2.3 Verhalten organischer Stoffe im Untergrund
2.3.3 Verhalten gelöster organischer Chemikalien im Untergrund
• Der Tiefentransport erfolgt über die Gasphase in der Regel rascher als über die Sicker-wasserfront.
• Das Rückhaltevermögen des Bodens nimmt mit dem Gehalt an organischer Substanz, dem Tonmineralgehalt und der Lagerungsdichte zu.
• In Abhängig keit von den Standortgegebenheiten können aber auch für flüchtige Sub-stanzen lange Desorptionszeiten beobachtet werden. Die Geschwindigkeit der Phasen-übergänge wird dabei im wesentlichen von der molekularen Diffusion der Substanzen im Porenraum des Bodens, in den Bodenaggregaten und im einzelnen Korn bestimmt.
Der Grad der Immobilsierung unpolarer organischer Verbindungen im Boden wird im we-sentlichen von Gehalt und Struktur der organischen Substanz bestimmt.
Unter bestimmten pedogenen Bedingungen können unpolare Verbindungen wesentlich mobi-ler sein, als dies aufgrund ihrer Wasserlöslichkeit und Adsorbierbarkeit zu erwarten wäre:
• Gefügeeigenschaften: hohe Aggregierung und Ausbildung von Makroporen
• Zusammensetzung der Bodenlösung: Vorkommen von Lösungsvermittler, von organi-schen Chemikalien höherer Adsorptionsaffinität und von gelöster organischer Substanz.
Im folgenden werden die genannten Faktoren, die die Mobilität unpolarer organischer Chemi-kalien im Boden steuern, kurz erläutert.
Gehalt und Struktur der organischen Substanz
Unpolare organische Chemikalien werden vornehmlich im humosen Oberboden und in humo-sen Schichten des Untergrundes gespeichert. Die Effektivität der Speicherung hängt von Ge-halt und Struktur der organischen Substanz, der Mächtigkeit humoser Horizonte und Schich-ten und der Stabilität der adsorptiven Bindungen ab. Die Adsorption steigt in der Regel mit folgenden Eigenschaften des organischen Materials an:
• zunehmender Aromatizität,
• abnehmendem Anteil an Carboxylgruppen,
• abnehmender Polarität und
• kleinerem C/O-Verhältnis
So nimmt die Adsorptionskapazität von Zellulose über Huminsäure zu Lignin zu (vgl. Abb.
2.3-7). Innerhalb der Huminstoff-Fraktionen besitzt die Fulvosäure die geringste Adsorptions-kapazität.
Abb. 2.3-7 Adsorption von Trichlorethen an verschiedenen organischen Materialien (nach GARBARINI, LION, 1986)
Die Adsorption unpolarer Moleküle ist von Milieubedingungen (EH und pH-Verhältnisse) weitgehend unabhängig.
Irreversible Bindungen sind nach den bisher vorliegenden Untersuchungen kaum zu erwarten.
Allerdings ergeben sich hinsichtlich der Bindungsfestigkeit und der Desorptionskinetik er-hebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Chemikalien und Chemikaliengruppen.
Gefügeeigenschaften
Das Bodengefüge, das im wesentlichen die Gefügemorphologie, das Porenvolumen und die Lagerungsdichte umfaßt, bestimmt maßgeblich die Zugänglichkeit der Sorptionsplätze und die Verweildauer einer Chemikalie im Boden. Eine zunehmende Aggregierung kann die Ad-sorption infolge der schlechteren Zugänglichkeit der AdAd-sorptionsplätze im Aggregatinneren vermindern. Auch die Ausbildung von Makroporen (Wurm- und Wurzelgänge, Schrump-fungsrisse) setzt die Adsorption der im Sickerwasser gelösten Bestandteile herab, da
• nur ein geringer Teil der Bodenmatrix durchflossen wird und
• der Transport in tiefere Schichten im Vergleich zur Adsorption rasch erfolgt.
Dagegen steigt das Rückhaltevermögen mit der Lagerungsdichte an und ist in tonmineralrei-chen Böden gegenüber Schluff- und Sandböden in der Regel höher. Allerdings können auch Horizonte und Schichten geringer hydraulischer Leitfähigkeit, wie Ton- und Schlufflagen, durch den Prozeß der molekularen Diffusion von Chemikalien durchdrungen werden (LAGALLI, 1993; BAM, 1992).
Zusammensetzung der Bodenlösung
Die Zusammensetzung der Bodenlösung bzw. des Grundwassers ist ein weiterer Faktor, der die Adsorption und Desorption organischer Chemikalien beeinflußt. In der Bodenlösung kön-nen enthalten sein:
• Lösungsvermittler wie Alkohole und Fette (vgl. Kap. 2.2), die die Löslichkeit der or-ganischen Verbindungen erhöhen können.
• Verbindungen höherer Adsorptionsaffinität, die bereits adsorbierte Verbindungen verdrängen können. Neutrale Moleküle scheinen nach den vorliegenden Untersuchun-gen bei gerinUntersuchun-gen Konzentrationen unabhängig voneinander im Boden adsorbiert zu werden. Dagegen können bei höheren Konzentrationen der Komponenten Aus-tauschvorgänge auftreten, die auf den unterschiedlichen Adsorptionsaffinitäten der Substanzen beruhen. So konnte bei Sanierungsmaßnahmen CKW-belasteter Grundwäs-ser die bevorzugte Sorption von Tetrachlorethen gegenüber 1,2,-cis-Dichlorethen an Aktivkohle beobachtet werden (vgl. Kap. 6 und 7).
• gelöste oder suspendierte organische Substanzen
Im Bodenwasser treten hauptsächlich Fulvosäuren und, in geringeren Anteilen, Huminsäuren auf. Daneben sind Kohlenhydrate (Mono- und Polysaccharide), Kohlenwasserstoffe (Methan, Phenole) und einfache Fett- und Gerbsäuren zu finden, die zum Teil als Lösungsvermittler gegenüber organischen Chemikalien wirken können (vgl. Kap. 2.2).
Die Chemikalien können mit der gelösten oder auch suspendierten organischen Substanz transportiert werden oder mit dieser an Bestandteile der Bodenmatrix adsorbiert werden. Wel-cher der ge nannten Prozesse auftritt, scheint im wesentlichen von der Art der Verbindungen bestimmt zu werden, die durch die Adsorption organischer Chemikalien an gelöster oder sus-pendierter organischer Substanz entstanden sind. Untersuchungsergebnisse hierzu stehen noch
aus. Für PAK konnte in einigen Schadensfällen die Tiefenverlagerung durch suspendierte or-ganische Substanzen beobachtet werden.
Verhalten polarer organischer Verbindungen
Stark polare Verbindungen besitzen in der Regel eine ausgeprägte Wasserlöslichkeit und ein eingeschränktes Adsorptionsverhalten gegenüber organischen Kohlenstoffen, dafür steigt je-doch die Austauschfähigkeit an mineralischen Komponenten des Untergrundes an.
Zu den polaren Verbindungen zählen u.a. Aldehyde, Amine, Furane, Ketone und Phenoxyes-sigsäure. Phenole und chlorierte Phenole nehmen innerhalb der Polaritätsreihe polar-unpolar eine Mittelstellung ein. Für diese Substanzen wird die Retardation von Gehalt und Struktur sowohl der organischen Substanz als auch mineralischer Austauscher (Tonminerale, Oxide und Hydroxide) bestimmt.
Stoffe, die im polaren Bereich angesiedelt sind, neigen zur Bildung von Ionen. Der pH-Wert bestimmt in Abhängigkeit zur Dissoziationskonstante der Chemikalie den Anteil der dissozi-iert vorliegenden Moleküle. Die Beziehung zwischen dem pH-Wert einer Lösung und dem prozentualen Anionenanteil von 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure (2,4-D), 2,4,5-Trichlorphenoxyessigsäure (2,4,5-T) und PCP zeigt Abb. 2.3-8.
Abb. 2.3-8 Berechnete Beziehung zwischen dem pH-Wert einer Lösung und dem prozentualen Anionenanteil von gelösten 2,4-D, 2,4,5-T und PCP (aus WELP, BRÜMMER, 1989)
Die Dissoziation im Boden und Untergrund wird prinzipiell vom Oberflächen-pH-Wert der Sorbenten und weniger vom pH-Wert der Lösung bestimmt. Nach Untersuchungen von KU-KOWSKI und BRÜMMER liegt der pH-Wert der Kolloidoberflächen 0,5 bis 1,5 Einheiten
unter dem pH der Suspension (KUKOWSKI, BRÜMMER, 1987). Der Oberflächen-pH von Montmorillonit liegt nach Angaben von BAILEY et al. etwa 3 bis 4 pH-Einheiten unter der Lösung (BAILEY et al., 1968).
Die Adsorption basischer oder saurer Komponenten ist davon abhängig ob der Adsorber ne-gativ oder positiv geladene Gruppen besitzt. Für Transport und Verteilung polarer Kompo-nenten ist daher die Ionenaustauschkapazität humoser bzw. tonreicher Horizonte und Schich-ten von Bedeutung. Die poSchich-tentielle Kationenaustauschkapazität der Böden variiert mit Art und Gehalt an organischer Substanz und Tonmineralen. Sie sinkt in der Regel mit abnehmendem pH-Wert, da H-Ionen mit kationischen Komponenten in der Bodenlösung um die Aus-tauschplätze konkurrieren.
Für die Anionenaustauschkapazität spielen Oxide und Hydroxide eine große Rolle. Zur Beur-teilung der Sorptionskapazität der Oxide und Hydroxide ist dabei weniger der Gesamtgehalt als vielmehr der amorphe Anteil von Bedeutung. Gegenüber kompakt kristallisierten Formen weisen Hydroxidkrusten erheblich höhere Adsorptionskapazitäten auf.
Unter reduzierenden Verhältnissen (niedrige EH-Werte) und saurer Bodenreaktion (niedrige pH-Werte) werden die Oxide des Eisens und Mangans in lösliche Formen überführt (vgl. Kap.
2.1) und damit adsorbierte Moleküle remobilisiert. Dagegen führt der Anstieg der EH-Werte in Abhängigkeit vom pH-Wert zur Aufoxidation der Metalloxide, so daß sorptionsfähige Stoffe längerfristig gebunden werden können. Im Grundwasserschwankungsbereich oder in staunas-sen Böden können durch den Wechsel von reduzierenden und oxidierenden Bedingungen eine besonders große Menge reaktiver Eisenoxide mit beträchtlichem Sorptionsvermögen entste-hen.
Weitaus stärker als neutrale Moleküle werden ionare Moleküle in ihrem Adsorptionsverhalten von Begleitelektrolyten in der Lösung beeinflußt (KUKOWSKI, BRÜMMER, 1987). Bei-spielsweise werden durch die Düngung von Ackerböden mit Ammonium synthetisierte Amine remobilisiert (SAXENA, BARTHA, 1983).
Adsorptionskinetik
Die Ad- bzw. Desorption ist eine Funktion der Zeit. Ad- bzw. Desorptionsgleichgewichte können sich spontan oder mit erheblicher zeitlicher Verzögerung einstellen. Relativ rasch rea-gieren einige leichtflüchtige chlorierte Lösemittel auf veränderte Gleichgewichtsbedingungen, während sich die Desorption von PCB in Abhängigkeit von der Hydrophobie der Komponen-ten und dem Bodentyp in der Größenordnung von Wochen und MonaKomponen-ten bewegt (WOOD et al., 1987). Die Desorptionskinetik ist substanzspezifisch unterschiedlich und wird von den obengenannten pedogenen Parametern beeinflußt. Bei laufenden in-situ Sanierungsmaßnah-men ist darauf zu achten, daß der Stoffübergang von der stationären Phase (adsorbierte und im Haftwasser gelöste Anteile) zur mobilen Phase im wesentlichen durch folgende Faktoren ge-hemmt sein kann:
• durch die heterogene Verteilung der Schadstoffe im makro- und mikroskopischen Be-reich und der dadurch bedingten langen Diffussionswege sowie
• durch die Ausbildung bevorzugter Fließwege, wodurch nur ein geringer Teil der Bo-denmatrix durchströmt wird.
Zusammenfassung
Das Lösungsverhalten organischer Verbindungen im Untergrund wird durch folgende Punkte charakterisiert:
• Löslichkeit, Adsorption und Bindungsstärke organischer Chemikalien im Boden wird maßgeblich durch die Polarität der Substanzen vorgeben.
• unpolare bzw. wenig polare Moleküle werden durch Adsorption an organischen Bo-denbestandteilen festgelegt, während polare Moleküle den Mechanismen des Ionen-austausches unterliegen und so durch Begleitelektrolyte in der Lösung leichter remobi-lisiert werden können.
• polare Moleküle werden im Gegensatz zu unpolaren Molekülen in ihrem Adsorptions-verhalten von den Milieubedingungen (EH und pH-Verhältnisse) bestimmt.
• Die Verteilung wird durch Gefügeeigenschaften wesentlich beeinflußt. In gut durchläs-sigen Böden und Klüften können infolge einer raschen Tiefenverlagerung die Adsorpti-onskapazitäten des Bodens kaum genutzt werden. Umgekehrt gehen in gering durchläs-sigen Bereichen gebundene Schadstoffe durch den Prozeß der molekularen Diffusion nur langsam in die mobile Phase (Bodenluft, Sickerwasser) über.