• Keine Ergebnisse gefunden

2 Wasser als Gefahr für die Gesundheit

Im Dokument Armut und Gesundheit (Seite 85-90)

Dass der Mangel an Wasser in Dürrezeiten zur Lebensgefahr ganzer Bevölke-rungsgruppen führen kann, ist unbestritten; und dass die physikalischen Kräfte von Wasser zu Überflutungen, ja gar zu den Tod bringenden Tsunamis führen können, lehrt uns die Geschichte immer wieder aufs Neue.

Darüber hinaus muss aber genauso darauf hingewiesen werden, dass chemi-sche, toxische und physikalische Schadstoffe im Wasser besonders bei langfristiger Exposition zu erheblichen Gesundheitsschäden, wenn nicht gar ebenfalls zum Tod führen können.

Hier soll jedoch vielmehr auf Gesundheitsgefahren eingegangen werden, die von Wasser als Vehikel für Vektoren oder von kontaminiertem Wasser als Infekti-onsquelle ausgehen (Tabelle 1).

Abbildung 2: Regelmäßig benutzter Wasserbrunnen (links) und verschlossener Brunnen in Tansania (Mitte), Rinnsal in einem Slum in Indonesien, das zur Ablei-tung von Fäkalien und gleichzeitig zum Waschen benutzt wird (rechts).

Tabelle 1: Wasser als Gefahr für die Gesundheit (Beispiele)

Gesundheitsgefahr Beispiel Erkrankung

Katastrophen Dürre Hypovolämie, Kreislaufkollaps,

Verdursten Überflutung, Tsunami Ertrinken

Vektoren Anopheles-Stechmücken Malaria

Aedes-Stechmücken Dengue-, Chikungunya-, Gelbfieber Culex-Stechmücken Westnilfieber

Simulien (Kriebelmücken) Flussblindheit Wasserschnecken Bilharziose

Kontaminiertes Wasser Viren Noroviren, Rotaviren, Hepatitis A

Bakterien Cholera, Typhus

Parasiten Amöben-, Lamblien-Ruhr

Eine Studie aus Nigeria schränkt in diesem Hinblick jedoch richtigerweise ein, dass Untersuchungen zur Wasserqualität insbesondere in Afrika südlich der Sahara regional extrem unterschiedlich ausfallen können. So konnte in Nigeria gezeigt werden, dass bereits Unterschiede im Hinblick auf die Wasserqualität oder sogar die Verfügbarkeit von Wasser bestehen, wenn Untersuchungen an Orten durchge-führt werden, die nur wenige Kilometer voneinander entfernt liegen (Ndu et al., 2013).

2.1 Wasser als Quelle von Vektoren für Krankheitserreger

Speziell für humanpathogene Viren (z. B. Dengue-, Chikungunya-, Gelbfieber-Viren) und Parasiten (Plasmodien, Filarien) stellen weibliche Stechmücken der Gattungen Aedes, Anopheles und Culex wichtige Vektoren dar. Mit dem Stich kön-nen die im Speichel der Mücken befindlichen Krankheitserreger auf den Menschen übertragen werden. Die weiblichen Stechmücken selber benötigen das Blut ihres Wirtes für die Produktion ihrer Eier. Die Mückenentwicklung lässt sich insgesamt in die Stadien Ei, Larve, Puppe und Imago (adultes Insekt) gliedern. Dabei werden die Eier von der weiblichen Mücke auf der Wasseroberfläche oder in Wassernähe meist stehender Gewässer abgelegt. Unter Umständen reichen sogar kleinste Was-sermengen, z. B. Wasserreste in Astlöchern oder Baumstümpfen, aus. Das Wasser als Habitat ist für die Mückenentwicklung essenziell, da die Mückenlarven aus-schließlich im Wasser leben und sich mit Hilfe ihrer bürstenartigen Mundwerkzeu-ge von Abfallprodukten und Mikroorganismen aus dem Wasser ernähren. Aus der

Larve entwickelt sich dann das relativ kurzzeitige Puppenstadium, aus dem schließ-lich das erwachsene Insekt schlüpft.

Aufgrund der Notwendigkeit von Wasser für die Mückenentwicklung sind die durch Stechmücken übertragbaren Infektionskrankheiten eng mit dem Vorhan-densein von Wasser assoziiert. Eine natürliche Bekämpfung der Larvalentwicklung in stehenden Gewässern könnte zwar durch den breiten Einsatz von larvenfres-senden Fischen ermöglicht werden, da diese aber von der Bevölkerung gefangen und gegessen werden könnten, ist dieser Ansatz nur schwer zu realisieren. Eine ökologisch verträgliche Alternative wäre der Einsatz von entomopathogenen Pilz-arten, wie z. B. Beauveria bassiana (Valero-Jiménez et al., 2014).

Schon vor mehr als 2000 Jahren wurde die Bedeutung des Wassers als Über-träger von Krankheiten erkannt: So geht z. B. der Name der Malaria von der alten Lehrmeinung der Miasmen des Hippokrates von Kos aus, wonach giftige Ausdünstun-gen des Bodens zur Entstehung von Krankheiten führen: mala aria (lat.) =

„schlechte Luft“, die sich in der Nähe von Sümpfen befindet. Während zum da-maligen Zeitpunkt um 400 v. Chr. mangels des Vorhandenseins von Mikroskopen Krankheitserreger noch völlig unbekannt gewesen sind, wissen wir heute, dass die Malaria durch Parasiten der Gattung Plasmodium verursacht wird. Die Plasmodien werden durch den Stich eines infizierten Menschen durch die weibliche Anopheles-Mücke aufgenommen, durchlaufen darauf ihren geschlechtlichen Entwicklungs-zyklus in der Mücke, um schließlich als Sporozoitenstadium beim Stich auf einen neuen Menschenwirt wieder übertragen zu werden. Die dämmerungsaktiven Anopheles-Mücken benötigen für ihre eigene Entwicklung vor allem klares, d.h.

relativ sauberes Wasser. Als überzeugende Strategie zur Bekämpfung der Malaria hat sich der Einsatz von mit Insektiziden imprägnierten Mosquitonetzen erwiesen.

Durch diese ökonomisch wenig belastende Maßnahme konnte die Letalität der Malaria in den entsprechenden Gebieten um 17% gesenkt werden (Binka et al., 1996).

Die tagaktiven Aedes-Mücken sind vornehmlich bekannt als Überträger ver-schiedener viraler Erkrankungen, wie z. B. Dengue-, Chikungunya- oder Gelbfie-ber. Mit der weltweiten Ausbreitung der Tigermücke (Aedes albopictus) breiten sich vor allem Dengue- und Chikungunya-Fieber zunehmend in die nördliche Hemi-sphäre aus. Dementsprechend wurden beispielsweise autochthone Übertragungen dieser beiden eigentlich in den Tropen beheimateten Infektionskrankheiten 2010 im Südosten Frankreichs nachgewiesen (Vega-Rua et al., 2013). Die dafür notwen-dige Überträgermücke Aedes albopictus wurde erstmalig bereits 1979 innerhalb Eu-ropas nachgewiesen; sie war ursprünglich in Wasserpfützen innerhalb von fen gefunden worden und hatte aufgrund des globalen Handels mit diesen Altrei-fen nach Europa gelangen können. Auch in Deutschland werden seit einigen Jah-ren vor allem in der Nähe Freiburgs innerhalb des relativ warmen obeJah-ren Rhein-grabens wiederholt Eier, Larven und Puppen der Tigermücke gefunden (Werner und Kampen, 2014).

Im Gegensatz zu Anopheles- und Aedes-Mücken bevorzugen weibliche Stech-mücken der bei uns vor allem vorkommenden dämmerungsaktiven Gattung Culex verunreinigte, stehende Gewässer (z. B. Wasser in Regentonnen oder Tümpeln) für ihre Eiablage. Sie gelten als wichtige Vektoren unter anderem für das Westnil-fieber-Virus, das sein natürliches Reservoir in vielen Wildvogelarten (z. B. Krähen) hat und bereits vor vielen Jahren durch Zugvögel von Afrika nach Europa einge-schleppt worden ist. In erster Linie aber hat das Westnilfieber-Virus wahrschein-lich durch Mücken, die innerhalb von Flugzeugen in die USA gelangt sind, den Weg nach Nordamerika gefunden. Innerhalb der letzten zehn Jahre hat es sich fast über den gesamten nordamerikanischen Kontinent ausgebreitet. Darüber hinaus sind Stechmücken der Gattung Culex wichtige Überträger für verschiedene Fa-denwurminfektionen des Menschen. Hier wären z. B. Filarien der Arten Brugia malayi und Wuchereria bancrofti zu nennen, die die lymphatische Filariose in den Tropen hervorrufen.

Kriebelmücken der Gattung Simulium benötigen fließende Gewässer für ihre Larvalentwicklung und finden sich daher vorzugsweise an Stromschnellen oder im Flusswasser im Bereich von Steinansammlungen. In tropischen Gebieten, haupt-sächlich in Afrika südlich der Sahara, übertragen sie Fadenwürmer der Art On-chocerca volvulus. Die von diesen Würmern verursachte Onchozerkose wird auch als Flussblindheit bezeichnet, da es neben Hautsymptomen (z. B. Depigmentierung, Hautknoten) oft zur Erblindung der befallenen Patienten kommt. Durch Begradi-gung der Flüsse können die Brutstätten der Simulien dezimiert werden; gleichzeitig ist durch den Einsatz des Antibiotikums Doxycyclin eine verbesserte Therapie der betroffenen Patienten möglich geworden.

Die Darstellung der hier genannten Stechmücken und die von ihnen übertra-genen Krankheiten erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll nur beispielhaft die Bedeutung des Wassers als Habitat für die Stechmückenentwick-lung und dadurch indirekt die Bedeutung des Wassers als Quelle für die Übertra-gung von Krankheiten auf den Menschen hervorheben.

Neben Stechmücken können Krankheitserreger des Menschen jedoch ebenso durch bestimmte Wasserschnecken (z. B. Biomphalaria glabrata) übertragen werden, die im Süßwasser beheimatet sind und in tropischen Gewässern als Vektoren für die Bilharziose dienen. Die Bilharziose wird durch verschiedene Saugwurmarten der Gattung Schistosoma verursacht, die innerhalb ihres Entwicklungszyklus‘ die Stadien Ei, Wimpernlarve (Mirazidium), Gabelschwanzlarve (Zerkarie) und ge-trenntgeschlechtliche Adultwürmer durchläuft. Bei Aufenthalt im mit Schistoso-men verseuchten Süßwasser können sich die aus den Wasserschnecken freigesetz-ten Zerkarien durch die Haut des Menschen bohren und letzfreigesetz-tendlich in seine Blut-gefäße einwandern. Dort entwickeln sie sich dann zu männlichen und weiblichen Adultwürmern, die gemeinsam als Pärchenegel mehrere Jahrzehnte in den Blutge-fäßen ihres menschlichen Wirtes persistieren können. Die vom Weibchen gelegten Eier können sich in verschiedensten Organen, vor allem aber im Darm und in der Blase, einnisten, oder aber mit dem Stuhl oder Urin wieder ausgeschieden werden.

Geschieht die Ausscheidung innerhalb eines Süßwassersees, entwickeln sich aus den Eiern Mirazidien, die für ihre Weiterentwicklung die schon genannten Was-serschnecken benötigen. Eine chronische Wurminfektion hat insbesondere für die Entwicklung von Kindern negative Effekte, wie z. B. Wachstumsverzögerungen.

Aufgrund der Abnahme der physischen Leistungsfähigkeit und einer verminderten Aufnahmefähigkeit und Gedächtnisleistung kann ihre Gesamtleistung in der Schu-le Schu-leiden, sodass langfristig eingeschränkte Verdienstmöglichkeiten für die Be-troffenen bestehen können (gegenseitige Abhängigkeit von Gesundheit und Öko-nomie!). Die für die Bilharziose typischen Symptome werden durch die hohe Im-munogenität der abgelegten Eier bestimmt; sie machen sich primär durch Bauch-schmerzen und blutige Durchfälle bei der Darmbilharziose oder durch Blasenent-zündungen und Blut im Urin (Blasenbilharziose) bemerkbar. Die Therapie erfolgt durch das Antihelminthikum Praziquantel.

2.2 Kontaminiertes Wasser als Infektionsquelle

Wird es als Trinkwasser oder zur Bereitung von Nahrungsmitteln verwendet, kann kontaminiertes Wasser eine lebensbedrohliche Gefahr für den Menschen darstel-len. Exemplarisch soll im Folgenden auf einige virale, bakterielle und parasitäre Infektionskrankheiten eingegangen werden, die mittels Verwendung kontaminier-ten Wassers auf den Menschen übertragen werden können.

Noroviren sind vor allem bei den Erwachsenen und Rotaviren besonders bei Kindern wichtige Auslöser einer Gastroenteritis, die durch massiven Brechdurch-fall, abdominale Beschwerden und Muskelschmerzen charakterisiert ist. Weil so-wohl das Erbrochene als auch der Durchfall infektiöse, umweltstabile Viruspartikel enthalten und die für eine Erkrankung erforderliche Infektionsdosis mit gerade einmal 10-100 Viruspartikeln sehr niedrig ist, ist eine schnelle Ausbreitung der Erkrankung infolge fäkalkontaminierten Wassers, Nahrungsmittel oder unzu-reichend gereinigter Hände leicht möglich. Laut Schätzungen der WHO starben alleine im Jahr 2008 weltweit zwischen 400.000 und 500.000 Kinder, die jünger als fünf Jahre alt waren, an einer Rotavirus-Infektion. Besonders betroffen sind Län-der mit geringen Ressourcen, wie Indien, Pakistan, Nigeria, Kongo und Äthiopien (WHO, 2014).

Auch Hepatitis-A-Viren werden mit Fäkalien ausgeschieden; im Vordergrund der klinischen Symptomatik stehen bei der Hepatitis A jedoch die Leberentzün-dung und der Ikterus (Gelbsucht). Die für die Erkrankung erforderliche Infekti-onsdosis ist aber wahrscheinlich etwas höher als bei Noro- oder Rotaviren, da Hepatitis-A-Viren in den meisten Fällen innerhalb des fäkalkontaminierten strand-nahen Seewassers zusammen mit pflanzlichem Debris und Mikroorganismen von Seemuscheln aufgenommen werden und sich dort innerhalb des Muschelfleisches zunächst anreichern. Die Infektion des Menschen verläuft dann in den meisten Fällen durch den Verzehr von rohem HAV-haltigen Muschelfleisch.

Speziell für bakteriell und parasitär bedingte Durchfallerkrankungen ist aber fäkal-kontaminiertes Wasser die Hauptquelle der Übertragung von Mensch zu Mensch (Abbildung 3).

Insbesondere in Ländern mit beschränkten Ressourcen und dort bei Mangel an sanitären Anlagen, wie z. B. in Slums, werden Bäche und Flussläufe gleichzeitig als Abort, Waschstelle und Trinkwasserquelle genutzt (Abbildung 4). Es verwundert deshalb nicht, dass unter derartig schlechten hygienischen Bedingungen fäkalkon-taminiertes Wasser in den Nahrungskreislauf gelangen kann. Von den zahlreichen Krankheitserregern, die als Fäkalkeime bzw. -parasiten durch den Verzehr von kontaminiertem Wasser zu lebensbedrohlichen Durchfallerkrankungen führen, sollen hier exemplarisch nur die Erreger der Cholera, des Typhus’ und der Amö-ben- bzw. Lamblien-Ruhr Erwähnung finden (Abbildung 4).

Die Cholera ist das Paradebeispiel für eine Infektionskrankheit, die sich vor-nehmlich unter Katastrophenbedingungen und Überflutungen, das heißt bei feh-lender sanitärer Versorgung und damit einhergehender schlechter bzw. fehfeh-lender Wasserhygiene, epidemisch ausbreiten kann. Durch massive, nicht kontrollierbare wässrige Durchfälle gelangen unter diesen Bedingungen riesige Mengen der Bakte-rienart Vibrio cholerae in den Wasserkreislauf und können sehr schnell breite Teile

Nature Reviews Microbiology, modified

Im Dokument Armut und Gesundheit (Seite 85-90)