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Die Relativität des Realen

2. Not what you see – Die Relativität des Realen:

2.4. Der Morpheus der Philosophie – Arthur Schopenhauer:

2.4.1. Die Welt als Traum:

In Matrix, wo die Ambivalenz von Erkenntnis ebenfalls thematisiert wird, darf auch der Traum nicht fehlen. Daß Morpheus in der griechischen Philosophie der Gott der Träume war, wird bereits in Kapitel 1.2 erläutert. Morpheus wendet auch den Traum als Beispiel der

129 Ebd., 38, vgl. ebenfalls Lippe, „Wirken ist ein Verbum, das im Werk sein Zustandekommen findet und nicht in der Sache seine Ursache hat. Wirken gibt immer alle Elemente der Situation als beteiligte zu verstehen.

Realität kommt neulateinisch von res, die Sache; damit ist im Alltagsgebrauch wie in der Philosophie die Tatsache verbunden“, Neue Betrachtung der Wirklichkeit, Hamburg, 1997, 51

130 Schopenhauer, „Die Welt als Wille und Vorstellung“, Vol. I, Frankfurt am Main, 1986, 66

131 Ebd., 33

132 Adorno, Negative Dialektik, Frankfurt am Main, 1997, 142

Erklärung für die Unsicherheit des eigenen Standpunktes innerhalb der Wirklichkeit an:

„Have you ever had a dream, Neo, that you were so sure was real? [...] What if you were unable to wake from that dream, Neo? How would you know the difference between the dream world and the real world?“133 Die radikale Schlußfolgerung ist die, daß wir, da wir das Ding an sich nicht erkennen können, eigentlich nicht in der Lage sind, zwischen Traum und Wirklichkeit zu unterscheiden. Bereits Hobbes setzt im Leviathan die Vorstellung der Wirklichkeit und des Traumes gleich:

The imaginations of them that sleep are those we call dreams. And these also as all other imaginations have been before, either totally, or by parcels in the sense. And because in sense, the brains and nerves, which are necessary organs of sense, are so benumbed in sleep, as not easily to be moved by the action of external objects, there can happen in sleep, no imagination; and therefore no dream, but what proceeds from the agitation of the inward parts of a man’s body; which inward parts, for the connexion they have with the brain, and other organs, when they be distempered, do keep the same in motion;

whereby the imaginations there formerly made, appear as if a man were waking […]134

Gemäß Hobbes handelt es sich sowohl bei der Betrachtung der Wirklichkeit als auch bei der Betrachtung der Traumwelt um eine innere Bewegung des empfindenden Körpers, wobei im Traum, ungleich der Wahrnehmung in der Realität, nicht die Sinne, sondern sogleich das Gehirn von den Bildern der Erkenntnis affiziert wird. Auch die rhetorische Frage Morpheus,135 ob man es wohl merken würde, wenn man aus einem realistischen Traum nicht mehr aufwache, stellt sich Hobbes:

[..] and because waking I often observe the absurdity of dreams but never dream of the absurdities of my waking thoughts; I am well satisfied, that being awake I know I dream not; though when I dream, I think myself awake.136

Wir sind uns also ständig der Tatsache bewußt, daß wir, was immer wir tun, uns nicht in einem Traum befinden. Da aber unsere Möglichkeiten der Erkenntnis, wie oben diskutiert, äußerst begrenzt sind, stellt sich auch Schopenhauer, ausgehend von Hobbes, die Frage, ob

133 „Shooting Script“, New York, 2002, 302, 303, ebenso wird das Verhör Neos durch die Agenten in Matrix 1 von diesen ebenfalls später als Traum Neos inszeniert, Regieanweisung: „Screaming, Neo bolts upright in bed.“, ebd., 294

134 J.C.A. Gaskin (ed.), Thomas Hobbes, Leviathan, Oxford, 1996, 12

135 „Have you ever had a dream, Neo, that you were so sure was real [...] What if you were unable to wake from that dream, Neo? How could you know the difference between the dream world and the real world?”, “Shooting Script”, New York, 2002, 302, 303

136 J.C.A. Gaskin (ed.), Thomas Hobbes, Leviathan, Oxford, 1996, 13

nicht unser gesamtes Leben, ähnlich der späteren, surrealistischen Doktrin, nichts weiter als ein Traum ist:

Wir haben Träume; ist nicht etwa das ganze Leben ein Traum? – oder bestimmter: gibt es ein sicheres Kriterium zwischen Traum und Wirklichkeit? zwischen Phantasmen und realen Objekten? – Das Vorgeben der geringern Lebhaftigkeit und Deutlichkeit der geträumten, als der wirklichen Anschauung, verdient gar keine Berücksichtigung; da noch keiner diese beiden zum Vergleich nebeneinander gehalten hat; sondern man nur die Erinnerung des Traumes vergleichen konnte mit der gegenwärtigen Wirklichkeit.137

Da wir nur die Erinnerung an den Traum vergleichen können und während des Traumes keine bewußte Erinnerung an die wache Welt haben, ist es nahezu unmöglich, beide Realitäten miteinander zu vergleichen. Auch Schopenhauer kann uns keinen besseren Rat geben, als diese beiden Wirklichkeiten hinzunehmen, „Das Leben und die Träume sind Blätter eines und des nämlichen Buches. Das Lesen im Zusammenhang heißt wirkliches Leben.“138 Zusammenfassend läßt sich über die Inszenierung von Traum und Wirklichkeit in Matrix sagen, daß die Illusion der Matrix deutlich als Traum der Menschen dargestellt wird;

die Menschen schlafen in waben- bzw. sargähnlichen Betten und sehen eine Wirklichkeit innerhalb der Wirklichkeit (Abb.1 und 9). „You have the look of a man who accepts what he sees because he is expecting to wake up. Ironically, this is not far from the truth.”, sagt Morpheus zu Neo.139 Da die Illusion der Matrix als Traum codiert ist, stellt sich als nächstes die Frage, welche Form des Traumes sie darstellt: einen schönen Traum, den man wieder träumen möchte, wie z.B. für Cypher, oder einen Alptraum, aus dem alle aufwachen sollten, wie z.B. für Morpheus? Oder kann ein Traum, der real erscheinen soll, nur ein böser Traum sein? Dies wird im folgenden anhand der pessimistischen Weltsicht Schopenhauers geklärt.

137 Schopenhauer, „Die Welt als Wille und Vorstellung“, Vol. I, Frankfurt am Main, 1986, 47

138 Ebd., 90

139 „Shooting Script“, New York, 2002, 299