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11 Diskussion

Anforderungen des Diagnoseverfahrens. Die inhaltliche Validität ist daher als gegeben anzusehen.

Die empirische Validierung des Testverfahrens ist erschwert, da bisher keine hinreichende empirische Validierung des Konstrukts vorliegt und damit kein anderes Messinstrument zur Bestimmung der konvergenten Validität vorhanden ist. Damit ist die empirische Validierung von Konstrukt und Testverfahren aneinander gebunden.

Bereits die Vorstudie zeigte hohe Interkorrelationen zwischen den Skalen zur Konstruktionsfähigkeit sowie hohe Zusammenhänge mit räumlichem Denken und handwerklichen Fähigkeiten. Diese Befunde sind als Hinweise auf die konvergente Validität des Verfahrens zu werten (Kuhl & Ennemoser, 2010). In der aktuellen Untersuchung konnte die hohe Interkorrelation der Skalen repliziert werden. Allerdings korrelierte die Skala Baufix signifikant höher mit der Skala Lego als mit der Skala Bauklötze. Dies stützt die Annahme, dass Lego in Bezug auf die Materialanforderungen zwischen Bauklötzen und Baufix steht. In den Regressionsanalysen bestätigte sich dieses Bild. Die Skala Lego trägt erheblich zur Varianzaufklärung der Skala Bauklötze bei, die Skala Baufix hingegen kann keinen selbstständigen Beitrag leisten. In ähnlicher Weise klärt die Skala Lego einen großen Anteil der Varianz der Skala Baufix auf, während die Skala Bauklötze die Vorhersage der Leistung nicht verbessert. Zur Varianzaufklärung der Skala Lego können hingegen sowohl die Skala Bauklötze als auch die Skala Baufix signifikant und in gleicher Größenordnung beitragen.

Die Erwartung, dass die Interkorrelationen der Skalen zur Konstruktionsfähigkeit höher sind als deren Korrelationen mit anderen Variablen, bestätigte sich nur teilweise.

So korrelierte die Skala Bauklötze mit dem räumlichen Denken fast so hoch wie mit der Skala Lego. Die Korrelation zwischen den Skalen Bauklötze und Baufix war sogar niedriger als die zwischen der Skala Bauklötze und dem räumlichen Denken. In der Regressionsanalyse zeigte sich, dass neben der Skala Lego auch das räumliche Denken sowie das visuell-räumliche Arbeitsgedächtnis zur Vorhersage der Leistung in der Skala Bauklötze beitragen. Der Beitrag des räumlichen Denkens lag sogar noch etwas über dem der Skala Lego. Zur Varianzaufklärung der Skalen Lego und Baufix konnte hingegen keines der Außenkriterien entscheidend beitragen. Insgesamt legen die Befunde nahe, dass die Skala Bauklötze in erheblichem Maße allgemeine räumliche Fähigkeiten erfasst und weniger zur spezifischen Erhebung von Konstruktionsfähigkeit geeignet ist.

Theoretisch abgeleitet wurde angenommen, dass Konstruktionsfähigkeit mit den als konstruktnah eingestuften räumlichen Fähigkeiten höher korreliert als mit den anderen Variablen. Dies konnte aber nur teilweise bestätigt werden. Die Korrelationen mit

sprachlichen Kompetenzen waren in fast allen Fällen nicht signifikant niedriger als die Korrelationen mit den räumlichen Fähigkeiten. Bereits in der Voruntersuchung korrelierte das Wortverständnis nicht substanziell niedriger mit den Konstruktionsaufgaben als mutmaßlich konstruktnähere Tests.

Insgesamt sind die Zusammenhänge mit konstruktfernen Fähigkeiten höher als theoretisch angenommen. Kuhl und Ennemoser (2010) diskutierten diesen Befund vor dem Hintergrund der Divergenzhypothese (siehe dazu auch Kapitel 2.2) und stellten die Vermutung auf, dass dieser Zusammenhang durch die grundsätzlich engere Korrelation von Intelligenzfaktoren bei Menschen mit geistiger Behinderung entsteht.

Die fast durchgängig signifikanten Korrelationen aller in der vorliegenden Untersuchung erhobenen Variablen sind durch diese These gut zu erklären.

Eine weitere mögliche Erklärung für den Zusammenhang von Sprache und Konstruktionsfähigkeit liefert eine Untersuchung von Henry, Messer und Nash (2010), die bei Kindern mit einer spezifischen Sprachentwicklungsstörung Defizite in den exekutiven Funktionen nachweisen konnte, auch wenn diese mit nonverbalen Aufgaben erhoben wurden. Eine daraus ableitbare Vermutung ist, dass auch bei Kindern und Jugendlichen mit geistiger Behinderung ein Zusammenhang zwischen exekutiven Funktionen und Sprachentwicklung besteht und der Zusammenhang zwischen sprachlichen und konstruktiven Fähigkeiten durch die exekutiven Funktionen vermittelt wird. Es ist gut begründbar, dass exekutive Funktionen bei Konstruktionsleistungen eine wichtige Rolle spielen. Für die Planungsfähigkeit wurde dies in Kapitel 4.4.3 ausführlich diskutiert. Allerdings ist diese Erklärung spekulativ und muss durch weitere Untersuchungen erhärtet werden.

Stützende Evidenz für die Abgrenzbarkeit von Konstruktionsfähigkeit als Konstrukt lieferten die Regressionsanalysen. Die Leistung im Konstruktionstest gesamt ließ sich am besten durch räumliche Fähigkeiten vorhersagen. Bei der Skala Bauklötze konnte – neben räumlichen Fähigkeiten – noch die Skala Lego einen Beitrag leisten, und bei den Skalen Lego und Baufix ließ sich jeweils durch die andere die größte Varianzaufklärung erzielen. Sprachliche Fähigkeiten, induktives Denken oder phonologisches Arbeitsgedächtnis konnten in keinem Fall darüber hinaus einen substanziellen Beitrag leisten.

Insgesamt kann gut begründet angenommen werden, dass die Skalen Lego und Baufix einen spezifischen Faktor erfassen, der – theoretisch abgeleitet – als Konstruktionsfähigkeit bezeichnet werden kann. Zwischen diesem Konstrukt und räumlichen Fähigkeiten sowie anderen kognitiven und sprachlichen Fähigkeiten sind deutliche Zusammenhänge festzustellen. Etwas anders stellen sich die Befunde bezüglich der Skala Bauklötze dar. Hier legen die Korrelationsmuster und die

Ergebnisse der Regressionsanalysen nahe, dass diese stärker allgemeine räumliche Fähigkeiten erfasst und weniger spezifisch Konstruktionsfähigkeit. Dies könnte darin begründet sein, dass beim Bauen mit Bauklötzen keine unterschiedlichen Teile verwendet werden, keine spezifischen Materialverbindungen hergestellt werden müssen sowie Fehler schneller und einfacher erkannt und korrigiert werden können.

Das Vorausplanen der Bautätigkeit hat bei Lego und Baufix eine größere Bedeutung als bei Bauklötzen. Beim Bauen mit Bauklötzen ist hingegen das Beachten der räumlichen Anordnung der entscheidende Schlüssel zu einer guten Bauleistung. Daher ist der stärkere Zusammenhang mit anderen räumlichen Tests nicht verwunderlich.

Um Konstruktionsfähigkeit im spezifischen Sinne zu erfassen, sollten nur die Skalen Lego und Baufix verwendet werden. Die Skala Bauklötze kann aber als Testverfahren für räumliche Fähigkeiten gelten.