3 WER WIRD KLEINUNTERNEHMER IN EINEM POST-SOZIALISTISCHEN UMFELD: UNTERSCHIEDE ZWISCHEN KLEINUNTERNEHMERN UND
4.1 Einleitung
4.1.1 Theoretischer Hintergrund
Die Personenmerkmale von Unternehmern sind noch immer von Interesse für die Unternehmerforschung. Allerdings haben Personenmerkmale nur eine schwache
Vorhersagekraft für Unternehmenserfolg. Unter dem Konzept unternehmerischer Dispositionen (vgl. Rauch & Frese, 2000a) werden Personenmerkmale in der Forschung erneut diskutiert. Personenmerkmale erscheinen dann als eine
unternehmerische Disposition, wenn das Personenmerkmal „intuitively appears to be related to entrepreneurship“ (Crant, 1996, S. 43).
Neben den Personenmerkmalen muss man die spezifischen
Verhaltensprozesse und Strategien berücksichtigen, durch die die Personenmerkmale den Unternehmenserfolg beeinflussen. Zwei unternehmerische Verhaltensweisen, die zentral für die unternehmerische Situation sind und die sich in empirischen Studien herauskristallisierten, sind Innovativität und Initiative (Frese, 1995).
4.1.1.1 Unternehmerische Personenmerkmale - Leistungsorientierung
Es gibt einige kritische Einwände gegen den Gebrauch insbesondere von Persönlichkeitsvariablen in der Unternehmensforschung. Die einflussreichsten
Einwände kommen von Gartner (1988), der für die Erforschung von Verhalten an Stelle von Persönlichkeit argumentiert. Das Problem des Persönlichkeitsansatzes in der Unternehmensforschung ist, dass die meisten untersuchten Persönlichkeitsvariablen nicht mit der unternehmerischen Situation oder Aufgabe in Verbindung stehen. Dadurch wurden oft Persönlichkeitsvariablen herangezogen wurden, die nicht nahe liegend für die Tätigkeit des Unternehmers sind.
Die Persönlichkeits- und Sozialpsychologie (vgl. Mischel & Shoda, 1998) zeigt, dass Persönlichkeitsmerkmale für die Erklärung des Auftretens von bestimmten
Verhaltensweisen von Nutzen sind, sobald die Situation, in der das Verhalten gezeigt wird, mit einbezogen wird. Das heißt, dass die Vorhersagekraft von
Persönlichkeitsvariablen bezüglich eines bestimmten Verhaltens von der Passung zwischen diesen Persönlichkeitsmerkmalen und der Situation bzw. der konkreten Umwelt abhängt, in der das Verhalten gezeigt werden soll. Daher sollte die Unternehmensforschung auf solche Persönlichkeitsvariablen zurückgreifen, die in Relation bezüglich der spezifischen unternehmerischen Aufgabe bzw. Situation oder Umwelt stehen.
Weiter sollte man zwischen der Rolle, die eine Persönlichkeitsvariable im Gründungsprozess des Unternehmens spielt, und der Rolle, die dieselbe Variable für Unternehmenserfolg hat, trennen (siehe Kapitel zwei und drei). Diese Unterscheidung wurde häufig vernachlässigt (Rauch & Frese, 2000a). Solch inadäquate konzeptuelle Vermengung könnte die schwachen oder uneinheitlichen Zusammenhänge zwischen Persönlichkeits- und Erfolgsvariablen in der Unternehmensforschung erklären.
In dieser Studie werden Personenmerkmalen betrachtet, die mit McClellands (1987a) Konzept der Leistungsorientierung (achievement orientation) in
Zusammenhang stehen. Leistungsorientierung führt zu erhöhter Leistung und Leistungsverbesserung vor allem dann, wenn die Situation als herausfordernd und wettbewerbsorientiert beschrieben werden kann. Eine Situation die charakteristisch ist für die Arbeit von Unternehmern. Daher sollte die Bedeutung von Leistungsorientierung in einem unternehmerischen Setting, deutlich zum tragen kommen. McClelland (1986) und Miron und McClelland (1979) fanden empirische Evidenz dafür, dass
Leistungsorientierung mit unternehmerischem Erfolg in Zusammenhang steht.
Als wichtige Aspekte des Konzeptes der Leistungsorientierung können die Personmerkmale Leistungsmotivation, Selbstwirksamkeit, internale
Kontrollüberzeugung und Selbstverwirklichung (Higher Order Need Strength)
beschrieben werden (vgl. auch Rauch, Frese & Sonnentag, 2000). Diese Aspekte der Leistungsorientierung können auf ihre Bedeutung hin für die unternehmerische Tätigkeit beschrieben werden. So müssen Unternehmer fortlaufend an ihren Zielen arbeiten, sie müssen ihre Leistung ständig verbessern, sie müssen die Verantwortung für die Ergebnisse ihrer Arbeit übernehmen, und sie müssen mit herausfordernden Aufgaben fertig werden (Begley & Boyd, 1987; McClelland, 1987b). McClelland (1987b) führt aus, dass Personen mit hoher Leistungsmotivation diese Eigenschaften zeigen. Nach McClelland (1987b) sind hoch leistungsmotivierte Personen bei herausfordernden Aufgaben erfolgreicher, sie bevorzugen Aufgaben, die persönliche Verantwortlichkeit verlangen, und sie sind einfallsreich hinsichtlich des Aufspürens neuer, besserer Wege, um ihre Leistung zu verbessern.
Kleinunternehmer bestimmen die Strategie und entwickeln die Vision ihres Unternehmens. Strategie und Vision müssen beide erfolgreich in Verhalten übersetzt werden. Daher muss ein Unternehmer überzeugt sein, die Kontrolle über den Erfolg seines Tuns zu haben, und er muss die Schritte erkennen, die zur Erreichung seiner Ziele notwendig sind. Individuen mit internaler Kontrollüberzeugung glauben an die Wirksamkeit ihres eigenen Verhaltens und glauben, dass persönlicher Einsatz der Hauptgrund für das Resultat ist. Daher sollte eine internale Kontrollüberzeugung für Kleinunternehmer eine nützliche Eigenschaft sein. Mehrere Studien unterstützen die Bedeutung von internaler Kontrollüberzeugung und von Leistungsmotivation für den Unternehmenserfolg (Cooper & Gimeno-Gascon, 1992; Box, White, & Barr, 1994;
Brockhaus, 1980; McClelland, 1986; Rauch & Frese, 2000a).
Die derzeitige Unternehmensforschung konzentriert sich verstärkt auf Selbstwirksamkeit (Boyd & Vozikis, 1994; Chen, Green & Crick, 1998; Krueger &
Braezel, 1994). Selbstwirksamkeit ist kein starres Konstrukt (oder Merkmal), sondern vielmehr ein aufgabenspezifisches Konstrukt, das die Entwicklung, Modifizierung und Erweiterung von Selbstwirksamkeit in Interaktion mit der Situation/ Umgebung vorsieht.
Selbstwirksamkeit ist verhaltensnäher als andere Eigenschaften und kann zur Vorhersage und Erforschung der Verhaltenswahl, Persistenz und Effektivität von Unternehmern herangezogen werden (Chen et al., 1998). Die Bedeutung von
Selbstwirksamkeit für Verhalten wird am klarsten in herausfordernden Situationen, die durch Risiko und Unsicherheit gekennzeichnet sind, was wiederum typisch ist für die unternehmerische Situation (Chen et al., 1998).
Eine anderes Personenmerkmal, das eng mit dem Bereich Unternehmertum in Verbindung steht, ist Selbstverwirklichung (Higher Order Need Strength).
Selbstverwirklichung beinhaltet arbeitsbezogene Bedürfnisse, die über das reine Bedürfnis nach Sicherheit (beispielsweise finanzieller Sicherheit) stark hinausgehen (Cook, Hepworth, Wall, & Warr, 1981, S. 133). Selbstverwirklichung (Higher Order Need Strength) ist wichtig für die unternehmerische Arbeit, weil es die Bereiche des
persönlichen Wachstums und der Entwicklung sowie die Bedürfnisse nach
Herausforderung, Leistung und Selbst-Aktualisierung integriert (Abdel-Halim, 1980, S.
337; Cook et al., 1981, S. 132).
4.1.1.2 Mediatoren: Innovativität und Initiative als unternehmerisches Verhalten
Innovativität. Viele Autoren betonen die Wichtigkeit von Innovativität als Strategie im unternehmerischen Prozess (Frese, 1995; Lumpkin & Dess, 1996; More, 1986;
Schumpeter, 1934, 1942). Innovativität ist ein Verhalten, das den Entrepreneur charakterisiert (Drucker, 1985). Drucker (1985, S. vii) sieht in der Innovation das Resultat zielgerichteten Verhaltens und systematischer Arbeit. West und Farr (1990)
definieren Innovation als “the intentional introduction and application... of ideas,
processes, products of procedures, new to the relevant unit of adaptation” (S. 9). Eine Innovation entfaltet sich in zwei Stadien. Das erste Stadium ist durch die kreative Generierung neuer und nützlicher Ideen gekennzeichnet (Amabile, Conti, Coon, Lazenby & Herron, 1996). Das zweite Stadium beinhaltet die Implementierung dieser Ideen (Amabile et al., 1996). Amabile et al. (1996), Drucker (1985) und West und Farr (1990) betonen vor allem den aktiven Teil des Innovationsprozesses bei ihrer Definition von Innovation. Innovativität betont gerade die aktive Herangehensweise an
Innovationen, und sollte deshalb von Patchens (1965) Konzept des
Innovationsinteresses unterschieden werden. Denn Innovativität geht über die Beschreibung eines reinen Interesses an Innovationen hinaus, es beschreibt das tatsächliche innovative Verhalten wie zum Beispiel das tägliche Bemühen, die eigenen Arbeitsabläufe zu verbessern. Im Zusammenhang mit Unternehmertum konnte die Bedeutung von Innovativität ebenso gezeigt werden. Beispielsweise Baum (1995) und Wiklund (1998) konnten zeigen, dass Innovativität einen signifikanten Effekt auf den Unternehmenserfolg hat.
Initiative. Eigeninitiative ist ein Verhaltenssyndrom, das durch selbst-startendes, proaktives und langfristig orientiertes Verhalten beschrieben wird und eine hohe Persistenz angesichts von Hindernissen beinhaltet (Fay & Frese, 2001; Frese & Fay 2001). Erfolgreiche Unternehmer sollten eher proaktiv sein als lediglich reaktiv auf Ereignisse zu reagieren (vgl. Kotey & Meredith, 1997; Lumpkin & Dess, 1996), denn Schwierigkeiten und Hindernisse begleiten ständig den unternehmerischen Prozess und sollten vorausschauend angegangen werden, um nicht in eine nachteilige Position gegenüber Wettberbern zu kommen. Unternehmer brauchen somit eine hohe
Eigeninitiative, um diese Hindernisse zu überwinden und um unablässig auf ihre Ziele
hin zu arbeiten. Eigeninitiative hat einige Ähnlichkeiten mit dem Konzept der
Innovativität, beinhaltet allerdings ein breiteres Verhaltenssyndrom. Denn Eigeninitiative ist notwendig für mehrere Aspekte der unternehmerischen Situation (wie zum Beispiel bei der Beschaffung eines Kredits) und ist nicht auf den reinen Innovationsprozess beschränkt (Fay, Sonnentag & Frese, 1998).
Eigeninitiative und Innovativität sollten wichtige Verhaltensweisen für einen erfolgreichen Unternehmer sein. Beide beziehen sich auf zentrale unternehmerische Aufgaben: die Veränderung und Verbesserung der Arbeit und des Arbeitsumfeldes.