Wahl der Entscheidungsebene

In document Neue umweltpolitische Instrumente im liberalisierten Strommarkt (Page 60-63)

2.4 O RDNUNGSPOLITISCHER V ERGLEICH ZWISCHEN E INSPEISEMODELLEN , A USSCHREIBUNGSMODELLEN

2.4.3 Ordnungspolitische Bewertung der Förderinstrumente

2.4.3.3 Wahl der Entscheidungsebene

Die Wahl des Instrumentariums zur Förderung erneuerbarer Energien wird nach einem Richtlinien-Entwurf der EU auf der Ebene der Mitgliedstaaten getroffen ([EWWE 1999, S. 3]). Erst nach Ablauf einer bestimmten Frist wird die Kommission entscheiden, inwiefern eine Harmonisierung der nationalen Fördermechanismen erforderlich ist. Aufgrund dessen, dass die Europäische Kommission von einer inter-nationalen Harmonisierung zunächst absieht, ist es erforderlich, dass über die Aus-gestaltung des Vergütungsmechanismus (im Gegensatz zur Refinanzierung) auf Bundesebene entschieden wird. Im Sinne der Ressourcenallokation ist es ebenfalls sinnvoll, Einspeisetarife, Ausschreibungskapazitäten und Quotenhöhen bundesweit einheitlich festzulegen. Dadurch ist gewährleistet, dass an den günstigsten Stand-orten für die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien Erzeugungskapazitäten zugebaut werden. Lediglich bei Quotenmodellen ohne Zertifikatehandel ist es denk-bar, dass aufgrund knapper Durchleitungskapazitäten zwischen Regionen mit vielen günstigen Standorten und solchen ohne lukrativem Erzeugungspotenzial für grünen Strom nicht alle kostengünstigen Standorte zum Zuge kommen. In diesem Fall ist es sinnvoll, die verschiedenen Regionen darüber verhandeln zu lassen, welche Quoten-verpflichtung sie bereit sind einzugehen. Das Gesamtziel kann weiterhin vom Bund vorgegeben werden. Insgesamt scheinen jedoch alle Förderinstrumente dem Subsi-diaritätsprinzip bezüglich des Umweltschutzes zu genügen.

Das Schaffen neuer Arbeitsplätze, das Erschließen neuer Exportmärkte oder das Senken von Produktionskosten durch Innovationen im Sinne der Wirtschafts- und Technologieförderung geschieht für gewöhnlich auf Unternehmensebene. Herstel-ler und Dienstleister im Bereich der (neuen) erneuerbaren Energien sind jedoch von staatlicher Regulierung abhängig, ohne die es im allgemeinen keinen Markt für ihre Produkte gibt. Wenn entsprechende Regulierungen im Ausland nicht ausreichen, um eine heimische rein exportorientierte Erneuerbare-Energien-Industrie zu schaffen, kann es sinnvoll sein, einen nationalen Fördermechanismus zu etablieren. Die Ver-folgung stabilitätspolitischer Ziele ist in jedem Falle eine Angelegenheit des Bundes.

Das Überwinden von Anreizproblemen im F&E-Bereich muss nicht zwangsläufig durch den Bund erfolgen, es sei denn, dass finanzielle Mittel in großem Umfang auf-gebracht werden müssen, um die unternehmerischen Risiken zu begrenzen. Wenn mit den hier diskutierten Instrumenten das Ziel der Kostensenkung verschiedener Technologien zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien verfolgt wird, ist damit zu rechnen, dass die damit einhergehenden finanziellen Lasten den Etat eines

ein-zelnen Bundeslandes übersteigen und sich somit die Bundesebene als die geeigne-tere Entscheidungsebene erweist.

Nach dem Subsidiaritätsprinzip lassen sich daher für keines der verfolgten Ziele gra-vierende Unterschiede in der Bewertung der unterschiedlichen Instrumententypen finden. Anders verhält es sich in Bezug auf das Kongruenzprinzip, nachdem Nutzer und Zahler (Äquivalenzprinzip) sowie Unterworfene und Kontrollberechtigte einer Regulierung (demokratische Kontrolle) möglichst übereinstimmen sollten.

Wenn als Umweltschutzziel vor allem der Klimaschutz und die Ressourcen-schonung im Vordergrund stehen, können alle Bewohner eines Landes zu den Nut-zern einer entsprechenden Regulierung gezählt werden. Das gilt unabhängig davon, ob zur Förderung der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien ein Ausschrei-bungsmodell, eine Einspeiseregelung oder eine Quotenverpflichtung gewählt wird.

Die direkten Zahler unterscheiden sich jedoch, je nachdem welche Ausgestaltungs-variante gewählt wird. Bei der Quotenregelung hängt dies davon ab, wer zur Einhal-tung der Quote verpflichtet wird. Die Übereinstimmung ist am besten gewährleistet, wenn die privaten Haushalte verpflichtet werden. Sind dagegen die Stromverkäufer verpflichtet, hängt die Übereinstimmung von Nutzern und Zahlern der Regelung davon ab, inwieweit die Verkäufer in der Lage sind, die Mehrkosten auf die End-verbraucher zu überwälzen. [Drillisch 1999b] bezweifelt, dass dies vollständig gelingt.

Geht man davon aus, dass eine Quotenregelung möglichst den gesamten nationalen Stromverbrauch erfassen soll, müssen stromintensive industrielle Verbraucher eine stärkere Last tragen als die restlichen Akteure in einer Gesellschaft. Insofern sind Einspeiseregelungen und Ausschreibungsmodelle, die sich aus dem allgemeinen Staatshaushalt refinanzieren, höher zu bewerten. Bei einem Umlageverfahren wie es im derzeitigen EEG festgeschrieben ist, müssen diejenigen, die einen höheren Stromverbrauch haben, ebenfalls eine höhere Last tragen, was zwar verursachungs-gerecht ist, jedoch nicht dem Äquivalenzprinzip entspricht.

Es wurde bereits argumentiert, dass bei einer Aufnahmeverpflichtung für Strom aus erneuerbaren Energien durch die Netzbetreiber für diese das Problem entsteht, dass dem eingespeisten grünen Strom kein Käufer gegenübersteht. Insofern entsteht bei dieser Ausgestaltungsvariante eine Sonderlast für die Netzbetreiber mit entspre-chenden Anreizen, das effiziente Ausführen des Förderinstruments zu behindern (vgl. [Menges et al. 1999]).

Die Kombination von Quotenmodellen mit handelbaren Zertifikaten erleichtert die gleichmäßige Verteilung der Kosten auf den Stromverbrauch. Wird dagegen die Ein-heit von Strom- und Zertifikatefluss verlangt, kann es – je nach der Verteilung des Erzeugungspotenzials von grünem Strom – regional zu unterschiedlichen Belastun-gen durch die Quotenregelung kommen und damit zu einem Auseinanderfallen von Nutzern und Zahlern der Regelung (vgl. [Drillisch 1999a], S. 45 f.]).

Bei Einspeise- und Ausschreibungsmodellen ist durch das Fördern mit Betriebs-kostenzuschüssen ein direkter Zusammenhang zwischen Auszahlung der Förder-mittel und Umweltnutzen gegeben, da nur bei umweltfreundlicher Stromproduktion Fördermittel ausgeschüttet werden. Das ist bei Investitionszuschüssen per se nicht

der Fall, da die Investitionsbeihilfen unabhängig von der grünen Stromproduktion ausbezahlt werden.

Die Übereinstimmung von den Unterworfenen einer Regelung und den Kontroll-berechtigten ist sicherlich beim Quotenmodell mit Endverbraucherverpflichtung am unmittelbarsten, da die Unterworfenen direkt zur Kasse gebeten werden und bei der nächsten Bundestagswahl von ihrem Kontrollrecht Gebrauch machen können. Abs-trakter ist dieser Zusammenhang bei Ausgestaltungsvarianten mit Haushaltsfinanzie-rung. Bei Verkäuferverpflichtung im Quotenmodell und bei Stromumlagevarianten muss die Kontrolle des Staates indirekt über die entsprechenden Interessenvertre-tungen der betroffenen Akteure erfolgen. Im letzteren Fall ist das Demokratieprinzip daher am schlechtesten gewahrt. Ein Vorteil der Einspeiseregelung gegenüber Aus-schreibungsmodellen liegt hier in der vergleichsweise höheren Transparenz von Ein-speisergelungen, die es den Kontrollberechtigten erleichtert, den Fördermechanis-mus zu verstehen und seine Funktionsweise entsprechend zu bewerten.

Tabelle 6: Bewertung nach dem Kriterium „Entscheidungsebene“

Politisches Ziel Förderinstrument

Umweltschutz (3)

Wirtschaftsförderung (2)

Technologieförderung (1)

E-AP-HF 14 keine Wertung keine Wertung

E-AP-UF 4 keine Wertung keine Wertung

E-SV-HF 19 keine Wertung keine Wertung

E-SV-UF 9 keine Wertung keine Wertung

A-AP-HF-BK 13 keine Wertung keine Wertung

A-AP-HF-IZ 12 keine Wertung keine Wertung

A-AP-UF-BK 3 keine Wertung keine Wertung

A-AP-UF-IZ 2 keine Wertung keine Wertung

A-SV-HF-BK 18 keine Wertung keine Wertung

A-SV-HF-IZ 17 keine Wertung keine Wertung

A-SV-UF-BK 8 keine Wertung keine Wertung

A-SV-UF-IZ 7 keine Wertung keine Wertung

Q-AP-EP-GZ 15 keine Wertung keine Wertung

Q-AP-EP-GS 11 keine Wertung keine Wertung

Q-AP-VP-GZ 5 keine Wertung keine Wertung

Q-AP-VP-GS 1 keine Wertung keine Wertung

Q-SV-EP-GZ 20 keine Wertung keine Wertung

Q-SV-EP-GS 16 keine Wertung keine Wertung

Q-SV-VP-GZ 10 keine Wertung keine Wertung

Q-SV-VP-GS 6 keine Wertung keine Wertung

Bewertungsreihenfolge: 1. HF,EP > UF,VP 2. SV > AP 3. GZ > GS 4. BK > IZ 5. Q > E > A

Zusammenfassend werden vor dem Hintergrund des Umweltschutzziels und dem Bewertungskriterium „Entscheidungsebene“ jene Modellvarianten hoch bewertet, bei denen die Belastungen des Fördermodells möglichst breit auf die Bürger des Landes verteilt werden. Das soll bei Modellen mit Haushaltsfinanzierung (HF) bzw.

End-verbraucherverpflichtung (EP) der Fall sein. Die Ränge 20 bis 11 werden daher auf diese Modelltypen verteilt. Modelltypen mit Umlagefinanzierung und Verkäufer-verpflichtung werden aufgrund der unsicheren Überwälzbarkeit der Kosten schlechter bewertet (Rang 10 bis Rang 1). Die Regelung des Marktzutritts wird als zweitwich-tigstes Kriterium aufgefasst („SV > AP“, siehe Lesehilfe in der Tabelle). Damit werden die Ränge 20 bis 16 innerhalb der HF/EP-Modelle an solche Varianten vergeben, die eine Selbstvermarktung der EEA-Betreiber vorsehen. Aufgrund der unmittelbaren Verpflichtung der Endverbraucher und der Vorteile des Zertifikatehandels („GZ >

GS“) im Hinblick auf den Ausgleich regionaler Belastungsunterschiede wird das Quotenmodell mit Endverbraucherverpflichtung, Selbstvermarktung und handelbaren Zertifikaten (Q-SV-EP-GZ) am höchsten bewertet (20 Rangpunkte). Hier ist das Sub-sidiaritätsprinzip und das Kongruenzprinzip am besten verwirklicht. Innerhalb der höchsten fünf Ränge wird der verzicht auf eine Zertifikateregelung bei Quoten-modellen als gravierendster Nachteil empfunden. Daher erhält die Modellvariante Q-SV-EP-GS nur 16 Rangpunkte. Der besprochene Nachteil von Investitionszuschüs-sen („BK > IZ“) bei Ausschreibungsmodellen führt dazu, dass die Variante A-SV-HF-IZ nur 17 Punkte erhält. Zwischen dem Einspeisemodell mit Selbstvermarktung und Haushaltsfinanzierung (E-SV-HF) und dem Ausschreibungsmodell mit Selbstver-marktung, Haushaltsfinanzierung und Betriebskostenzuschuss (A-SV-HF-BK) gibt letztlich die höhere Transparenz des Einspeisemodells („Q > E > A“) den Ausschlag (19 Rangpunkte). Entsprechend dieser Prioritätensetzung, die als Lesehilfe unterhalb der Tabelle dargestellt ist, werden auch die Rangpunkte 15 bis 1 vergeben.

In Bezug auf das Ziel der Wirtschaftsförderung und der Technologieförderung stellt sich ebenfalls die Frage nach der Verwirklichung des Kongruenzprinzips. Die Nutzer der Wirtschaftsförderung sind in erster Linie EEA-Hersteller, EEA-Betreiber und die Beschäftigen in den entsprechenden Unternehmen. Im Vergleich zum Umweltschutzziel gibt es bei den zu bewertenden Instrumenten hier weitaus größere Unterschiede zwischen den Gruppen der Nutzer und der Zahler des öffentlichen Guts. Innerhalb der einzelnen Ausgestaltungsvarianten lassen sich hier jedoch keine Unterschiede herausarbeiten, so dass in Tabelle 6 bezüglich der Ziele „Wirtschafts-förderung“ und „Technologie„Wirtschafts-förderung“ keine Wertung vorgenommen wird.

Wenn man allerdings die unterschiedlichen Zielkategorien in Bezug auf das Kriterium

„Entscheidungsebene“ bewertet, ist die Entscheidungsebene bei den untersuchten Modellen bezüglich des Umweltschutzziels am besten getroffen, gefolgt von der

„Wirtschaftsförderung“ und der „Technologieförderung“.

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