man schon selbst solche Situation erlebt hat oder welche Auswirkungen der Schaden auf das eigene Leben hat.

10 Unter kollektiver Wirksamkeitsüberzeugung wird die Überzeugung verstanden, dass die gemeinsame Umsetzung beispielsweise von Maßnahmen zur Starkregenvorsorge durch mehrere Akteurinnen und Akteuren möglich und wirksam ist, um Schäden durch Starkregen zu verhindern. Unter kollektiver Vorsorge werden Maßnahmen verstanden, die gemeinsam durchgeführt werden, wie beispielsweise das Anlegen eines gemeinsamen Regenrückhaltebeckens durch mehrere Nachbarinnen und Nachbarn. Die kollektive

Zusammenhänge mit der Handlungsintention bzw. mit dem Handeln (van Valkengoed und Steg 2019, S. 159f; siehe Abbildung 7).

Abbildung 6: Psychologisches Rahmenmodell zu Einflussfaktoren und -instrumenten des Vorsorgehandelns

Quelle: Grothmann 2017b

In ihrem Hintergrundpapier geben van Valkengoed und Steg (2019a) drei Empfehlungen für die Förderung des Klimaanpassungsverhaltens: die Berücksichtigung individuellen Verhaltens und Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern in der Planung von Vorsorgemaßnahmen, die Erprobung, Beobachtung und Evaluation von Verhaltensbeeinflussungsprozessen und die Notwendigkeit einer gemeinsamen Vorsorgeverantwortung, indem Staat und Wirtschaft selbst Maßnahmen umsetzen und der Staat ermöglichende Strukturen für die Umsetzung privater Eigenvorsorge schafft.

Weitere Empfehlungen zur Förderung des Klimaanpassungshandelns aus der Literaturanalyse von Grothmann (2017b) sind:

Umsetzung von Formaten, die eine gemeinsame Entwicklung von positiven Visionen einer klimaresilienten oder naturgefahrensicheren Zukunft auf der lokalen Ebene und Wegen zu ihrer Erreichung ermöglichen, gemeinsame Katastrophenschutz- und

Vorsorgeübungen von Katastrophenschutz und Bewohnerinnen und Bewohnern sowie persönliche Berichte von betroffenen und/oder bereits vorsorgenden Personen, mit denen sich die Teilnehmenden identifizieren können.

Bürgerinnen und Bürger wollen „mitsprechen“. Damit es sich nicht um kontraproduktive Scheinbeteiligung handelt, sollten in den Beteiligungsformaten neben dem Ziel der privaten Vorsorge immer auch die staatlichen Maßnahmen diskutiert werden.

Kombination von Beteiligungsmethoden mit anderen Methoden zur Förderung der Eigenvorsorge (Instrumentenmix) wie beispielsweise den in Abbildung 4 genannten umweltpsychologischen Interventionen.

Ansprache unterschiedlicher Zielgruppen mit unterschiedlichen Kommunikations- und Beteiligungsmethoden.

Wirkungsevaluation der durchgeführten Interventionen bzw. Formate zur Förderung des Klimaanpassungsverhaltens.

Abbildung 7: Einflussfaktoren auf Klimaanpassungsverhalten nach van Valkengoed und Steg

Quelle: van Valkengoed und Steg 2019a, S. 7