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Symmetriebrechung und mesoskopischer Transport

1. Der Ballistische Gleichrichter

1.2. Symmetriebrechung und mesoskopischer Transport

1.2. Symmetriebrechung und mesoskopischer Transport

Ballistischer Transport in mesoskopischen Systemen basiert auf der idealisierten Annahme eines streu-ungsfreien Transports der Elektronen, wenn die Systemlänge kleiner als die mittlere freie Weglänge ist. Die Ausnahme bildet natürlich die Streuung der Elektronen an den Systemgrenzen, welche durch unendlich hohe Potenzialwände repräsentiert werden. Häufig ist eine semiklassische Beschreibung des Transports in solchen Systemen ausreichend [69]. Durch Untersuchungen des Transportverhaltens im linearen [16] und nicht-linearen [70] Regime gelangte man zu der Feststellung, dass die Probengeome-trie einen großen Einfluss auf die nicht-linearen Transporteigenschaften des Systems haben kann. Dies führte zu einer großen Anzahl experimenteller und theoretischer Untersuchungen von Systemen mit räumlicher Symmetriebrechung (z.B.[20,21,42,43,44,45,46,47,48,49,52]), die bis heute anhalten [71,72].

1.2.1. Semiklassische Betrachtung

Wir wollen uns hier auf die Untersuchung des (temperaturabhängigen) Gleichrichtungseffektes ei-nes Bauteils beschränken, das erstmals von Song et al. [20] durch Potenzialdeformierung mittels einer Anordnung eines Antidots in Dreiecksform auf einem Kreuzkontakt (cross junction)

herge-Abbildung 1.5.: Schematischer Aufbau des bal-listischen Gleichrichters nach Song et al. [20].

Die räumliche Symmetrie ist durch die Dreiecks-struktur in der Mitte der Kreuzkopplung gebro-chen. Die Vierpunktmessung des Widerstands ist RQS,UO, dass heißt der StromIQSFließt zwischen (Q)uelle und (S)enke, während die SpannungVUO über die Kontakte (U)nten und (O)ben abfällt.

Der Verlauf des in Kantennähe als harmonisch an-genommenen Potenzials in den Quer- und Längs-stücken und um den Symmetriebrecher ist durch einen Farbverlauf gekennzeichnet.

stellt wurde (siehe Abb. 1.5). Wie in [21] ge-zeigt wurde, ist das naive Bild des Billards mit

“mehr nach unten gestreuten Elektronen” bei ei-nem Stromfluss IQS, der aus einer zwischen den Anschlüssen Q und S (Quelle und Senke) ange-legten Spannung resultiert falsch, da die Onsager-Casimir-Reziprozitätsbeziehung

RQS,UO =RUO,QS

nach Gleichung (1.15) zusammen mit der Sym-metrieeigenschaft bei einem Stromfluss IUO zwi-schen oberem und unterem Kontakt ergibt, dass für die sich einstellenden PotenzialeµQ=µS, d.h.

VQS= 0 gelten muss und damit auch die Wider-stände identisch verschwinden müssten. Die expe-rimentellen Befunde scheinen aber genau die nai-ve Herangehensweise zu stützen. Der Widerspruch wurde durch die in [21] aufgestellte mikroskopi-sche Theorie aufgelöst, indem die

Energieabhän-gigkeit der ModenzahlM(E) berücksichtigt wurde, wobei der Gleichrichtungseffekt durch ein Zusam-menwirken von quasiklassischen (breiten) und quantisierten (schmalen) Transportkanälen verursacht wird. Die Anzahl der Moden in quantisierten Kanälen ist über einen großen Energiebereich konstant, während in quasiklassischen KanälenM(E)∝√

E gilt. Eine Betrachtung der sich einstellenden chemi-schen Potenziale im thermodynamichemi-schen Gleichgewicht unter Beachtung der Energieerhaltung liefert für breitere Kanäle dann erhöhte chemische Potenziale µp > µQ2 S, die den Gleichrichtungseffekt

(a) (b)

Abbildung 1.6.:Maximumsnormierte Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichte der Streuwellenfunktionen des bal-listischen Gleichrichters für einfallende ebene Wellen zur Energie(a)E=18.5für die1. Mode und(b)E=112 für die 6. Mode. Für kleine Energien (Fall (a)) ist im Eingangskanal (links) nur eine Mode aktiviert. Es wird nur ein kleiner Teil dieser Mode an der schmalen Seite des Symmetriebrechers nach oben durchgelassen, da die Energie hier zu niedrig ist, um eine vollständige Mode hindurchzuleiten. Der Großteil der Welle wird in den breiten unteren Kanal und zurück in den Eingangskanal gestreut. Bei höheren Energien sind mehrere Mo-den des Eingangskanals (im Fall (b) sind es 10) aktiviert und deshalb kann mit größerer Wahrscheinlichkeit an der schmalsten Stelle des Symmetriebrechers vorbeigestreut werden, da nun auch hier – energetisch gese-hen – mehrere Moden aktiviert sind (im Bild sind es 4). Die grauen Flächen stellen die Systemgrenzen der Halbleiter-Nanostruktur dar.

erklären können.6 Des Weiteren ist, da jede Mode ein und desselben Anschlussleiters den gleichen Energieanteil trägt, der Beitrag zum Nettostrom, den eine neu hinzugekommene Mode eines schmalen Transportkanals auf die Veränderung der ein- und auslaufenden Ströme hat größer, als dies bei einem quasiklassischen Transportkanal der Fall ist. Damit ist es möglich, dass sich für den Spannungsabfall VUO auch Vorzeichenwechsel ergeben. Bezüglich der Temperaturabhängigkeit des Gleichrichtungsef-fektes durchgeführte Untersuchungen von Löfgren et al. [49] undde Haan et al.[52,53] konnten den in [21] vorhergesagten Vorzeichenwechsel bei der Messung der Gleichrichtungsspannung experimentell bestätigen. Eine semiklassische Betrachtung unter Berücksichtigung der Temperaturabhängigkeit ist ebenfalls möglich, da die thermischen Effekte durch die Fermi-Verteilung miteinbezogen werden. Al-lerdings darf die gewählte Temperatur nicht zu groß sein, da man anderenfalls das ballistische Regime verlässt. In der semiklassischen Näherung ergeben sich Integrale über Produkte aus Fluktuationen der Transmissionskoeffizienten Tpq(E)=Tpq·Mq(E) mit der Fermi-Verteilungfp(E), die die analytischen Lösungen für ein- und auslaufende Ströme aus den Gleichungen (1.9) und (1.10)

Ip+p, T) = 2e h

X

n

kBT lnexpεp,nµp

kBT

+ 1+µp+εp,n (1.44) Ip(µp, T) =X

q

TpqIq+(µp, T) (1.45)

mit TemperaturTTp besitzen. Dazu werden auch die als energieunabhängig angenommenen Trans-portkoeffizientenTpq benötigt, die z.B. aus klassischen Simulationen gewonnen werden können.

1.2.2. Quantenmechanische Betrachtung

In Abbildung 1.6 sind beispielhaft zwei Streuwellenfunktionen der quantenmechanischen Simulation des ballistischen Gleichrichters nach der in Unterkapitel1.1vorgestellten Methode für einfallende

ebe-6 Für eine detaillierte technische Beschreibung der sich einstellenden Potenziale sei auf [21] verwiesen.

1.2. Symmetriebrechung und mesoskopischer Transport 21

ne Wellen einer niedrigen und einer höheren Energie dargestellt, die sich durch Lösung von Gleichung (1.35) ergeben. Anhand der Streuwellenfunktionen lässt sich bereits das modenbezogene Verhalten des Gleichrichters voraussagen (siehe Bildunterschrift in Abb. 1.6). Die energieabhängigen Streuwel-lenfunktionen werden des Weiteren benötigt, um die TransmissionskoeffizientenTpq des ballistischen Gleichrichters mittels der Gleichungen (1.33) und (1.6) zu berechnen. Zuvor wollen wir nochmals kurz auf die semiklassische Betrachtung zurückblicken, um die Notwendigkeit quantenmechanischer Berech-nungen herauszustellen.

Die Transmissionswahrscheinlichkeiten als energieunabhängige Größen zu betrachten ist nur bei ein-fachen Geometrien mit ausgeprägten Transportkanälen eine gute Näherung. Bei der vollständigen Berücksichtigung der Geometrie der Probe jedoch gilt Tpq =Tpq(E)6=const und die semiklassische Beschreibung bricht zusammen, da die Energiebilanzen nicht aufgestellt werden können. An dieser Stelle wollen wir ansetzen und die energieabhängigen Transmissionskoeffizienten mithilfe des quanten-mechanischen Streumatrixformalismus bestimmen. Temperatureffekte werden hierbei durch die in der Energiebilanz auftretenden Fermi-Verteilungen berücksichtigt. Wie wir sehen werden sind wir damit in der Lage, den Vorzeichenwechsel des Spannungsabfalls VUO bei der temperaturabhängigen Vier-punktmessung des Gleichrichters zu verifizieren.

Die aus der Simulation erhaltenen Transportkoeffizienten TU Q(E) und TOQ(E) sind zum Vergleich zusammen mit den Funktionen der semiklassischen Näherung in Abbildung1.7dargestellt. Im Fall des nach unten gerichteten Ausgangs ergibt sich eine gute Übereinstimmung mit der semiklassischen Nä-herung, da die Breite des Transportkanals bezüglich der Fermi-Wellenlänge groß ist (wUQλF) und wir uns im klassischen Regime befinden. Für den nach oben gerichteten Transport gilt diese Näherung nicht, denn für die schmalste Stelle des Transportkanals gilt wOQλF, zu erkennen an den starken Fluktuationen verursacht durch quantenmechanische Streueffekte. Im Allgemeinen gibt – bei einfachen Geometrien – die schmalste Stelle des zu betrachtenden Bauteils zwischen zwei Anschlussleitern die maximale Anzahl der zum Transport beitragenden Moden vor, wobei der semiklassische Ausdruck für die Transmissionskoeffizienten

Tpq(E)≈ wpq

π

√2E , (1.46)

eine Näherung mitwpq=min{Wp, Wq}als minimaler Abstand des Transportkanals zwischen Leiter p undq – inklusive der Leiter selbst – angibt. Diese Näherung besitzt Gültigkeit für den potenzialfreien AnschlussleiterV(y)=0, wobei diese Abschätzung aus den Eigenwerten der transversalen Moden ohne Potenzial resultiert. Im Falle von weichen Wänden7, die mithilfe eines harmonischen Potenzials V(y) = 12ω02y2 an den Kanten des Anschlussleiters modelliert werden, gilt für schmale Anschlussleiter in der harmo-nischen Näherung ein linearer Zusammenhang der Transportkoeffizienten in Abhängigkeit der Stärke des harmonischen Potenzials ω0

Tpq(E)∝ E

ω0 (1.48)

(siehe Gleichung (C.11) im Anhang). Aufgrund der Symmetriebedingung an die Transportkoeffizienten

7 Dieser Begriff bezieht sich auf die Beschaffenheit des Potenzials. Bei harten Wänden erfolgt ein sprunghafter Übergang an den Systemgrenzen, dargestellt durch unendlich hohe Potenzialwände. Weiche Wände hingegen beschreiben eine kontinuierliche Erhöhung des wandnahen Potenzials, beispielsweise parabolisch.

0 1000 2000 E 3000

Abbildung 1.7.: Transportkoeffizienten des ballistischen Gleichrichters [20] für verschiedene Stärken des har-monischen Potenzialsω0 berechnet mit Streumatrixformalismus für(a) TU Q(E)und (b)TOQ(E). Zum Ver-gleich sind die semiklassischen Näherungen fürT(sk)pq (E)nach Gleichungen (1.46) (gestrichelte schwarze Linien:

ω0=0) und (1.48) (gestrichelte blaue Linien:ω02=1000, gestrichelte rote Linien:ω20=2000) ebenfalls eingezeich-net. Für die Bezeichnung der Kontakte siehe Abb. 1.5. Für (a) ergibt sich eine gute Übereinstimmung mit der semiklassischen Näherung, während sich für den Fall (b) stärkere Abweichungen durch Fluktuationen ergeben, da quantenmechanische Effekte wirksam werden. Das harmonische Potenzial in den Randbereichen der Leiter bewirkt für schmale Leiter einen linearen Zusammenhang zwischen Energie und Transportkoeffizienten. Für den Fall ω0= 0 wurde zusätzlich eine lineare Regression für TOQ durchgeführt (Bezeichnung T(linear)OQ ), um zu verdeutlichen, dass das tendenzielle Verhalten vonTOQ zwischen linearem und semiklassischem Verlauf liegt.

Eine Regression fürTOQ(ω0=0)∝Eα liefertα=34 (grüne gestrichelte Linie).

Tpq(E)=Tqp(E)und wegenTpp(E)=Mp(E)−Pq6=pTpq(E)müssen nur6der insgesamt16 Transport-koeffizienten zur vollständigen Beschreibung des Systems bestimmt werden8, wobei hier aus Gründen der Übersichtlichkeit in Abbildung 1.7 nur zwei Transportkoeffizienten, TU Q und TOQ, dargestellt sind.

Für die Berechnung der chemischen Potenziale zum angelegten Strom benötigen wir die Fermi-Energie.

Die Ladungsträgerdichte für den experimentellen Aufbau nach [20] ist mitn2DEG≈5·1011cm−2 ange-geben. Damit berechnet sich die Fermi-Energie näherungsweise zu

µF = ~2kF2

2m = n2DEGπ~2

m ≈18 meV

mitm= 0.065me als effektive Masse der Elektronen in GaAs. Der Strom kann nun über die Trans-missionskoeffizienten

8 Die4×4-Matrix Tder TransportkoeffizientenTpq ist symmetrisch, d.h. die6 Elemente der unteren Dreiecksmatrix sind bekannt. Die4Diagonalelemente sind über die bekannte ModenzahlMp(E)in den Anschlussleitern bestimmt.

1.2. Symmetriebrechung und mesoskopischer Transport 23

-40 -20 0 20 40

ISQ [µA]

-0.2 0 0.2 0.4

VUO [mV]

Qantenmechanisch Semiklassisch

Abbildung 1.8.:Gleichrichtungseffekt mit Vorzeichenwechsel der SpannungVUOim ballistischen Gleichrichter fürω0= 0 beiT= 0.02·TF= 4.2 Kin Abhängigkeit vom Stromfluss ISQ. Gegenübergestellt sind die Ergebnisse der Modelle der semiklassischen (blau) und des quantenmechanischen (schwarz) Ansatzes. Es ist eine gute Über-einstimmung zu beobachten. Die Abweichungen bei kleinen Strömen (kleine Energien) liegen in der schlechteren Approximation des semiklassischen Modells fürTOQ(E)in diesem Bereich begründet (vgl. auch Abb.1.7b).

berechnet werden [73].

Im Fall konstanter TransportkoeffizientenTS←q(E)=constwird nur über Differenzen der Fermi-Funk-tionen integriert, was bei tiefen Temperaturen den Beitrag (µQ−µS) liefert (hier gilt µO=µU). Die Integrationsgrenzen in Gleichung (1.49) können dann als µS und µQ gewählt werden, da sich wegen T→0 Stufenfunktionen ergeben. Für höhere Temperaturen verschieben sich die Integrationsgrenzen um einige kBT, da die thermische Verbreiterung der Zustandsdichte berücksichtigt werden muss [74].

Dies liefert – wenn auch nicht sofort offensichtlich – den gleichen Beitrag (µQ−µS) zum Strom [54].

Im Fall energieabhängiger TransportkoeffizientenTSq(E)6=const, wie in Abbildung1.7 mit Quanten-fluktuationen bedingt durch die komplizierte Geometrie der Probe, bewirkt eine Integration mit der Differenz der Fermifunktionen bei TemperaturenT >0 eine Glättung. Dieses Verhalten wird auch in Abbildung1.8wiedergegeben. Als wichtiges Ergebnis fanden wir, das aufgrund dieser Bias-Integration daher nur das unterschiedliche tendenzielle Verhalten der Transportkoeffizienten wichtig für den Strom-verlauf ist, da scharfe Resonanzen bzw. Fluktuationen durch Multiplikation mit den Fermi-Funktionen und die Bias-Integration ausgeschmiert werden. Für die Geometrie des ballistischen Gleichrichters fan-den wir die Abhängigkeiten der Transportkoeffizienten TUQ(E)∝√

E und TOQ(E)∝Eα (Abb. 1.7) mitα=34 im Fall ω0=0, was dann zur selbstkonsistenten Einstellung der unterschiedlichen effektiven Potenziale µp mitµQ≥µpµS undp={O,U} in Abhängigkeit vom Stromfluß ISQ führt.

Die Ergebnisse aus der numerischen Berechnung der einlaufenden Ströme Ip+ und der auslaufenden Ströme Ip im Falle der Vierpunktmessung RSQ,UO mithilfe der berechneten Transportkoeffizienten Tpq(E) unter Berücksichtigung der sich einstellenden Potenziale µQµpµS mit p={O,U} sind im VUO-ISQ-Diagramm in Abbildung 1.8 dargestellt. Es ergibt sich eine gute Übereinstimmung mit der semiklassischen Näherung aus [21], wobei auch der vorhergesagte Vorzeichenwechsel vonVUL sehr gut wiedergegeben wird.