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Vorgehen und Aufbau der Arbeit

Im Dokument Politik und Film in der DDR (Seite 45-49)

Die Antwort auf die leitende Fragestellung wird aus den eigenen Vorausset-zungen des Kommunismus und seiner Filmkunst die Erkennbarkeit imma-nenter Differenzen erschließen müssen; diese Antwort wird die im folgenden skizzierten drei Arbeitsschritte umfassen:

Im ersten Schritt wird ein gegenstandsadäquater kategorialer Rahmen für die Analyse von DEFA-Filmen entwickelt. Dies geschieht, indem der Einbezie-hung des Mediums Film in das Medienmonopol der Staatspartei in der DDR Rechnung getragen wird, durch Reflexion auf das politische System der SED-Herrschaft selbst. Dabei wird im Anschluß an die neuere politikwissen-schaftliche Diskussion ein totalitarismustheoretischer Ansatz präferiert. Der Akzent im Rahmen dieser Darstellung wird dabei auf zwei Momente gesetzt:

auf die Herausarbeitung der Kontinuität der kommunistischen Politik von Weimar bis in die SBZ/DDR und auf das dem telos kommunistischer Politik immanente Versprechen einer Parusie des Glücks, ein Versprechen, aus dem sich die Attraktivität des Kommunismus gerade für Künstler gespeist hat.

Die Bestimmung der Kunst des Kommunismus als politische Kunst und eine Rekonstruktion ihrer ästhetischen Prämissen sowie eine Skizzierung der kulturpolitischen Umsetzung schließt sich an; auch dabei wird besonderer Wert auf die Darstellung der Kontinuitätslinien gelegt. Diese in den Kapiteln 1: „Die SED-Diktatur“ und 2: „Kultur und Kunst in der SED-Diktatur“ auf der Grundlage der einschlägigen Literatur erfolgende Darstellung erfüllt das Postulat der Kontextualisierung der kommunistischen Kunst als Vorausset-zung ihrer Analyse.

(Hrsg.): Macht – Ohnmacht – Gegenmacht. Grundfragen zur politischen Gegnerschaft in der DDR, Bremen 2001, S. 317 – 348.

64 Vgl. Hertle, Hans-Hermann; Gerd-Rüdiger Stephan (Hrsg.), Das Ende der SED. Die letzten Tage des Zentralkomitees, Berlin 21997.

Im zweiten Schritt erfolgt eine Einfügung der Ergebnisse der Rekonstruktion der politischen und ästhetischen Prämissen der SED-Politik in den erweiter-ten ideengeschichtlichen Zusammenhang, dem sowohl der originäre Mar-xismus als auch der MarMar-xismus-Leninismus zuzuordnen sind; mit diesem Schritt trägt die Arbeit einem Desiderat der Forschung Rechnung.65 Dabei tritt ein Verständnis des Kommunismus als Antwort auf die Krise der Mo-derne in den Mittelpunkt. Dazu gehört ein Blick auf die geschichtsmeta-physische Konstruktion der Arbeiterklasse zum historischen Subjekt und die Transformation des theorieförmigen Marxismus in einen modernen politi-schen Mythos im totalitären Kommunismus und die damit verknüpfte Selbst-konzeption des Heroismus, an der die Nachweismöglichkeit immanenter Differenzen gezeigt wird. Die Darstellung dieses Problemhorizonts erfolgt in Kapitel 3.

Der dritte Schritt gilt der Hermeneutik des Heroismus im DEFA-Film; er wird in zwei Stufen vollzogen. In der ersten erfolgt die Explikation des Ver-fahren einer historischen Hermeneutik, der auch die methodischen Grundla-gen der Filmanalysen entnommen werden; es folgt die Vorstellung einer Typologie des Heroismus, mit der eine systematische Interpretation des DE-FA-Filmfundus unter dem Kriterium Heroismus der Figur Arbeiter bzw.

Kader möglicht wird. In der abschließenden zweiten Stufe dieses Arbeits-schritts werden in einem diachronen Durchgang durch die Produktionen der DEFA in exemplarischen Analysen die Grundformen der heroischen Gestal-ten Arbeiter/Kader und ihre Modifikationen und Metamorphosen dargestellt.

Dies erfolgt in den Kapiteln 4 und 5.

65 Vgl. dazu die von Kocka gezogene Bilanz der DDR-Forschung.

Einleitung: Kontextualisierung der Kunstanalyse

Mit der Machteroberung der KPD/SED in der SBZ/DDR sowie den Maß-nahmen zur Sicherung und Konsolidierung der Macht verbunden war der Anspruch auf Durchsetzung einer totalen Transformation von bürgerlicher Gesellschaft und Staat; ein Transformationsprozess unter ihrer alleinigen Führung, der auf die Schaffung einer „Neuen Gesellschaft“ zielte.

Dies bedeutete für den Kunstbetrieb in der DDR eine unter dem Titel „Politi-sierung der Ästhetik“ laufende Unterstellung der Kunst unter die Politik, kurz: den Verlust ihrer Autonomie. Die klassische Formulierung dafür, dass die Kunst zur Magd der Politik gemacht werden sollte, gelang Otto Grote-wohl: „Die Idee in der Kunst muß der Marschrichtung des politischen Kamp-fes folgen.“66 Daraus ergibt sich zwingend das Erfordernis einer Rückbezie-hung der politisierten Ästhetik und der von ihr inspirierten Kunst auf das politisch-ideologische System, dem ihre vorgängigen Kategorien entstam-men; diese erforderliche Kontextualisierung der Kunst wird mit der Darstel-lung der Grundzüge der SED-Diktatur erfüllt.

Die Darstellung dieses Kapitels konzentriert sich auf jene Strukturmerkmale der SED-Diktatur, die für unser Thema von besonderer Relevanz sind. Die Erörterung erfolgt auf einem gegenstandsadäquaten Grad begrifflicher Abs-traktion; eine ausführliche und ins Detail gehende Nachzeichnung der empi-rischen Ausgestaltung des Herrschaftssystems der SED ist hier nicht ange-strebt; sie wäre auch nicht angezeigt im Kontext der hier diskutierten Proble-matik. Die inzwischen vorliegende Fülle ausgezeichneter empirisch ge-sättigter Studien erlaubt einen profunden und ins Einzelne gehenden Einblick in Partei, Staat, Gesellschaft und Kultur der DDR.

Behandelt werden hier die relevanten Fragen der Bestimmung der SED-Diktatur als Form totalitärer Herrschaft sowie jene nach dem Strukturschema

66 Grotewohl, Otto, Rede zur Berufung der Staatlichen Kommission für Kunstangelegenhei-ten am 31. August 1951. In: Neues Deutschland vom 2. September 1951, zit. nach:

Schubbe, Elimar, Dokumente zur Kunst-, Literatur- und Kulturpolitik der SED, Bd. 1:

1949 -1970, Stuttgart 1972, S. 205.

kommunistischer Machtergreifung in der Nachkriegszeit. Die Darstellung der Diktatur untersucht die Frage der Bedeutung der Stellung der SED-Herrschaft als „abgeleiteter“ Diktatur: „In Anbetracht des Tatbestandes, dass die DDR als Schöpfung der Sowjetunion begriffen werden kann und sich in keiner Phase wirklich von ihr gelöst hat, wird man die DDR und das SED-System als abgeleitet bezeichnen können.“67

Der von Marx am Exempel den bürgerlichen Revolutionen entwickelte Beg-riff der „Selbsttäuschung“ gewinnt im Kontext dieser Problematik besondere Bedeutung; er wird daher in heuristischer Funktion für die Analyse der Ge-nese der SED-Herrschaft sowie für die kulturelle Implementierung und den Zerfall des in dieser Arbeit untersuchten Heroismus - Paradigmas fruchtbar gemacht. Ein besonderer Akzent wird darauf liegen, am Fall der Anti-Faschismus-Formel von Kommunistischer Internationale und KPD die Kon-tinuität der Politik von KPD/SED in der DDR zu zeigen.

Das Resümee der Darstellung der SED-Diktatur erfolgt im Kontext einer allgemeinen Charakterisierung kommunistischer Herrschaftssysteme als

„Glückseligkeitsdespotien“, ein hier im Anschluss an Kant eingeführter Begriff68, mit dem die begriffliche Fassung des grundlegenden Staatszwecks dieser Herrschaftssysteme erfolgt und der in seinem Versprechen, das

„Glück“ realisieren können, die zentrale (Selbst-) Legitimationsquelle der SED-Herrschaft darstellt.

67 Faulenbach, Bernd, Nur eine „Fußnote der Weltgeschichte?“. Die DDR im Kontext des 20. Jahrhunderts, in: Eppelmann, Rainer, Faulenbach, B., Mählert, U., Bilanz und Per-spektiven der DDR-Forschung, Paderborn 2003, S. 1 – 26, hier: S. 14.

68 Karl August Wittfogel, einer der führenden theoretischen Köpfe der KPD in der Weim- arer Republik und Mitglied des Frankfurter Instituts für Sozialforschung, 1933 interniert im KZ Papenburg, 1934 nach Amerika gelangt, mit der KPD nach dem Hitler-Stalin- Pakt gebrochen und 1981 in New York im Alter von 91 Jahren gestorben, hat dort 1957 eine Studie zum sowjetkommunistischen Herrschaftssystem vorgelegt: „Die orientalische Despotie. Eine vergleichende Untersuchung totaler Macht“, deutsch: Köln 1976, die auch den Begriff Despotie verwendet – allerdings im Anschluss an Überlegungen von Marx;

vgl. zur Vita auch: Mathias Greffrath, Die Zerstörung einer Zukunft. Gespräche mit e-migrierten Sozialwissenschaftlern: Günter Anders, Hans Gerth, Maria Jahoda, Leo Lö-wenthal, Adolph Lowe, Toni Oelsner, Alred Sohn-Rethel, Karl- August Wittfogel, Rein-bek bei Hamburg 1979, S. 299 - 346.

Im Dokument Politik und Film in der DDR (Seite 45-49)